Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 1653/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2357/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückzugewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung).
Bei dem 1940 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 30.10.2006 in Ausführung eines vom Beklagten im vor dem Sozialgericht Ulm (SG) geführten Verfahren S 11 SB 1510/06 abgegebenen und vom Kläger angenommenen Anerkenntnisses ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 seit 28.11.2005 festgestellt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" (Rundfunkgebührenbefreiung) war bereits mit Bescheid vom 09.04.1991 seit 18.10.1990 und für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) mit Bescheid vom 09.01.2006 anerkannt worden.
Am 22.03.2006 beantragte der Kläger die Feststellung des Merkzeichens "aG", da beim Gehen in der Ebene nach ca. 80 Metern seine Herzschmerzen zunehmen würden. Sie zwängen ihn zum Stehenbleiben und zur Medikamenteneinnahme. Zur Unterstützung seines Begehrens legte er das ärztliche Attest des Internisten Dr. A. vom 02.03.2006 vor, wonach beim Kläger seit 1994 eine ausgeprägte koronare Herzkrankheit, die zu mehreren Stent-Implantationen geführt habe, besteht. Der Tatbestand einer außergewöhnlichen Gehbehinderung liege vor.
Mit Bescheid vom 23.11.2006 lehnte der Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme von Dr. B. vom 10.11.2006 die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ab. Dr. B. führte in seiner Stellungnahme aus, dass die Belastbarkeit mit 75 Watt angegeben werde und auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Angina pectoris bereits bei 50 Watt auftrete, der insoweit zuerkannte GdB von 60 zutreffend sei. Hiermit und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die mit 80 Metern angegebene Gehstrecke nicht von Anfang an mit größter Anstrengung zu bewältigen sei und in Analogie zu einer arteriellen Verschlusskrankheit mit aG-begründender Gehstreckenbegrenzung auf 50 Meter, könne "aG" nicht zuerkannt werden. Die Funktionsbeeinträchtigungen bezeichnete und bewertete Dr. B. wie folgt: "Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, Angina pectoris (50 Watt), Koronardilatation, Stent-Implantation, Bluthochdruck" (Teil-GdB 60); "Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen" (Teil-GdB 50); "Operierter Bandscheibenschaden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen" (Teil-GdB 30); "Schlafapnoe-Syndrom" (Teil-GdB 20).
Den vom Kläger eingelegten Widerspruch, dem er ein weiteres Attest des Dr. A. vom 14.02.2007 beifügte, in dem dieser eine deutliche Befundverschlechterung seit Anfang Februar 2007 und bereits unmittelbar nach dem Aussteigen aus dem PKW jetzt häufig auftretende Brustschmerzen beschrieb, so dass sich der Kläger nur mit großer Anstrengung bewegen könne und bereits nach 50 Meter zur Einnahme von Herzmedikamenten stehen bleiben müsse, wies der Beklagte nach Einholung einer weiteren Stellungnahme von Dr. B. mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2007 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 26.04.2007 unter Hinweis auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren und Vorlage eines ärztlichen Attestes des Internisten Dr. C. vom 17.05.2007 (bei komplexem atherogenem Risikoprofil besteht vordergründig eine koronare Herzerkrankung mit Zustand nach wiederholter Angioplastie und Stent-Implantationen, über die Progredienz der KHK in den letzten Monaten erfahre der Kläger inzwischen bei alltäglichen Verrichtungen - u.a. kurzes Gehen auf Ebene - thorakale Schmerzen und sei auf kardiale Bedarfsmedikation angewiesen) Klage zum SG erhoben.
Das SG hat die Kardiologen Prof. Dr. D., Dr. E. und PD Dr. F., Dr. A. und Dr. C. als sachverständige Zeugen gehört.
Prof. Dr. D. hat unter dem 04.06.2007 Herzkatheterberichte vom 01.04. und 02.11.2004 sowie 05.03.2007, den Bericht über eine Becken-Bein-Angiographie vom 05.03.2007 und den Bericht über eine Thallium-Szintigraphie vom 06.03.2007 übersandt. Nach der Becken-Bein-Angiographie bestand eine 50 %-ige Stenosierung der A. iliaca com. rechts und ein visuell leichtgradiges Aneurysma Aorta abdominalis. Ausweislich des Herzkatheterberichts vom 05.03.2007 war das Langzeitergebnis gut und die LV-Funktion normal. Bei der Thallium-Szintigraphie konnte der Kläger bis 150 Watt belastet werden, bei maximaler Belastung bestand ein starker retrosternaler Druck ohne ischämietypische ST-Streckensenkungen.
Dr. E. hat unter dem 11.06.2007 unter Beifügung eigener und an ihn gerichteter Arztbriefe seit 2001 ausgeführt, es bestehe bei koronarer Herzkrankheit und Zustand nach mehrmaliger Koronarintervention eine hochgradige Einschränkung der Aktivitäten des täglichen Lebens bis hin zu Angina pectoris-Beschwerden bereits beim Gehen in der Ebene nach weniger als 50 Metern.
Dr. A. hat im Juni 2007 mitgeteilt, der Kläger leide unter einer koronaren 3-Gefäß-Erkrankung, einem arteriellen Hypertonus und einer Hyperlipidämie. Der aktuelle Blutdruck sei mit 140/80 mmHg gemessen worden. Trotz zahlreicher Koronarinterventionen bestehe eine ausgeprägte Angina pectoris bereits beim Aussteigen aus dem Auto nach weniger als 50 Metern Gehstrecke in der Ebene. Anschließend sei der Kläger auf Nitro-Spray angewiesen. Dr. A. hat neben bereits bekannten Arztbriefen den Laborbefund vom 08.12.2006 beigefügt.
Dr. C. hat unter dem 12.07.2007 den letzten Laborstatus des Klägers vorgelegt und mitgeteilt, dass seines Erachtens beim Kläger die Voraussetzungen für das Merkmal "aG" vorlägen.
PD Dr. F., Ostalbklinikum Aalen, hat unter dem 30.06.2007 bekundet, beim Kläger seien eine koronare Herzkrankheit, ein Schlafapnoe-Syndrom, eine Antrumgastritis sowie multiple kleine Ulcera im Duodenum, eine hochgradige Stenose der Arteria vertebralis rechts distal sowie mittel- bis hochgradige Stenose der Arteria vertebralis links im V3-Abschnitt und eine hochgradige Stenose der Arteria basilaris, eine hochgradige intracranielle Stenose der Arteria Carotis interna rechts, ein Bandscheibenprolaps links lateral C6/C7, eine Spondylosis der Brustwirbelsäule, ein Karpaltunnelsyndrom links mit spontaner Besserung, eine Urolithiasis, eine chronische Nephropathie, ein Zustand nach Hydrozelen Operation, eine Hodenbruchoperation 1994 und eine Appendektomie 1978 sowie eine Penicillinallergie diagnostiziert worden. Während des stationären Aufenthalts vom 07.02. bis 09.02.2007 habe sich der arterielle Blutdruck des Klägers unter Medikation im Normbereich befunden. Am 08.02.2007 habe der Kläger bis maximal 75 Watt für 1 Minute 31 Sekunden belastet werden können. Die hochgradigen Stenosen der hirnversorgenden Arterien seien als sehr schwerer Befund zu werten, da es bereits zu einem symptomatischen Schwindel gekommen sei. Dem Kläger sei empfohlen worden, sich deshalb bei Prof. Henkes, Chefarzt der Neuroradiologie des Krankenhauss Stuttgart, vorzustellen. Nach eigenen Beobachtungen könne der Kläger eine Gehstrecke von ca. 20 bis 30 Metern zurücklegen, müsse dann allerdings wegen der Angina pectoris-Beschwerden eine Erholungspause einlegen. PD Dr. F. hat den Arztbrief über den stationären Aufenthalt des Klägers im Ostalbklinikum Aalen vom 01.07. bis 09.07.2007 beigefügt.
Für den Beklagten hat hierzu Dr. K. ausgeführt, dass bei der wiederholt beschriebenen Limitierung der Gehstrecke durch die leichte Belastung eine Erhöhung des Teil-GdB für die koronare Herzerkrankung auf 70 begründet sei. Von einer Herzschädigung mit schweren Dekompensationsstörungen oder Ruheinsuffizienz, die einen GdB von 80 bedingen würde, sei jedoch nicht auszugehen. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" seien nicht erfüllt.
Der Kläger hat hierauf weitere Arztbriefe des Klinikums Stuttgart - Krankenhaus - aus der Zeit zwischen dem 18.07.2007 und 16.01.2008 (November/Dezember 1997: Belastung bis 100 Watt; zuletzt im Januar 2008: Vorstellung zur DSA-Kontrolle/Intervention; konnte aus technischen Gründen nicht wie geplant durchgeführt werden), Arztbriefe des Ostalbklinikums vom 09.07., 21.11. und 20.12.2007 (zuletzt: Aufnahme wegen eines akuten Schwankschwindels und Sehstörungen, Beschwerden besserten sich im Verlauf, eventuell Zusammenhang mit der antihypertensiven Medikation; Gangbild bei Aufnahme: breitbasig, sonst unauffällig), Arztbriefe des Dr. E. vom 24.01.2008 (kardiale Situation stabil) und 17.07.2008 (Situation stabil) sowie Atteste des Dr. A. vom 16.09.2008, des Dr. L. vom 19.09.2008 und des Dr. C. vom 25.10.2008 vorgelegt.
Mit Urteil vom 18.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei den im Straßenverkehrsgesetz und den entsprechenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Personen, denen das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen sei, nicht zuzuordnen. Er könne diesem Personenkreis auch nicht gleichgestellt werden. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine Gleichstellung rechtfertigten, seien beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder hoher Insuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen. Beim Kläger liege zwar eine schwere koronare Herzerkrankung vor, aber kein Herzschaden mit schweren Dekompensationserscheinungen und keine Insuffizienz. Ein GdB von 80 könne für die Herzerkrankung nicht anerkannt werden. Maßgebend sei, dass beim Kläger zwar bereits bei geringer Belastung Angina pectoris-Beschwerden aufträten, dass er jedoch noch am 06.03.2007 bis 150 Watt belastbar gewesen sei, und auch aus dem Bericht des PD Dr. F. vom Juni 2007 ergebe sich noch eine Belastbarkeit bis 75 Watt. Selbst wenn den vom Kläger ergänzend vorgelegten Briefen des Dr. E. eine weitere Verschlechterung der kardiologischen Situation zu entnehmen sei, so ergebe sich noch keine Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe.
Gegen das am 21.04.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.05.2009 (Tag nach Christi Himmelfahrt) Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, sein Krankheitsbild habe sich deutlich verschlechtert. Dies ergebe sich daraus, dass er am 06.03.2007 noch bis 150 Watt, im Juni 2007 dann aber nur noch bis 75 Watt belastbar gewesen sei, und folge aus dem Arztbrief des Dr. E. vom 17.07.2008 und dem Attest von Dr. C. vom 25.10.2008.
Der Senat hat hierauf zunächst Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. C. und des Dr. E ...
Für Dr. C. hat Dr. A. unter dem 14.07.2009 unter Beifügung weiterer Arztbriefe, unter anderem des Ostalbklinikums Aalen vom 28.05.2009 (orientierende neurologische Untersuchung unauffällig, Belastungs-EKG vom 27.05.2009: maximale Belastung bis 75 Watt) des Krankenhauss Stuttgart vom 12.05.2009 (Herzkatheteruntersuchung vom 07.05.2009: aktuell hochgradige Stenosen im RD I sowie etwa 50 % Instent Stenose im Bereich des RIVA Stents, primär komplikationslose Implantation von insgesamt drei BMS; Ergometrie vom 12.05.2009: Belastung bis 50 Watt) vorgelegt und ausgeführt, der Gesundheitszustand des Klägers habe sich seit Juli 2007 erheblich verschlechtert. Neben der Zunahme der KHK-Beschwerden sei es seit dieser Zeit zu zunehmenden Kopfschmerzen, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen gekommen. Ursächlich hierfür seien die rezidivierenden cerebro-vaskulären Stenosen. Zusätzlich sei im Februar 2009 im rechten Auge eine Glaskörperblutung aufgetreten, im Mai 2009 sei es zu einer ischämischen Opticusneuropathie gekommen.
Dr. L. hat unter dem 10.07.2009 mitgeteilt, der Kläger klage seit August 2008 über eine zunehmende Belastungsdyspnoe. Bei einer Kontrolluntersuchung im März 2009 hätte keine im Alltag bestehende Angina pectoris bestanden, da die Alltagsaktivitäten durch die neurologische Problematik weitestgehend eingeschränkt seien. Ergänzend hat Dr. E. einen eigenen Arztbrief vom 05.03.2009, eine Fettstoffwechselanalyse von Prof. Dr. R. vom 20.03.2009, einen Arztbrief des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 09.10.2008 (keine zentralen, radikulären oder einem peripheren Nerven zuordenbare sensomotorische Defizite, bei den geklagten Kopfschmerzen handele es sich um einen chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp, bei dem geklagten Schwindel handele es sich am ehesten um einen hirnstammbedingten Schwindel aufgrund der gestörten Perfusion im vertebro-basilären Stromgebiet) und den Entlassungsbericht des Krankenhauss Stuttgart vom 23.06.2008 (Belastungs-EKG: 20.05.2008 125 Watt) vorgelegt.
Der Kläger hat im Anschluss daran vorläufige Arztbriefe des Krankenhauss vom 26.06.2009 (Stent-PTA am 18.06.2009, frischer Hörsturz mit starkem unsystematischem Schwindelgefühl und Erbrechen sowie Hörminderung am 20.06. mit leichter Besserung nach zwei Tagen) und 01.09.2009 (noch deutliche Stenosen im kavernosalen bzw. paraklinoiden Abschnitt der ICA beidseits, hochgradige In-Stent-Stenose der linken A. vertebralis im V1-Abschnitt, die mit Ballon vollständig beseitigt wird, im Übrigen unveränderte bzw. regelrechte Darstellung der Gefäße), einen Arztbrief des Dr. E. vom 14.07.2009 (im Rahmen einer Tachyarrythmie Angina pectoris-Beschwerden; was die sozialgerichtliche Problematik anbetrifft, scheint mir die neurologische Situation mit Schwindel und Gangstörung am ehesten geeignet, die Sache zum Abschluss zu bringen) und ein Attest des Dr. S. vom 19.08.2009 (Gangbild unsicher, ataktisch, freier Stand und Gang gerade noch möglich, ausgeprägtes, ungerichtetes Schwanken im Romberg, Rollator im Alltag) vorgelegt und ergänzend darauf hingewiesen, dass er sich auch bei dem Internisten und Neurologen (richtig: Nephrologen) Dr. C. in Behandlung befinde.
Hierauf hat der Senat weiter Beweis erhoben durch Einholung einer sachverständigen Zeugenauskunft bei Dr. C., der unter dem 28.09.2009 mitgeteilt hat, bezüglich der Nierenorganfunktion bestehe ein stabiler Verlauf.
Für den Beklagten hat sich hierzu Dr. Wolf unter dem 07.12.2009 dahingehend geäußert, dass beim Kläger eine Gehstörung in einem solchen Ausmaß, dass hieraus eine außergewöhnliche Gehbehinderung resultieren könnte, nicht als objektiviert anzusehen sei. Dies gelte insbesondere für die bestehende Herzinsuffizienz. Auch auf Grund der Hinweise auf eine mögliche psychogene Symptomüberlagerung, welche möglicherweise auch zu einer vermehrten Unsicherheit beim Gehen führe, könne man nicht zur Überzeugung gelangen, dass sich der Kläger tatsächlich von den ersten Schritten an nur mit großer Anstrengung außerhalb eines Kraftfahrzeugs bewegen könne.
Der Kläger hat sodann noch zwei weitere vorläufige Arztbriefe des Krankenhauss vom 20.10.2009 (Neuro-DSA mit der Empfehlung Kontroll-DSA) und 14.11.2009 (Anamnese: nach einigen Schritten treten AP-Beschwerden sowie Dyspnoe auf, die wieder abklingen, wenn der Kläger eine Pause macht; orientierende neurologische Untersuchung unauffällig; Kontroll-DSA: aktuell keine Intervention; Gastroskopie; Koloskopie; Extraktion eines Weisheitszahnes; Katarakt-OP) übersandt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. März 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Merkzeichen außergewöhnliche Gehbehinderung (aG) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angegriffene Urteil des SG ist in der Sache nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten vom 23.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2007 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" hat.
Wegen der für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Nach Auffassung des Senats ist die Berufung bereits aus den vom SG ausführlich und zutreffend dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auch auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung.
Ergänzend ist im Hinblick auf die vom Senat getätigten Ermittlungen Folgendes auszuführen:
Unstreitig besteht beim Kläger eine koronare Herzerkrankung, die mit Stenosen verbunden ist und seit 1994 immer wieder Stent-Implantationen erfordert. Die letzte PTA erfolgte am 18.06.2009. Bei der im Krankenhaus im August 2009 durchgeführten Kontrolle zeigte sich eine unveränderte Darstellung der A. carotis int bds. ohne Nachweis von Rezidiv-Stenosen oder Befundprogredienz bei allerdings noch deutlichen Stenosen im kavernosalen bzw. paraklinoiden Abschnitt der ICA beidseits und eine hochgradige In-Stent-Stenose der linken A. vertebralis im V1-Abschnitt, die mit Ballon jedoch vollständig beseitigt wurde. Die am 10.11.2009 erfolgte Kontroll-DSA erforderte keine Intervention. Belastbar war der Kläger bei dem am 12.05.2009 im Krankenhaus durchgeführten Belastungs-EKG bis 50 Watt. Am 27.05.2009 gelang ihm im Ostalbklinikum eine maximale Belastung bis 75 Watt. Der maximale Blutdruck betrug hierbei 130/87 mmHg. Signifikante ST-Streckenveränderungen zeigten sich nicht. Seit der letzten PTA wurde kein Belastungs-EKG mehr erstellt. Im Juli 2009 erfolgte eine außerplanmäßige Vorstellung des Klägers bei Dr. E. wegen in der Nacht mehrfach aufgetretener Angina pectoris-Anfälle mit nur passagerem Ansprechen auf Nitroglyzerin und mit arhythmischem Herzrasen. Dr. E. maß bei der Vorstellung einen rhythmischen Puls von 68/Minute und einen Blutdruck von 160/90 mmHg. Die Herztöne waren rein und ohne pathologische Geräusche. Er empfahl, die Therapie zu intensivieren. Bei der Untersuchung durch den Internisten und Nephrologen Dr. C. am 22.07.2009 war der Kläger ödemfrei, der Blutdruck wurde mit 135/75 mmHg gemessen. Im Krankenhaus wurde der Blutdruck im November 2009 mit 130/70 mmHg gemessen. Damit ist es zwischenzeitlich zweifelsohne nicht zu einer Besserung der Herzerkrankung des Klägers gekommen. Es ist jedoch auch keine weitere Verschlechterung eingetreten. Wie im Juni 2007 war der Kläger auch im Mai 2009 und damit noch vor der letzten PTA bis 75 Watt belastbar. Der Blutdruck wurde in der Regel im Normbereich gemessen. Signifikante ST-Streckenveränderungen waren nicht feststellbar. Echokardiographisch wurde im Ostalbklinikum am 03.02.2009 nur eine leichtgradig reduzierte Ejektionsfraktion des Herzens festgestellt. Der Einschätzung von Dr. K. folgend ist die Leistungsbeeinträchtigung des Klägers nach Teil B Nr. 9.1.1 der VMG mit einem GdB von 70 angemessen bewertet. Ein GdB von 80, der eine Gleichstellung mit den im Straßenverkehrsgesetz und den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften genannten Behinderten, denen das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen ist, rechtfertigen würde, liegt - noch - nicht vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der vom Kläger beklagten Angina pectoris-Beschwerden, nachdem diese ausweislich der eigenen Angaben des Klägers im Krankenhaus anlässlich des stationären Aufenthalts im November 2009 zwar nach einigen Schritten auftreten, auf eine Pause hin aber wieder abklingen. Sie wirken sich deshalb auf das Gehvermögen des Klägers nicht so massiv aus, dass er quasi ab dem ersten Schritt auf fremde Hilfe angewiesen wäre oder sich nur mit größten Anstrengungen fortbewegen könnte.
Eine außergewöhnliche Gehbehinderung lässt sich auch nicht mit dem vom Kläger beklagten Schwindel, dessen Ursache in den rezidivierenden cerebro-vaskulären Stenosen bzw. dem am 20.06.2009 erlittenen Hörsturz zu sehen sein dürfte, rechtfertigen. Zwar beschreibt Dr. Seiler in seinem ärztlichen Attest vom 19.08.2009 das Gangbild des Klägers als unsicher und ataktisch. Im Romberg bestehe ein ausgeprägtes, ungerichtetes Schwanken. Der Kläger benötige einen Rollator zur Sicherung. Auf der anderen Seite ist dem Kläger nach diesem Attest der freie Stand und Gang, wenn auch gerade noch, aber doch noch möglich. Die Gehstrecke des Klägers beträgt nach der Anamnese 50 bis 100 Meter. Es besteht weder ein Spontan-, noch ein Lage- oder Lagerungsnystagmus. Über Stürze aufgrund des Schwindels wird in den ärztlichen Unterlagen nicht berichtet, auch der Kläger schildert solche nicht. Nach dem vorläufigen Arztbrief des Krankenhauss vom 26.06.2009 hat sich die Schwindelsymptomatik nach dem im Juni 2009 diagnostizierten Hörsturz nach erfolgter Therapie und Beübung auch wieder gebessert und die orientierende neurologische Untersuchung wird von den Ärzten des Krankenhauss (zuletzt November 2009) und des Ostalbklinikums (u.a. 03.02.2009) sowie auch durch Dr. Seiler im Arztbrief vom 09.10.2008 als unauffällig beschrieben, so dass eine Gehstörung in einem solchen Ausmaß, dass hieraus eine außergewöhnliche Gehbehinderung resultieren könnte, nicht objektiviert ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht wegen einer von Dr. S. und den Ärzten des Ostalbklinikums erwähnten psychischen Störung des Klägers, nachdem Dr. Seiler nur von einer leichten Angststörung spricht und die Ärzte des Ostalbklinikums nur den Verdacht auf eine Anpassungsstörung äußerten und keine Medikation empfahlen.
Der Klage zum Erfolg zu verhelfen vermag auch nicht die im Februar 2009 aufgetretene Glaskörperblutung im rechten Auge und der aufgrund des Augenkonsils vom 08.05.2009 geäußerte Verdacht auf eine ischämische Optikusneuropathie, denn hierdurch wird die Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt.
Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht auf die beim Kläger als Funktionsbehinderung festgestellten Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen und den operierten Bandscheibenschaden stützen, nachdem diese weiterhin nur einen GdB von 30 bedingen und damit ebenfalls die Gehfähigkeit noch nicht in einem Maße einschränken, dass die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" gerechtfertigt wäre.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung).
Bei dem 1940 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 30.10.2006 in Ausführung eines vom Beklagten im vor dem Sozialgericht Ulm (SG) geführten Verfahren S 11 SB 1510/06 abgegebenen und vom Kläger angenommenen Anerkenntnisses ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 seit 28.11.2005 festgestellt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" (Rundfunkgebührenbefreiung) war bereits mit Bescheid vom 09.04.1991 seit 18.10.1990 und für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) mit Bescheid vom 09.01.2006 anerkannt worden.
Am 22.03.2006 beantragte der Kläger die Feststellung des Merkzeichens "aG", da beim Gehen in der Ebene nach ca. 80 Metern seine Herzschmerzen zunehmen würden. Sie zwängen ihn zum Stehenbleiben und zur Medikamenteneinnahme. Zur Unterstützung seines Begehrens legte er das ärztliche Attest des Internisten Dr. A. vom 02.03.2006 vor, wonach beim Kläger seit 1994 eine ausgeprägte koronare Herzkrankheit, die zu mehreren Stent-Implantationen geführt habe, besteht. Der Tatbestand einer außergewöhnlichen Gehbehinderung liege vor.
Mit Bescheid vom 23.11.2006 lehnte der Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme von Dr. B. vom 10.11.2006 die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ab. Dr. B. führte in seiner Stellungnahme aus, dass die Belastbarkeit mit 75 Watt angegeben werde und auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Angina pectoris bereits bei 50 Watt auftrete, der insoweit zuerkannte GdB von 60 zutreffend sei. Hiermit und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die mit 80 Metern angegebene Gehstrecke nicht von Anfang an mit größter Anstrengung zu bewältigen sei und in Analogie zu einer arteriellen Verschlusskrankheit mit aG-begründender Gehstreckenbegrenzung auf 50 Meter, könne "aG" nicht zuerkannt werden. Die Funktionsbeeinträchtigungen bezeichnete und bewertete Dr. B. wie folgt: "Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, Angina pectoris (50 Watt), Koronardilatation, Stent-Implantation, Bluthochdruck" (Teil-GdB 60); "Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen" (Teil-GdB 50); "Operierter Bandscheibenschaden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen" (Teil-GdB 30); "Schlafapnoe-Syndrom" (Teil-GdB 20).
Den vom Kläger eingelegten Widerspruch, dem er ein weiteres Attest des Dr. A. vom 14.02.2007 beifügte, in dem dieser eine deutliche Befundverschlechterung seit Anfang Februar 2007 und bereits unmittelbar nach dem Aussteigen aus dem PKW jetzt häufig auftretende Brustschmerzen beschrieb, so dass sich der Kläger nur mit großer Anstrengung bewegen könne und bereits nach 50 Meter zur Einnahme von Herzmedikamenten stehen bleiben müsse, wies der Beklagte nach Einholung einer weiteren Stellungnahme von Dr. B. mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2007 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 26.04.2007 unter Hinweis auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren und Vorlage eines ärztlichen Attestes des Internisten Dr. C. vom 17.05.2007 (bei komplexem atherogenem Risikoprofil besteht vordergründig eine koronare Herzerkrankung mit Zustand nach wiederholter Angioplastie und Stent-Implantationen, über die Progredienz der KHK in den letzten Monaten erfahre der Kläger inzwischen bei alltäglichen Verrichtungen - u.a. kurzes Gehen auf Ebene - thorakale Schmerzen und sei auf kardiale Bedarfsmedikation angewiesen) Klage zum SG erhoben.
Das SG hat die Kardiologen Prof. Dr. D., Dr. E. und PD Dr. F., Dr. A. und Dr. C. als sachverständige Zeugen gehört.
Prof. Dr. D. hat unter dem 04.06.2007 Herzkatheterberichte vom 01.04. und 02.11.2004 sowie 05.03.2007, den Bericht über eine Becken-Bein-Angiographie vom 05.03.2007 und den Bericht über eine Thallium-Szintigraphie vom 06.03.2007 übersandt. Nach der Becken-Bein-Angiographie bestand eine 50 %-ige Stenosierung der A. iliaca com. rechts und ein visuell leichtgradiges Aneurysma Aorta abdominalis. Ausweislich des Herzkatheterberichts vom 05.03.2007 war das Langzeitergebnis gut und die LV-Funktion normal. Bei der Thallium-Szintigraphie konnte der Kläger bis 150 Watt belastet werden, bei maximaler Belastung bestand ein starker retrosternaler Druck ohne ischämietypische ST-Streckensenkungen.
Dr. E. hat unter dem 11.06.2007 unter Beifügung eigener und an ihn gerichteter Arztbriefe seit 2001 ausgeführt, es bestehe bei koronarer Herzkrankheit und Zustand nach mehrmaliger Koronarintervention eine hochgradige Einschränkung der Aktivitäten des täglichen Lebens bis hin zu Angina pectoris-Beschwerden bereits beim Gehen in der Ebene nach weniger als 50 Metern.
Dr. A. hat im Juni 2007 mitgeteilt, der Kläger leide unter einer koronaren 3-Gefäß-Erkrankung, einem arteriellen Hypertonus und einer Hyperlipidämie. Der aktuelle Blutdruck sei mit 140/80 mmHg gemessen worden. Trotz zahlreicher Koronarinterventionen bestehe eine ausgeprägte Angina pectoris bereits beim Aussteigen aus dem Auto nach weniger als 50 Metern Gehstrecke in der Ebene. Anschließend sei der Kläger auf Nitro-Spray angewiesen. Dr. A. hat neben bereits bekannten Arztbriefen den Laborbefund vom 08.12.2006 beigefügt.
Dr. C. hat unter dem 12.07.2007 den letzten Laborstatus des Klägers vorgelegt und mitgeteilt, dass seines Erachtens beim Kläger die Voraussetzungen für das Merkmal "aG" vorlägen.
PD Dr. F., Ostalbklinikum Aalen, hat unter dem 30.06.2007 bekundet, beim Kläger seien eine koronare Herzkrankheit, ein Schlafapnoe-Syndrom, eine Antrumgastritis sowie multiple kleine Ulcera im Duodenum, eine hochgradige Stenose der Arteria vertebralis rechts distal sowie mittel- bis hochgradige Stenose der Arteria vertebralis links im V3-Abschnitt und eine hochgradige Stenose der Arteria basilaris, eine hochgradige intracranielle Stenose der Arteria Carotis interna rechts, ein Bandscheibenprolaps links lateral C6/C7, eine Spondylosis der Brustwirbelsäule, ein Karpaltunnelsyndrom links mit spontaner Besserung, eine Urolithiasis, eine chronische Nephropathie, ein Zustand nach Hydrozelen Operation, eine Hodenbruchoperation 1994 und eine Appendektomie 1978 sowie eine Penicillinallergie diagnostiziert worden. Während des stationären Aufenthalts vom 07.02. bis 09.02.2007 habe sich der arterielle Blutdruck des Klägers unter Medikation im Normbereich befunden. Am 08.02.2007 habe der Kläger bis maximal 75 Watt für 1 Minute 31 Sekunden belastet werden können. Die hochgradigen Stenosen der hirnversorgenden Arterien seien als sehr schwerer Befund zu werten, da es bereits zu einem symptomatischen Schwindel gekommen sei. Dem Kläger sei empfohlen worden, sich deshalb bei Prof. Henkes, Chefarzt der Neuroradiologie des Krankenhauss Stuttgart, vorzustellen. Nach eigenen Beobachtungen könne der Kläger eine Gehstrecke von ca. 20 bis 30 Metern zurücklegen, müsse dann allerdings wegen der Angina pectoris-Beschwerden eine Erholungspause einlegen. PD Dr. F. hat den Arztbrief über den stationären Aufenthalt des Klägers im Ostalbklinikum Aalen vom 01.07. bis 09.07.2007 beigefügt.
Für den Beklagten hat hierzu Dr. K. ausgeführt, dass bei der wiederholt beschriebenen Limitierung der Gehstrecke durch die leichte Belastung eine Erhöhung des Teil-GdB für die koronare Herzerkrankung auf 70 begründet sei. Von einer Herzschädigung mit schweren Dekompensationsstörungen oder Ruheinsuffizienz, die einen GdB von 80 bedingen würde, sei jedoch nicht auszugehen. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" seien nicht erfüllt.
Der Kläger hat hierauf weitere Arztbriefe des Klinikums Stuttgart - Krankenhaus - aus der Zeit zwischen dem 18.07.2007 und 16.01.2008 (November/Dezember 1997: Belastung bis 100 Watt; zuletzt im Januar 2008: Vorstellung zur DSA-Kontrolle/Intervention; konnte aus technischen Gründen nicht wie geplant durchgeführt werden), Arztbriefe des Ostalbklinikums vom 09.07., 21.11. und 20.12.2007 (zuletzt: Aufnahme wegen eines akuten Schwankschwindels und Sehstörungen, Beschwerden besserten sich im Verlauf, eventuell Zusammenhang mit der antihypertensiven Medikation; Gangbild bei Aufnahme: breitbasig, sonst unauffällig), Arztbriefe des Dr. E. vom 24.01.2008 (kardiale Situation stabil) und 17.07.2008 (Situation stabil) sowie Atteste des Dr. A. vom 16.09.2008, des Dr. L. vom 19.09.2008 und des Dr. C. vom 25.10.2008 vorgelegt.
Mit Urteil vom 18.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei den im Straßenverkehrsgesetz und den entsprechenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Personen, denen das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen sei, nicht zuzuordnen. Er könne diesem Personenkreis auch nicht gleichgestellt werden. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine Gleichstellung rechtfertigten, seien beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder hoher Insuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen. Beim Kläger liege zwar eine schwere koronare Herzerkrankung vor, aber kein Herzschaden mit schweren Dekompensationserscheinungen und keine Insuffizienz. Ein GdB von 80 könne für die Herzerkrankung nicht anerkannt werden. Maßgebend sei, dass beim Kläger zwar bereits bei geringer Belastung Angina pectoris-Beschwerden aufträten, dass er jedoch noch am 06.03.2007 bis 150 Watt belastbar gewesen sei, und auch aus dem Bericht des PD Dr. F. vom Juni 2007 ergebe sich noch eine Belastbarkeit bis 75 Watt. Selbst wenn den vom Kläger ergänzend vorgelegten Briefen des Dr. E. eine weitere Verschlechterung der kardiologischen Situation zu entnehmen sei, so ergebe sich noch keine Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe.
Gegen das am 21.04.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.05.2009 (Tag nach Christi Himmelfahrt) Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, sein Krankheitsbild habe sich deutlich verschlechtert. Dies ergebe sich daraus, dass er am 06.03.2007 noch bis 150 Watt, im Juni 2007 dann aber nur noch bis 75 Watt belastbar gewesen sei, und folge aus dem Arztbrief des Dr. E. vom 17.07.2008 und dem Attest von Dr. C. vom 25.10.2008.
Der Senat hat hierauf zunächst Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. C. und des Dr. E ...
Für Dr. C. hat Dr. A. unter dem 14.07.2009 unter Beifügung weiterer Arztbriefe, unter anderem des Ostalbklinikums Aalen vom 28.05.2009 (orientierende neurologische Untersuchung unauffällig, Belastungs-EKG vom 27.05.2009: maximale Belastung bis 75 Watt) des Krankenhauss Stuttgart vom 12.05.2009 (Herzkatheteruntersuchung vom 07.05.2009: aktuell hochgradige Stenosen im RD I sowie etwa 50 % Instent Stenose im Bereich des RIVA Stents, primär komplikationslose Implantation von insgesamt drei BMS; Ergometrie vom 12.05.2009: Belastung bis 50 Watt) vorgelegt und ausgeführt, der Gesundheitszustand des Klägers habe sich seit Juli 2007 erheblich verschlechtert. Neben der Zunahme der KHK-Beschwerden sei es seit dieser Zeit zu zunehmenden Kopfschmerzen, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen gekommen. Ursächlich hierfür seien die rezidivierenden cerebro-vaskulären Stenosen. Zusätzlich sei im Februar 2009 im rechten Auge eine Glaskörperblutung aufgetreten, im Mai 2009 sei es zu einer ischämischen Opticusneuropathie gekommen.
Dr. L. hat unter dem 10.07.2009 mitgeteilt, der Kläger klage seit August 2008 über eine zunehmende Belastungsdyspnoe. Bei einer Kontrolluntersuchung im März 2009 hätte keine im Alltag bestehende Angina pectoris bestanden, da die Alltagsaktivitäten durch die neurologische Problematik weitestgehend eingeschränkt seien. Ergänzend hat Dr. E. einen eigenen Arztbrief vom 05.03.2009, eine Fettstoffwechselanalyse von Prof. Dr. R. vom 20.03.2009, einen Arztbrief des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 09.10.2008 (keine zentralen, radikulären oder einem peripheren Nerven zuordenbare sensomotorische Defizite, bei den geklagten Kopfschmerzen handele es sich um einen chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp, bei dem geklagten Schwindel handele es sich am ehesten um einen hirnstammbedingten Schwindel aufgrund der gestörten Perfusion im vertebro-basilären Stromgebiet) und den Entlassungsbericht des Krankenhauss Stuttgart vom 23.06.2008 (Belastungs-EKG: 20.05.2008 125 Watt) vorgelegt.
Der Kläger hat im Anschluss daran vorläufige Arztbriefe des Krankenhauss vom 26.06.2009 (Stent-PTA am 18.06.2009, frischer Hörsturz mit starkem unsystematischem Schwindelgefühl und Erbrechen sowie Hörminderung am 20.06. mit leichter Besserung nach zwei Tagen) und 01.09.2009 (noch deutliche Stenosen im kavernosalen bzw. paraklinoiden Abschnitt der ICA beidseits, hochgradige In-Stent-Stenose der linken A. vertebralis im V1-Abschnitt, die mit Ballon vollständig beseitigt wird, im Übrigen unveränderte bzw. regelrechte Darstellung der Gefäße), einen Arztbrief des Dr. E. vom 14.07.2009 (im Rahmen einer Tachyarrythmie Angina pectoris-Beschwerden; was die sozialgerichtliche Problematik anbetrifft, scheint mir die neurologische Situation mit Schwindel und Gangstörung am ehesten geeignet, die Sache zum Abschluss zu bringen) und ein Attest des Dr. S. vom 19.08.2009 (Gangbild unsicher, ataktisch, freier Stand und Gang gerade noch möglich, ausgeprägtes, ungerichtetes Schwanken im Romberg, Rollator im Alltag) vorgelegt und ergänzend darauf hingewiesen, dass er sich auch bei dem Internisten und Neurologen (richtig: Nephrologen) Dr. C. in Behandlung befinde.
Hierauf hat der Senat weiter Beweis erhoben durch Einholung einer sachverständigen Zeugenauskunft bei Dr. C., der unter dem 28.09.2009 mitgeteilt hat, bezüglich der Nierenorganfunktion bestehe ein stabiler Verlauf.
Für den Beklagten hat sich hierzu Dr. Wolf unter dem 07.12.2009 dahingehend geäußert, dass beim Kläger eine Gehstörung in einem solchen Ausmaß, dass hieraus eine außergewöhnliche Gehbehinderung resultieren könnte, nicht als objektiviert anzusehen sei. Dies gelte insbesondere für die bestehende Herzinsuffizienz. Auch auf Grund der Hinweise auf eine mögliche psychogene Symptomüberlagerung, welche möglicherweise auch zu einer vermehrten Unsicherheit beim Gehen führe, könne man nicht zur Überzeugung gelangen, dass sich der Kläger tatsächlich von den ersten Schritten an nur mit großer Anstrengung außerhalb eines Kraftfahrzeugs bewegen könne.
Der Kläger hat sodann noch zwei weitere vorläufige Arztbriefe des Krankenhauss vom 20.10.2009 (Neuro-DSA mit der Empfehlung Kontroll-DSA) und 14.11.2009 (Anamnese: nach einigen Schritten treten AP-Beschwerden sowie Dyspnoe auf, die wieder abklingen, wenn der Kläger eine Pause macht; orientierende neurologische Untersuchung unauffällig; Kontroll-DSA: aktuell keine Intervention; Gastroskopie; Koloskopie; Extraktion eines Weisheitszahnes; Katarakt-OP) übersandt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18. März 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Merkzeichen außergewöhnliche Gehbehinderung (aG) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angegriffene Urteil des SG ist in der Sache nicht zu beanstanden. Der Bescheid des Beklagten vom 23.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2007 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" hat.
Wegen der für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Nach Auffassung des Senats ist die Berufung bereits aus den vom SG ausführlich und zutreffend dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auch auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung.
Ergänzend ist im Hinblick auf die vom Senat getätigten Ermittlungen Folgendes auszuführen:
Unstreitig besteht beim Kläger eine koronare Herzerkrankung, die mit Stenosen verbunden ist und seit 1994 immer wieder Stent-Implantationen erfordert. Die letzte PTA erfolgte am 18.06.2009. Bei der im Krankenhaus im August 2009 durchgeführten Kontrolle zeigte sich eine unveränderte Darstellung der A. carotis int bds. ohne Nachweis von Rezidiv-Stenosen oder Befundprogredienz bei allerdings noch deutlichen Stenosen im kavernosalen bzw. paraklinoiden Abschnitt der ICA beidseits und eine hochgradige In-Stent-Stenose der linken A. vertebralis im V1-Abschnitt, die mit Ballon jedoch vollständig beseitigt wurde. Die am 10.11.2009 erfolgte Kontroll-DSA erforderte keine Intervention. Belastbar war der Kläger bei dem am 12.05.2009 im Krankenhaus durchgeführten Belastungs-EKG bis 50 Watt. Am 27.05.2009 gelang ihm im Ostalbklinikum eine maximale Belastung bis 75 Watt. Der maximale Blutdruck betrug hierbei 130/87 mmHg. Signifikante ST-Streckenveränderungen zeigten sich nicht. Seit der letzten PTA wurde kein Belastungs-EKG mehr erstellt. Im Juli 2009 erfolgte eine außerplanmäßige Vorstellung des Klägers bei Dr. E. wegen in der Nacht mehrfach aufgetretener Angina pectoris-Anfälle mit nur passagerem Ansprechen auf Nitroglyzerin und mit arhythmischem Herzrasen. Dr. E. maß bei der Vorstellung einen rhythmischen Puls von 68/Minute und einen Blutdruck von 160/90 mmHg. Die Herztöne waren rein und ohne pathologische Geräusche. Er empfahl, die Therapie zu intensivieren. Bei der Untersuchung durch den Internisten und Nephrologen Dr. C. am 22.07.2009 war der Kläger ödemfrei, der Blutdruck wurde mit 135/75 mmHg gemessen. Im Krankenhaus wurde der Blutdruck im November 2009 mit 130/70 mmHg gemessen. Damit ist es zwischenzeitlich zweifelsohne nicht zu einer Besserung der Herzerkrankung des Klägers gekommen. Es ist jedoch auch keine weitere Verschlechterung eingetreten. Wie im Juni 2007 war der Kläger auch im Mai 2009 und damit noch vor der letzten PTA bis 75 Watt belastbar. Der Blutdruck wurde in der Regel im Normbereich gemessen. Signifikante ST-Streckenveränderungen waren nicht feststellbar. Echokardiographisch wurde im Ostalbklinikum am 03.02.2009 nur eine leichtgradig reduzierte Ejektionsfraktion des Herzens festgestellt. Der Einschätzung von Dr. K. folgend ist die Leistungsbeeinträchtigung des Klägers nach Teil B Nr. 9.1.1 der VMG mit einem GdB von 70 angemessen bewertet. Ein GdB von 80, der eine Gleichstellung mit den im Straßenverkehrsgesetz und den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften genannten Behinderten, denen das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen ist, rechtfertigen würde, liegt - noch - nicht vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der vom Kläger beklagten Angina pectoris-Beschwerden, nachdem diese ausweislich der eigenen Angaben des Klägers im Krankenhaus anlässlich des stationären Aufenthalts im November 2009 zwar nach einigen Schritten auftreten, auf eine Pause hin aber wieder abklingen. Sie wirken sich deshalb auf das Gehvermögen des Klägers nicht so massiv aus, dass er quasi ab dem ersten Schritt auf fremde Hilfe angewiesen wäre oder sich nur mit größten Anstrengungen fortbewegen könnte.
Eine außergewöhnliche Gehbehinderung lässt sich auch nicht mit dem vom Kläger beklagten Schwindel, dessen Ursache in den rezidivierenden cerebro-vaskulären Stenosen bzw. dem am 20.06.2009 erlittenen Hörsturz zu sehen sein dürfte, rechtfertigen. Zwar beschreibt Dr. Seiler in seinem ärztlichen Attest vom 19.08.2009 das Gangbild des Klägers als unsicher und ataktisch. Im Romberg bestehe ein ausgeprägtes, ungerichtetes Schwanken. Der Kläger benötige einen Rollator zur Sicherung. Auf der anderen Seite ist dem Kläger nach diesem Attest der freie Stand und Gang, wenn auch gerade noch, aber doch noch möglich. Die Gehstrecke des Klägers beträgt nach der Anamnese 50 bis 100 Meter. Es besteht weder ein Spontan-, noch ein Lage- oder Lagerungsnystagmus. Über Stürze aufgrund des Schwindels wird in den ärztlichen Unterlagen nicht berichtet, auch der Kläger schildert solche nicht. Nach dem vorläufigen Arztbrief des Krankenhauss vom 26.06.2009 hat sich die Schwindelsymptomatik nach dem im Juni 2009 diagnostizierten Hörsturz nach erfolgter Therapie und Beübung auch wieder gebessert und die orientierende neurologische Untersuchung wird von den Ärzten des Krankenhauss (zuletzt November 2009) und des Ostalbklinikums (u.a. 03.02.2009) sowie auch durch Dr. Seiler im Arztbrief vom 09.10.2008 als unauffällig beschrieben, so dass eine Gehstörung in einem solchen Ausmaß, dass hieraus eine außergewöhnliche Gehbehinderung resultieren könnte, nicht objektiviert ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht wegen einer von Dr. S. und den Ärzten des Ostalbklinikums erwähnten psychischen Störung des Klägers, nachdem Dr. Seiler nur von einer leichten Angststörung spricht und die Ärzte des Ostalbklinikums nur den Verdacht auf eine Anpassungsstörung äußerten und keine Medikation empfahlen.
Der Klage zum Erfolg zu verhelfen vermag auch nicht die im Februar 2009 aufgetretene Glaskörperblutung im rechten Auge und der aufgrund des Augenkonsils vom 08.05.2009 geäußerte Verdacht auf eine ischämische Optikusneuropathie, denn hierdurch wird die Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt.
Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht auf die beim Kläger als Funktionsbehinderung festgestellten Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen und den operierten Bandscheibenschaden stützen, nachdem diese weiterhin nur einen GdB von 30 bedingen und damit ebenfalls die Gehfähigkeit noch nicht in einem Maße einschränken, dass die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" gerechtfertigt wäre.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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