Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1199/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2916/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26.04.2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung an die Sonderrechtsnachfolgerin.
Der am 1951 geborene und am 13.09.2007 verstorbene Ehemann der Klägerin war i. Staatsangehöriger, hatte keinen Beruf erlernt und war seit 1970 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bis 1999 als Kabellackierer bzw. Kabelisolierer. Danach war er arbeitslos. Er litt seit Jahren an einem Bluthochdruck und einem Diabetes mellitus sowie einem Leberschaden.
Seinen (wiederholten) Rentenantrag vom 22.09.2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.2004 und Widerspruchsbescheid vom 05.04.2005 ab. Zu Grunde lag das Gutachten des Internisten Dr. Ba. , der vor allem ein komplettes metabolisches Syndrom mit Adipositas, schlecht eingestellter Hypertonie und Diabetes mellitus sowie eine alkoholische Fettleber diagnostizierte, den Versicherten aber für leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck, besondere geistige Anspannung, Anforderungen an das Lese- und Schreibvermögen, vermehrten Publikumsverkehr wegen der schlechten Deutschkenntnisse, häufiges Klettern oder Steigen, erhöhtes Eigen- oder Fremdgefährdungspotenzial und nicht in alkoholgefährdenden Bereichen) für vollschichtig leistungsfähig hielt.
Das hiergegen am 26.04.2005 angerufene Sozialgericht Mannheim hat zunächst den behandelnden Hausarzt Dr. F. als sachverständigen Zeugen angehört (der Versicherte sei für keinerlei Arbeit von wirtschaftlichem Wert mehr einsetzbar) und ein Gutachten von Prof. Dr. W. , Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, D. Krankenhaus, eingeholt. Dieser hat nach Untersuchung am 26.01.2006 ein komplettes metabolisches Syndrom mit schlecht eingestellter Hypertonie, Diabetes mellitus, einen Leberschaden, eine leichte chronische Nephropathie, ein kompensiertes Hypertonieherz, eine Venenastthrombose des linken Auges und eine Prostatahyperplasie diagnostiziert. Führend sei das komplette metabolische Syndrom. Zumutbar seien dem Versicherten nur noch leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von höchstens 5 kg in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden. Zu vermeiden seien überwiegendes Stehen, gleichförmige Körperhaltung, häufiges Bücken und Treppensteigen, Tätigkeiten mit Nachtschicht, unter Zeitdruck, in Kälte oder Wärmeeinfluss, unter Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen sowie Nässe. Wegen der Schädigung des Sehvermögens könne der Versicherte Tätigkeiten mit erhöhter Aufmerksamkeit nicht mehr verrichten, wegen mangelhafter Deutschkenntnisse in Sprache und Schrift auch keine Tätigkeiten mit erhöhtem Publikumsverkehr oder hoher Verantwortung.
Ausgehend von einem Analphabetismus des Versicherten hat das Sozialgericht mit Urteil vom 26.04.2007 die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.09.2004 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse liege beim Versicherten eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, neben den von Prof. Dr. W. aufgeführten qualitativen Einschränkungen ein Analphabetismus. Tätigkeiten als Sortierer, Montierer oder Maschinenarbeiter und Tätigkeiten eines Museumswächters könnten vom Versicherten nicht verrichtet werden, weil diese häufig in einseitiger sitzender Körperhaltung und unter Zeitdruck verrichtet würden bzw. - hinsichtlich des Museumswächters - ausschließlich im Stehen und Gehen. Eine Pförtnertätigkeit erfordere die Fähigkeit des Lesens und Schreibens.
Gegen das ihr am 05.06.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.06.2007 Berufung eingelegt und u. a. darauf hingewiesen, dass Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier- und Verpackungsarbeiten in der Regel kein Heben und Tragen von mehr als 5 bis 6 kg erforderten und in der Regel in überwiegend sitzender Arbeitsposition mit der Möglichkeit wechselnder Körperhaltung nach individuellem Bedarf, in Normalarbeitszeit, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Stressbelastung sowie in geschlossenen, wohltemperierten Räumen ausgeführt würden (Hinweis auf verschiedene Urteile des LSG Baden-Württemberg). Ergänzend hat sie auf das Urteil des Senats vom 19.04.2007, L 10 R 2036/05 verwiesen, wonach in bestimmten Industriezweigen Kleinartikel von Hand versandfertig gemacht würden, wobei dies in wechselnder Körperhaltung geschehe. Gleiches gelte für manche Produktionshelfertätigkeiten. Eine entsprechende praktische Einweisung reiche hierfür aus.
Der Senat hat eine (ergänzende) gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage des Nachfolgers von Prof. Dr. W. , Prof. Dr. S. , eingeholt. Dieser ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Versicherte trotz seiner Einschränkungen leichte Tätigkeiten, wie Kleinartikel versandfertig zu machen sowie Produktionshelfertätigkeiten im Umfang von sechs Stunden ausüben könne. Gleiches gelte für die von der Beklagten benannten Verpackungs- und Sortierarbeiten. Maßgebender Zeitpunkt für die Leistungseinschränkungen im Gutachten von Prof. Dr. W. sei der Zeitpunkt der damaligen Untersuchung (26.01.2006).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das Sozialgericht hätte die Beklagte nicht zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung verurteilen dürfen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - nachdem nur die Beklagte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt hat - allein deren Verurteilung zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung und damit ausschließlich ein Anspruch auf eine derartige Rente. Diesen Anspruch macht die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 56 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches geltend. Indessen steht ihr dieser Anspruch nicht zu. Schon aus diesem Grunde folgt der Senat den von der Beklagten gestellten Antrag auf Beiladung der Deutschen Rentenversicherung Schwaben nicht.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Diese Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung sind vorliegend nicht erfüllt.
Auf Grund der von der Beklagten durchgeführten Sachaufklärung (Gutachten von Dr. Ba. ) und dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von Prof. Dr. W. sowie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage von Prof. Dr. S. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Versicherte noch in der Lage war, sechs Stunden täglich leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen auszuüben. Keiner der mit der Begutachtung des Versicherten betrauten Ärzte hat eine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschränkung (auf unter sechs Stunden) angenommen oder gar begründet. Dem entsprechend vermag der Senat der Einschätzung des behandelnden Hausarztes Dr. F. nicht zu folgen. Dr. F. hat seine Beurteilung auch nicht begründet.
Allerdings lagen beim Versicherten mehrere qualitative Einschränkungen vor. So ging Dr. Ba. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten davon aus, dass dem Versicherten Nachtschicht, besonderer Zeitdruck, eine besondere geistige Anspannung, häufiges Klettern oder Steigen, Arbeiten mit Gefährdungspotenzial sowie in alkoholgefährdenden Betrieben nicht mehr zumutbar waren. Dem schließt sich der Senat an. Gleiches gilt für die von Prof. Dr. W. angenommenen qualitativen Einschränkungen für das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, überwiegendes Stehen, gleichförmige Körperhaltung, häufiges Bücken und Treppensteigen sowie Arbeiten unter ungünstigen Witterungsbedingungen oder Einwirkungen von Staub, Gasen und Dämpfen.
Offen bleiben kann, ob Prof. Dr. W. zu Recht eine Einschränkung für Tätigkeiten mit erhöhter Aufmerksamkeit wegen der Schädigung des Sehvermögens angenommen hat. Insoweit hat er keine weitergehende Begründung gegeben und keine weiter gehenden Einschränkungen des Versicherten dargestellt. Fest steht jedenfalls, dass der Versicherte noch Arbeiten mit normaler Anforderung an die Aufmerksamkeit verrichten konnte; eine besondere qualitative Einschränkung resultiert aus der Schädigung des Sehvermögens somit nicht.
Soweit Dr. Ba. und Prof. Dr. W. Einschränkungen für Tätigkeiten mit erhöhtem Publikumsverkehr bzw. hoher Verantwortung angenommen haben, folgt dem der Senat nicht. Denn beide Gutachter begründen diese Einschränkung mit den mangelhaften Deutschkenntnissen. Mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache sind jedoch im Hinblick auf die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ohne Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.1980, 4 RJ 29/79 in SozR 2200 § 1246 Nr. 61).
Der Versicherte konnte daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Er war daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen, wie die Vermeidung einseitiger Körperhaltungen. Nicht anders liegt der vorliegende Fall. Auch beim verstorbenen Ehemann der Klägerin konnte den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen werden, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet wurden.
Soweit das Sozialgericht eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen wegen eines Analphabetismus des Versicherten angenommen hat, folgt ihm der Senat nicht. Der Senat vermag schon nicht festzustellen, dass der Versicherte tatsächlich weder des Schreibens noch des Lesens kundig war. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang zunächst auf die Arbeitsplatzbeschreibung des Dr. J. für den letzten Arbeitsplatz des Versicherten (vgl. Bl. 71 der Reha-Akte), wonach es zu den Arbeitsaufgaben des Versicherten gehörte, auf die richtige Etikettierung zu achten und Spulen nach dem Wiegevorgang entsprechend den Verpackungsvorschriften auf die Ablieferungspalette zu setzen. Eine gewisse Fähigkeit zum Lesen setzte diese Tätigkeit damit voraus. Hinzu kommt, dass der Versicherte selbst gegenüber dem von der Beklagten mit der Begutachtung im Rahmen eines Rehabilitations-Verfahrens beauftragten Arzt für Innere Medizin Dr. E. angegeben hatte, früher habe er ein Buch über seinen Blutdruck geführt, was ebenfalls gewisse Fähigkeiten des Schreibens und Lesens voraussetzte. Auf Grund welcher Tatsachen Dr. Ba. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis gelangte, der Versicherte sei Analphabet, ergibt sich aus seinem Gutachten nicht. Soweit er diese Einschätzung auf die Angabe des Versicherten, er habe nur ein Jahr die Schule besucht, bzw. den Umstand stützte, dass das Einbestellungsschreiben nicht ausgefüllt worden war, ist dies nicht überzeugend. Ein nur kurze Zeit umfassender Schulbesuch schließt nicht die spätere Fähigkeit zum Lesen und Schreiben aus und der Umstand, dass der Versicherte ein Formular nicht ausfüllte, beruhte am ehestens auf den durchweg in den Akten dokumentierten mangelhaften deutschen Sprachkenntnissen. Im Übrigen gab der Versicherte - bei rechtskundiger Vertretung - weder in den früheren Verfahren noch im aktuellen Rechtsstreit an, tatsächlich weder lesen noch schreiben zu können.
Aber selbst unter der Annahme eines Analphabetismus beim Versicherten läge keine volle Erwerbsminderung vor. Zwar ist bei der Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, ein Analphabetismus grundsätzlich zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 64/02 R in SozR 4-2600 § 44 Nr. 1). Insoweit wäre dann - wie durch die Beklagte erfolgt - die Benennung von zumutbaren Verweisungstätigkeiten erforderlich. Insoweit hat die Beklagte zutreffend auf das Urteil des Senats vom 19.04.2007, L 10 R 2036/05 (in www.sozialgerichtsbarkeit.de) verwiesen. Dort hat der Senat in Würdigung vorgelegter berufskundlicher Unterlagen bereits entschieden, dass in bestimmten Industriezweigen (insbesondere in der Metall-, Elektroindustrie, im Bereich der Spielwarenherstellung und der Herstellung von Werbeartikeln) Kleinartikel von Hand versandfertig gemacht werden, wobei dies in wechselnder Körperhaltung geschieht. Gleiches gelte - so im genannten Urteil weiter - für manche "Produktionshelfertätigkeiten", insbesondere das Etikettieren von Farbdosen oder Versandumschlägen, Verpacken von Portionsbeuteln Kaffee sowie Tätigkeiten als "Versandfertigmacher" mit dem Abfüllen und Abpacken in Versandbehältnisse. Hierfür sei generell eine normale Lese- und Schreibfähigkeit nicht Voraussetzung. Denn es handle sich um einfache, wiederkehrende Tätigkeiten ohne intellektuelle Anforderungen oder nervliche Belastungen bzw. um geistig einfache Arbeiten, für die eine entsprechende praktische Einweisung in Form eines "kurzen Zeigens" ausreiche.
Auch der Versicherte hätte derartige Tätigkeiten noch ausüben können. Der vom Sozialgericht angenommene Analphabetismus hätte aus den dargelegten Gründen einer solchen Tätigkeit nicht entgegen gestanden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Versicherte trotz seiner möglicherweise vorgelegenen Einschränkungen der Lese- und Schreibfähigkeit in der Lage war, jahrelang Produktionstätigkeiten in Deutschland zu verrichten.
Seine gesundheitlichen Einschränkungen hinderten den Versicherten ebenfalls nicht an der Ausübung derartiger Tätigkeiten. Dies hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S. in seiner gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage ausdrücklich bestätigt. Einwände hiergegen hat die Klägerin nicht erhoben.
Damit war der Versicherte nicht erwerbsgemindert. Auf die Berufung der Beklagten ist somit das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung an die Sonderrechtsnachfolgerin.
Der am 1951 geborene und am 13.09.2007 verstorbene Ehemann der Klägerin war i. Staatsangehöriger, hatte keinen Beruf erlernt und war seit 1970 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt bis 1999 als Kabellackierer bzw. Kabelisolierer. Danach war er arbeitslos. Er litt seit Jahren an einem Bluthochdruck und einem Diabetes mellitus sowie einem Leberschaden.
Seinen (wiederholten) Rentenantrag vom 22.09.2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.2004 und Widerspruchsbescheid vom 05.04.2005 ab. Zu Grunde lag das Gutachten des Internisten Dr. Ba. , der vor allem ein komplettes metabolisches Syndrom mit Adipositas, schlecht eingestellter Hypertonie und Diabetes mellitus sowie eine alkoholische Fettleber diagnostizierte, den Versicherten aber für leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck, besondere geistige Anspannung, Anforderungen an das Lese- und Schreibvermögen, vermehrten Publikumsverkehr wegen der schlechten Deutschkenntnisse, häufiges Klettern oder Steigen, erhöhtes Eigen- oder Fremdgefährdungspotenzial und nicht in alkoholgefährdenden Bereichen) für vollschichtig leistungsfähig hielt.
Das hiergegen am 26.04.2005 angerufene Sozialgericht Mannheim hat zunächst den behandelnden Hausarzt Dr. F. als sachverständigen Zeugen angehört (der Versicherte sei für keinerlei Arbeit von wirtschaftlichem Wert mehr einsetzbar) und ein Gutachten von Prof. Dr. W. , Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, D. Krankenhaus, eingeholt. Dieser hat nach Untersuchung am 26.01.2006 ein komplettes metabolisches Syndrom mit schlecht eingestellter Hypertonie, Diabetes mellitus, einen Leberschaden, eine leichte chronische Nephropathie, ein kompensiertes Hypertonieherz, eine Venenastthrombose des linken Auges und eine Prostatahyperplasie diagnostiziert. Führend sei das komplette metabolische Syndrom. Zumutbar seien dem Versicherten nur noch leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von höchstens 5 kg in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden. Zu vermeiden seien überwiegendes Stehen, gleichförmige Körperhaltung, häufiges Bücken und Treppensteigen, Tätigkeiten mit Nachtschicht, unter Zeitdruck, in Kälte oder Wärmeeinfluss, unter Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen sowie Nässe. Wegen der Schädigung des Sehvermögens könne der Versicherte Tätigkeiten mit erhöhter Aufmerksamkeit nicht mehr verrichten, wegen mangelhafter Deutschkenntnisse in Sprache und Schrift auch keine Tätigkeiten mit erhöhtem Publikumsverkehr oder hoher Verantwortung.
Ausgehend von einem Analphabetismus des Versicherten hat das Sozialgericht mit Urteil vom 26.04.2007 die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.09.2004 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse liege beim Versicherten eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, neben den von Prof. Dr. W. aufgeführten qualitativen Einschränkungen ein Analphabetismus. Tätigkeiten als Sortierer, Montierer oder Maschinenarbeiter und Tätigkeiten eines Museumswächters könnten vom Versicherten nicht verrichtet werden, weil diese häufig in einseitiger sitzender Körperhaltung und unter Zeitdruck verrichtet würden bzw. - hinsichtlich des Museumswächters - ausschließlich im Stehen und Gehen. Eine Pförtnertätigkeit erfordere die Fähigkeit des Lesens und Schreibens.
Gegen das ihr am 05.06.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.06.2007 Berufung eingelegt und u. a. darauf hingewiesen, dass Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier- und Verpackungsarbeiten in der Regel kein Heben und Tragen von mehr als 5 bis 6 kg erforderten und in der Regel in überwiegend sitzender Arbeitsposition mit der Möglichkeit wechselnder Körperhaltung nach individuellem Bedarf, in Normalarbeitszeit, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Stressbelastung sowie in geschlossenen, wohltemperierten Räumen ausgeführt würden (Hinweis auf verschiedene Urteile des LSG Baden-Württemberg). Ergänzend hat sie auf das Urteil des Senats vom 19.04.2007, L 10 R 2036/05 verwiesen, wonach in bestimmten Industriezweigen Kleinartikel von Hand versandfertig gemacht würden, wobei dies in wechselnder Körperhaltung geschehe. Gleiches gelte für manche Produktionshelfertätigkeiten. Eine entsprechende praktische Einweisung reiche hierfür aus.
Der Senat hat eine (ergänzende) gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage des Nachfolgers von Prof. Dr. W. , Prof. Dr. S. , eingeholt. Dieser ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Versicherte trotz seiner Einschränkungen leichte Tätigkeiten, wie Kleinartikel versandfertig zu machen sowie Produktionshelfertätigkeiten im Umfang von sechs Stunden ausüben könne. Gleiches gelte für die von der Beklagten benannten Verpackungs- und Sortierarbeiten. Maßgebender Zeitpunkt für die Leistungseinschränkungen im Gutachten von Prof. Dr. W. sei der Zeitpunkt der damaligen Untersuchung (26.01.2006).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das Sozialgericht hätte die Beklagte nicht zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung verurteilen dürfen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - nachdem nur die Beklagte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt hat - allein deren Verurteilung zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung und damit ausschließlich ein Anspruch auf eine derartige Rente. Diesen Anspruch macht die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 56 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches geltend. Indessen steht ihr dieser Anspruch nicht zu. Schon aus diesem Grunde folgt der Senat den von der Beklagten gestellten Antrag auf Beiladung der Deutschen Rentenversicherung Schwaben nicht.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Diese Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung sind vorliegend nicht erfüllt.
Auf Grund der von der Beklagten durchgeführten Sachaufklärung (Gutachten von Dr. Ba. ) und dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von Prof. Dr. W. sowie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage von Prof. Dr. S. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Versicherte noch in der Lage war, sechs Stunden täglich leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen auszuüben. Keiner der mit der Begutachtung des Versicherten betrauten Ärzte hat eine rentenrelevante zeitliche Leistungseinschränkung (auf unter sechs Stunden) angenommen oder gar begründet. Dem entsprechend vermag der Senat der Einschätzung des behandelnden Hausarztes Dr. F. nicht zu folgen. Dr. F. hat seine Beurteilung auch nicht begründet.
Allerdings lagen beim Versicherten mehrere qualitative Einschränkungen vor. So ging Dr. Ba. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten davon aus, dass dem Versicherten Nachtschicht, besonderer Zeitdruck, eine besondere geistige Anspannung, häufiges Klettern oder Steigen, Arbeiten mit Gefährdungspotenzial sowie in alkoholgefährdenden Betrieben nicht mehr zumutbar waren. Dem schließt sich der Senat an. Gleiches gilt für die von Prof. Dr. W. angenommenen qualitativen Einschränkungen für das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, überwiegendes Stehen, gleichförmige Körperhaltung, häufiges Bücken und Treppensteigen sowie Arbeiten unter ungünstigen Witterungsbedingungen oder Einwirkungen von Staub, Gasen und Dämpfen.
Offen bleiben kann, ob Prof. Dr. W. zu Recht eine Einschränkung für Tätigkeiten mit erhöhter Aufmerksamkeit wegen der Schädigung des Sehvermögens angenommen hat. Insoweit hat er keine weitergehende Begründung gegeben und keine weiter gehenden Einschränkungen des Versicherten dargestellt. Fest steht jedenfalls, dass der Versicherte noch Arbeiten mit normaler Anforderung an die Aufmerksamkeit verrichten konnte; eine besondere qualitative Einschränkung resultiert aus der Schädigung des Sehvermögens somit nicht.
Soweit Dr. Ba. und Prof. Dr. W. Einschränkungen für Tätigkeiten mit erhöhtem Publikumsverkehr bzw. hoher Verantwortung angenommen haben, folgt dem der Senat nicht. Denn beide Gutachter begründen diese Einschränkung mit den mangelhaften Deutschkenntnissen. Mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache sind jedoch im Hinblick auf die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ohne Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.1980, 4 RJ 29/79 in SozR 2200 § 1246 Nr. 61).
Der Versicherte konnte daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Er war daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen, wie die Vermeidung einseitiger Körperhaltungen. Nicht anders liegt der vorliegende Fall. Auch beim verstorbenen Ehemann der Klägerin konnte den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen werden, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet wurden.
Soweit das Sozialgericht eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen wegen eines Analphabetismus des Versicherten angenommen hat, folgt ihm der Senat nicht. Der Senat vermag schon nicht festzustellen, dass der Versicherte tatsächlich weder des Schreibens noch des Lesens kundig war. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang zunächst auf die Arbeitsplatzbeschreibung des Dr. J. für den letzten Arbeitsplatz des Versicherten (vgl. Bl. 71 der Reha-Akte), wonach es zu den Arbeitsaufgaben des Versicherten gehörte, auf die richtige Etikettierung zu achten und Spulen nach dem Wiegevorgang entsprechend den Verpackungsvorschriften auf die Ablieferungspalette zu setzen. Eine gewisse Fähigkeit zum Lesen setzte diese Tätigkeit damit voraus. Hinzu kommt, dass der Versicherte selbst gegenüber dem von der Beklagten mit der Begutachtung im Rahmen eines Rehabilitations-Verfahrens beauftragten Arzt für Innere Medizin Dr. E. angegeben hatte, früher habe er ein Buch über seinen Blutdruck geführt, was ebenfalls gewisse Fähigkeiten des Schreibens und Lesens voraussetzte. Auf Grund welcher Tatsachen Dr. Ba. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis gelangte, der Versicherte sei Analphabet, ergibt sich aus seinem Gutachten nicht. Soweit er diese Einschätzung auf die Angabe des Versicherten, er habe nur ein Jahr die Schule besucht, bzw. den Umstand stützte, dass das Einbestellungsschreiben nicht ausgefüllt worden war, ist dies nicht überzeugend. Ein nur kurze Zeit umfassender Schulbesuch schließt nicht die spätere Fähigkeit zum Lesen und Schreiben aus und der Umstand, dass der Versicherte ein Formular nicht ausfüllte, beruhte am ehestens auf den durchweg in den Akten dokumentierten mangelhaften deutschen Sprachkenntnissen. Im Übrigen gab der Versicherte - bei rechtskundiger Vertretung - weder in den früheren Verfahren noch im aktuellen Rechtsstreit an, tatsächlich weder lesen noch schreiben zu können.
Aber selbst unter der Annahme eines Analphabetismus beim Versicherten läge keine volle Erwerbsminderung vor. Zwar ist bei der Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, ein Analphabetismus grundsätzlich zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 64/02 R in SozR 4-2600 § 44 Nr. 1). Insoweit wäre dann - wie durch die Beklagte erfolgt - die Benennung von zumutbaren Verweisungstätigkeiten erforderlich. Insoweit hat die Beklagte zutreffend auf das Urteil des Senats vom 19.04.2007, L 10 R 2036/05 (in www.sozialgerichtsbarkeit.de) verwiesen. Dort hat der Senat in Würdigung vorgelegter berufskundlicher Unterlagen bereits entschieden, dass in bestimmten Industriezweigen (insbesondere in der Metall-, Elektroindustrie, im Bereich der Spielwarenherstellung und der Herstellung von Werbeartikeln) Kleinartikel von Hand versandfertig gemacht werden, wobei dies in wechselnder Körperhaltung geschieht. Gleiches gelte - so im genannten Urteil weiter - für manche "Produktionshelfertätigkeiten", insbesondere das Etikettieren von Farbdosen oder Versandumschlägen, Verpacken von Portionsbeuteln Kaffee sowie Tätigkeiten als "Versandfertigmacher" mit dem Abfüllen und Abpacken in Versandbehältnisse. Hierfür sei generell eine normale Lese- und Schreibfähigkeit nicht Voraussetzung. Denn es handle sich um einfache, wiederkehrende Tätigkeiten ohne intellektuelle Anforderungen oder nervliche Belastungen bzw. um geistig einfache Arbeiten, für die eine entsprechende praktische Einweisung in Form eines "kurzen Zeigens" ausreiche.
Auch der Versicherte hätte derartige Tätigkeiten noch ausüben können. Der vom Sozialgericht angenommene Analphabetismus hätte aus den dargelegten Gründen einer solchen Tätigkeit nicht entgegen gestanden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Versicherte trotz seiner möglicherweise vorgelegenen Einschränkungen der Lese- und Schreibfähigkeit in der Lage war, jahrelang Produktionstätigkeiten in Deutschland zu verrichten.
Seine gesundheitlichen Einschränkungen hinderten den Versicherten ebenfalls nicht an der Ausübung derartiger Tätigkeiten. Dies hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S. in seiner gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage ausdrücklich bestätigt. Einwände hiergegen hat die Klägerin nicht erhoben.
Damit war der Versicherte nicht erwerbsgemindert. Auf die Berufung der Beklagten ist somit das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved