L 10 U 3994/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 558/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3994/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
für Recht erkannt: Tenor: Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25.04.2006 abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Supraspinatussehnenruptur der linken Schulter Folge des Arbeitsunfalls vom 26.06.2004 ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Unfallfolge streitig.

Der am 1948 geborene, als Gießereiarbeiter bei der Firma M. beschäftigte Kläger erlitt am 26.06.2004 gegen 3:30 Uhr einen Arbeitsunfall, als er bei dem Versuch, einen Rohling mit einem Haken aus der Kokille zu ziehen, mit diesem abrutschte und nach hinten auf den Boden stürzte. Anschließend führte er seine Tätigkeit noch bis zum Schichtende um 5:00 Uhr fort. Wegen zunehmender Schmerzen im Bereich der linken Schulter, die auch am Folgetag, einem Sonntag, anhielten, stellte sich der Kläger am Montag, den 28.06.2004 bei dem Allgemeinarzt Dr. B. vor, der eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich der linken Schulter objektivierte, eine Prellung der linken Schulter, des linken Oberarms sowie des linken Ellenbogens diagnostizierte, den Kläger arbeitsunfähig schrieb und eine Vorstellung beim Durchgangsarzt veranlasste (vgl. Unfallmeldung vom 28.06.2004). Der den Kläger im Kreiskrankenhaus S. sodann behandelnde Chirurg T. erhob Schmerzzustände in der linken Schulter, vor allem bei der Abduktion (bis zu 70 Grad aktiv, bis 95 Grad passiv möglich); die Anteversion sei bis 80 Grad aktiv (passiv bis 100 Grad) möglich gewesen. Die veranlasste Röntgenuntersuchung der linken Schulter erbrachte keinen Anhalt für frische knöcherne Verletzungen. Diagnostisch ging der Chirurg T. von einer Prellung der linken Schulter aus; gleichzeitig äußerte er den Verdacht auf eine Supraspinatussehnenruptur links. Es erfolgte eine Ruhigstellung im Gilchristverband mit lokaler Kühlung (H-Arzt-Bericht vom 30.06.2004). Bei der Nachuntersuchung am 01.07.2004 klagte der Kläger weiterhin über Schmerzen im Bereich der linken Schulter, und zwar im Verlauf der Supraspinatussehne sowie im gesamten Muskulus deltoideus links. Dem Kläger wurde Arbeitsunfähigkeit bis 06.07.2004 attestiert, das weitere Tragen des Gilchistverbandes empfohlen und Physiotherapie rezeptiert (Nachschaubericht vom 02.07.2004). Zu dem vereinbarten Wiedervorstellungstermin erschien der Kläger, der am 10.07.2004 seine Tätigkeit wieder aufnahm und sich dann vom 25.07. bis 03.09.2004 im Urlaub befand, nicht.

Am 06.09.2004 stellte sich der Kläger erneut bei dem Chirurg T. vor, der im Hinblick auf die persistierende Schmerzsymptomatik die am 08.09.2004 durchgeführte MRT-Untersuchung veranlasste, die eine Partialruptur der Supraspinatussehne im ansatznahen Abschnitt mit umschriebener Defektbildung, eine Tendinopathie der Subscapularissehne im ansatznahen Abschnitt (DD: degenerative Tendinosis), ähnliche Veränderungen im horizontalen Verlauf der langen Bizepssehne (DD: degenerative Tendinopathie) sowie ein Impingement der Supraspinatusmuskulatur in Höhe des AC-Gelenks mit flacher Impression zeigte. Zur Schonung und weiteren konservativen Therapie des linken Schultergelenks bescheinigte der Chirurg T. erneut Arbeitsunfähigkeit, wodurch es nach einer Woche zu einer Beschwerdebesserung kam. Eine Fortführung der von diesem weiter für erforderlich erachteten Schonung lehnte der Kläger wegen des Drängens seines Arbeitgebers, die Arbeit wieder aufzunehmen, ab.

Zum Unfallhergang gab der Arbeitgeber des Klägers in seiner Unfallanzeige an, der Kläger sei beim Entnehmen eines Gussteils aus der Kokille abgerutscht, zu Fall gekommen und habe sich die Schulter auf dem Boden aufgeschlagen. In der Unfallmeldung des Allgemeinarztes B. ist aufgeführt, der Kläger sei beim Gießen von Metallrohlungen auf die linke Schulter gestürzt. Im H-Arzt-Bericht ist dokumentiert, dass der Kläger beim Gießen von Metallrohlingen auf die linke Schulter gefallen sei. Zur Aufklärung des Unfallhergangs bat die Beklagte den Kläger u.a. um Mitteilung, ob er direkt auf die linke Schulter gefallen sei oder auf die ausgestreckte Hand bzw. den abgewinkelten Arm, worauf dieser mitteilte, er sei direkt auf die linke Schulter gefallen. Er habe leichte Schmerzen verspürt, die über Nacht stärker geworden seien (Schreiben vom 14.07.2004). Die Beklagte zog von der AOK - Die Gesundheitskasse L. das Vorerkrankungsverzeichnis bei sowie den MRT-Befund vom 08.09.2004 und holte bei dem Chirurg T. eine Auskunft sowie bei dem Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S. eine beratungsärztliche Stellungnahme ein. Dr. S. erschien der Unfallhergang nicht geeignet, eine Supraspinatussehnenruptur zu verursachen. Seines Erachtens wirke der Teilschaden im Bereich dieser Sehne unter Berücksichtigung der anderen MRT-Befunde degenerativ, weshalb eine Schulterprellung mit verzögertem Heilverlauf anerkannt werden könne.

Mit Bescheid vom 13.10.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen über den 19.09.2004 hinaus ab. Zur Begründung führte sie aus, bei dem Ereignis vom 26.06.2004 sei es allenfalls zu einer Prellung der Schulter gekommen, die mit Eintritt der Arbeitsfähigkeit am 20.09.2004 ausgeheilt gewesen sei. Der geschilderte Unfallhergang sei nicht geeignet, einen Riss der Supraspinatussehne zu verursachen. Gegen einen unfallbedingten Riss sprächen auch die festgestellten degenerativen Vorschäden im Bereich der Schulter. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.02.2005).

Am 16.02.2005 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg mit dem Begehren Klage erhoben, eine Supraspinatussehnenruptur als Folge des Arbeitsunfalls vom 16.06.2004 anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v. H.) zu gewähren.

Das SG hat die Gutachten der Orthopädin Dr. G. , Kreiskrankenhaus R. , auf Grund Untersuchungen des Klägers vom 12.04.2004 und 05.10.2005 eingeholt. Diese ist aufgrund der ihr gegenüber erfolgten Unfallschilderung des Klägers, wonach er noch versucht habe, sich mit dem Arm abzufangen, davon ausgegangen, dass der Kläger auf den abduzierten außenrotierten Arm gestürzt ist und dabei eine Supraspinatussehnenruptur erlitten hat. Diese Verletzung sei nicht degenerativ bedingt, da der kernspintomographische Befund zwar im Bereich des Subscapulars und der langen Bicepssehne degenerative Veränderungen zeige, im Bereich der Supraspinatussehne jedoch keine, für eine Degeneration sprechende fettige Degeneration der Sehne vorliege. Die MdE hat die Sachverständige mit 20 v.H. bewertet. Das SG hat den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung persönlich zum Unfallhergang befragt, wobei er angegeben hat, beim Rückwärtsfallen versucht zu haben, sich mit dem linken Arm abzustützen, um sich bei dem Sturz zu schützen. Mit Urteil vom 25.04.2006 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2005 verurteilt, die Supraspinatussehnenruptur der linken Schulter als Folge des Arbeitsunfalls vom 26.06.2004 anzuerkennen und dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Seiner Beurteilung hat das SG den Unfallhergang zu Grunde gelegt, wie ihn der Kläger ihm und der Sachverständigen Dr. G. gegenüber geschildert hat und diesen Hergang als geeignet angesehen, die vom Kläger erlittene Supraspinatussehnenruptur rechtlich wesentlich zu verursachen.

Gegen das ihr am 17.07.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.08.2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und sich gegen die Beweiswürdigung des SG gewandt. Wegen der Angaben des Klägers gegenüber dem Durchgangsarzt T. und seiner ihr gegenüber erfolgten Bestätigung, dass er direkt auf die linke Schulter gefallen sei, sei von einem direkten Anpralltrauma auszugehen. Dafür spreche auch die im Rahmen der Erstbehandlung gestellte Diagnose einer Prellung der linken Schulter. Die abweichenden späteren Angaben des Klägers sprächen für eine verfahrensangepasste Schilderung, da der Kläger die unterschiedlichen Angaben nicht plausibel habe erklären können. Gegen einen unfallbedingten spontanen Riss der Supraspinatussehne spreche ferner der Umstand, dass der Versicherte seine berufliche Tätigkeit zunächst habe weiter verrichten können und erst am 28.06.2004 einen Arzt konsultiert habe, gleichermaßen dass bei der am 08.09.2004 durchgeführten kernspintomographischen Untersuchung u.a. eine degenerative Tendinosis im Bereich der Supraspinatussehne und im Bereich der langen Bizepssehne festgestellt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25.04.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist darauf, dass sich der Unfall so zugetragen habe, wie er dies anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2006 unter Beiziehung eines Dolmetschers beschrieben habe. Er sei der deutschen Sprache nicht mächtig und könne diese auch nicht lesen. Deshalb sei er mit der schriftlichen Anfrage der Beklagten zum Unfallhergang zu einen Vertreter der IG-Metall gegangen, der sie beantwortet habe. Er selbst habe sie lediglich unterzeichnet. Tatsache sei, dass er beim Rückwärtsfallen versucht habe, den Sturz mit dem linken Arm abzufangen. Dies erkläre auch, dass nicht nur eine Schulterprellung, sondern auch eine Ellenbogenprellung links dokumentiert sei.

Der Senat hat von Dr. E. , Praxisnachfolgerin des den Kläger früher behandelnden praktischen Arztes Dr. M. , medizinische Unterlagen beigezogen, den Kläger im Rahmen eines Erörterungstermins durch den früheren Berichterstatter persönlich angehört, seinen Arbeitgeber zu seinen Krankheits- und Urlaubszeiten schriftlich befragt und das Gutachten des Prof. Dr. L. , vormals Orthopädische Universitätsklinik H. , auf Grund Untersuchung des Klägers vom 05.09.2007 eingeholt. Prof. Dr. L. hat die aktuell bestehenden Beschwerden des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt, sondern auf alterungs- und verschleißbedingte Veränderungen im Bereich des Schultergelenks, des Schultereckgelenks und der umgebenden Weichteile. Den vom SG zugrunde gelegten Ereignisablauf hat er als geeignet erachtet, eine strukturelle Schädigung der Rotatorenmanschette zu verursachen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; sie ist jedoch nur zum Teil begründet.

Das SG hat den Bescheid vom 13.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2005 zwar zu Recht insoweit aufgehoben, als die Beklagte eine Supraspinatussehnenruptur der linken Schulter nicht als Unfallfolge anerkannt hat, jedoch hätte es die Beklagte weder zu einer entsprechenden Feststellung noch zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. verurteilen dürfen.

Was das Begehren des Klägers auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Verurteilung zur Anerkennung einer Supraspinatussehnenruptur der linken Schulter als Unfallfolge anbelangt, handelt es sich bei sachdienlicher Auslegung um eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG, da einerseits die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen über den 19.09.2004 hinaus pauschal ablehnende Verwaltungsentscheidung und andererseits die gerichtliche Feststellung fortbestehender Unfallfolgen begehrt wurde. Dem auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der weiteren Unfallfolge gerichteten Teil des Antrags kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R). Dem gegenüber war die Klage, soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Verletztenrente begehrt hat, unzulässig (vgl. - auch zum Nachfolgenden - BSG, Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5). Denn über die Gewährung von derartigen Sozialleistungen ist vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, gegen den die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), weil auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zwischen Versicherungsfall - siehe die Definition der Versicherungsfälle in §§ 7 ff SGB VII - und Leistungsfall - vgl. die §§ 26 ff SGB VII - zu unterscheiden ist. Eine derartige Entscheidung der Beklagten liegt nicht vor. Im angefochtenen Bescheid ist die vom Kläger begehrte Leistung mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr entschied die Beklagte der Sache nach nur über das Vorliegen von Unfallfolgen

Der Verfügungssatz des Bescheides enthält zwar die Aussage, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu erbringen seien. Dieser Verfügungssatz mag insofern für sich genommen, missverständlich sein. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zu Grunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheides zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Die in Rede stehenden Leistungen sind im Verwaltungsverfahren vom Kläger weder beantragt noch von der Beklagten konkret und für den Empfänger der Bescheide erkennbar geprüft worden und sie sind in den Bescheiden auch nicht erwähnt worden. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über das Vorliegen von Unfallfolgen entscheiden wollte und etwaige Leistungsansprüche nicht in Erwägung zog (so in einem vergleichbaren Fall auch BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R).

Demnach ist das angefochtene Urteil insoweit abzuändern, als die Beklagte hiermit zur Anerkennung einer Supraspinatussehnenruptur der linken Schulter als Unfallfolge verurteilt wurde sowie - insoweit ist die Klage abzuweisen - zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. Die entsprechende Unfallfolge ist durch das Gericht selbst festzustellen. Der Senat teilt die Auffassung des SG, wonach als Folge des Unfalls vom 26.06.2004 beim Kläger eine Supraspinatussehnenruptur links eingetreten ist, weshalb die Berufung der Beklagten insoweit keinen Erfolg haben kann.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass die beim Kläger am 08.09.2004 kernspintomographisch nachgewiesene Partialruptur der Supraspinatussehne hinreichend wahrscheinlich rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis vom 26.06.2004 zurückzuführen ist.

Der Senat bejaht den naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem in Rede stehenden Gesundheitsschaden. Der Kläger war bis zu dem Unfallereignis von Seiten der linken Schulter beschwerdefrei. Erst unmittelbar nach seinem Sturz traten beim Kläger insoweit Schmerzen auf, die sich im Laufe des Unfalltages, einem Samstag, verstärkten, am Folgetag anhielten und den Kläger am darauffolgenden Montag veranlassten, sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Wie dem entsprechenden Bericht entnommen werden kann, zog der Chirurg T. angesichts der vom Kläger geschilderten Schmerzzustände und der festgestellten Bewegungseinschränkungen bereits bei der durchgangsärztlichen Erstuntersuchung eine Supraspinatussehenenruptur in Betracht. Als Diagnosen führte er neben einer Prellung der linken Schulter nämlich den Verdacht auf eine Supraspinatussehenenruptur links auf. Bei der Folgeuntersuchung am 01.07.2004 fand er im Verlauf der Supraspinatussehne und des gesamten M. deltoideus im Schmerzen und verblieb - wie seinem Nachschaubericht zu entnehmen ist - bei seiner zuvor getroffenen Verdachtsdiagnose. Nachdem sich dieser schon unfallnah geäußerte Verdacht bei fortbestehender Beschwerdesituation mit der am 08.09.2004 durchgeführten MRT-Untersuchung bestätigte, geht der Senat davon aus, dass die in Rede stehende Partialruptur der Supraspinatussehne durch das Sturzereignis vom 26.06.2004 verursacht wurde.

Für einen derartigen Zusammenhang spricht insbesondere auch der Unfallhergang, wie ihn der Kläger übereinstimmend gegenüber der Sachverständigen Dr. G. , dem SG und dem früheren Berichterstatter des Senats geschildert hat. Zutreffend hat das SG insoweit darauf hingewiesen, dass ein Sturz auf den zum Abfangen des Körpers nach hinten gestreckten Arm geeignet ist, eine entsprechende Verletzung im Bereich der Rotatorenmanschette herbeizuführen. Hiervon geht neben den Sachverständigen Dr. G. und Prof. Dr. L. auch die Beklagte selbst aus. Die Beklagte bezweifelt ausschließlich, dass der Kläger wegen einer versuchten Abstützreaktion auf den Arm gestürzt ist und geht davon aus, dass der Kläger ein bloßes Anpralltrauma im Bereich der linken Schulter erlitten hat, was sich nicht als geeignetes Unfallereignis für das Auftreten einer Supraspinatussehenenruptur darstelle.

Es bedarf keiner Erörterung, wann ein Unfallereignis zur Herbeiführung einer Rotatorenmanschettenruptur geeignet ist (s. hierzu Urteil des Senats vom 12.11.2009, L 10 U 3951/08). Denn der vom Kläger gegenüber dem SG und dem Senat geschilderte Hergang des Sturzes wäre auch nach Auffassung der Beklagten ein solches geeignetes Ereignis.

Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beklagten, wonach allein die Erstangaben des Klägers, nach denen er direkt auf die linke Schulter gestürzt sei, maßgeblich seien, während es sich bei den späteren Darlegungen um verfahrensangepasste Schilderungen handele, die nicht zur Grundlage für die Beantwortung der Frage gemacht werden könnten, ob ein geeignetes Unfallereignis vorlag. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass weder die vorliegenden Arztberichte noch die Unfallanzeige des Arbeitgebers Angaben zum konkreten Ablauf des Sturzes enthalten, darin vielmehr jeweils im Wesentlichen von einem Sturz (Fallen, Aufschlagen) auf die linke Schulter die Rede ist, so dass hieraus jedenfalls nicht abgeleitet werden kann, dass der Kläger nur ein reines Anprallereignis erlitten hat. Nähere Darlegungen zum Hergang des Unfalls finden sich erstmals in dem Schreiben des Kläger vom 14.07.2004, in dem er auf die ihm zur Auswahl gestellten Möglichkeiten angab, direkt auf die linke Schulter gefallen zu sein. Der Beklagten ist zuzugeben, dass diese Angabe im Widerspruch steht zu den erwähnten späteren Schilderungen des Klägers, nach denen er versucht habe, sich mit dem Arm abzufangen und deshalb auf diesen gestürzt sei. Allerdings spricht gerade die von dem Allgemeinmediziner B. , also die von dem vom Kläger zuerst in Anspruch genommenen Arzt gestellte Diagnose für die Richtigkeit seiner späteren Schilderungen. Denn dieser Arzt führte im Rahmen seiner der Beklagten erteilten Unfallmeldung nicht nur eine Prellung der Schulter, sondern auch eine Prellung des Oberarmes und insbesondere auch des Ellenbogens auf. Mit einem reinen Anpralltrauma der Schulter lassen sich diese Feststellungen nicht vereinbaren. Diese von dem Allgemeinmediziner B. gestellten Diagnosen lässt die Beklagte im Rahmen ihrer Darlegungen aber völlig unberücksichtigt. Insbesondere die angegebene Prellung des Ellenbogens ist nach Auffassung des Senats aber ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Kläger - entsprechend seiner späteren Schilderungen - den Arm vor dem Aufschlagen nach hinten gebracht und versucht hat, den Sturz abzufangen. Eine solche Reaktion hält der Senat, wenn man sich vor Augen hält, dass der Kläger zuvor an einem Haken zog, mit dem er dann abrutschte zudem auch für deutlich lebensnäher, als die Annahme, dass der Kläger aus dem Stand heraus unmittelbar mit der linken Schulter auf den Boden aufschlug. Bei der Beurteilung, welcher konkrete Ablauf einem Unfallereignis zugrunde zu legen ist, darf letztlich auch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Betroffene kaum sämtliche Details des Hergangs wird rekonstruieren können, da die Überraschung durch das Ereignis und die Geschwindigkeit des Geschehensablaufs kaum mehr ein bewusstes Handeln zulässt.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung vermag der Senat auch aus der Tatsache, dass der Kläger sich nicht bereits am Unfalltag, sondern erst am 28.06.2004 in ärztliche Behandlung begab, keinen gegen einen Unfallzusammenhang sprechenden Gesichtspunkt herzuleiten. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich der Unfall am frühen Samstagmorgen um 3:30 Uhr in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schichtende des Klägers um 5:00 Uhr ereignete und sich daran das Wochenende anschloss. Damit führte der Kläger seine Arbeit aber nicht - wovon die Beklagte offenbar ausgeht - regelrecht noch bis zum 28.06.2004 fort, sondern nur noch ca. 1,5 Stunden bis zum Schichtende. Wegen der über das Wochenende hinweg persistierenden Schmerzen suchte er dann bereits am nächsten Werktag seinen behandelnden Arzt B. auf. Damit spricht auch das Verhalten des Klägers nach dem Unfall nicht gegen das Auftreten von erheblichen Schmerzzustandes in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis.

Letztlich hat das versicherte Unfallereignis die in Rede stehende Partialruptur der Supraspinatussehne auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich (mit)verursacht. Der Senat vermag insbesondere nicht davon auszugehen, dass im Bereich der Supraspinatussehne des Klägers eine Krankheitsanlage vorlag, der neben der versicherten Ursache eine überragende Bedeutung beizumessen ist. Soweit die Beklagte diesbezüglich geltend macht, kernspintomografisch sei eine degenerative Tendinosis sowohl im Bereich der Supraspinatussehne als auch im Bereich der langen Bizepssehne festgestellt worden, so irrt sie. Denn der kernspintomographische Befund belegt zwar für die Subscapularissehne und die lange Bizepssehne degenerative Veränderungen, nicht jedoch für den Bereich der hier in Rede Supraspinatussehne. Für den Senat schlüssig und überzeugend hat die Sachverständige Dr. G. zudem dargelegt, dass sich im Bereich der Supraspinatussehne gerade keine schwerwiegenden degenerative Vorschädigung finden. Denn eine fettige Degeneration dieser Sehne, was für eine Degeneration sprechen würde, lag gerade nicht vor. Im Bereich der Supraspinatussehne ist somit keine schwerwiegende Krankheitsanlage als konkurrierende Ursache festzustellen, der im Hinblick auf die eingetretene Partialruptur überragende Bedeutung beigemessen werden könnte.

Auch der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. L. folgt der Senat insoweit nicht. Prof. Dr. L. geht im Hinblick auf die allein streitige Ruptur der Supraspinatussehne von einem im MRT dokumentierten verletzungsuntypischen Befund aus, weil nur ein Teilriss und keine vollständige Kontinuitätsunterbrechung (i.S. eines Abrisses) beschrieben sei. Dies überzeugt nicht. Denn es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, dass eine Sehne bei Gewalteinwirkung nur vollständig, nicht aber teilweise - in Bezug die einzelnen Fasern - reißen können soll. Schließlich entsteht ein vollständiger Riss ebenfalls durch die Risse einzelner Fasern (wenn auch aller). Im Übrigen geht auch der Sachverständige im Grunde davon aus, dass einzelne Fasern der Supraspinatussehne durch den Unfall getrennt wurden, wenn er eine Zerrung dieser Sehne mit kleineren Fasereinrissen thematisiert. Dies genügt für die begehrte Feststellung. Ob - so der Sachverständige mit Blick auf einen (für den konkreten Sachverhalt unerheblichen) "Normalfall" - die daraus entstehenden Beschwerden innerhalb von sechs bis zwölf Wochen ausheilen, ist dabei ohne Bedeutung. Maßgebend für die Entscheidung ist allein, ob das Unfallereignis zu der strukturellen Läsion, die der Kläger als Unfallfolge zur Feststellung beantragt, führte. Davon geht der Senat aus. Denn in den bildgebenden Verfahren finden sich keine Hinweise darauf, dass die im MRT beschriebene Läsion der Supraspinatussehne bereits vor dem Unfall bestand; stattdessen ist - so der MRT-Befund - eine fettige Degeneration der Supraspinatusmuskulatur ausdrücklich ausgeschlossen. Dies spricht gegen eine degenerative Vorschädigung. Soweit der Sachverständige meint, ein alltägliches Ereignis hätte angesichts der Schadensanlage (Konturenunregelmäßigkeiten und Ausziehungen im Bereich des Schulterdaches als Hinweis auf ein Impingement-Syndrom) zur Herbeiführung derselben Beschwerden, wie sie nach dem Unfall bestanden, geführt, vermag der Senat auch dieser Auffassung nicht zu folgen. Eine Begründung für diese Auffassung bleibt der Sachverständige schuldig. Auch ist es nicht nachvollziehbar, die selbst vom Sachverständigen auf eine Prellung zurückgeführten Beschwerden als durch eine alltägliche Überkopfbelastung oder alltagsübliche Kraftanstrengung zeitgleich herbeiführbar anzusehen, wenn der Kläger zuvor - wovon auch der Sachverständige ausgeht - keinerlei Beschwerden im Bereich des linken Schultergelenkes hatte, dieses aber - allein schon im Rahmen der verrichteten Tätigkeiten - alltäglichen Belastungen tatsächlich ausgesetzt war.

Nach alledem ist durch den Senat daher die Ruptur der Supraspinatussehne als Folge des Unfalls vom 26.06.2004 festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Anteil des Erfolgs der Beteiligten.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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