L 13 AS 2588/10 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2588/10 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 1. Juni 2010 wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19, 21 Abs. 5 SGB II streitig.

Der Antragsteller bezieht seit Jahren von der Beklagten laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II (§§ 19 ff SGB II). Im Hauptsacheverfahren (L 13 AS 67/09) ist die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19, 21 Abs. 5 SGB II) wegen einer vom Antragsteller angegebenen kostenaufwändigen Ernährung streitig.

Am 1. Juni 2010 hat der Antragsteller erneut (zuvor schon L 7 AS 68/09 ER mit ablehnendem Beschluss vom 11. April 2009) beantragt, die Beklagte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verpflichten, einstweilen Leistungen des Ernährungsmehrbedarfs zu zahlen. Wegen genetischer Vorbelastung und schlechten Blutfettwerten versuche er, die Anweisungen seines Arztes, keine tierischen Fette, insbesondere keine Eier, Wurst, Innereien oder Hackfleisch, zu essen. Die ihm gewährten Leistungen reichten jedoch nicht aus, um sich ohne Unterbrechungen an diese Anweisungen zu halten. Wenn er das Geld für kontinuierlich fettarme proteinreiche Nahrungsmittel hätte, könne er wahrscheinlich den Sollwert bei Cholesterin und Triglyceriden erreichen. Auch habe er mittlerweile ständig einen zu hohe Blutdruck (diastolisch bei 110) auf. Da die erforderlichen Lebensmittel aber teuer seien und die Regelleistung seit 5½ Jahren nicht angepasst worden sei, fehle ihm das Geld für eine ausreichende Ernährung. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dem Gesetzgeber zur Änderung der Regelleistung zwar bis Ende 2010 Zeit gelassen habe, ändere dies jedoch nichts an der Verfassungswidrigkeit und auch nichts daran, dass die Regelleistung zu niedrig sei, um die wegen seiner Blutfettwerte notwendigen Ernährungsmehrkosten aufzubringen. Er benötige das Geld auch deswegen, um sein beim ‚United States Patent and Trademark Office‘ unter der Nummer erteiltes Patent erhalten zu können. Er müsse bis spätestens 18. Juli 2010 490 US-Dollar ("Patent Maintenance Fee") zuzüglich 65 US-Dollar ("Late Payment Surcharge") bezahlen, um sein Patent über "Verfahren der automatisierten Programmentwicklung bis hin zur Generierung einer einfachen Vorform künstlichen Bewusstseins auf Computerbasis" zu erhalten. Hinzu kämen noch ca. 17 Euro an Überweisungsgebühren. Da es sich um etwas völlig neues handele und bisher nichts vergleichbares existiere, sei von einem Potential in Millionenhöhe auszugehen. Das deutsche Patent sei noch unter der Nummer vor dem EGMR Gegenstand einer Individualbeschwerde.

Des Weiteren begehrt der Antragsteller, "den ungefähren Bedarf für die von Seite 1 (2/3 Höhe) bis 2 (1/3 Höhe) genannten benötigten Dinge" von Amts wegen zu ermitteln. "Die davon weniger bekannten Dinge dürften folgende Beträge kosten: Eine Drum-Unit (Entwicklereinheit) für meinen Drucker c.a. 70 EUR (manchmal gibt es alte wiederhergerichtete/ neubeschichtete mit kürzerer Funktionsdauer schon für 50 EUR). Eine DC/DC-Karte für meinen Laptop kann ich nicht mehr einzeln nachkaufen, weil der Laptop zu alt ist. Dafür gibt es alte defekte Laptops gleichen Typs zum Ausschlachten oftmals schon für c.a. 40 EUR".

Ein ärztliches Attest vom 28. Mai 2010 des Arztes für Allgemeinmedizin, Sportmedizin, Geriatrie Dr. G. bescheinigt dem Antragsteller, an einer kombinierten Fettstoffwechselstörung (Cholesterin und Triglyceride) zu leiden und einer fettarmen, proteinreichen Ernährung zu bedürfen.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegen getreten.

II.

Der Antrag ist zwar zulässig, in der Sache jedoch unbegründet und daher ohne Erfolg.

Das Landessozialgericht (LSG) ist als Gericht der Hauptsache (L 13 AS 67/09) nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG berufen, über den bei ihm gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden.

Prozessuale Grundlage des im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruchs ist § 86b Abs. 2 S. 2 SGG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorweg nehmenden Eilentscheidung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann auch bei Leistungen nach dem SGB II in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistungen für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 2005 - L 13 AS 4106/05 ER-B).

Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen, also für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Eilverfahrens, ist, von einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B - veröffentlicht in Juris). Schon aus diesem Grund ist der Antrag insoweit abzulehnen, als der Antragsteller auch die Zahlung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.S.d. §§ 19, 21 Abs. 5 SGB II für die Zeit vor der Antragstellung begehrt. Dabei hat der Antragsteller auch betont, mangels Geld seine fettarme und proteinreiche Ernährung nicht ständig aufrecht erhalten zu haben. Damit trägt er konkludent auch vor, keinen ernährungsbedingten Mehrbedarf mehr zu haben; denn die von ihm erwartete Nachzahlung soll für die Aufrechterhaltung seines US-Patents eingesetzt werden und gerade nicht für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf.

Auch soweit der Antragsteller höhere Leistungen für die Zukunft geltend macht, ist der Antrag unbegründet. Denn der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. BVerfG in NJW 2003, 1236 f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - veröffentlicht in juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung, hier also der Entscheidung über die Beschwerde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. auch dazu Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 a.a.O. m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Zugrundelegung der (hier maßgeblichen) Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag hat der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs i.S. eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.S.d. §§ 19 S. 1, 21 Abs. 5 SGB II nicht glaubhaft gemacht.

Aus dem Attest von Dr. G. lässt sich nicht entnehmen, an welcher Krankheit der Kläger leidet. Daraus lässt sich auch nicht ableiten, dass der Kläger aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfte. Zwar hat der Verzehr von fettarmem und proteinreichen Nahrungsmitteln beim Antragsteller dazu geführt, dass sich seine Blutfettwerte verbessert haben. Alleine hieraus jedoch medizinische Gründe abzuleiten, die eine Ernährung gebieten, die über die in der Regelleistung abgedeckten Bedarfe hinaus geht, ist dem Senat nicht möglich. Im Übrigen nimmt der Senat aufgrund eigener Prüfung und Überzeugungsbildung auf die zutreffenden Gründe des Beschlusses vom 17. April 2009 (L 7 AS 68/09 ER) Bezug und verweist wegen der weiteren Begründung auf die dortigen Ausführungen. Auch soweit der Antragsteller (vgl. seinen Schriftsatz vom 22. Juni 2010) vorgetragen hat, an einem zu hohen Blutdruck zu leiden, ergibt sich hieraus nichts anderes.

Soweit der Antragsteller geltend macht, das Geld dazu zu benötigen, sein US-Patent zu erhalten, hat er weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn er teilt damit gerade mit, das Geld nicht zur Deckung des von ihm geltend gemachten kostenaufwändigen Ernährungsmehrbedarfs verwenden zu wollen sondern um sein Patent zu schützen. Dieser Bedarf ist kein Bedarf des § 21 Abs. 5 SGB II.

Das BVerfG hat mit Urteil vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – juris) bestimmt, dass die bis dahin vom Gesetzgeber bestimmte Höhe der Regelleistung (im Fall derzeit: 359 Euro) zwar nicht verfassungsgemäß ist, jedoch noch bis 31. Dezember 2010 der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zugrunde zu legen sind. Auch daraus kann der Antragsteller keine höheren Leistungen verlangen.

Auch aus anderen Vorschiften des SGB II steht dem Anspruchsteller bei summarischer Prüfung kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne der §§ 19 ff SGB II gegen die Beklagte zu, nach dem ihm die Kosten zur Aufrechterhaltung und zum Schutz des US-Patents zu ersetzen sind. Zwar können berufsbedingte Aufwendungen von einem Einkommen in Abzug gebracht werden (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II), jedoch existiert im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 bis 35 SGB II) keine Vorschrift, die den Grundsicherungsträger zum Ersatz solcher Kosten verpflichtet. Gleiches gilt für die vom Antragsteller als "benötigte Dinge" bezeichneten Bedarfe (Entwicklungseinheit für Drucker, DC/DC-Karte für Laptop usw.), die dieser tatsächlich nicht näher beschrieben oder dargestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dabei berücksichtigt der Senat, dass der Antragsteller auch nicht teilweise obsiegt hat.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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