S 13 KR 136/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 136/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 401/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 288.462,76 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2006 zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 288.462,76 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückerstattung von 288.462,76 EUR.

Die Klägerin ist eine pharmazeutische Unternehmerin; sie bringt in Deutschland eine Vielzahl von Arzneimitteln in den Verkehr. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz innerhalb der Niederlande. Sie betreibt u.a. eine Versand-/Internetapotheke, mit der sie in der Zeit von 2003 bis 2005 Endverbraucher in Deutschland mit Arzneimitteln versorgte; diesen räumte sie Rabatte bzw. Einkaufsvorteile ein.

In den Jahren 2003, 2004 und 2005 erhielten verschiedene Krankenkassen von der Beklagten Abschläge auf die Preise von Arzneimitteln, die die Beklagte im Rahmen des Versandhandels aus den Niederlanden an Versicherte der Krankenkassen nach Deutschland geliefert hatte. In der Annahme, hierzu gemäß § 130a Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verpflichtet zu sein, erstattete die Klägerin der Beklagten Beträge in Höhe der gewährten Abschläge, und zwar für das Jahr 2003 in Höhe von 23.171,47 EUR, davon im Jahre 2003: 18.112,58 EUR, für das Jahr 2004 in Höhe von 202.069,42 EUR, für das Jahr 2005 in Höhe von 63.221,87 EUR, zusammen 288.462,76 EUR.

Durch Urteile vom 28.07.2008 (B 1 KR 4/08 R) und 17.12.2009 (B 3 KR 14/08 R) entschied das Bundessozialgericht (BSG), dass der in § 130a Abs. 1 SGB V geregelte Rabatt der pharmazeutischen Unternehmer nur für Fertigarzneimittel gilt, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) oder aufgrund des § 129 Abs. 5a SGB V bestimmt sind, und dass diesen Preisregelungen nicht die Fertigarzneimittel unterliegen, die als Import im Rahmen des Versandhandels an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegeben werden.

Die Klägerin forderte von der Beklagten - mit Schreiben vom 22.06.2006 unter Fristset- zung zum 07.07.2006 - die erstatteten Beträge zurück. Dem kam die Beklagte nicht nach.

Mit ihrer am 30.09.2008 erhobenen Klage macht die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 288.462,76 EUR geltend. Sie stützt ihr Begehren auf § 69 Abs, 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung i.S.d. § 812 BGB. Sie ist der Auffassung, dass sie die Herstellerrabattersatz- forderungen der Beklagten für die Jahre 2003 bis 2005 zu Unrecht ausgeglichen habe; deshalb sei diese zur Rückzahlung verpflichtet. Erst im Januar 2006 sei ihr die Frag- würdigkeit der von der Beklagten bisher geltend gemachten Herstellerrabattersatz- forderungen aufgefallen; daher habe sie danach auch die Zahlungen eingestellt. Positive Kenntnis von dem fehlenden Verpflichtungsgrund habe sie erst aufgrund des BSG-Urteil vom 28.07.2008. Der Zinsanspruch ergebe sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 288.462,76 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die beiden Urteile des BSG vom 28.07.2008 und vom 17.12.2009 für verfassungs- und europarechtswidrig und hat darauf hingewiesen, dass gegen diese Entscheidungen Verfassungsbeschwerden erhoben worden sind. Sie ist der Auffassung, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Rückerstattung des an die Beklagte geleisteten Herstellerrabattes zu. Nach Angaben der Beklagten lagen ihren Abschlagszahlungen an die Krankenkassen keine Vereinbarungen zugrunde, in denen sie sich verpflichtet hätte, den Krankenkassen einen Rabatt zu zahlen bzw. im Rahmen der Abrechnung abzuziehen. Sie sieht den Rechtsgrund für den Abschlag zugunsten der Krankenkassen in § 130a SGB V. Diese Vorschrift statuiere einen Anspruch der GKV gegenüber den Herstellern zur Teilnahme an der Kostendämpfung. Die Apotheke werde in dieses Leistungsverhältnis nur als Kostenschnittstelle integriert; sie erlange durch die Teilnahme am "Herstellerrabattabwälzungsmechanismus" keinen eigenen Vorteil. Die Beklagte meint, das Begehren der Klägerin stelle keinen zwingenden Bestandteil des "Herstellerrabattabwälzungsmechanismus" im Sinne des § 130a SGB V dar. Die Beklagte räumt ein, dass die Klägerin rechtsgrundlos den Herstellerrabatt an sie geleistet habe. Sie ist jedoch der Auffassung, dass allein in Betracht kommende zivilrechtliche Rückerstattungsansprüche nicht begründet seien. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Leistung um die unsichere Rechtslage gewusst, auf der basierend die Herstellerrabatte seitens der Beklagten gefordert worden seien; trotz der Weigerung zahlreicher Hersteller, der Beklagten den geleisteten Herstellerrabatt zu erstatten, habe die Klägerin an die Beklagte vorbehaltlos geleistet; die Klägerin sei daher nicht schutzwürdig. Unabhängig davon scheide eine Rückforderung auch aus dem Gesichtspunkt des Wegfalles des Erlangten aus; das Erlangte existiere nicht mehr; es sei ersatzlos weggefallen, da die Beklagte den Betrag unentgeltlich an die gesetzlichen Krankenversicherungen weitergeleitet habe. Die Beklagte habe weder ein Surrogat noch Wertersatz oder einen Verwendungserfolg erhalten; in dieser Konstellation scheide ein Rückgriff aus. Im Übrigen sei der mit der Klage verfolgte Anspruch verjährt.

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt. Die Kammer hat durch Beschluss vom 24.02.2009 - bestätigt durch Beschluss des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 25.09.2009 (L 11 B 5/09 KR) - entschieden, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Rechtsgrundlage des Rückzahlungsbegehrens der Klägerin ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Dieser aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Anspruch besagt, dass Leistungen, die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ohne Rechtsgrund erbracht worden sind, zu erstatten sind. Dabei gelten ähnliche Grundsätze wie im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, §§ 812 ff. BGB (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 28.09.2006 - B 3 KR 20/05 R = BSGE 97, 125 = SozR 4-1500 § 92 Nr. 3; Urteil vom 12.06.2008 - B 3 KR 12/07 R = SozR 4-2500 § 15 Nr. 1). Ausweislich der vorgelegten Herstellerrabattabrechnungen der Beklagten hat diese sich bei ihren Forderungen für die Jahre 2003 bis 2005, deren Rückabwicklung mit der Klage verfolgt wird, auf § 130a SGB V als Anspruchsgrundlage berufen. Diese Vorschrift regelt Rechtsbeziehungen zwischen Arzneimittelherstellern, Apotheken und Krankenkassen nach dem Recht der GKV, mithin auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Auf Rückabwicklung gerichtete Ansprüche sind die Kehrseite der vermeintlichen Leistungsansprüche (sog. actus contrarius); sie teilen deshalb die Rechtsqualität des An-spruchs, den sie umkehren (LSG NRW, Beschluss vom 25.09.2009 - L 11b 5/09 KR).

Die Klägerin hat der Beklagten die Beträge, die diese für die Jahre 2003 bis 2005 verschiedenen Krankenkassen als Abschlag auf die Preise von im Rahmen des Versandhandels an Versicherte der Krankenkassen nach Deutschland gelieferte Arzneimittel gewährt hat, zu Unrecht erstattet. Zum Zeitpunkt der Zahlungen meinte die Klägerin, zur Erstattung dieses Apothekenabschlags aufgrund der Vorschrift des § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V verpflichtet gewesen zu sein. Danach gilt: "Pharmazeutische Unternehmen sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten". Der Anspruch dient dem Ausgleich von Zahlungspflichten von Apotheken nach § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt in der hier anzuwendenden und bis zur Änderung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) unverändert gebliebenen Fassung des Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG) vom 23.12.2002 (BGBl. I S. 4637): "Die Krankenkassen erhalten von Apotheken für ab dem 01. Januar 2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von sechs von Hundert des Herstellerabgabepreises". Die Klägerin war jedoch zur Erstattung eines Apothekenabschlags gem. § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V in Höhe von 288.462,76 EUR nicht verpflichtet, weil Rechtsgrundlage der in dieser Höhe geleisteten Zahlungen der Beklagten an die Krankenkassen nicht § 130a SGB V war und demzufolge auch Erstattungsansprüche der Beklagten gegenüber der Klägerin nach § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht entstehen konnten.

Das BSG hat durch Urteile vom 28.07.2008 (B 1 KR 4/08 R) und 17.12.2009 (B 3 KR 14/08 R) entschieden, dass das Regelungssystem mit Abgabepflichten nach § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V zu Lasten von Apotheken einerseits und Erstattungsansprüchen nach § 130 a Abs. 1 Satz 2 SGB V gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmern andererseits in dem hier streitigen Zeitraum für die Beklagte nicht einschlägig war, weil Rabatte nach § 130 a Abs. 1 SGB V grundsätzlich nur bei Abgabe von Fertigarzneimitteln im Rahmen der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) oder aufgrund des § 129 Abs. 5a SGB V anfallen und die Beklagte diesem Regime jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums nicht unterstellt war. Soweit dies für die Zeit ab 01.05.2006 nunmehr in § 130a Abs. 1 Satz 5 SGB V (eingefügt durch Artikel 1 Nr. 7a des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung vom 26.04.2006 - BGBl. I S. 984) ausdrücklich normiert ist, kommt dieser Regelung eine klarstellende Funktion zu; sie gilt auch bereits für die Zeit davor und damit für alle früheren Fassungen des § 130a SGB V, weil als Herstellerabgabepreis im Sinne § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V schon immer ein nach deutschem Preisrecht bestimmter Preis angesehen werden konnte. Für nach Deutschland importierte Fertigarzneimittel gelten Apothekenabgabepreise indes weder aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG noch sind sie aufgrund des § 129 Abs. 5a SGB V bestimmt. Die inländischen Arzneimittel-Preisvorschriften sind folglich als klassisches hoheitliches Eingriffsrecht nicht auf Arzneimittel anwendbar, die sich außerhalb des Inlands befinden. Die Beklagte hat - jedenfalls in den Jahren 2003 bis 2005 - nicht durch den rechtlich zulässigen Beitritt zum Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V und eine entsprechende Ausgestaltung ihres Vertriebs für die Anwendbarkeit der deutschen Preisvorschriften und damit auch für das Eingreifen der Bestimmungen über den Herstellerrabatt gesorgt (BSG, a.a.O.). Die verfassungs- und europarechtlichen Bedenken der Beklagten gegen diese BSG-Entscheidungen teilt die Kammer nicht.

Fand somit § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V auf die im streitbefangenen Zeitraum im Wege des Versandhandels von der Beklagten aus den Niederlanden an Versicherte der deutschen GKV abgegebene Arzneimittel keine Anwendung, so war die Beklagte jedenfalls nach dieser Vorschrift nicht verpflichtet, für die von ihr abgegebenen Arzneimitteln den Krankenkassen einen Abschlag zu gewähren. Da § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V die pharmazeutischen Unternehmen nur verpflichtet, den Apotheken "den Abschlag" - also nur einen solchen auf der Grundlage von § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V - zu erstatten, sind die entsprechenden Zahlungen der Klägerin an die Beklagte für die Jahre 2003 bis 2005 in Höhe von 288.462,76 EUR ohne Rechtsgrund erfolgt und ist die Beklagte dadurch ungerechtfertigt bereichert worden. Dies begründet den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Klägerin auf Rückzahlung dieser Leistung.

Der Pflicht der Beklagten zur Rückerstattung steht nicht entgegen, dass die Klägerin seinerzeit ohne Vorbehalt geleistet hat. Allerdings kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 814 BGB). Die Beklagte behauptet, die Klägerin sei sich einer "unsicheren Rechtslage" bewusst gewesen; wenn sie gleichwohl vorbehaltslos geleistet habe, sei sie nicht schutzwürdig. Die Darstellung der Bewusstseinslage der Klägerin im Zeitpunkt der Zahlungen an die Beklagte für die Jahre 2003 bis 2005 beruht auf reinen Spekulationen. Die Klägerin hat glaubhaft dargestellt, im Zeitpunkt der Zahlungen überzeugt gewesen zu sein, diese gem. § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V an die Beklagte leisten zu müssen. Erst Anfang 2006, nachdem verschiedene erstinstanzliche Urteile ergangen waren, in denen der Anspruch der Beklagten auf Erstattung des Apothekenabschlags gegen pharmazeutische Unternehmen verneint worden war, wurde ihr die Fragwürdigkeit der von der Beklagten bisher geltend gemachten Ersatzforderungen bewusst und stellte sie danach auch die Zahlungen ein. Auch zu diesem Zeitpunkt kann noch nicht von einer Kenntnis der Nichtschuld im Sinne von § 814 BGB ausgegangen werden, sondern allenfalls von (berechtigten) Zweifeln an dem von der Beklagten geltend gemachten Anspruchs. Positive Kenntnis von dem fehlenden Verpflichtungsgrund hat sie erst durch das Urteil des BSG vom 28.07.2008 (B 1 KR 4/08 R) erlangt. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Wegfall der Bereicherung (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB) berufen. Wenn die Krankenkassen von der Beklagten im streitigen Zeitraum, wie den beiden Urteilen des BSG vom 28.07.2008 (B 1 KR 4/08 R) und 17.12.2009 (B 3 KR 14/08 R) zu entnehmen ist, nach dem Vorbringen der Beklagten in diesen Verfahren, in denen sie Klägerin war, einen Abschlag für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel erhalten haben, hat die Beklagte dadurch eine aus den mit den Krankenkassen abgeschlossenen Einzelverträgen sich ergebende eigene Schuld getilgt und dadurch eigene Aufwendungen erspart. Wenn aber, wie die Beklagte im vorliegenden Verfahren behauptet, ihren Rabatten an die Krankenkassen keine Vereinbarungen zugrunde lagen, in denen sie sich verpflichtet hätte, den Krankenkassen den Rabatt einzuräumen, hätte die Beklagte rechtsgrundlos an die Krankenkassen geleistet und stünde ihr daraus ein entsprechender Rückzahlungsanspruch gegen die Krankenkassen zu. In keinem der beiden Fälle ist die Beklagte entreichert.

Ohne Erfolg erhebt die Beklagte gegen das Rückzahlungsbegehren der Klägerin die Einrede der Verjährung. Für den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch hat das BSG in Rechtsanalogie zu §§ 45 Abs. 1 SGB I, 25 Abs. 1 und 27 Abs. 2 SGB IV, 113 Abs. 1 SGB X in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass er einer vierjährigen Verjährungsfrist unterliegt (BSG, Urteil vom 12.05.2005 - B 3 KR 32/04 R - und vom 28.09.2006 - B 3 KR 20/05 R - jeweils m.w.N.). Würde die Verjährungsfrist allein mit dem Schluss des Jahre beginnen, in dem der Anspruch entstanden ist, so wäre der Erstattungsanspruch hinsichtlich der Beträge, die die Klägerin noch im Jahre 2003 gezahlt hat (18.112,58 EUR), mit Ablauf des Jahres 2007 verjährt gewesen; die erst am 30.09.2008 erhobene Klage hätte also die Verjährung nicht mehr hemmen können (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Für den Beginn der Verjährung ist jedoch gem. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB nicht allein der Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, ausschlaggebend; vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners K e n n t n i s erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Nach seinem Wortlaut bezieht sich § 199 Abs. 1 BGB auf die "regelmäßige Verjährungsfrist", die nach dem BGB (§ 195) drei Jahre beträgt. Da aber gem. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V die Vorschriften des BGB "entsprechend" gelten, ist § 199 Abs. 1 BGB auf die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren und nicht unmittelbar auf § 195 BGB zu beziehen. "Regelmäßige Verjährungsfrist" im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB ist für Ansprüche auf Rechtsbeziehungen im Sinne von § 69 SGB V die Frist von vier Jahren.

Die den Lauf der Verjährungsfrist auslösende Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände hatte die Klägerin - davon ist die Kammer überzeugt - nicht bereits im Jahre 2003. Erstmals im Jahre 2005 ergingen Urteile, die eine Verpflichtung der Beklagten gegenüber den Krankenkassen aus § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V verneinten. Letztinstanzlich - und damit positive Kenntnis von der Nichtschuld auslösend - entschied erst das BSG durch Urteil vom 28.07.2008. Fehlt es somit auch für die bereits im Jahre 2003 getätigten Zahlungen der Klägerin an die Beklagte an der notwendigen Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände, nämlich der Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes, so war der gesamte Anspruch auf Erstattung der für die Jahre 2003 bis 2005 geleisteten Zahlungen zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 30.09.2008 noch nicht verjährt. Durch die Klageerhebung ist die Verjährung gehemmt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Der Zinsanspruch (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 03.08.2006 - B 3 KR 7/06 R = BSGE 93, 23 = SozR 4-2500 § 129 Nr. 3; Urteil vom 19.04.2007 - B 3 KR 10/06 R) folgt aus § 69 Abs.1 Satz 3 SGB V i.V.m. §§ 286, 288 BGB. Aufgrund des Aufforderungsschreibens der Klägerin vom 22.06.2006 war die Beklagte mit der Rückzahlung des gezahlten Herstellerrabatts gem. § 286 BGB spätestens seit dem 07.07.2006 in Verzug. Der Zinssatz für die Geldforderung beträgt 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, weil weder die Klägerin noch die Beklagte Verbraucher sind (§ 288 Abs. 2 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 162 Abs. 2, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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