L 4 SF 51/10 AB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 21 P 7/10 ER AB
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 SF 51/10 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ablehungsgesuch gegen Richter
Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin gegen Richter Dr. L. ist unbegründet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin einer Einrichtung zur Erbringung häuslicher Krankenpflege.

Am 16. November 2009 führte der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) bei der Antragstellerin eine Qualitätsprüfung durch. Nach Anhörung der Antragstellerin rügte diese mit Schreiben vom 4. Januar 2010 zahlreiche Punkte des vorläufigen Transparenzberichts und forderte die Antragsgegner erfolglos mit Schreiben vom 9. Februar 2010 auf, von einer Veröffentlichung abzusehen.

Am 11. Februar 2010 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Halle gegen die Antragsgegner den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, die Veröffentlichung eines vorläufigen Transparenzberichts zu unterlassen und festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sei, Prüfergebnisse an gut sichtbarer Stelle ihrer Einrichtung auszuhängen.

Im Verlaufe dieses Verfahrens haben die Antragsgegner mit Schreiben vom 24. Februar 2010 vorgetragen, der Prüfbericht des MDK müsse nochmals überarbeitet werden, bevor dieser veröffentlicht werden könne. Derzeit erfolge eine Nachkorrektur durch den MDK. Da der Prüfbericht gleichzeitig die Grundlage für den angegriffenen Transparenzbericht bilde, seien Änderungen noch möglich. Bis zum Abschluss der Nachbearbeitung des MDK werde daher auch der Transparenzbericht nach § 115 Abs. 1 a Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI) nicht veröffentlicht.

Die Antragstellerin hat diese Erklärung als Anerkenntnis gewertet und einen Kostenantrag gestellt. Mit Verfügung vom 5. März 2010 hat der zuständige Kammervorsitzende Dr. L. darauf hingewiesen, er könne in dem Schreiben vom 24. Februar 2010 kein Anerkenntnis erkennen. Vielmehr sei lediglich von einem vorläufigen Verzicht auf die Veröffentlichung des Transparenzberichts auszugehen. Mit Schreiben vom 23. März 2010 hat die Antragstellerin um Mitteilung gebeten, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei, da nach wie vor eine Veröffentlichung zu befürchten sei.

Dr. L. hat mit Schreiben vom 24. März 2010 darauf hingewiesen, es drohe der Antragstellerin derzeit keine Veröffentlichung eines für sie nachteiligen Transparenzberichts. Eine Entscheidung könne erst ergehen, wenn der überarbeitete Prüf- und Transparenzbericht von der Antragsgegnerin vorgelegt werde.

Wegen dieses Hinweises hat die Antragstellerin den Kammervorsitzenden Dr. L. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der abgelehnte Richter verkenne die Tagweite der prozessualen Erklärung der Antragsgegner. Zudem werde dem Antragsgegner für eine unbestimmte Zeit die Möglichkeit eingeräumt, sich neue Verteidigungsmittel zu verschaffen.

In der dienstlichen Stellungnahme vom 29. März 2010 hat Dr. L. ausgeführt: Er halte an seiner rechtlichen Einschätzung fest: In der Erklärung der Antragsgegnerin vom 24. Februar 2010 sei kein Anerkenntnis zu sehen. Für die Entscheidung, ob die Veröffentlichung des Transparenzberichtes vorläufig unterlassen werde könne, benötige er die tatsächliche Fassung des Transparenzberichtes. Das gerichtliche Abwarten im Verfahren diene zudem der Abwehr eines weiteren kostenpflichtigen Verfahrens.

Der Berichterstatter hat den Beteiligten die dienstliche Stellungnahme übersandt und auf den Beschluss des BSG vom 8. Januar 2010 – B 1 KR 119/09 B (zitiert nach juris) hingewiesen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin ist abzulehnen, da kein Grund für die Besorgnis der Befangenheit des Richters Dr. L. vorliegt.

Gemäß § 60 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 42 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung gegen einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung erwecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Bundesverfassungsgericht (BVerfG); Beschluss vom 16. Februar 1995 – 2 BvR 1852/94 –, BVerfGE 92, 138, 139). Zweifel können beispielsweise erheblich sein, wenn der Richter den Eindruck vermittelt, er wolle das Vorbringen von Beteiligten aus unsachgemäßen Erwägungen nicht zur Kenntnis nehmen. Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist indessen dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 25. Auflage, 2005, § 42 Rdnr. 9, 24, 28 m. w. N.).

Nach dem zutreffenden Beschluss des BSG vom 8. Januar 2010 – B 1 KR 119/09 B (zitiert nach juris) müssen Zweifel an der Unparteilichkeit eines Richters ihren Grund in einem eigenen Verhalten des Richters haben. Ein im Rahmen gebotener richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten kann daher keine Ablehnung begründen. Ebenso wenig begründen Fehler des Richters - sofern nicht besondere weitere Umstände hinzutreten - eine Besorgnis der Befangenheit. Es müssen mit dem Ablehnungsgesuch Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl. BSG vom 29. März 2007 – B 9 a SB 18/06 B). Insbesondere ist ein Befangenheitsgesuch nicht das gesetzlich vorgesehene Mittel, Ermittlungen oder ein sonstiges erwünschtes prozessuales Vorgehen eines Gerichts zu erzwingen.

Die Voraussetzungen für eine Besorgnis der Befangenheit des Richters Dr. L. liegen nicht vor. Seine Hinweise und Bewertungen sowie die Art und Weise der Führung des Verfahrens lassen weder nach dem Wortlaut noch nach ihrem rechtlichen Gehalt eine willkürliche oder auch sachfremde Einstellung des Richters erkennen. Der Hinweis vom 29. März 2010, er benötige die Vorlage des konkreten Transparenzberichts in der Form, in der dieser auch veröffentlicht werden solle, ist für den Senat nachvollziehbar. Schließlich muss das Gericht den genauen Inhalt des Transparenzberichts kennen, um die drohenden Gefahren für die Antragstellerin prüfen zu können. Außerdem hat die Antragsgegnerin sogar mögliche Korrekturen in den Berichten in Aussicht gestellt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass diese noch korrigiert werden, was einer Klärung des Verfahrens dienlich sein könnte. Hierin ist keine Verkürzung der Verteidigungsrechte der Antragstellerin zu sehen. Sollten die Antragsgegner tatsächlich die Qualitätsberichte zugunsten der Antragstellerin ändern und dies zu einer Erledigung des Rechtsstreits führen, bliebe der Antragstellerin nur noch das Kosteninteresse an diesem Verfahren. Die gegenwärtige Gefahr für die Antragstellerin, durch die nunmehr zurückgestellte Veröffentlichung eines Qualitätsberichts Rechtsnachteile zu erleiden, ist daher derzeit nicht zu befürchten. Auch die rechtliche Auslegung des abgelehnten Richters, die Erklärung der Antragsgegnerin vom 24. Februar 2010 nicht als Anerkenntnis zu werten, lässt keinerlei Willkür oder sachfremde Erwägungen erkennen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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