L 4 KR 237/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1562/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 237/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Dezember 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin Krankengeld (Krg) auch vom 10. Oktober 2007 bis 29. Februar 2008 zusteht.

Die am 1954 geborene verheiratete Klägerin, die türkische Staatsangehörige ist, bezog von der Agentur für Arbeit H. Arbeitslosengeld und war deswegen im Rahmen der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) bei der Beklagten krankenversichert. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld wäre am 26. September 2007 erschöpft gewesen. Die Klägerin stand für eine halbschichtige Tätigkeit (drei bis vier Stunden täglich) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Nachdem die Klägerin bereits zuvor arbeitsunfähig gewesen war (Diagnose F 32.2 G (Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, gesicherte Diagnose)), bestand ab 14. August 2007 erneut Arbeitsunfähigkeit. In der Folgebescheinigung vom 12. September 2007 bescheinigte Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. der Klägerin weiterhin Arbeitsunfähigkeit bis zum 09. Oktober 2007 (Diagnose F 32.2 G). Am 11. September 2007 hatte die Ärztin gegenüber der Beklagten auch angegeben, am 10. Oktober 2007 sei eine Knieoperation/Fußoperation links vorgesehen. Am 15. November 2007 stellte die genannte Ärztin der Klägerin einen Auszahlungsschein für Krg bis zum 09. Oktober 2007 aus. Am 18. Oktober 2007 stellten die Ärzte der Gemeinschaftspraxis F./P./B., Chirurgie/Orthopädie/Handchirurgie, die die Klägerin am 10., 11. und 18. Oktober 2007 behandelt und ihr nach der Auskunft des Dr. P. vom 05. Juni 2009 am 11. Oktober 2007 Arbeitsunfähigkeit ab 10. Oktober 2007 bescheinigt hatten, der Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ("Folgebescheinigung") über Arbeitsunfähigkeit seit 10. Oktober 2007 bis 08. November 2007 aus bei den Diagnosen M 20.2 LG (Hallux rigidus links, gesicherte Diagnose) und Z 47.0 LG (Entfernung einer Metallplatte oder einer anderen inneren Fixationsvorrichtung links, gesicherte Diagnose). Am 18. Dezember 2007 bescheinigte Dr. H. ("Erstbescheinigung") Arbeitsunfähigkeit bis zunächst 08. Januar 2008 wegen der Diagnose F 32.2 G und stellte einen entsprechenden Auszahlungsschein für Krg aus, ferner weitere Auszahlungsscheine am 08. und 22. Januar sowie am 06. und 21. Februar 2008.

Nachdem die Agentur für Arbeit bis zum 24. September 2007 das Arbeitslosengeld im Krankheitsfall fortgezahlt hatte, gewährte die Beklagte der Klägerin Krg ab 25. September 2007 in Höhe von kalendertäglich brutto EUR 23,34. Mit Bescheid vom 07. November 2007, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, teilte die Beklagte der Klägerin dann mit, es sei mit der Arztpraxis Dr. H. telefoniert worden. Sie (die Klägerin) sei zuletzt am 11. September 2007 in der Praxis Dr. H. vorstellig gewesen und sei aufgrund von Depressionen bis zum 09. Oktober 2007 arbeitsunfähig geschrieben worden. Am 10. Oktober 2007 habe die Gemeinschaftspraxis Dr. F. eine neue Erstbescheinigung aufgrund Hallux rigidus ausgestellt. Dies bedeute, dass am 09. Oktober 2007 das Krg geendet habe. Damit ende auch ihre (der Klägerin) Mitgliedschaft. Die Klägerin wurde aufgefordert, noch einen entsprechenden Auszahlungsschein der Dr. H. vorzulegen, der, wie dargelegt, am 15. November 2007 ausgestellt wurde.

Am 18. Dezember 2007 ging bei der Beklagten das Attest der Dr. H. vom 17. Dezember 2007 ein. Darin gab die Ärztin an, die Klägerin befinde sich seit 04. Februar 2000 in regelmäßiger Behandlung bei ihr und sei seit langer Zeit wegen schwerer Depression arbeitsunfähig. Die psychische Erkrankung sei noch nicht abgeklungen. Auf Anraten eines Mitarbeiters der Beklagten sei der letzte Auszahlungsschein so ausgestellt worden, dass dieser mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit vor der geplanten Kniegelenksoperation geendet habe. Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin gegenwärtig wegen zwei verschiedener Erkrankungen arbeitsunfähig sei, einmal wegen ihrer Kniegelenksoperation, zum anderen wegen der weiterhin anhaltenden schweren depressiven Störung. Bei einem mit der Ärztin am 18. Dezember 2007 geführten Telefongespräch bestätigte diese gegenüber der Beklagten, dass die Klägerin zwischen dem 11. September und 15. November 2007 die Praxis nicht aufgesucht und aufgrund der Depressionen auch nicht behandelt worden sei, gleichwohl aber arbeitsunfähig gewesen sei.

Am 20. Dezember 2007 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 07. November 2007 ein. Sie verwies auf das Attest der Dr. H. vom 17. Dezember 2007. Das Krankheitsbild der Depression habe weiterhin bestanden. Damit sei ihr auch ab 10. Oktober 2007 weiterhin Krg zu zahlen. Bei der Beklagten ging auch das weitere Attest der Dr. H. vom 20. Dezember 2007 ein, in dem angegeben wurde, die Klägerin stehe dort in regelmäßiger Behandlung. Sie leide an einer anhaltenden schweren reaktiven Depression. Wegen einer geplanten Knieoperation sei ihre Krankmeldung bis zum Vortag der vorgesehenen Operation terminiert worden. Die Leistungsminderung mit Arbeitsunfähigkeit habe aber aus psychischen Gründen zusätzlich weiterhin bestanden. Der Zustand habe sich postoperativ noch akut verschlimmert. Es sei deshalb von einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit wegen der schweren anhaltenden Depressionsstörung auszugehen ohne Besserung der Leistungsfähigkeit während der Monate Oktober/November und Dezember 2007. Die Klägerin sei fortgesetzt seit Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit wegen der schweren Depression nicht arbeitsfähig. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 16. April 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung verwies der Widerspruchsausschuss auf §§ 44 Abs. 1, 46 Abs. 1 Nr. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) sowie auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08. Februar 2000 (B 1 KR 11/99 R = SozR 3-2500 § 49 Nr. 4) und führte weiter aus, die Klägerin habe ihr (der Beklagten) bis 09. Oktober 2007 Arbeitsunfähigkeitsnachweise vorgelegt und Krg erhalten. Danach habe sie ihre Arbeitsunfähigkeit erst wieder am 18. Oktober 2007 ärztlich feststellen lassen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei rückwirkend ab 10. Oktober 2007 ausgestellt worden. Deshalb habe sie (die Beklagte) zu Recht die Zahlung von Krg zum 09. Oktober 2007 eingestellt. Für die Erkrankung ab dem 10. Oktober 2007 habe nur ein nachgehender Anspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V bestanden. Dieser sei jedoch durch die ab 10. Oktober 2007 bestehende Familienversicherung nach § 10 SGB V verdrängt worden. Das BSG habe mit den Urteilen vom 26. Juni 2007 (B 1 KR 2/07 R) und vom 02. November 2007 (B 1 KR 38/06 R = SozR 4-2500 § 44 Nr. 14) auch entschieden, dass für das Entstehen des Anspruchs auf Krg die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit maßgebend sei und nicht der bescheinigte Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Nach den ihr (der Beklagten) vorliegenden Unterlagen ende die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit in der ärztlichen Folgebescheinigung der Dr. H. vom 12. September 2007 am 09. Oktober 2007. Erst am 18. Oktober 2007 habe die Gemeinschaftspraxis F./P./B. ab 10. Oktober 2007 Arbeitsunfähigkeit bestätigt. Dies habe zur Folge, dass die Zahlung von Krg am 09. Oktober 2007 geendet habe und am 10. Oktober 2007 keine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krg bestanden habe. Das BSG habe in den beiden genannten Entscheidungen dargelegt, dass dem Versicherten nur dann Anspruch auf Krg zustehe, wenn vor Ablauf der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ärztlicherseits erneut weitere Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden sei. Dies sei bei der Klägerin aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht der Fall. Auch die nachgereichten Bescheinigungen der Dr. H. ließen keine andere Beurteilung zu, da eine weitere Arbeitsunfähigkeit nach dem 09. Oktober 2007 nicht vor diesem Zeitpunkt festgestellt und bestätigt worden sei.

Am 08. Mai 2008 erhob die Klägerin deswegen Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG), mit der sie die Weiterzahlung von Krg ab 10. Oktober 2007 begehrte. Sie (die Klägerin) leide an einer anhaltenden schweren depressiven Störung. Sie sei deswegen bei Dr. H. in Behandlung. Aufgrund eines Gesprächs der Dr. H. mit einem Sachbearbeiter der Beklagten habe die Ärztin eine Krankschreibung wegen der Depression zeitlich bis zum 09. Oktober 2007 begrenzt. Am Tag darauf, am 10. Oktober 2007, habe eine geplante Operation stattgefunden. Tatsächlich sei sie (die Klägerin) wegen der Depression auch über den 09. Oktober 2007 hinaus arbeitsunfähig gewesen, was Dr. H. bestätigt habe. Lediglich aufgrund der Beratung durch den Sachbearbeiter der Beklagten habe die Ärztin die Krankschreibung wegen der Depression zeitlich begrenzt. Bei der Halluxoperation, die am 10. Oktober 2007 durchgeführt worden sei, habe es sich auch nicht um eine Ersterkrankung gehandelt, sondern eine Folgeerkrankung mit einer Folgebescheinigung der behandelnden Chirurgen. Es seien Metallplatten entfernt worden, sodass diese Metallplatten zuvor auch hätten eingesetzt werden müssen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte sie (die Klägerin) trotz bekannter chronischer Krankheit aus dem Krg entlasse. Sie (die Klägerin) sei nicht in der Lage, mindestens 15 Stunden Tätigkeiten von Wert auf dem Arbeitsmarkt zu verrichten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies auf den Widerspruchsbescheid. Dr. H. habe lediglich bis zum 09. Oktober 2007 Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Die Arbeitsunfähigkeit ab 10. Oktober 2007 sei durch Dr. F. erst am 18. Oktober 2007 festgestellt worden. Somit würde der Anspruch auf Krg frühestens ab 19. Oktober 2007 entstehen. Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe jedoch kein Anspruch auf Krg, da am 10. Oktober 2007 keine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krg bestanden habe.

Das SG erhob die schriftliche Auskunft als sachverständige Zeugin der Dr. H. vom 24. September 2008; die Ärztin nannte die Behandlungstage seit 03. März 2000 und vertrat die Auffassung, seit Jahresbeginn 2006 sei eine berufliche Tätigkeit der deutlich depressiv beeinträchtigten Klägerin nicht vorstellbar. Die Ärztin reichte auch den Arztbrief des Dr. Pr., Facharzt für Orthopädie, vom 17. Juli 2008 sowie den Kurzbrief der Reha-Klinik Gl. vom 04. August 2008 ein, ferner einen Ausdruck der Einträge in der Patientenkartei der Klägerin.

Mit Urteil vom 10. Dezember 2008 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 07. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2008 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Krg über den 09. Oktober 2007 hinaus zu leisten. Die Klägerin habe Anspruch auf Krg auch ab 09. Oktober 2007. Bei ihr habe ab 11. August 2007 durchgehend Arbeitsunfähigkeit bestanden. Infolge einer depressiven Erkrankung habe sie unter einer Vitalitätsminderung, einer kognitiven Reduktion, einer inneren Unruhe und unter einem generalisierten chronischen Schmerzsyndrom gelitten, wie der Auskunft der Dr. H. vom 24. September 2008 zu entnehmen sei. Dagegen seien von der Beklagten auch keine sozialmedizinischen Einwände erhoben worden. Unerheblich sei, dass Dr. H. nicht für durchgehende Zeiträume Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt habe. Leistungsrechtliche Bedeutung im Verhältnis zwischen gesetzlicher Krankenkasse und Versicherter habe der Tag der ärztlichen Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit nur für das Entstehen des Anspruchs auf Krg, nicht aber, wenn die Arbeitsunfähigkeit, wie im vorliegenden Fall, ununterbrochen fortdauere und nicht laufend von zeitlich ausgestellten entsprechenden Bescheinigungen begleitet werde. Soweit die Beklagte auf das Urteil des BSG vom 08. Februar 2000 Bezug nehme und daraus abzuleiten suche, dass ein ununterbrochener Anspruch auf Krg nur dann bestehe, wenn jeweils vor Ablauf der in einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung festgestellten Dauer der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt sei, sei dies unzutreffend. Das BSG habe in seiner Entscheidung lediglich darauf hingewiesen, dass auch während der Dauer einer Arbeitsunfähigkeit die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gelte, wonach innerhalb einer Woche auch die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse gemeldet werden müsse, damit diese die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen erforderlichenfalls über den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüfen könne. Dass die Klägerin diese Frist eingehalten habe, werde von der Beklagten nicht bestritten und ergebe sich auch daraus, dass der behandelnde Orthopäde am 18. Oktober 2007 eine "Folgebescheinigung" ausgestellt habe, weshalb der Beklagten eine entsprechende "Erstbescheinigung" dieses Arztes vorliegen müsse. Dieses Urteil wurde der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 19. Dezember 2008 zugestellt.

Dagegen hat die Beklagte am 14. Januar 2009 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die Beklagte macht geltend, die Entscheidung des SG sei nicht zutreffend. Die Klägerin habe einen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit bis 09. Oktober 2007 erbracht. In der Folgezeit sei am 11. Oktober 2007 erneut Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden. Der Anspruch auf Krg setze jedoch grundsätzlich die vorherige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit voraus. Das BSG habe mit Urteil vom 02. November 2007 (B 1 KR 38/06 R) entscheiden, dass die Arbeitsunfähigkeit lückenlos nachgewiesen werden müsse, um den Anspruch auf Krg zu sichern. Nur wer am Tag nach der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit in einem Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg stehe, könne ab diesem Tag Krg erhalten. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Die Arbeitsunfähigkeit vom 10. "November" (gemeint wohl Oktober) 2007 sei am 11. Oktober 2007 festgestellt worden. Somit hätte der Anspruch auf Krg erst ab 12. Oktober 2007 realisiert werden können. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin jedoch nicht mehr in einem Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg gestanden. Die Mitgliedschaft sei bis 09. Oktober 2007 durch den Anspruch auf Krg erhalten geblieben. In der Folgezeit habe eine Familienversicherung bestanden, die den Anspruch auf Krg nicht beinhaltet habe. Die Beklagte hat weitere Auszahlungsscheine für Krankengeld der Dr. H. für die Zeit ab 06. März 2008 vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Sie begehre, weil die Deutsche Rentenversicherung Bund ihr mit dem vorgelegten Rentenbescheid vom 29. Juni 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. März 2008 bewilligt habe, Krg noch vom 10. Oktober 2007 bis 29. Februar 2008, wobei ihr Krg in Höhe von zuletzt kalendertäglich (brutto) EUR 23,34 gewährt worden sei. Es sei nicht von Bedeutung, dass Dr. H. nicht für durchgehende Zeiträume Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt habe. Auch im Urteil des BSG vom 02. November 2007 gehe es nur um die Frage des rechtzeitigen Nachweises der Arbeitsunfähigkeit. Dieser sei hier jedoch unstreitig durch die Folgebescheinigung vom 18. Oktober 2007 für den Zeitraum vom 10. Oktober bis 08. November 2007 erfolgt. Auch habe Dr. H. in den Attesten vom 17. und 20. Dezember 2007 bestätigt, dass die Arbeitsunfähigkeit wegen der depressiven Erkrankung fortbestanden habe.

Der Berichterstatter des Senats hat die Auskunft des Facharztes für Chirurgie Dr. P. vom 05. Juni 2009 eingeholt, der angegeben hat, die Klägerin erstmals am 15. August 2007 ambulant behandelt zu haben, und dann wieder am 10. , 11. und 18. Oktober 2007. Er habe am 11. Oktober 2007 eine Erstbescheinigung der Arbeitsunfähigkeit ab 10. Oktober 2007 ausgestellt. Am 18. Oktober 2007 sei dann eine Folgebescheinigung bis zum 08. November 2007 sowie am 08. November 2007 eine weitere Folgebescheinigung bis zum 16. November 2007 ausgestellt worden.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist auch statthaft, denn das SG hat die Beklagte zur Zahlung von Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung und damit für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr verurteilt. Die Berufung wäre auch statthaft, soweit im Berufungsverfahren über den Anspruch auf Krankengeld vom 10. Oktober 2007 bis 29. Februar 2008 (143 Kalendertage, Zahlbetrag bis 10. Oktober 2007 brutto kalendertäglich EUR 23,34) noch gestritten wird, weil der Nettobetrag des Krg, der für die Beschwer maßgeblich ist (Urteil des erkennenden Senats vom 12. Februar 2010 - L 4 KR 3594/08 -, veröffentlicht in juris), den Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von mehr als EUR 750,00 übersteigt.

Die Berufung ist auch begründet. Das SG hätte der Klage nicht stattgeben dürfen, soweit es das hier noch streitige Klagebegehren auf Krankengeld betrifft. Der Bescheid der Beklagten vom 07. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2008, mit dem die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab 10. Oktober 2007 abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht vom 10. Oktober 2007 bis 29. Februar 2008 Krankengeld nicht zu, weil sie im Rahmen der KVdA am 10. Oktober 2007 nicht mehr mit einem entsprechenden Anspruch auf Krankengeld versichert war.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben "Versicherte" Anspruch auf Krankengeld, wenn abgesehen von hier auch ab 10. Oktober 2007 nicht erfolgter stationärer Behandlung, auch nicht durch Dr. P., wie dessen Auskunft vom 05. Juni 2009 zu entnehmen ist - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Insoweit bestimmt das beim Entstehen eines Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krankengeld hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG SozR 4-2500 § 44 Nrn. 12 und 14). Dabei ist für den geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld an den jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestand anzuknüpfen, wie er beispielsweise allgemein in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V oder in der KVdA in § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V geregelt ist (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 B 1 KR 2/07 R - Rdnr. 12). Soweit § 47d Abs. 1 Satz 2 SGB V bestimmt, dass bei Versicherten im Rahmen der KVdA Krankengeld vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird, kommt es dabei nicht auf den wirklichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit an, sondern - wie bei allen anderen Krankenversicherungsverhältnissen - auf die ärztliche Feststellung (BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 10 S. 40). Das Entstehen des Anspruchs auf Krg setzt - abgesehen von stationären Behandlungen - voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Leistungsanspruch (erst) von dem Tag an, der auf den Tag dieser ärztlichen Feststellung folgt. Ohne diese Feststellung kann kein Anspruch entstehen. Damit sollen Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen nachträgliche Behauptungen und rückwirkende Bescheinigungen beitragen könnten. Die Vorschrift ist nicht als bloße Zahlungsvorschrift zu verstehen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 10; SozR 4-2500 § 44 Nr. 12). Der Versicherte muss auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V hinwirken und die entsprechende Bescheinigung der Krankenkasse, entweder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder eine Bescheinigung für die Krankengeldzahlung, so genannter Auszahlungsschein (§ 5 und 6 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie)), vorlegen. Kommt er dieser Meldeobliegenheit nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach, ruht der nach §§ 44 Abs. 1 Satz 1, 46 SGB V entstandene Leistungsanspruch gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Hiernach ruht der Anspruch, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Die Meldeobliegenheit ist vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krg zu erfüllen, auch nach einer vorübergehend leistungsfreien Zeit, selbst wenn die Arbeitsunfähigkeit seit Beginn durchgängig fortbestanden hat (BSG SozR 3-2500 § 49 Nr. 4). Das gleiche gilt auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug, wenn wegen der Befristung der bisherigen Krankschreibung über die Weitergewährung des Krg zu befinden ist (BSG a.a.O.). Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und der Krankenkasse melden, will er das Erlöschen oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1 Rdnr. 17). Von dieser gesetzlich angeordneten Feststellungs- und Meldepflicht kann auch während eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens nicht abgesehen werden, da §§ 46 Abs. 1 Nr. 2, 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V eine solche Ausnahme nicht vorsehen. Dies ist auch folgerichtig, da die Krankenkasse die Befunde, die nach ärztlicher Einschätzung zur Arbeitsunfähigkeit führen, zeitnah überprüfen können muss. Es handelt sich mithin nicht um einen bloßen Formalismus.

Nach der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Dr. H. vom 12. September 2007 (vgl. auch Auszahlungsschein vom 15. November 2007) wurde zeitnah bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 09. Oktober 2007 bescheinigt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch Dr. H., was auch durch die Auskunft der Ärztin vom 24. September 2008 mit dem beigefügten "Auszug aus den medizinischen Daten" bestätigt wird, in der Zeit vom 11. September bis 14. November 2007 überhaupt nicht behandelt worden ist. Insoweit endete die Arbeitsunfähigkeit nach dieser ärztlichen Feststellung am 09. Oktober 2007 und damit auch der Anspruch auf Krg. Eine Bescheinigung vom 09. Oktober 2007 über die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit liegt nicht vor. Insoweit befindet sich bei den Akten lediglich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Gemeinschaftspraxis F./P./B. vom 18. Oktober 2007 im Sinne einer Folgebescheinigung. Selbst wenn der Senat davon ausgeht, dass ein Arzt der Gemeinschaftspraxis F./P./B. entsprechend der Auskunft des Dr. P. vom 05. Juni 2009 am 11. Oktober 2007 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Erstbescheinigung) ausgestellt hat, hätte mit dieser Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krg erst am 11. Oktober 2007 entstehen können, unabhängig davon, dass der Beginn der Arbeitsunfähigkeit bereits am 10. Oktober 2007 angegeben war. Maßgebend ist insoweit, wie oben dargelegt, die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Am 10. Oktober 2007 hatte jedoch bei der Klägerin keine Versicherung im Rahmen der KVdA mit Anspruch auf Krg mehr bestanden. Denn am 09. Oktober 2007 endete auch die Mitgliedschaft der Klägerin in der KVdA. Die Mitgliedschaft u.a. der Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III endet mit Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung bezogen wird. Der Kläger bezog letztmalig am 24. September 2007 Arbeitslosengeld. Gleichwohl endete die Mitgliedschaft in der KVdA mit dem Tag des letztmaligen Bezugs von Arbeitslosengeld, sondern erst am 09. Oktober 2007. Denn nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange u. a. Anspruch auf Krg besteht oder bezogen wird. Die Klägerin bezog bis 09. Oktober 2007 tatsächlich Krg. Ab 10. Oktober 2007 bestand kein Anspruch auf Krg mehr.

Ein Ausnahmefall, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit über den 09. Oktober 2007 hinaus ausnahmsweise rückwirkend hätte nachgeholt werden können, liegt nicht vor. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die ärztliche Feststellung und Meldung einer über den 09. Oktober 2007 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen zuzurechnen sind. Ersichtlich ist die Klägerin auch nicht durch Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit daran gehindert worden, die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig vor Ablauf des durch Dr. H. attestierten Endzeitpunktes am 09. Oktober 2007 feststellen zu lassen. Im Übrigen müsste die nachträgliche Meldung der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit spätestens innerhalb einer Woche nach Kenntniserlangung des Versicherten erfolgen (vgl. dazu BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1 Rdnr. 28). Darauf, dass Dr. H. dann in den Attesten vom 17. und 20. Dezember 2007 nachträglich durchgehende Arbeitsunfähigkeit wegen der bestehenden psychischen Erkrankung (Depression) über den 09. Oktober 2007 hinaus bescheinigt hat, kann sich die Klägerin nicht berufen, zumal sowohl der Zugang des ersten Attests der Dr. H. vom 17. Dezember 2007 bei der Beklagten am 18. Dezember 2007 als auch der Widerspruch der Klägerin dann vom 20. Dezember 2007 nicht innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach Zugang des Bescheids vom 07. November 2007 lagen.

Die Klägerin kann einen Anspruch auf Krankengeld ab 10. Oktober 2007 auch nicht auf § 19 Abs. 2 SGB V stützen. Darin ist bestimmt: Endet die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, besteht Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (Satz 1). Eine Versicherung nach § 10 SGB V, d.h. eine Familienversicherung, hat Vorrang vor dem Leistungsanspruch nach Satz 1. Nachdem hier, wir dargelegt, die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V am 09. Oktober 2007 geendet hatte, bestand ab 10. Oktober 2007, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, über den Ehemann der Klägerin eine Familienversicherung, die vorrangig war und keinen Anspruch auf Krg begründete.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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