L 18 B 386/07 AL NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AL 1591/06 Berlin
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 386/07 AL NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Nichtzulassungs-beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 116,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit in Anspruch.

Die Beklagte hatte der Klägerin mit Bescheid vom 13. Juli 2005 Arbeitslosengeld bewilligt und dabei den Anspruch gemäß § 150 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) gemindert. Dem dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin, den sie in eigener Person einlegte, half die Beklagte mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 teilweise ab. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005, mit dem der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen wurde und in dem entschieden wurde, dass 50 % der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen erstattungsfähig seien, bat die Klägerin, wiederum in eigener Person, mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 um Erstattung der ihr "für das Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen in Höhe von 116,00 EUR (= 50 % der ihr berechneten Anwaltskosten von 232,00 EUR lt. Rechnung von Rechtsanwalt S vom 01. Dezember 2005)". Mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab, im Wesentlichen mit der Begründung, die anwaltliche Vertretung sei zu keinem Zeitpunkt erklärt und nachgewiesen worden. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04. April 2006).

Mit Urteil vom 31. Mai 2006 hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten sei nicht aufgrund einer unterbliebenen Anhörung rechtswidrig. Der Klägerin sei im Rahmen des Vorverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, die sie im Übrigen auch genutzt habe. Eine Entscheidung nach § 63 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) sei hier bereits deshalb nicht erforderlich gewesen, weil die Bevollmächtigung eines Dritten im Vorverfahren nicht vorgetragen oder erkennbar sei. Die Innspruchnahme von Beratungsleistungen Dritter führe nicht zu deren "Bevollmächtigung" in diesem Sinne. Bezüglich der geltend gemachten Kosten auf der Grundlage von § 63 Abs. 1 SGB X, der allein Anwendung finde, sei von der Beklagten eine Erstattung nur für ordnungsgemäß nachgewiesene Kosten vorzunehmen gewesen. Bei einer einem Sozialversicherungsträger zur Kostenerstattung vorgelegten Rechnung sei eine Leistung durch diesen nur zu erbringen, wenn die Rechnung den maßgebenden gesetzlichen Regelungen entspreche. Dabei sei von der Beklagten keine "Reduktion" auf einzelne Rechnungsbestandteile vorzunehmen, wenn die Rechnung teilweise offensichtlich unrichtig sei. Worin die "anwaltliche Mitwirkung" iS des Gebührentatbestandes der Erledigungsgebühr hier - selbst bei der behaupteten Fertigung des von der Klägerin unterzeichneten Widerspruchsschreibens - liegen solle, sei nicht erkennbar.

Zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin vor: Die Berufung sei zuzulassen, weil das Urteil des SG von den - von ihr im Schriftsatz vom 09. Juli 2007 aufgeführten - Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) abweiche und auf dieser Abweichung beruhe. Außerdem lägen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegende Verfahrensmängel vor, auf denen die Entscheidung beruhen könne. Das SG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Nach dem Gang der mündlichen Verhandlung handele es sich bei der verkündeten Entscheidung um eine Überraschungsentscheidung. Entgegen dem von ihr vorgebrachten Tatsachenvortrag nehme das SG an, dass "die Bevollmächtigung eines Dritten im Vorverfahren nicht vorgetragen oder erkennbar" sei. Sie hätte Beratungsleistungen Dritter in Anspruch genommen, was jedoch "nicht zur Bevollmächtigung iS von § 63 Abs. 2 SGB X" führe. Darüber hinaus begründe das SG die Klagabweisung mit einem Alles oder nichts Grundsatz, nach dem die Behörde Kosten nur zu erstatten habe, sofern die Rechnung maßgebenden gesetzlichen Regelungen entspreche, was hier nicht der Fall sein solle. Dieser in § 63 SGB X nicht genannte rechtliche Gesichtspunkt sei in der mündlichen Verhandlung vom SG nicht genannt und dadurch auch nicht zur Erörterung gestellt worden. Ihr Vertreter habe einen konkreten richterlichen Hinweis mit Einräumung einer Erklärungsnachlassfrist beantragt, falls das SG in Bezug auf die Geschäftsgebühr zu einer anderen Meinung gelangen sollte. Diesen Antrag habe das SG noch nicht einmal in dem Urteil beschieden. Die Versagung rechtlichen Gehörs sei auch in entscheidungserheblichem Ausmaß erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die Leistungsakte der Beklagten, die Akte des Sozialgerichts Berlin S 57 AL 1940/06 (L 6 B 291/07 AL NZB) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 01. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I 444) ausgeschlossen; denn der Wert des Beschwerdegegenstandes, der sich auf 116,00 EUR beläuft, übersteigt nicht 750,00 EUR. Soweit die Klägerin zusätzlich einen Zinsanspruch geltend macht, findet dieser Anspruch bei der Berechnung des maßgeblichen Werts des Beschwerdegegenstandes keine Berücksichtigung - § 202 SGG iVm § 4 Zivilprozessordnung – (vgl. Meyer-Ladewig u. a., SGG, 9. Aufl., § 144 Rn 15).

Das Rechtsmittel der Berufung ist auch nicht nach § 144 Abs. 2 Nrn. 2 oder 3 SGG zuzulassen. Es liegt weder die von der Klägerin gerügt Divergenz vor (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG), noch hat das SG den verfassungsrechtlich geschützten Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz – GG -, § 62 SGG) verletzt.

Eine Abweichung von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG aufgeführten Gerichte scheidet schon deshalb aus, weil in den von der Klägerin im Schriftsatz vom 09. Juli 2007 angeführten Urteilen des BSG vom 07. November 2006 B 1 KR 13/06 R , B 1 KR 22/06 R und B 1 KR 23/06 R ebenso wie in den Urteilen des BSG vom 20. Oktober 2004 B 6 KA 12/03 R und B 6 KA 15/04 R jeweils über Sachverhalte entschieden worden ist, in denen die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nach § 63 Abs. 2 SGB X für notwendig erachtet und aufgrund dieser Rechtsgrundlage dann über die Höhe der Vorverfahrenskosten gestritten worden war. Demgegenüber ist das SG bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass § 63 Abs. 2 SGB X vorliegend nicht anzuwenden ist. Bereits aus diesem Grund kann die von der Klägerin gerügte Divergenz nicht zum Tragen kommen. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang auch erörterte Frage, ob die Entscheidung des SG zutreffend ist oder nicht, ist dabei für die Zulassung der Berufung nicht maßgeblich.

Auch die Rügen der Klägerin, das SG habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG) verletzt, greifen nicht durch. Für den von der Klägerin insbesondere geltend gemachten Verfahrensmangel einer Überraschungsentscheidung fehlt es ausweislich des Inhalts der Gerichtsakte an jeglicher Grundlage. Denn das SG hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 31. Mai 2007 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "in der Kommentarliteratur bei der bloßen Inanspruchnahme von anwaltlichen Beratungsleistungen im Rahmen des Vorverfahrens ausschließlich § 63 Abs. 1 SGB X für anwendbar gehalten" werde und dass Zweifel im Hinblick auf die Korrektheit der Rechnung bestünden. Diese vom SG für maßgeblich erachteten und ausdrücklich verlautbarten rechtlichen Hinweise hat das SG dann auch als rechtliche Vorgaben seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen rechtlichen Hinweis zur Entscheidungsabsicht des SG erbeten hatte, den das SG ausweislich der Sitzungsniederschrift "mangels rechtlicher Vorberatung der Sache mit den ehrenamtlichen Richtern" dann nicht erteilte, hat das SG anschließend nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage gegeben. Eine Nichtgewährung rechtlichen Gehörs wird bei dieser Verfahrensweise nicht einmal im Ansatz ersichtlich.

Soweit die Klägerin des Weiteren vorbringt, ihr Bevollmächtigter habe in der mündlichen Verhandlung einen konkreten richterlichen Hinweis mit Einräumung einer Erklärungsnachlassfrist beantragt, falls das SG in Bezug auf die Geschäftsgebühr zu einer anderen Meinung gelangen sollte, und dem SG vorwirft, dass es diesen Antrag noch nicht einmal in dem Urteil beschieden habe, findet sich in der Sitzungsniederschrift vom 31. Mai 2007 kein derartiger verfahrensrechtlicher Antrag. Eine Berichtigung des Protokolls ist von der Klägerin aber zu keiner Zeit beantragt worden.

Wenn die Klägerin schließlich zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vorbringt, dass das Gericht auch bei einer Klageabweisung im Übrigen die Beklagte zur Erstattung ihrer Rechtsverfolgungskosten im Vorverfahren gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X und im Kostenausspruch nach sachgemäßem Ermessen zur Erstattung der Kosten gemäß § 193 SGG hätte verurteilen können (und müssen), verkennt die Klägerin, dass sie sich damit ausschließlich gegen die inhaltliche Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils wendet. Derartiges Vorbringen ist aber im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein irrelevant (vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 27. August 2009 B 13 R 85/09 B juris). Das Gleiche gilt für die Angriffe der Klägerin gegen die vom SG getroffene Kostenentscheidung. Im Übrigen ist selbst das Rechtsmittel der Berufung nach § 144 Abs. 4 SGG ausgeschlossen, wenn der Rechtsmittelführer damit nur das Ziel verfolgt, die erstinstanzliche Kostenentscheidung anzufechten.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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