L 28 B 2389/08 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AS 2324/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 2389/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 20. Oktober 2008 wird aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Potsdam ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt JF beigeordnet. Beträge aus dem Vermögen oder Raten sind nicht zu zahlen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 20. Oktober 2008 ist nach § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, obwohl in der Hauptsache der Beschwerdewert der Berufung mit einem Betrag von unter 750 EUR nicht erreicht wäre. Der Senat hat bereits geklärt, dass im PKH-Verfahren unabhängig von dem Beschwerdewert in der Hauptsache die Beschwerde zulässig ist (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02. Juni 2008 - L 28 B 919/08 AS ER und L 28 B 1059/08 AS PKH - in juris veröffentlicht). Der gegenteiligen Auffassung (vgl. etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2007 - L 25 B 109/07 AS PKH - und neuerdings Beschluss vom 13. Mai 2009 - L 34 B 2136/08 AS PKH - in juris veröffentlicht) vermag sich der Senat gerade nach umfangreicher Änderung des § 172 SGG zum 1. April 2008 und unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsprozesses hierzu nicht anzuschließen (vgl. im Einzelnen unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. Mai 2008 - L 6 B 48/08 AS; zitiert nach juris Rn. 6 ff.). § 172 Abs. 3 SGG enthält eine klare und eigenständige Regelung dazu, in welchen Fällen die grundsätzlich zulässige Beschwerde gegen Entscheidungen der Sozialgerichte ausgeschlossen ist - einschließlich besonderer Regelungen zum Beschwerdewert. Anders als bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist daher zur Überzeugung des Senats nicht möglich. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 20. Oktober 2008 ist auch begründet. Der Klägerin ist für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gewähren.

Als Bezieherin von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) ist die Klägerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Auch erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig und bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das angerufene Gericht beurteilt die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Sache treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf daher nur dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Sache fern liegend ist (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – zitiert nach juris, Rn. 26). Letzteres aber ist hier entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Potsdam nicht der Fall.

Die Klägerin hat eine nicht nur entfernte Chance, dass die Beklagte im Klageverfahren verpflichtet wird, höhere als die bisher zuerkannten Kosten der Unterkunft von 362,06 EUR für einen Einpersonenhaushalt in P für den streitgegenständlichen Zeitraum zu erbringen. Es ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt, wie die abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft für die Bruttokaltmiete bei Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels wie im Falle von P zu ermitteln sind. Auch innerhalb der unterschiedlichen Senate des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg ist die Berechnungsgrundlage und - methode umstritten (vgl. dazu beispielhaft einerseits Urteil des erkennenden Senats vom 10. September 2009- L 28 AS 2189/08 – andererseits Entscheidung des 32. Senate vom 25. September 2009 - L 32 AS 1758/08, jeweils zitiert nach juris mwN). Dies gilt sowohl für die Einbeziehung von einfachen oder gewichteten Durchschnittswerten oder Spannenhöchstwerten der unterschiedlichen Bauklassen und Ausstattungsgrade bei der Kaltmiete als auch für die Berechnungsgröße bei den kalten Betriebskosten. Je nach Berechnung werden jedenfalls die von der Beklagten zugrunde gelegten Beträge von 370 EUR für die Bruttowarmmiete (einschließlich der Warmwasserpauschale) für einen Einpersonenhaushalt deutlich überschritten.

Es kann daher offen bleiben, ob die Klage auch im Hinblick darauf hinreichende Erfolgsaussichten hat, dass es der Klägerin nicht möglich oder zumutbar gewesen sein soll, die Kosten der deutlich zu großen 3-Zimmer-Wohnung zu senken. Hierzu ist allerdings zu bedenken, dass trotz einer frühzeitigen und umfassenden Kostensenkungsaufforderung der Beklagten die Klägerin zumindest bezogen auf den streitigen Zeitraum weder Bemühungen zur Untervermietung noch zur Wohnungssuche innerhalb des angemessenen Mietsegments (also für Wohnungen bis zu 50 m² im gesamten Stadtgebiet) dargelegt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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