L 18 AL 172/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 15 AL 233/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 172/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Berufungsklägerin zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 16. Juni 2009 wird zurückgewiesen. Die Berufung des Berufungsklägers zu 2) gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 16. Juni 2009 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe eines Zinsanspruchs.

Der Klägerin wurde durch - rechtskräftiges - Urteil des Sozialgerichts (SG) Neuruppin vom 1. September 2005 (S 1 AL 618/00) ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 21. Februar 2001 bis 23. Juli 2001 und aufgrund des von der Beklagten im Berufungsverfahren (L 6 AL 1234/05) ausgesprochenen - von der Klägerin angenommenen - Anerkenntnisses ein Anspruch auf Alg auch ab 24. Juli 2001 für die Anspruchsdauer von 423 Kalendertagen zuerkannt.

Im Dezember 2005 zahlte die Beklagte der Klägerin unter Verrechnung mit Ansprüchen des Sozialhilfeträgers das Alg für den Zeitraum vom 21. Februar 2001 bis 23. Juli 2001 in Höhe von 1.431,55 EUR nach. Das hinsichtlich der Höhe des Nachzahlungsanspruchs anhängige Verfahren (S 12 AL 154/06) beim SG Neuruppin (Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2006) endete aufgrund Klagerücknahme. Im Juli 2006 zahlte die Beklagte der Klägerin das Alg für den Zeitraum vom 24. Juli 2001 bis 19. September 2002 nach. Das insoweit beim SG Neuruppin anhängige Klageverfahren (S 12 AL 282/06) endete ebenfalls aufgrund Klagerücknahme.

Mit Bescheiden vom 16. Juli 2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin Zinsen in Höhe von 243,30 EUR für den Nachzahlungszeitraum vom 21. Februar 2001 bis 23. Juli 2001 sowie in Höhe von 555,50 EUR für den Nachzahlungszeitraum vom 24. Juli 2001 bis 19. September 2002. Der Widerspruch, mit dem ein höherer Zinsanspruch geltend gemacht wurde, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. September 2007).

Das SG Neuruppin hat die Klage mit Urteil vom 16. Juli 2009 abgewiesen und ist dabei von dem Klageantrag ausgegangen, die Bescheide der Beklagten vom 16. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, höhere Zinsen, nämlich Zinsen per 31. Juli 2006 in Höhe von 2.531,83 EUR und Nachzinsen für die Zeit vom 31. Juli 2006 bis 19. Juli 2007 in Höhe von 193,18 EUR (6% aus 3.330,63 EUR) sowie weitere Nachzinsen per 19. Juli 2007 (6% aus 2.531,83 EUR) zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Klage wäre bereits unzulässig, wenn es der Klägerin bei der geltend gemachten Zinsforderung ausschließlich um Schadensersatz ginge, wie ihr Schreiben vom 1. Februar 2008 nahe lege. Denn zur Entscheidung über Ansprüche auf Schadensersatz, die auf der Verletzung von Amtspflichten beruhten, seien ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig. Darüber hinaus sei die Klage unbegründet. Der Klägerin stehe kein höherer Zinsanspruch zu. Hinsichtlich der Rechtsgrundlage werde auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid verwiesen. Der Klägerin sei nachträglich ein Anspruch auf Alg für die Zeit vom 21. Februar 2001 bis 23. Juli 2001 und vom 24. Juli 2001 bis 19. September 2002 unter Verrechnung der im deckungsgleichen Zeitraum gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt rechtskräftig zuerkannt worden. Streitgegenstand sei nicht etwa noch, ob und in welcher Höhe die Beklagte das nachzuzahlende Alg mit der gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt verrechnen dürfe. Der Zinsanspruch errechne sich ausschließlich aus den bindend festgestellten nachzuzahlenden Beträgen. Insoweit werde auf die seitens der Beklagten nachvollziehbar dargelegten Zinsberechnungen für die streitbefangenen Zeiträume, die auf der Rechtsgrundlage des § 44 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) basierten und der Klägerin im Klageverfahren übersandt worden seien, hingewiesen. Berechnungsfehler seien nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Darauf hinzuweisen sei, dass eine Verzinsung von Leistungen nur in Höhe von 4% vorgesehen sei (§ 44 Abs. 1 SGB I). Für die von der Klägerin begehrte Verzinsung in Höhe von 6% gebe es keine Rechtsgrundlage. Mit der Berufung verfolgen die Berufungsklägerin zu 1) und nunmehr auch der Berufungskläger zu 2) das Zinsbegehren weiter. Zur Begründung wird vorgetragen: Es verbleibe eine Zinsforderung über weitere 2.725,01 EUR, die als Schadensersatzanspruch definiert sei. Es bleibe unverständlich, dass Vorleistungen einfach abgezogen werden könnten. Die Beklagte habe auch keine Vorleistungen erbracht.

Die Berufungskläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 16. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 16. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2007 zu verurteilen, weitere 2.725,01 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Berufungsklägerin zu 1) zurückzuweisen sowie die Berufung des Berufungsklägers zu 2) als unzulässig zu verwerfen.

Sie trägt vor: Es werde nach wie vor verkannt, dass sich der Zinsanspruch nach § 44 SGB I richte. Wegen der Berechnung werde auf die als Anlage beigefügten Berechnungsblätter zur Zinsberechnung für die Zeiträume vom 21. Februar 2001 bis 23. Juli 2001 und vom 24. Juli 2001 bis 19. September 2002 Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten des Sozialgerichts Neuruppin - S 1 AL 618/00 - (L 6 AL 1234/05), - S 12 AL 154/06 - und - S 12 AL 282/06 -, die Akte des Sozialgerichts Berlin - S 9 RA 5789/00 - (L 16 RA 98/02), die Leistungsakte der Beklagten (Band II) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

Die Berufung des Berufungsklägers zu 2) ist bereits unzulässig und war daher gemäß § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Es fehlt bereits an der für die Zulässigkeit der Berufung erforderlichen Beschwer des Berufungsklägers zu 2). Denn in dem angefochtenen Urteil vom 16. Juni 2009 hat das SG ausschließlich über Ansprüche der Berufungsklägerin zu 1) entschieden.

Über die Berufung der Berufungsklägerin zu 1) hat der Senat gemäß § 153 Abs. 4 SGG entschieden, da er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat; die Beteiligten sind dazu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung der Berufungsklägerin zu 1) war zurückzuweisen. Das Rechtsmittel ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

Die Berufungsklägerin zu 1) hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung höherer Zinsen als die in dem angefochtenen Bescheid vom 16. Juni 2007 festgesetzten Zinsen. Die erforderliche Rechtsgrundlage für die Verzinsung von Sozialleistungen bietet dabei ausschließlich § 44 SGB I. Danach sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4% zu verzinsen. Nach dem Absatz 2 des § 44 SGB I beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von 6 Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrages nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Verzinst werden nach § 44 Abs. 3 SGB I volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen zugrunde zu legen. Die Beklagte hat bei der Zinsberechnung diese gesetzlichen Vorgaben beachtet. Sie ist dabei, wie sich aus den Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 6. August 2009 ergibt, von einer Fälligkeit des der Berufungsklägerin zu 1) nachträglich zuerkannten Alg bereits am 1. März 2001 für den Nachzahlungszeitraum ab 21. Februar 2001 und von einer Fälligkeit bereits am 1. August 2001 für den Nachzahlungszeitraum ab 24. Juli 2001 ausgegangen. Diese Bestimmung der Fälligkeit der Geldleistung findet ihre Rechtsgrundlage in § 337 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III). Danach werden laufende Geldleistungen - wie hier das Alg - regelmäßig monatlich nachträglich ausgezahlt, d. h. das für die Zeit ab 21. Februar 2001 zu gewährende Alg war frühestens am 1. März 2001 und das für den Zeitraum ab 24. Juli 2001 zu zahlende Alg am 1. August 2001 fällig. Ausgehend von diesen Fälligkeitszeitpunkten am 1. März 2001 und am 1. August 2001 beginnt die Verzinsung nach § 44 Abs. 2 SGB I dann frühestens nach Ablauf von 6 Kalendermonaten, d. h. für den Zeitraum ab 21. Februar 2001 am 1. September 2001 und für den Zeitraum ab 24. Juli 2001 am 1. Februar 2002.

Auch das Ende der Verzinsung für das nachzuzahlende Alg hat die Beklagte zutreffend festgelegt. Nach § 44 Abs. 1 SGB I endet die Verzinsung mit dem Ablauf des Kalendermonats vor der Nachzahlung. Nachgezahlt wurde das Alg der Berufungsklägerin zu 1) für den Zeitraum ab 21. Februar 2001 im Dezember 2005, so dass der Verzinsungszeitraum am 30. November 2005 endete. Für den Zeitraum ab 24. Juli 2001 wurde das nachzuzahlende Alg im Juli 2006 ausgezahlt, so dass die Verzinsung insoweit mit dem 30. Juni 2006 endete.

Soweit die Klägerin ihr Begehren bereits erstinstanzlich damit begründet hat, dass ihr im Wege des Schadensersatzes höhere Zinsleistungen zustünden, bietet das Sozialleistungsrecht dafür keine Grundlage. Hinzuweisen ist darauf, dass sämtliche der von der Berufungsklägerin zu 1) angefochtenen Bescheide der Beklagten inzwischen bestandskräftig geworden sind und damit die Höhe des der Berufungsklägerin zu 1) nachzuzahlenden Alg bindend feststeht (§ 77 SGG). Ungeachtet der Bestandskraft der Entscheidungen der Beklagten zur Nachzahlung des Alg für die beiden Zeiträume ab 21. Februar 2001 und ab 24. Juli 2001 bleibt anzumerken, dass bei der Feststellung nachzuzahlender Sozialleistungen die Ansprüche anderer Sozialleistungsträger, die für denselben Zeitraum an den Leistungsberechtigten Leistungen erbracht haben und damit "in Vorleistung" gegangen sind, zu berücksichtigen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved