L 5 AS 219/09 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 15 AS 799/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 219/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozesskostenhilfe - Erfolgsaussicht - Verfahrensdauer - Vorwegnahme der Hauptsache - Meistbegünstigungsgrundsatz - Leistungsanschluss - anerkannte Ausbildung - besondere Härte - Herstellungsanspruch
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 22. April 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau, das ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren abgelehnt hat. In der Sache begehrt sie höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die am ... 1980 geborene Klägerin bewohnt mit ihrem am ... 2000 geborenen Kind eine 55,8 qm große Mietwohnung. Sie beziehen seit dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II, teilweise ergänzend zu sozialversicherungspflichtigem Einkommen. Sie erhält Kindergeld und für das Kind im streitigen Zeitraum Unterhalt vom Kindsvater i.H.v. 171,00 EUR. Zuletzt hatte die Beklagte ihnen als Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2006 Leistungen i.H.v. 664,36 EUR/Monat bewilligt (Bescheid vom 15. Mai 2006).

Die Klägerin begann am 31. August 2006 eine Zweitausbildung zur Kommunikationskauffrau im Berufsschulzentrum "A. v. P. ", B ... Ihren Antrag auf Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) gemäß §§ 59 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) lehnte die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Halle, unter dem 22. Juni 2006 bestandskräftig ab. Die Ausbildung könne nicht nach § 60 Abs. 2 SGB III gefördert werden, weil bereits eine Ausbildung abgeschlossen worden sei. Ihre Anträge auf Bewilligung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) lehnte der Landkreis Bitterfeld - Amt für Ausbildungsförderung - mit bestandskräftigen Bescheiden vom 29. September 2006 und 28. Dezember 2007 für die Zeit von August 2006 bis Juli 2007 sowie von September 2007 bis Juli 2008 ab. Der Betrag des anzurechnenden Einkommens der Eltern übersteige den Gesamtbedarf der Auszubildenden. Mit Bescheid vom 31. Januar 2008 hat der Landkreis Anhalt-Bitterfeld - Amt für Ausbildungsförderung - der Klägerin für die Zeit von September 2007 bis Juli 2008 Leistungen i.H.v. 412,00 EUR/Monat bewilligt. Die anstelle eines angerechneten Einkommens der Eltern festgesetzten Förderungsbeträge würden vorausgeleistet, da nach dem Stand der Ermittlungen sonst die Ausbildung gefährdet sei (§ 36 BAföG).

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2006 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 1. November 2006 bis 30. April 2007 vorläufig Leistungen i.H.v. 162,68 EUR/Monat. Die Klägerin habe gemäß § 7 Abs. 5 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, jedoch bleibe der Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehung bestehen. Der Bescheid enthält folgende Erläuterung: Bei der Prüfung der Leistungen für das Kind seien aus programmtechnischen Gründen die Regelleistung und die anteiligen Kosten der Unterkunft als "sonstiges Einkommen" i.H.v. 501,68 EUR bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt worden. Die Berechnungsübersicht weise aus programmtechnischen Gründen die Aufteilung der Ansprüche verkehrt aus. Die Klägerin habe Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehung i.H.v. 124,00 EUR/Monat und ihr Kind auf Sozialgeld und Kosten der Unterkunft i.H.v. 363,68 EUR/Monat (Sozialgeld 207,00 EUR, anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung 156,68 EUR). Dem seien das Kindergeld und der Unterhalt i.H.v. 325,00 EUR gegen zu rechnen.

In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe kein "sonstiges Einkommen" i.H.v. 501,61 EUR/Monat. Der voll als Einkommen des Kinds angerechnete Unterhalt werde durch die anteiligen Unterkunftskosten fast vollständig aufgezehrt. Die Verteilung des Gesamteinkommens sei nicht nachvollziehbar und willkürlich. Sie sei zur Gewährung des Naturalunterhalts verpflichtet und müsse ihre Unterhaltspflichten verletzten, weil sie keine Regelleistung erhalte. Darüber hinaus dürften beim Kind die Unterkunftskosten nur entsprechend einem Anteil von 10 qm angerechnet werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2007 als unbegründet zurück. Der Klägerin stehe gemäß § 7 Abs. 5 SGB II kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zu, da ihre Ausbildung grundsätzlich förderungsfähig sei. Die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Leistungen nach dem BAföG sei aus persönlichen Gründen - wegen anrechenbaren Einkommens des Vaters - abgelehnt worden. Daher bestehe nur ein Anspruch auf Mehrbedarf wegen Alleinerziehung. Von dem Gesamtbedarf des Kinds i.H.v. 363,68 EUR (Sozialgeld 207,00 EUR, hälftige Unterkunftskosten 156,68 EUR) seien abzuziehen der Unterhalt und das Kindergeld. Der Gesamtanspruch i.H.v. 162,68 EUR/Monat ergebe sich aus dem Anspruch der Klägerin i.H.v. 124,00 EUR und dem Anspruch des Kinds i.H.v. 38,68 EUR.

Gegen den "Bescheid vom 26. 10. 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. 03. 2007" hat - nur - die Klägerin am 30. April 2007 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe - nur - für sich beantragt. Sie hat zunächst begehrt, "den Bescheid der ARGE SGB II Landkreis Bitterfeld vom 24.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 15.06.2006 aufzuheben" und ihr "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in neu berechneter Höhe entsprechend dem dann neu erstellten Bescheid zu zahlen und Differenzzahlungen für die vorhergehenden Monat zu tätigen". Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat sie geltend gemacht, streitbefangen sei der Zeitraum von August 2006 bis August 2007. Ergänzend zum Vorbringen im Widerspruch hat sie angeführt, eine Einkommensanrechnung ihrer Eltern sei unzulässig, da diese ihr gegenüber keine Unterhaltspflichten hätten. Der Anspruch auf Unterkunftskosten stehe ihr auch zu, wenn BAföG dem Grunde nach anerkannt werde, aber zum Lebensunterhalt nicht ausreiche. Zudem ergebe sich ihr Anspruch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Anfang des Jahres oder im Juni 2006 habe bei der Beklagten eine Beratung stattgefunden. Dort sei ihr gesagt worden, falls ein Anspruch auf BAB oder BAföG abgelehnt werde, habe sie auf jeden Fall Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Sie hätte die Ausbildung nur unter der Maßgabe begonnen, dass sie Sozialleistungen in Höhe des bisherigen Leistungsanspruchs erhalten würde.

In diesem Verfahren haben zwei nichtöffentlichen Sitzungen am 1. Februar 2008 und - nach Wechsel des zuständigen Berufsrichters der Kammer - am 26. März 2009 stattgefunden.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 22. April 2009 abgelehnt. Es ist davon ausgegangen, dass die Klage nur im Namen der Klägerin erhoben und der Antrag auf Prozesskostenhilfe nur für sie gestellt worden sei. Die Beklagte habe den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft zutreffend festgestellt. Bezüglich der einzelnen Berechnungen, insbesondere der unstreitigen Unterkunftskosten, hat das Sozialgericht auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid verwiesen. Soweit bei der Berechnung der Heizkosten die Kosten für die Warmwassererwärmung i.H.v. 18% pauschal abgezogen worden seien, wirke sich dies nicht auf die der Klägerin zustehenden Leistungen aus. Sie habe nur einen Anspruch auf den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nach § 21 Abs. 3 SGB II. Ein weitergehender Anspruch bestehe gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nicht, da die Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei. Individuelle Versagungsgründe blieben außer Betracht. Hinsichtlich des BAföG-Ablehnungsbescheids vom 29. September 2006 hätte die Klägerin Widerspruch einlegen können. Ein Ausnahmefall i.S.v. § 7 Abs. 6 SGG II liege nicht vor, da der Anspruch auf BAföG wegen des Elterneinkommens entfallen sei. Grundsicherungsleistungen seien auch nicht als Darlehen zu gewähren, da kein besonderer Härtefall i.S.v. § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II vorliege. Allein die subjektive Entscheidung, ihre Zweitausbildung abzubrechen, wenn sie keine Leistungen nach dem SGB II erhalte, begründe keinen Härtefall. Auch ein Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 7 SGB II könne nicht beansprucht werden. Die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lägen nicht vor. Gewisse sozialrechtliche Voraussetzungen für die Leistungsgewährung wie etwa eine verspätete Antragstellung könnten als erfüllt angesehen werden, wenn die Verspätung auf dem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruhe. Dies gelte nicht für außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegende Tatbestände, die nach materiellem Recht für die Entstehung des Sozialrechtsanspruchs erforderlich seien. Eine Ausnahme vom Ausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II könne nicht fingiert werden. Bei der Frage, ob die Klägerin ansonsten ihre Ausbildung abgebrochen hätte, handele es sich um persönliche Umstände, die dem Zuständigkeitsbereich und den Gestaltungsmöglichkeiten der Beklagten entzogen seien.

Gegen den ihr am 7. Mai 2009 zugestellten Beschluss hat - nur - die Klägerin am 8. Juni 2009, einem Montag, Beschwerde eingelegt. Das Gericht verkenne, dass zwischen Antragstellung und Beschluss zwei Jahre gelegen und zwei Erörterungstermine stattgefunden hätten. In dem ersten Erörterungstermin sei das Gericht davon ausgegangen, dass der Verlauf des Beratungsgesprächs ermittelt werden müsse. Wenn das Gericht - nach Richterwechsel - zu einer anderen Auffassung komme, entspreche dies nicht mehr einer summarischen Prüfung, sondern einer Bewertung des Sachverhalts im Urteilsstil. Hier sei die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe augenscheinlich unnötig in die Länge gezogen worden. Sie habe durch eine Falschberatung eine Entscheidung zu Gunsten der Ausbildung getroffen, die zum Ausschluss des Leistungsanspruchs geführt habe. Gegenteiliges sei ihr zuvor in dem Beratungsgespräch versichert worden. Sie habe deshalb gegen die Ablehnung von BAB und BAföG keinen Widerspruch eingelegt. Sie habe zunächst Darlehen ihrer Eltern in Anspruch nehmen müssen, um die Ausbildung fortsetzen zu können. Bei korrekter Aufklärung hätte sie die Ausbildung aus Verantwortung gegenüber ihrem Kind nicht begonnen. Dieser Umstand müsse bei der Prüfung eines Härtefalls in Betracht gezogen werden. Soweit das Sozialgericht keinen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Kosten der Unterkunft annehme, gehe es von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus. Soweit es ausgeführt habe, sie erhalte keine Leistungen nach dem BAföG oder nach dem SGB III, negiere es seinen eigenen vorhergehenden Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

A.I. Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ist form- und fristgerecht, insbesondere rechtzeitig erhoben gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Beschluss vom 25. April 2009 ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am 7. Mai 2009 zugegangen. Die Beschwerdefrist von einem Monat gemäß § 173 Satz 1 SGG lief gemäß § 64 Abs. 1 bis 3 SGG bis zum 8. Juni 2009, da der 7. Juni 2009 ein Sonntag gewesen ist.

II. Die Beschwerde ist auch statthaft. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Ablehnung von Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe richtet sich nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO); die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfügung von § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG modifiziert worden. Seitdem ist die Beschwerde bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes über 750,00 EUR nur noch zulässig, wenn Prozesskostenhilfe (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist. Dies folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO. Das gleiche gilt, wenn wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG im Streit sind. Die Beschwerde ist hingegen ausgeschlossen, wenn das Gericht in diesen Fällen ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint (vgl. zur Begründung ausführlich den Beschluss des erkennenden Senats vom 20. Februar 2009, L 5 B 305/08 AS und L 5 B 304/08 AS).

Das Sozialgericht hat die Prozesskostenhilfe ausschließlich wegen mangelnder Erfolgsaussicht des Klageverfahrens abgelehnt. Hier begehrt die Klägerin nach ihrer Klageschrift weitere Leistungen nach dem SGB II i.H.v. weiteren 501,68 EUR/Monat (Regelleistung 345,00 EUR, hälftiger Anteil der Kosten der Unterkunft und Heizung 156,68 EUR) für die Zeit von November 2006 bis April 2007. Dieser Betrag übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR.

Der Senat kann daher offen lassen, ob die während des Klageverfahrens angekündigte Erweiterung des Klagegegenstands auf den Zeitraum von August 2006 bis August 2007 zulässig ist. Bedenken bestehen, da der angefochtene Bescheid vom 26. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2007 nicht diesen Zeitraum regelt. Der Verweis in der Klageschrift auf einen Bescheid vom 24. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juni 2006 dürfte ein Versehen gewesen sein.

B. Die Beschwerde ist unbegründet, da das Sozialgericht zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 - 1 BvR 94/88 -, NJW 1991, S. 413 f.). Prozesskostenhilfe kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R -, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

I.1. Die lange Bearbeitungsdauer zwischen Antragstellung und Ablehnungsbeschluss führt nicht zum Vorliegen einer hinreichenden Erfolgsaussicht. Allein aus dem Umstand, dass ein längerer Zeitraum vergangen ist und zwei Erörterungstermine stattgefunden haben, lässt sich noch nicht folgern, dass deshalb hinreichende Erfolgsaussichten für das Klageverfahren vorliegen. Diese Bewertung hat vielmehr danach zu erfolgen, ob weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich sind und/oder die Rechtslage klärungsbedürftig ist.

Eine von einem vorbefassten Berufsrichter geäußerte Rechtsansicht, die nicht in einem Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Ausdruck kommt, ist nicht bindend für die Prüfung einer hinreichenden Erfolgsaussicht durch den nachbefassten Richter. Dieser hat selbst eine Prüfung hinsichtlich des Vorliegens aller Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorzunehmen. Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn die Divergenz der Einschätzungen auf einer mittlerweile geänderten Rechtsprechung oder auf dem Bekanntwerden neuer Tatsachen beruht. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Der Vorwurf der Klägerin, das Sozialgericht habe nicht nach summarischer Prüfung, sondern im Rahmen einer "Bewertung des Sachverhalts im Urteilsstil" entschieden, beinhaltet im Kern den Vorwurf der Vorwegnahme der Hauptsache. Diese Auffassung trifft nicht zu. Bei dem hier nicht aufklärungsbedürftigen Sachverhalt hatte das Sozialgericht im Rahmen der Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage allein die Aufgabe, die hinreichende Aussicht auf das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Allenfalls bei schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfragen wäre eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht gekommen. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe beruhte jedoch auf ständiger Rechtsprechung des BSG (s.u.).

2. Zu Recht hat das Sozialgericht seine Prüfung nur auf den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf höhere Leistungen nach dem SGB II beschränkt. Der Bescheid vom 26. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2007 ist zwar an die Klägerin als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft gerichtet worden (§ 38 Satz 2 SGB II). Der Bescheid enthält jedoch jeweils einen Individualanspruch der Klägerin und ihres Kindes auf eigene Leistungen.

Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob im Rahmen des Meistbegünstigungsgrundsatzes für die Übergangszeit bis zum 30. Juni 2007 (Zeitpunkt des Eingangs der Klage) eine Einbeziehung der Gesamtbedarfsgemeinschaft auch ohne eine ausdrückliche Bezeichnung als Kläger geboten war (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 2009, B 8 AY 10/07 R (19) mit Hinweisen zur Rechtsprechung der für das SGB II zuständigen Senate des BSG). Ob die Klage vom 30. April 2007 in diesem Sinne auszulegen ist, wird das Sozialgericht im Rahmen des Klageverfahrens zu prüfen haben. Insoweit hat der Senat jedoch keine Entscheidung zu treffen, da der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe alleine für die Klägerin gestellt worden ist. Soweit das Kind der Klägerin als Kläger zu 2. in das Verfahren aufgenommen werden sollte, müsste es einen eigenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen und seine wirtschaftliche Bedürftigkeit darlegen.

II. Der Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe hat in der Sache deshalb keinen Erfolg, weil diese nach der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung keine höheren als die bewilligten Leistungen für sich in Anspruch nehmen kann.

1. Soweit die Klägerin rügt, im Bescheid vom 26. Oktober 2006 sei ihr ein "sonstiges Einkommen" i.H.v. 501,61 EUR angerechnet worden, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids und einem Anspruch auf weitere Leistungen. Wie sich aus Seite 2 des Bescheids ergibt, ist dies allein aus programmtechnischen Gründen erfolgt.

Hinreichend bestimmt hat die Beklagte der Klägerin einen Anspruch auf Mehrbedarf wegen Alleinerziehung i.H.v. 124,00 EUR bewilligt.

2. Zu Recht hat das Sozialgericht das Vorliegen eines Leistungsausschlusses i.S.v. § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II angenommen. Insoweit verweist der Senat auf die ausführlichen Darlegungen im angefochtenen Beschluss und macht sie sich nach gründlicher Prüfung zu Eigen.

Über das von dem Sozialgericht zitierte Urteil des BSG (vom 6. September 2007, B 14/7b AS 36/06 R) hinaus hat auch dessen 4. Senat mittlerweile hinsichtlich des Leistungsausschlusses auf die Förderfähigkeit nach dem BAföG dem Grunde nach abgestellt. Individuelle Versagensgründe wie Alter oder eine Zweitausbildung sind unerheblich (BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 28/07 R, vom 1. Juli 2009, B 4 AS 67/08 R).

Unstreitig zwischen den Beteiligten ist, dass die Klägerin eine staatlich anerkannte Ausbildung absolviert hat. Diese ist dem Grunde nach förderfähig nach dem BAföG. Der Umstand, dass die Bewilligung entsprechender Leistungen bis August 2007 wegen anrechenbaren Elterneinkommens abgelehnt wurde, ist ein individueller Versagensgrund. Die Ablehnung von BAföG führt demnach hier nicht zu einem Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II - mit Ausnahme des bewilligten Alleinerziehendenzuschlags (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007, B 14/7b AS 36/06 R (19)).

3. Einer der Fälle des § 7 Abs. 6 SGB II, der die Anwendung von Absatz 5 ausschließt, liegt erkennbar nicht vor und wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Auch insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts.

4. Einen Anspruch auf darlehensweise Bewilligung von Leistungen gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II hat das Sozialgericht im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Prüfung ebenfalls zu Recht verneint.

a. Das Argument der Klägerin, sie müsse ihre Ausbildung abbrechen, wenn sie keine Leistung nach dem SGB II erhalte, begründet keine besondere Härte im Sinne der Vorschrift. Das BSG hat entschieden, dass der Verzicht auf die Fortsetzung der Ausbildung infolge der Versagung von Leistungen nach dem SGB II keine besondere Härte bedeutet. Eine solche verlangt ein hohes Maß an Unbilligkeit, eine übermäßige Benachteiligung und Unzumutbarkeit. Darunter fällt etwa der Fall der objektiven Aussicht, die weit fortgeschrittene Ausbildung in kurzer bzw. absehbarer Zeit nur mittels Darlehen beenden zu können, oder wenn eine weit fortgeschrittene Ausbildung infolge Krankheit verzögert wird oder diese die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt und nicht durch eine andere berufliche Weiterbildung ein Berufsabschluss erreichbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007, B 14/7b AS 36/06; vom 30. September 2008, B 4 AS 28/07 R; vom 1. Juli 2009, B 4 AS 67/08 R).

b. Der ergänzend von der Klägerin im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Umstand, dass die Beklagte durch eine Falschberatung den Beginn der Ausbildung "verschuldet" habe, begründet nach Auffassung des Senats - für sich genommen - keine den genannten Beispielen vergleichbare Unbilligkeit in hohem Maße. Weitere Umstände, die in einer Zusammenschau mit der behaupteten Falschberatung zur Annahme einer besonderen Härte führen könnten, sind nicht ersichtlich. In dem hier streitigen Zeitraum hatte die Klägerin gerade ihre Ausbildung begonnen und stand nicht kurz vor einem Berufsabschluss. Sie konnte jederzeit die Ausbildung abbrechen, ohne allzu viel Zeit vergeudet zu haben. Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, dass die Zweitausbildung die einzige Möglichkeit gewesen wäre, eine berufliche Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Angesichts der in der Verwaltungsakte dokumentierten Anträge auf Bewerbungskostenübernahme aus dem Jahr 2005 für den Beruf der Zahnarzthelferin geht der Senat davon aus, dass die Klägerin über einen marktgängigen Erstausbildungsberuf verfügt.

Sollte die Beklagte durch eine Falschberatung den Entschluss zur Aufnahme einer weiteren Ausbildung geweckt haben, wären die (finanziellen) Folgen für die Klägerin nicht anders zu bewerten, als wenn sie aus eigenem Antrieb die Zweitausbildung aufgenommen hätte. In beiden Fällen wäre der bei ihr eingetretene "Schaden" allein darin zu sehen, dass sie während der Ausbildung keine Leistung nach dem SGB II erhält. Dies reicht nach der Rechtsprechung des BSG nicht für die Annahme einer besonderen Härte aus.

5. Nach summarischer Prüfung steht der Klägerin auch kein Zuschuss für die ungedeckten Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 7 SGB II zu. Dieser setzt, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, den Bezug von BAB oder BAföG voraus.

Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerde meint, das Gericht gehe insoweit von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus, übersieht sie, dass ihr für den streitigen Zeitraum zwischen November 2006 und April 2007 keine Leistungen nach dem BAföG und dem SGB III bewilligt worden sind. Vielmehr ist ihr erstmals mit Bescheid vom 31. Januar 2008 für die Zeit ab dem 1. September 2007 bis 31. Juli 2008 BAföG bewilligt worden. Die Ausführungen zur "Negation des eigenen vorhergehenden Vortrags" sind daher abwegig.

6. Nicht maßgeblich für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht ist, ob der zunächst mit der Bearbeitung des Rechtsstreits befasste Berufsrichter im Erörterungstermin vom 1. Februar 2008 in Aussicht gestellt hat, dass weitere Ermittlungen und ggf. eine Zeugenvernehmung hinsichtlich eines Gesprächs der Klägerin mit einer Mitarbeiterin der Beklagten im Jahr 2006 erfolgen sollten. Denn die Einzelheiten dieses Gesprächs haben für die Erfolgsaussicht, wie das Sozialgericht zu Recht entschieden hat, keine Auswirkungen. Nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kommt eine Leistungsbewilligung auch dann nicht in Betracht, wenn sich das Beratungsgespräch so darstellen sollte wie die Klägerin behauptet.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Vorraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§ 14 und 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I)), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretenen Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können; die begehrte Korrektur darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 2003, B 4 RA 38/02 R mit weiteren Nachweisen).

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann nur zur Herstellung rechtmäßiger Zustände verpflichten. Keinesfalls lässt sich daraus ein Recht auf gesetzlich nicht vorgesehene Leistungen ableiten. Da die Klägerin ihre nach dem BAföG grundsätzlich förderungsfähige Ausbildung am 31. August 2006 aufgenommen hat, kann dieser Umstand nicht - fiktiv - verneint werden.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Rechtskraft
Aus
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