L 11 KR 758/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2165/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 758/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in dem väterlichen Betrieb (der Beigeladenen zu 3) vom 15. Februar 1994 bis 31. Dezember 2006 sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Der 1969 geborene Kläger trat direkt nach Abschluss seines Wirtschaftingenieurstudiums in das Unternehmen seines Vaters ein. Dieser betrieb als Einzelfirma einen Fachbetrieb für Werbetechnik. Im streitgegenständlichen Zeitraum firmierte der Betrieb als "W.-H. J. H.". Der Vater des Klägers war als Einzelkaufmann im Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart (HRA 430932) eingetragen. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2006, 24:00 Uhr, ging das Einzel-unternehmen auf den Kläger über, der nunmehr als neuer und einziger Inhaber ebenfalls als Einzelkaufmann im Handelsregister eingetragen ist. Die Firma wurde geändert und lautet nun: "W.-H. Inh. C. H. e.K.". Bis zur Übernahme des Betriebs war der Kläger im Unternehmen seines Vaters in leitender Stellung in den Abteilungen Digitaldruck, Materialwirtschaft, Verkauf, Rechnungswesen/Controlling und Unternehmensplanung tätig. Für seine Tätigkeit erhielt er ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von zuletzt 3.700,00 EUR brutto, das über den gesamten Zeitraum hinweg als Betriebsausgabe gebucht und von dem Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.

Am 10. August 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung der Sozialversicherungspflicht seiner Tätigkeit. In dem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen gab er an, seiner Tätigkeit habe keine arbeitsvertragliche Vereinbarung zugrunde gelegen. Er habe aber Urlaubsanspruch für 30 Kalendertage und das Arbeitsentgelt werde ihm bei Arbeitsunfähigkeit für sechs Wochen fortgezahlt. Er habe während des Urlaubs auch Urlaubsgeld erhalten. Er sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert, das Weisungsrecht werde tatsächlich nicht ausgeübt, sondern er könne seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und bestimmen. Er habe der Gesellschaft 1996 ein Darlehen in Höhe von 23.008,00 EUR gewährt. Er hat hierzu den Jahresabschluss zum 31. Dezember 1996 sowie einen Mietvertrag über ein 1995 von ihm an die Firma vermietetes Grundstück vorgelegt.

Mit Bescheid vom 11. September 2006 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger zwar als Sohn des Firmeninhabers einen anderen Status als den eines "fremden" Arbeitnehmers genieße. Er trage aber dennoch kein unternehmerisches Risiko. Im Gewerberegister sei er nicht als Inhaber eingetragen, so dass er weiterhin der Versicherungspflicht als Angestellter unterliege.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe eigenes Betriebskapital eingesetzt, nämlich ein Grundstück finanziert. Bei der Anmeldung des Gewerbes und der Eintragung ins Handelsregister handle es sich nur um formale Merkmale, die das Auftreten gegenüber Dritten beträfen. Er habe aber eine erhebliche Dispositionsfreiheit und auch höhere Gewinnchancen. Den Darlehensvertrag könne er nicht mehr vorlegen, da dieser nach zehn Jahren vernichtet worden sei. Der Steuerberater N. bestätigte, dass es sich bei dem vom Betrieb genutzten Anlagevermögen um das im Alleineigentum des Klägers stehende Grundstück handle, auf dem ein Anbau an die Produktionshalle errichtet worden wäre. Die monatliche Miete betrage 850 EUR und sei ortsüblich.

Am 9. Januar 2007 meldete der Kläger, dass er hauptberuflich selbständig sei. Seit 1. Januar 2007 habe er Einkünfte aus Gewerbebetrieb von der Firma W.-H. in Höhe von monatlich 3.600 EUR.

Mit weiterem Bescheid vom 23. Januar 2007 bestätigte die Beklagte ihre Ausgangsentscheidung vom 11. September 2006 und führte ergänzend aus, die Tätigkeit des Klägers sei als krankenversicherungspflichtig beschäftigter Angestellter in der Zeit vom 15. Februar 1994 bis 31. Dezember 2006 geführt worden. Es habe auch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden. Voraussetzung dafür sei, dass eine Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt werde, der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge einbehalte und an die zuständige Krankenkasse abführe. Da der Darlehensvertrag vernichtet worden sei, könne keine weitere Beurteilung erfolgen, zumal ein Darlehen noch nicht die Annahme einer selbständigen Tätigkeit begründe.

Mit weiterem Bescheid vom 20. Februar 2007 lehnte die Beklagte nach Einholung einer Auskunft aus dem Gewerbsregister (ab 1. Januar 2007 werde die Einzelfirma durch den Kläger geführt) die beantragte Beitragserstattung ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2007 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, dass der Kläger in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bis zum 31. Dezember 2006 versicherungspflichtig gewesen sei. Er sei nicht im Rahmen einer familienhaften Mithilfe tätig geworden, nicht Mitinhaber gewesen und habe auch kein Unternehmerrisiko getragen. Die alleinige Geschäftsführung obliege dem Einzelunternehmer. Weder durch die Darlehensgewährung noch durch die Grundstücksvermietung habe der Kläger ein echtes Betriebsrisiko zu tragen gehabt. Das Risiko, welches er bei der Darlehensgewährung getragen habe, unterscheide sich nicht von dem anderer Verwandter, die gegenseitig für Kredite aus anderen, also firmenunabhängigem Anlass bürgten. Die Tatsache, dass er als Vermieter des Betriebsgeländes fungiere, führe letztendlich für ihn selbst zur Erzielung eines Mietzinses und im Falle einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung zu der gewollten Konstellation, dass wesentliche Sachwerte in seinem Eigentum verblieben. Hauptindizien für das Vorliegen einer Unternehmereigenschaft würden dadurch nicht begründet. Er beziehe ein ortsübliches Gehalt und erfülle damit ein wesentliches Kriterium der Arbeitnehmereigenschaft. Deswegen sei seine Tätigkeit auch stets als abhängige Beschäftigung gemeldet worden. Von seinem Arbeitsentgelt seien Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet, es sei als Betriebsausgabe gebucht worden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die damaligen Meldungen ordnungsgemäß durchgeführt und auch den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hätten. Dass sein Vater ihm bei der Berufsausübung im Wesentlichen freie Hand gelassen habe sei unerheblich, weil die Abhängigkeit unter Familienangehörigen im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt sei als in Betrieben außerhalb eines Familienverbundes.

Mit seiner dagegen am 29. Mai 2007 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe die Abteilung Digitaldruck als zweites Standbein neben der konventionellen Druckerei eigenständig aufgebaut. Er sei im Hinblick auf das dafür erforderliche Know-how selbständig gewesen. Wichtige Entscheidungen habe er immer mit seinem Vater besprochen und auch entschieden. Zwischen Vater und Sohn sei eine "schleichende" Übergabe des Betriebs geplant gewesen, die zum 1. Januar 2007 auch umgesetzt worden sei. Seitdem sei er auch Inhaber der Firma. In diesem Zusammenhang müsse auch gewürdigt werden, dass er ein Darlehen gewährt und ein Betriebsgrundstück vermietet habe. Am 21. Dezember 2006 habe er mit seinem Vater einen Vertrag über die Übergabe eines Gewerbebetriebes geschlossen (Bl. 25ff SG-Akte). Nach § 1 dieses Vertrages verbleibt das vermietete Grundstück, auf welchem die Räumlichkeiten des Einzelunternehmens stehen, im Eigentum seiner Mutter (Bl 28 SG-Akte). Der Kläger hat weiter seinen Darlehensvertrag vom 13. März 1996 zur Zwischenfinanzierung eines Existenzgründungssparvertrages (Bl. 41ff SG-Akte) sowie seine Vertretungsberechtigung neben seiner Mutter bei verschiedenen Banken und weitere Verträge vorgelegt, die er für die Firma abgeschlossen hat.

Das SG hat mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 die Sozialversicherungsträger sowie die Firma W.-H. zum Verfahren beigeladen und den Rechtsstreit am 27. November 2008 mit den Beteiligten erörtert. Die Beigeladenen zu 1 und 2 haben verbindlich klargestellt, dass für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma W.-H. vom 15. Februar 1994 bis 31. Dezember 2006 eine versicherungspflichtige Beschäftigung anerkannt wird. Die Klägerseite hat die mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2008 angeforderten Unterlagen in der Folgezeit nicht vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 5. Januar 2010 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass der Kläger sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Widerspruchsbescheides hat das SG ergänzend ausgeführt, dass das Unternehmen schon seit längeren und bis Ende 2006 als Einzelfirma vom Vater des Klägers weitergeführt worden sei, der aufgrund seiner unternehmerischen Stellung die volle Haftung für die Firma und somit auch allein das unmittelbare unternehmerische Risiko getragen habe. Der Kläger habe von Anfang an für seine Tätigkeit einen zu versteuernden und als sozialversicherungspflichtig geführten Arbeitslohn erhalten, der über die gesamte Dauer des Beschäftigungsverhältnisses als Betriebsausgabe verbucht worden sei. Das Festgehalt sei nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig gewesen. Für zusätzliche erfolgsabhängige Zahlungen gebe es keinerlei Hinweise. Die Bezüge hätten auch eindeutig Entgeltfunktion und stellten einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit dar, gingen jedenfalls weit über einen freien Unterhalt oder ein Taschengeld hinaus. Damit scheide die Annahme einer lediglich familienhaft erbrachten Mitarbeit von vornherein aus. Weitere arbeitnehmertypische Kriterien seien die Zahlung eines Urlaubsgeldes und die während der Arbeitsunfähigkeit und Urlaubs-/Betriebsferien nicht unterbrochene Fortzahlung des vereinbarten Gehalts; auch insoweit habe der Kläger kein Risiko bezüglich der Verwertung der eigenen Arbeitskraft getragen. Die rechtliche Beziehung sei durch arbeitsvertragliche Bestimmungen, die dem Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung zuzuordnen gewesen seien, geregelt, auch wenn es an einer schriftlichen Fixierung dem Anschein nach fehle. Man habe sich mit Sicherheit auch nach Beratung und auf Anregung des Steuerberaters darauf verständigt, dass der Vater weiterhin als alleiniger Unternehmer/Betriebsinhaber fungiere und der Kläger bei diesem "angestellt" sein sollte. Dementsprechend sei dies auch gegenüber dem Finanzamt gemeldet und steuerlich anerkannt worden. Andernfalls hätten die Gehaltszahlungen nicht als Betriebsausgabe deklariert und abgesetzt werden können. Auch hinsichtlich der Sozialversicherung habe man bewusst den Arbeitnehmerstatus gewährt, auch um die entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Vorteile (preisgünstiger Krankenversicherungsschutz auch für Kinder; Absicherung des Risikos der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit etwa bei Insolvenz des Arbeitgebers) in Anspruch nehmen zu können. Der Kläger habe ein als Betriebsausgabe absetzbares Gehalt aus seinem Arbeitsverhältnis erhalten. Nachdem auf Klägerseite eine qualifizierte Beratung und Betreuung durch einen Steuerberater vorgelegen habe, ließe sich die bisherige Darstellung, es habe ein Arbeitsverhältnis zwischen Angehörigen vorgelegen, auch nicht bloß als Irrtum oder Fehleinschätzung abtun, weil offenbar im Laufe des Jahres 2006 ein Motivwechsel eingetreten sei. Dementsprechend und folgerichtig sei anlässlich der Übergabe des Einzelunternehmens auch geregelt worden, dass das Grundstück, auf dem sich die dem Einzelunternehmen vermieteten Räumlichkeiten befänden, nunmehr im Eigentum der Mutter des Klägers verbleibe; damit hätte offensichtlich erreicht werden sollen, dass das Grundstück weiterhin nicht als Betriebsvermögen hafte und die Mietzahlungen (nunmehr an die Mutter) weiterhin als Betriebsausgabe dargestellt werden könnten. Der Kläger könne sich auch nicht auf Unkenntnis berufen, weil dies an der Wirklichkeit eines am normalen Wirtschaftsleben teilnehmenden, studierten Unternehmers vorbeiginge. Folgerichtig seien die abgeführten Beiträge nicht zu Unrecht entrichtet worden.

Gegen den nach den Angaben des klägerischen Bevollmächtigten am 13. Januar 2010 zugestellten Gerichtsbescheid (das Empfangsbekenntnis wurde nicht zurückgeschickt) hat der Kläger am 15. Februar 2010 (einem Montag) Berufung eingelegt, die er nicht begründet hat.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. Januar 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 11. September 2006 und 23. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 3 in der Zeit vom 15. Februar 1994 bis 31. Dezember 2006 nicht der Sozialversicherungspflicht unterlag.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Denn die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 3 war im streitigen Zeitraum vom 15. Februar 1994 bis 31. Dezember 2006 sozialversicherungspflichtig.

Nach § 28 h Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) entscheidet die Beklagte als Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs.1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann, insbesondere bei Diensten höherer Art, eingeschränkt sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2009, B 12 KR 21/07 R, juris; Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr.7; BSG, Urteil vom 4. Juli 2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 8). Deshalb kann zwar eine an sich rechtlich bestehende Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein kann, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheidet (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001, B 12 KR 34/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17; BSG, Urteil vom 8. Dezember 1987, 7 RAr 25/86, juris; BSG, Urteil vom 7. September 1988, 10 RAr 10/87, SozR 4100 § 141b Nr. 41). Andererseits ist die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, solange die Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist, die Rechtsmacht also noch besteht, selbst wenn von dieser tatsächlich kein Gebrauch gemacht wird (BSG, Urteil vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4).

Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob die Tätigkeit im Unternehmen eines Ehegatten oder engen Verwandten ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellt oder nicht. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter engen Verwandten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 21. April 1993, SozR 3 - 4100 § 168 Nr. 11). Ebenfalls unschädlich ist, wenn von dem Weisungsrecht vor allem im fachlichen Bereich nicht vollumfänglich Gebrauch gemacht wird. Denn vor allem bei sog Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht stark eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 12/05 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 6). Selbst wer Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, kann als leitender Angestellter bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein (BSG, Urteil vom 6. März 2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1; BSG, Urteil vom 19. Juni 2001, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 18).

Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002, B 7 AL 34/02 R, juris).

Zur Überzeugung des Senats steht gemessen an diesen Grundsätzen fest, dass die Tätigkeit des Klägers im streitigen Zeitraum sozialversicherungspflichtig war. Denn die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, überwiegen.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er einen schriftlicher Arbeits- oder Anstellungsvertrag, der grundsätzlich Ausgangspunkt für die Überprüfung der rechtlich relevanten Umstände ist, nicht geschlossen hat. Das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrags spricht aber nicht bereits gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Denn der wirksame Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages gemäß § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bedurfte weder zu Beginn der Beschäftigung noch bedarf er heute der Schriftform.

Nach den Angaben im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen haben sich der Kläger und die Beigeladene zu 3 nämlich über wesentliche Punkte eines arbeitnehmertypischen Arbeitsvertrags geeinigt. Entsprechend der Angaben unterstellt der Senat dabei zugunsten des Klägers, dass diesem von Anfang an als Tätigkeitsfeld die Leitung der Abteilungen Digitaldruck, Materialwirtschaft, Verkauf, Rechnungswesen/Controlling und Unternehmensplanung übertragen wurde. Das lässt sich jedoch mit der Stellung eines (abhängig beschäftigten) leitenden Angestellten in Einklang bringen.

Wegen des engen Verwandtschaftsverhältnisses ist es unschädlich, dass sein Vater dem Kläger keine Weisungen erteilt hat. Nach der Rechtsprechung kann zwar eine persönliche Abhängigkeit von den tatsächlichen Verhältnissen überlagert sein, wenn zB der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) nicht selbst, jedoch seine Familie über die Kapitalmehrheit verfügt, ihm von den übrigen Familienmitgliedern freie Hand gelassen wird und er wirtschaftlich gesehen - seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern wie für ein eigenes Unternehmen ausübt (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 mwN). Desgleichen kann davon auszugehen sein, wenn ein als externer (angestellter) Geschäftsführer in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig sind (BSG Urteil vom 30. Juni 1999, B 2 U 35/98 R, SozR 3-2200 § 723 Nr. 4). Unabhängig von der Frage, ob diese Rechtsprechung zur Rechtsform einer GmbH auch bei Einzelunternehmen angewendet werden kann, ist vorliegend nicht von einer beherrschenden Stellung des Klägers auszugehen. Denn sein Vater hat ebenso wie der Kläger über die notwendige Qualifikation und Erfahrung verfügt, um ein Einzelunternehmen zu leiten und war bis 31. Dezember 2006 allein haftender Inhaber der Beigeladenen zu 3. Der Kläger hat deshalb weder die Beigeladene zu 3 persönlich dominiert noch war sein Vater wirtschaftlich von dem Kläger abhängig. Selbst wenn sein Vater keine Weisungen erteilt hat, hätte er als alleiniger Betriebsinhaber jederzeit ihm nicht genehme Entscheidungen des Klägers verhindern können. Allein die Nichtausübung dieser Rechtsmacht begründet auf Seiten des Klägers noch keine unternehmensbeherrschende Stellung.

Hierfür spricht auch, wie die Umgestaltung des Unternehmens ab 1. Januar 2007 umgesetzt wurde. Die notariell beurkundete Übergabe des Einzelunternehmens fand danach zum 31. Dezember 2006 statt, wobei als Firmeninhaber nur sein Vater auftrat. Das Grundstück, auf dem ein Anbau der Produktionshalle betrieben wird, stand damals in seinem Eigentum, steht nunmehr in dem seiner Mutter, und wurde an die Beigeladene zu 3 vermietet. Eine Ummeldung im Gewerberegister wurde zum 1. Januar 2007 vorgenommen, als Eintrittsdatum des Klägers wurde dieser Tag festgehalten. Erst ab diesem Zeitpunkt hat der Kläger folgerichtig seine Einkünfte als solche aus Gewerbsbetrieb verbucht.

Der Kläger hat die Tätigkeit nicht wie für ein eigenes Unternehmen ausgeübt, denn er hat kein Unternehmerrisiko getragen. Unternehmerrisiko trägt, wer eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes einsetzt und somit der Erfolg des Einsatzes der sachlichen und persönlichen Mittel ungewiss ist (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Der Fachbetrieb für Werbetechnik ist im streitigen Zeitraum 15. Februar 1994 bis 31. Dezember 2006 in der Rechtsform eines Einzelunternehmens allein von seinem Vater geführt worden. Dieser ist deshalb für Außenstehende der allein haftende Einzelunternehmer gewesen. Der Kläger hat keine rechtliche Verantwortung übernommen und seine Arbeitskraft deshalb nicht mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Eine erfolgsabhängige Vergütung hat er nicht erhalten.

Aus dem vorgelegten Darlehensvertrag von 1996 ergibt sich nicht, dass die aufgenommene Beträge von 50.000,00 DM dem Betrieb der Beigeladenen zu 3 dienen sollte. Denn als Verwendungszweck wird "Zwischenfinanzierung Existenzgründungsvertrag" genannt. In der Jahresbilanz wurde auch als Verbindlichkeit ein anderer Betrag, nämlich in Höhe von 45.000,00 DM, gebucht. Selbst wenn unterstellt wird, der Kläger habe Anteile der von ihm für private Zwecke aufgenommenen Darlehen dem Betrieb unentgeltlich zur Verfügung gestellt, trägt er insoweit kein Unternehmerrisiko. Denn dadurch wird der Kläger weder am Unternehmensgewinn noch verlust beteiligt. Dieser Vorgang hat keinen haftungsrechtlichen Einfluss, sondern ist auf das gesteigerte beiderseitige Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zurückzuführen. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Risiko, welches er bei der Darlehensgewährung getragen hat, sich nicht von dem anderer Verwandter unterschied, die gegenseitig für Kredite aus anderen, also firmenunabhängigem Anlass bürgten.

Das Zurverfügungstellen des Grundstückes könnte zwar als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn - entgegen dem Vortrag in der mündlichen Berufungsverhandlung - nicht der ganze Betrieb, sondern nur ein Anbau betrieben wurde und die Miete auch ortsüblich war. Der Senat entnimmt dies der schriftlichen Bestätigung des Steuerberaters N ... Gegen diese Wertung spricht aber, dass das Grundstück vor der Betriebsübergabe in das Eigentum seiner Mutter übergegangen ist und weiterhin an den Betrieb vermietet wird, die aber unstreitig und unzweifelhaft dadurch nicht zu Mitunternehmerin wird oder werden sollte. Vielmehr ging es allein darum, den zu versteuernden Gewinn zu minimieren und zugleich einen Zugriff von Gläubigern auf den Betrieb zu verhindern. Diesen Umstand hat das SG daher zu Recht nicht als durchschlagendes Argument für eine selbstständige Tätigkeit gewertet.

Für eine abhängige Beschäftigung spricht ferner insbesondere, dass der Kläger ein festes monatliches Entgelt erhalten hat. Der Höhe nach ist das Entgelt über freien Unterhalt oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinaus gegangen. Von einer rein familienhaften Mithilfe kann daher nicht ausgegangen werden.

Der Kläger hatte des Weiteren keine eigene Betriebsstätte. Auch die Verbuchung des Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe, das Überweisen des Arbeitsentgelts auf das private Girokonto des Klägers und das Entrichten von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen sprechen gegen eine selbständige Tätigkeit. Dass die Meldungen zur Sozialversicherung aus bloßer Unkenntnis erfolgt sein sollen, überzeugt den Senat nicht. Die Beigeladene zu 3 und der Kläger haben vielmehr gezeigt, dass sie von einem gewollten und gelebten Arbeitsverhältnis ausgegangen sind und haben die Tätigkeit als abhängig beschäftigte Tätigkeit gemeldet. Es sprechen keine rechtlich vernünftigen Gründe dafür, nunmehr rückwirkend in das jahrelang mit Billigung der Beteiligten bestehende Versicherungsverhältnis einzugreifen.

Hinzu kommt, dass der Kläger und sein Vater schließlich ab 1. Januar 2007 eine Änderung herbeigeführt haben, indem der Kläger den Betrieb übernommen hat. Hieraus ist zu schließen, dass eine frühere rechtliche Beteiligung des Klägers gerade nicht gewünscht war und erst im Jahr 2007 die tatsächliche Übernahme einer Unternehmensbeteiligung erfolgen sollte und erfolgt ist. Dies dokumentiert auch der notarielle Vertrag über die Übergabe eines Gewerbebetriebs, mit dem sein Vater als Inhaber der Firma das Einzelunternehmen an den Kläger übergeben hat. Erst damit hat sein Vater, was als weiteres Indiz zu werten ist, nach außen deutlich gemacht, bis dahin alleiniger Betriebsinhaber gewesen zu sein.

Das Verhältnis des Klägers zu seinem Vater als Betriebsinhaber stellt sich in der fraglichen Zeit bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung als ein in der betrieblichen Praxis nicht untypischer Entwicklungsprozess eines Hineinwachsens der jüngeren Familienangehörigen in die Unternehmensnachfolge dar. Auch im Falle des Klägers war beabsichtigt, ihn in das Unternehmen aufzunehmen bzw. dieses auf ihn zu übertragen. Es entspricht aber der allgemeinen Lebenserfahrung, dass erst eine rechtlich durchgeführte und damit vollzogene Betriebsübergabe von den Eltern auf die Kinder den (von allen Beteiligten auch als solchen wahrgenommenen) wirklichen "Einschnitt" in der Unternehmensnachfolge darstellt. Erst dann endet das allmähliche Hineinwachsen in eine etwaige Unternehmensnachfolge und erst dann existiert auch das bis dahin nach wie vor fortbestehende, wenn auch möglicherweise faktisch nicht mehr ausgeübte Weisungsrecht weiter. Bis zum rechtlichen Vollzug einer Unternehmensnachfolge besteht dagegen immer noch die Möglichkeit, an der Nichtausübung eines Weisungsrechts jederzeit etwas zu ändern, so dass bis dahin sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht entsprechende Unsicherheiten verbleiben (vgl. Senatsurteile vom 04. Dezember 2007 - L 11 KR 1749/07 -, vom 15. Juli 2008 L 11 KR 4946/07 -, vom 05. August 2008 - L 11 KR 4946/07 -, vom 14. Oktober 2008 L 11 KR 1347/08 -, vom 29. September 2009 - L 11 KR 4621/08 - vom 15. Dezember 2009, L 11 KR 2296/07 und vom 18. Mai 2010 - L 11 KR 1423/08; BSG, Urteil vom 30. Januar 1990 - B 11 RAr 47/88, SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 1).

Im Ergebnis ist daher nach Abwägung aller Gesichtspunkte die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beklagten zutreffend.

Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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