L 5 KR 1546/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 KR 2230/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1546/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 3. März 2010 werden zurückgewiesen.

Die Klagen werden als unzulässig abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger zu 1, seine 1968 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2, sowie ihre beiden 1993 und 2001 geborenen Kinder, die Kläger zu 3 und 4, begehren die Erstattung der vom Kläger zu 1 ab 1977 entrichteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.

Der 1960 geborene Kläger zu 1 machte nach Abschluss des Schulbesuchs eine Maurerlehre und war anschließend vom 1. Februar 1979 bis zum 11. März 1982 - unterbrochen durch Wehrdienst/Zivildienst vom 2. Januar 1980 bis zum 31. März 1981 - rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Vom 12. März 1982 bis zum 9. März 1983 war er Schüler. Danach absolvierte er vom 10. März 1983 bis zum 9. Februar 1988 ein Fachhochschulstudium im Bereich Bauingenieurwesen und war vom 1. September 1987 bis zum 31. März 1991 und vom 1. Juni 1992 bis zum 30. Juni 1998 erneut rentenversicherungspflichtig beschäftigt. In dieser Zeit war der Kläger zu 1 vom 1. September 1987 bis zum 31. März 1991 als Arbeitnehmer bei der Beklagten zu 1 krankenversichert. Anschließend war er bei der Beklagten zu 2 – jedenfalls zuletzt bis zum 31. Dezember 1995 freiwillig – kranken- und pflegeversichert. Ab 1. März 1996 bis zum 30. September 2000 war der Kläger zu 1 wieder bei der Beklagten zu 1 nun freiwillig kranken- und pflegeversichert, zunächst in der Zeit vom 1. März 1996 bis zum 30. Juni 1998 als Arbeitnehmer und anschließend als Beschäftigungsloser. Im Jahr 2000 zogen die Kläger zu 1 bis 3 ins Ausland. Die Mitgliedschaft endete bei der Beklagten zu 1 am 30. August 2000, was diese mit Schreiben vom selben Tag an den Kläger zu 1 bestätigte.

Ende Juli 2004 kehrten die Kläger aus dem Ausland zurück. Mit Schreiben vom 30. Juli und vom 16. August 2004 beantragte der Kläger zu 1 bei der Beklagten zu 1 die Aufnahme von ihm und seinen Familienangehörigen als gesetzlich Kranken- und Pflegeversicherte. Mit Schreiben vom 20. August 2004 teilte die Beklagte zu 1 dem Kläger zu 1 mit, dass eine Aufnahme in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung weder als Pflichtversicherte noch als freiwillig Versicherte möglich sei.

Seit 2005 ist der Kläger zu 1 als selbständiger Immobilienvermittler tätig. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 teilte der Kläger zu 1 den Beklagten mit, seine Kinder seien seit viereinhalb Jahren ohne Krankenversicherungsschutz, obgleich er während seiner Berufstätigkeit rund 60.000 EUR an Beiträgen entrichtet und nur Leistungen von weniger als 2.000 EUR erhalten habe. Dies sei ein unangemessenes Verhältnis und grob sittenwidrig. Er verlangte eine nachvollziehbare Abrechnung über Leistungen und Gegenleistungen und die Erstattung des Überschussbetrages zuzüglich Zinsen. Dies lehnte die Beklagte zu 1 mit Bescheid vom 19. Januar 2009 ab. Der Leistungsanspruch stehe gemäß dem Solidaritätsprinzip nicht in einem Gleichgewicht zur Gegenleistung. Daher gebe es sowohl Versicherte, die höhere Beiträge entrichteten, als sie Leistungen benötigten, als auch solche, die höhere Leistungen in Anspruch nähmen als sie Beiträge zahlten. Ähnliches finde sich auch in der Kfz-Versicherung.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger zu 1 mit Schreiben vom 26. Januar 2009 Widerspruch ein. Er habe in rund 20 Jahren Arbeit etwa 40% seines Einkommens an die Sozialversicherung bezahlen müssen. Als Gegenleistung habe es fünf Amalgamplomben und fünf Arztbesuche gegeben. Die Beklagte zu 1 enthalte ihm und seinen Kindern einen Betrag von rund 150.000 EUR vor. Nur diesen fordere er zurück, wobei er als Zeichen guten Willens vorab als Anzahlung einen Scheck in Höhe von 100.000 EUR erwarte. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2009 wies die Beklagte zu 1 den Widerspruch zurück. Die Beitragsentrichtung sei zu Recht erfolgt, sodass dem Antrag nicht entsprochen werden könne.

Die Beklagte zu 2 richtete unter dem 26. Januar 2009 ein Schreiben an den Kläger zu 1, in dem sie mitteilte, dass die Mitgliedschaft bei ihr am 31. Dezember 1995 geendet habe und somit die gewünschte Aufstellung nicht erstellt werden könne, da die entsprechenden Unterlagen bereits vernichtet seien.

Mit ihrer am 23. Juni 2009 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage haben die Kläger das Begehren weiterverfolgt und den Vortrag des Klägers zu 1 aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertieft und ergänzt. Die Kläger haben weiter vorgetragen, dass der Kläger zu 1 in den Jahren 2005 und 2006 versucht habe, Arbeitslosengeld II zu erhalten, was jedoch von den zuständigen Leistungsträgern negativ beschieden worden sei. Daraufhin hätten sie beschlossen, ihren schon im Ausland gegründeten Familien-Gesundheitsfonds weiterzuverfolgen. Für dessen Ausstattung sei die beantragte Rückzahlung erforderlich, zumal das Einkommen aus der derzeitigen Berufstätigkeit gering sei. Hierzu hat der Kläger zu 1 Einkommensteuerbescheide aus den Jahren 2005 bis 2008 vorgelegt. Die vom Kläger zu 1 entrichteten Krankenversicherungsbeiträge haben sie auf 56.068,78 EUR beziffert.

Mit Urteil vom 3. März 2010 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen hierzu ausgeführt, die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhobene Klage sei nur teilweise zulässig. In Bezug auf die Beklagte zu 2 fehle bereits das nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderliche Widerspruchsverfahren. Die Klage gegen die Beklagte zu 1 sei zulässig, jedoch unbegründet. Die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge richte sich nach § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch (SGB IV). Danach seien zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden seien, Leistungen erbracht oder zu erbringen gehabt habe. Soweit die Kläger die Erstattung derjenigen Beiträge geltend machten, die vom Arbeitgeber des Klägers zu 1 oder aus öffentlichen Kassen entrichtet worden seien, liege weder eine Abtretungserklärung noch eine Einzugsermächtigung dieser Stellen vor, sodass die Kläger diese Beiträge nicht erstattet verlangen könnten. Die vom Kläger zu 1 selbst entrichteten Beiträge seien zu Recht entrichtet worden. Die Beitragsentrichtung habe weit überwiegend auf einer kraft Gesetzes bestehenden Pflichtversicherung als abhängig Beschäftigter nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V) beruht. Das Bestehen dieser Beschäftigungen von August 1977 bis 1. Januar 1980 sowie von 1. April 1981 bis 11. März 1982, weiterhin vom 1. September 1987 bis 9. Februar 1988 und vom 10. Februar 1988 bis zum 30. Juni 1998 ergebe sich aus der vom Kläger vorgelegten Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 14. Januar 2008. Eine weiter bestehende, auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V beruhende Mitgliedschaft bei der Beklagten zu 1 bis zum 30. August 2000 ergebe sich aus deren Schreiben vom selben Tag. Der Kläger sei der Meinung, dass sich die rechtswidrige Beitragsentrichtung daraus ergebe, dass § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sowie die gesetzlichen Vorschriften über die Beitragsbemessung und Leistungserbringung mit dem Grundgesetz (GG), insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, sowie mit europäischem Recht unvereinbar seien. Dieser Rechtsauffassung des Klägers sei nicht zuzustimmen. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete, dass verschiedene Personen, Personengruppen oder Situationen nicht unterschiedlich behandelt werden dürften, soweit nicht Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht zwischen ihnen bestünden, dass diese eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. Soweit der Kläger rüge, eine verfassungswidrige Ungleichheit bestehe darin, dass bei der Beitragsbemessung gemäß § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werde und dieser demnach einkommensabhängig sei, während die erbrachten Leistungen einkommensunabhängig allen Versicherten gleichermaßen zur Verfügung stünden, sei darauf hinzuweisen, dass die Einbeziehung von Elementen der Umverteilung in der gesetzlichen Sozialversicherung dem Gesetzgeber freistehe, wenn er dies für den Bestand einer funktionierende Sozialversicherung, insbesondere der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, für erforderlich halte. Dies folge aus dem Sozialstaatsgebot in Art. 20 Abs. 1 GG. Der Einwand, dass das Krankenversicherungssystem anders organisiert werden könnte, betreffe die Frage, ob eine grundlegend andere Strukturierung des Sozialversicherungswesens in der Sache wünschenswert und politisch durchsetzbar sei. Im Rahmen eines Rechtsstreits komme es hierauf jedoch nicht an. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in Rechtspositionen des Klägers zu 1 sei auch nicht darin zu sehen, dass trotz jahrelanger Entrichtung von Beiträgen nur wenige Leistungen in Anspruch genommen worden seien und ein sich hieraus errechnender Überschuss nicht erstattet würde. Eine derartige Praxis sei nicht unverhältnismäßig, sondern ein Kennzeichen jedes Versicherungsverhältnisses, wobei es nicht darauf ankomme, ob dieses als staatliche Pflichtversicherung oder als privater Versicherungsvertrag gestaltet sei. Vorschriften des Unionsrechts führten zu keiner anderen Beurteilung. Denn für deren Eingreifen wäre zunächst ein Bezug zum Gemeinsamen Binnenmarkt erforderlich, der vorliegend nicht erkennbar sei. Für einen ungeschriebenen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch sei neben der speziellen Regelung in § 26 Abs. 2 SGB IV kein Raum. Ohnehin setze aber auch der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch eine Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund voraus. Nach dem zuvor Ausgeführten liege der Fall hier aber nicht so. Ebenso wenig liege ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch vor, weil schon keine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 zu erkennen sei.

Gegen dieses ihrem Bevollmächtigten am 9. März 2010 zugestellte Urteil haben die Kläger am 1. April 2010 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 3. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten zu 1 vom 19. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2009 aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger 56.068,78 EUR sowie Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 1977 zu zahlen.

Sie beantragen weiter, "den Beklagten und damit systembedingt der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf Dauer zu untersagen, von den Klägern Versicherungsbeiträge aufgrund einer Versicherungspflicht abzukassieren;

die Klage gegen die Beklagte zu 2 trotz des fehlenden Widerspruchsbescheides aus Gründen der Gesamtbedeutung auf die GKV und der Prozessökonomie zuzulassen;

Die Beklagten zu verurteilen, eine angemessene Entschädigung an die Kläger zu leisten;"

sowie vorsorglich, "die Beklagten zu verurteilen, den Klägern rückwirkend seit August 2004 einen "arbeitgeberanteiligen" und einen "steueranteiligen" Krankenversicherungsschutz zu gewähren";

und weiterhin, einen Bevollmächtigten der Bundesregierung hinzuzuziehen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angegriffene Urteil für zutreffend.

Die Berichterstatterin hat die Beteiligten mit Verfügung vom 11. Mai 2010 darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14. Juni 2010 gegeben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakte des SG und die Berufungsakte Bezug genommen.

II. 1. Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Hinsichtlich der im Berufungsverfahren weiter verfolgten Klagen gegen die Beklagte zu 2 ist die Berufung schon deswegen unbegründet, weil die Klagen unzulässig waren. Dies hat das SG zutreffend dargelegt. Das bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nach § 78 SGG obligatorische Vorverfahren ist nicht entbehrlich, weil keiner der in § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG genannten Ausnahmefälle vorliegt. Das Vorverfahren ist hier auch nicht während des Klagverfahrens dadurch nachgeholt worden, dass die Beklagte zu 2 der Klage entgegengetreten ist und ihre Abweisung beantragt hat. Der früher verbreiteten Auffassung, dass bei Identität von Widerspruchsbehörde und prozessführender Behörde in der Klageerwiderung und dem Antrag auf Abweisung der Klage als unbegründet gegebenenfalls ein Widerspruchsbescheid gesehen werden könne, ist in der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mit überzeugenden Gründen entgegengetreten worden (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 2 U 8/05 R -, veröffentlicht in Juris m.w.N.). Das Vorverfahren ist bisher nicht nachgeholt worden. Vielmehr haben die Kläger zu erkennen gegeben, dass sie dies auch nach Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2 nicht beabsichtigen (vgl. unten).

Entsprechendes gilt aber für die kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen der Kläger zu 2 bis 4 auch soweit sie gegen die Beklagte zu 1 gerichtet sind. Denn nur der Kläger zu 1 hat das Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren durchgeführt. Es ist auch nicht ersichtlich und wird auch nicht dargetan, dass die Kläger zu 2 bis 4 durch den an den Kläger zu 1 adressierten Bescheid der Beklagten zu 1 in eigenen Rechten beschwert sein könnten. Die mittelbare Betroffenheit als unterhaltsberechtigte Familienangehörige reicht für die Anfechtungsbefugnis nicht aus.

Auch die Berufung des Klägers zu 1, mit der er seine Klage gegen die Beklagte zu 1 weiterverfolgt, ist unbegründet. Denn das SG hat die insoweit zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten zu 1 vom 19. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Rückzahlung an die Beklagte zu 1 entrichteter Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung.

Anspruchsgrundlage für die Erstattung entrichteter Sozialversicherungsbeiträge ist § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB IV. Danach sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruches aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Der Erstattungsanspruch steht nach § 26 Abs. 3 S. 1 SGB IV dem zu, der die Beiträge getragen hat. Beiträge sind zu Unrecht entrichtet, wenn ihre Entrichtung mit der materiellen Rechtslage nicht übereinstimmt und kein bindender Beitragsbescheid vorliegt. Dabei ist es unerheblich, ob die Beiträge in irrtümlicher Annahme von Versicherungspflicht, Versicherungsberechtigung oder Beitragspflicht oder lediglich an den unzuständigen Versicherungsträger entrichtet wurden oder ob sie aufgrund falscher Bemessungsfaktoren zu hoch bemessen waren.

Diese Voraussetzungen für eine Erstattung der von und für den Kläger zu 1 an die Beklagte zu 1 entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung liegen nicht vor, weil diese Beiträge rechtmäßig geleistet worden sind. Rechtsgrundlage für die vom Kläger zu 1 bis zum 31. Dezember 1988 geleisteten Krankenversicherungsbeiträge ist die Reichsversicherungsordnung (RVO) in der hier noch anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung. Gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO waren für den Fall der Krankheit Arbeiter und Angestellte versichert. Gemäß § 165a Nr. 2 RVO gehörten zu den Arbeitern u.a. auch Lehrlinge, unabhängig davon, ob sie ein Entgelt erhielten (§ 165 Abs. 1 Satz 2 RVO). In der Zeit seiner Maurerlehre war der Kläger nach dieser Vorschrift krankenversicherungspflichtig, soweit er nicht familienversichert war. Als Student war der Kläger zu 1 nach § 165 Abs. 1 Nr. 5 RVO (jetzt § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V) versicherungspflichtig. Für die Berechnung der Beiträge war bis zum 31. Dezember 1988 in der Krankenversicherung § 385 Abs. 1 i.V.m. § 180 RVO maßgebend. Nach § 180 Abs. 3b RVO galt für die in § 165 Abs. 1 Nr. 5 bezeichneten Versicherten als Grundlohn ein Dreißigstel des Betrags, der als monatlicher Bedarf nach § 13 Abs. 1 und 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes für Studenten an Hochschulen festgesetzt war, die nicht bei ihren Eltern wohnen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beiträge nicht nur bis zu der nach den jeweils gültigen Vorschriften maßgeblichen Höhe abgeführt worden wären. Es kann dementsprechend offen bleiben, ob der Kläger zu 1 in dieser Zeit überhaupt Mitglied bei der Beklagten zu 1 gewesen ist, da die in dieser Zeit entrichteten Beiträge jedenfalls zu Recht entrichtet worden sind.

§ 165 Abs. 1 Nr. 1 RVO, wonach für den Fall der Krankheit u. a. Arbeiter versichert werden, die gegen Entgelt beschäftigt werden (§ 165 Abs. 2 RVO), war auch Grundlage für die vom 1. September 1987 bis 31. Dezember 1988 geleisteten Krankenversicherungsbeiträge. Ab dem 1. Januar 1989 bis zum 31. März 1991 ergab sich Krankenversicherungspflicht als abhängig Beschäftigter aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Für die Berechnung der Beiträge war bis zum 31. Dezember 1988 in der Krankenversicherung § 385 Abs. 1 Satz 1 RVO der Grundlohn maßgebend. Nach § 180 Abs. 1 Satz 2 RVO richtete sich der Grundlohn nach dem Arbeitsentgelt. Ab dem 1. Januar 1989 wird gemäß § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde gelegt. Der nach dem seit dem 1. Juli 1977 geltende § 14 Abs. 1 SGB IV definiert den Begriff des Arbeitsentgelts - als das für die Sozialversicherung relevante Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit - eigenständig und für alle Versicherungszweige einheitlich. Danach sind Arbeitsentgelt die laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV geht vom ungekürzten, nicht um Abgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben und ähnliche Beträge geminderten Bruttolohn aus. Der Kläger zu 1 hat das in seinem Rentenversicherungsverlauf ausgewiesene jeweils maßgebliche Arbeitsentgelt nicht angegriffen, sondern vielmehr seiner Bezifferung der Erstattungsforderung zugrunde gelegt. Es gibt auch keine Anhaltpunkte dafür, dass ein unzutreffender Beitragssatz angewandt worden wäre.

Für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers zu 1 für die Zeit vom 1. März 1996 bis 30. September 2000 bei der Beklagten zu 1 waren § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und §§ 1 Abs. 2 Satz 1, Abs. 6 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die rechtliche Grundlage. Die maßgebliche Bestimmung für die Höhe der Beiträge war § 240 SGB V in den hier maßgeblichen, zuletzt bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassungen. Absatz 1 lautete: Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Nach Absatz 2 muss die Satzung der Krankenkasse mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen sind. Absatz 4 Satz 1 bestimmte, dass als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße gilt. Nach § 54 Abs. 2 SGB XI werden die Beiträge zur Pflegeversicherung nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55) erhoben. Dieser betrug nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1996 bundeseinheitlich 1 vom Hundert, in der Zeit ab 1. Juli 1996 bundeseinheitlich 1,7 vom Hundert der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die vom Kläger zu 1 als Beschäftigter für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung entrichteten Beiträge diesen Bestimmungen nicht entsprachen. Wie sich aus den von den Klägern zu 1 vorgelegten Kontoauszügen für Dezember 1999 und Januar 2000 ergibt, hat er als Beschäftigungsloser ausgehend von den maßgeblichen monatlichen Bezugsgrößen (1999: 4.410 DM, 2000: 4.480 DM) die freiwilligen Beiträge, die er gemäß § 250 Abs. 2 SGB V allein zu tragen hatte, auf der Grundlage der nach § 240 Abs. 4 S. 1 SGB V mindestens anzusetzenden beitragspflichtigen Einnahmen (4.410 DM: 90 x 30 = 1.470 DM; 4.480 DM: 90 x 30 = 1.493,33 DM) bei einem Beitragssatz für die freiwillige Krankenversicherung von 12,2 % und die Pflegeversicherung von 1,7 % entrichtet (179,34 DM und 25,00 DM; 182,18 DM und 25,38 DM).

Damit entsprachen die vom Kläger zu 1 an die Beklagte zu 1 entrichteten Beiträge sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach den maßgeblichen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen. Diese waren auch mit höherrangigem Recht vereinbar, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat Bezug und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer Begründung ab. Zu ergänzen ist lediglich, dass auch die Regelung des § 240 Abs. 4 S. 1 SGB V über das beitragspflichtige Mindestentgelt für die freiwillige Versicherung verfassungsgemäß ist (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvL 4/96 -, veröffentlicht in juris). Da die Beiträge damit zu Recht geleistet worden sind, liegen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB IV für eine Erstattung nicht vor. Unabhängig hiervon, hat das SG bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass nach § 26 Abs. 3 S. 1 SGB IV die Erstattung von Arbeitgeberanteilen an den Kläger zu 1 auch, wenn sie zu Unrecht entrichtet worden wären, schon deshalb ausgeschlossen wäre, weil sie dem jeweiligen Arbeitgeber zustünde, der die Beiträge getragen hat.

Zutreffend hat das SG weiter dargelegt, dass auch andere Rechtsgrundlagen für die begehrte Erstattung nicht gegeben sind. Auch auf diese Ausführungen nimmt der Senat Bezug und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer Begründung ab.

2. Ebenso wie die Berufung der Kläger haben auch die weiteren von ihnen im Berufungsverfahren gestellten Anträge (s.o. zu I.) keinen Erfolg.

Soweit die Kläger begehren, die Klage gegen die Beklagte zu 2 trotz des fehlenden Widerspruchsbescheides aus Gründen der Gesamtbedeutung auf die GKV und der Prozessökonomie zuzulassen, handelt sich um keinen eigenständigen Klageantrag, da dieses Begehren von ihrem Hauptantrag, das angegriffene Urteil insgesamt aufzuheben und u.a. die Beklagte zu 2 entsprechend des beim SG gestellten Klageantrags zu verurteilen, umfasst ist. Insofern macht der weitere Antrag lediglich deutlich, dass die Kläger sich gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2 als bereits unzulässig wehren und auch weiterhin nicht beabsichtigen, zunächst ein Vorverfahren durchzuführen (vgl. oben).

Soweit die Kläger beantragen, einen Bevollmächtigten der Bundesregierung hinzuzuziehen, fehlt hierfür jede rechtliche Grundlage. Insbesondere kommt eine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland oder ihre Aufnahme als weitere Beklagte unter keinem denkbaren Aspekt in Betracht.

Soweit die Kläger schließlich mit den Anträgen, den Beklagten und damit systembedingt der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung auf Dauer zu untersagen, von den Klägern Versicherungsbeiträge aufgrund einer Versicherungspflicht "abzukassieren" und die Beklagten zu verurteilen, eine angemessene Entschädigung an die Kläger zu leisten, sowie vorsorglich die Beklagten zu verurteilen, den Klägern rückwirkend seit August 2004 einen "arbeitgeberanteiligen" und einen "steueranteiligen" Krankenversicherungsschutz zu gewähren", weitere Begehren verfolgen, sind diese Klageerweiterungen allesamt unzulässig.

Die Zulässigkeit zusätzlicher erst im Berufungsverfahren gestellter Anträge ist nach den Regelungen über Klageerweiterungen - § 99 SGG - zu beurteilen. Nach § 99 Abs. 1 SGG ist eine Klageerweiterung, die einen Unterfall der Klageänderung darstellt, nur zulässig, wenn entweder die Beklagte einwilligt oder wenn die Klageänderung sachdienlich ist. Die Sachdienlichkeit fehlt immer dann, wenn es sich um Klageanträge handelt, bei denen erkennbar nicht alle Prozessvoraussetzungen gegeben sind und über die deshalb ohnehin nicht in der Sache entschieden werden könnte (vgl. Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., § 99 Rdnr.10a). Die Sachdienlichkeit ist weiter dann zu verneinen, wenn die Zulassung der Klageänderung bzw. -erweiterung den Rechtsstreit auf eine völlig neue Grundlage stellen würde (Meyer-Ladewig a.a.O.). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht in die Klageerweiterung eingewilligt. Die Klageerweiterungen sind schließlich auch nicht sachdienlich:

Zunächst ist die Frage, ob und ggf. an welche Krankenkasse von den Klägern in Zukunft Beiträge zu entrichten sein werden, nicht Gegenstand des Klageverfahrens gewesen, in dem die Beitragserstattung für die Zeit bis 30. September 2000, in der der Kläger zu 1 noch nicht selbständig tätig war, begehrt wurde. Mit der Frage, ob die Kläger derzeit oder zukünftig Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlen müssen, würde dementsprechend ein völlig neuer Streitstoff in das Verfahren eingeführt. Unabhängig davon kann das (Nicht-)Bestehen einer Beitragspflicht und damit die fehlende – Berechtigung der Beklagten, Beiträge von den Klägern zu fordern, nur aufgrund der jeweiligen Voraussetzungen im Einzelfall und nicht generell beantwortet werden. Die Kläger müssen sich dementsprechend, wenn von ihnen Beiträge gefordert werden, ggf. hiergegen wenden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine vorbeugende Unterlassungsklage ist nicht gegeben.

Entsprechendes gilt für das Begehren, die Beklagten zu verurteilen, den Klägern rückwirkend ab August 2004 einen "arbeitgeberanteiligen" und einen "steueranteiligen" Krankenversicherungsschutz zu gewähren. Denn die Frage des – anteiligen - Krankenversicherungsschutzes der Kläger nach ihrer Rückkehr aus dem Ausland war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und geht wesentlich über den bisherigen Streitgegenstand der Erstattung bis zum September 2000 entrichteter Beiträge hinaus.

Soweit die Kläger – zusätzlich neben der Erstattungsforderung – die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer nicht bezifferten Entschädigung begehren – sollten -, fehlt die Sachdienlichkeit deshalb, weil über diese Klage ohnehin nicht in der Sache entschieden werden könnte. Für das wohl u.a. auf einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung gerichtete Begehren ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG sind u.a. Amtshaftungsansprüche auch aus der Gesamtzuständigkeit ausgeschlossen, da Art. 34 Satz 3 GG insoweit den ordentlichen Rechtsweg zwingend vorgibt (Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, RdNr. 52 zu § 17 GVG; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, RdNr. 39 zu § 41; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 29. September 2008 - 6 BV 05.3193 – und nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2010 - 9 B 66/08 -, jeweils veröffentlicht in Juris). Soweit für den nicht näher dargelegten Entschädigungsanspruch unter einem anderen rechtlichen Aspekt daneben die Zuständigkeit der Sozialgerichte in Betracht kommen könnte und dies zu prüfen wäre, würde der Rechtsstreit wegen der nötigen Würdigung dieser bisher nicht streitgegenständlichen weiteren Forderung durch die Zulassung der Klageänderung bzw. erweiterung - auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Jedenfalls aus diesem Grund ist diese Klageerweiterung nicht sachdienlich. Auch eine Teilverweisung beschränkt auf eine einzelne Anspruchsgrundlage bei einem ansonsten einheitlichen Streitgegenstand ist nicht möglich. Den Klägern bleibt es vorbehalten, aus dem Gesichtspunkt einer Amtspflichtverletzung eine Klage zu den ordentlichen Gerichten zu erheben, ohne dass dem der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit - des vorliegenden Verfahrens - entgegenstünde. Insoweit entfaltet diese Entscheidung nur partielle Rechtskraft (Sodan/Ziekow, a.a.O., RdNr. 54 zu § 17 GVG; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 29. September 2008 a.a.O. und nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2010 a.a.O.).

Schließlich stehen die erstmals im Berufungsverfahren gestellten Klageanträge auch der Entscheidung durch Beschluss nicht entgegen. Denn ein "Urteilsbeschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG darf auch dann ergehen, wenn die Kläger im Berufungsverfahren weitere, aber – wie hier - erkennbar unzulässige Klageanträge gestellt haben (Beschluss des Senats vom 10. Dezember 1996 - L 5 Ka 2453/96 - sowie nachfolgend BSG, Beschluss vom 22. Mai 1997 - 6 BKa 2/97 -, veröffentlich in Juris; zuletzt BSG, Beschluss vom 14. April 2010 - B 8 SO 22/09 B -, veröffentlicht in Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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