Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1164/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2129/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 07. April 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird endgültig auf EUR 30.810,71 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin, ein Gebäudetechnikbetrieb, deren Inhaber der am 17. Februar 1956 geborene verheiratete R. G. ist, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 16. Februar 2010 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage wegen des Bescheids der Beklagten vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2010 über die Nachforderung von Gesamtversicherungsbeiträgen (GSVB) in Höhe von EUR 123.242,84 zuzüglich Aussetzungszinsen (S 8 R 964/10).
Die Beklagte führte bei der Klägerin vom 27. November 2007 bis 13. August 2008 eine Betriebsprüfung durch, die sich auf die Zeit vom 01. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 bezog. Mit Schreiben vom 14. August 2008 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Nachforderung von GSVB in Höhe von EUR 123.242,84 an. Beim Abgleich der bei der AOK Baden-Württemberg sowie der IKK Baden-Württemberg, nunmehr IKK classic (im Folgenden einheitlich IKK classic), eingereichten Beitragsnachweise mit den Lohnunterlagen sei festgestellt worden, dass für die an die im Prüfungszeitraum beschäftigten Mitarbeiter gezahlten kompletten Löhne die Beiträge nicht abgeführt worden seien. Weiterhin sei nach Rücksprache mit der Siemens BKK festgestellt worden, dass für den im Zeitraum 2003 bis Juni 2004 dort versicherten Mitarbeit A. T. keine Beitragsnachweise vorlägen. Weitere angeforderte Unterlagen seien nicht vorgelegt worden. Der Klägerin wurde Gelegenheit zur Äußerung bis zum 10. September 2008 gegeben. Die Klägerin machte u.a. geltend, Mitarbeiter hätten bei ihr auf Lohnauszahlungen verzichtet. Die Beklagte (Schreiben vom 05. September 2008) forderte die Klägerin auf, dazu weitere Unterlagen vorzulegen; es wurde eine Fristverlängerung bis zum 30. September 2008 gewährt, ohne dass weitere Unterlagen bei der Beklagten eingereicht wurden. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2008 forderte die Beklagte dann die GSVB in Höhe von EUR 123.242,84 nach, und zwar zugunsten der AOK Baden-Württemberg, der IKK classic und der Siemens BKK als Einzugsstellen. Für den Mitarbeiter A. T. fehle die Jahresmeldung 2003 und die Abmeldung 2004, weshalb Beiträge zugunsten der Siemens BKK nachzuzahlen seien. Für die Beschäftigten D. W., S. We., E. Al. und A. M. ergebe sich zugunsten der AOK Baden-Württemberg eine Korrektur der Beitragsberechnung aufgrund des Abgleichs der Entgelte der Arbeitnehmer mit den gemeldeten Beitragsnachweisen. Entsprechendes ergebe sich bei den Versicherten S. Sch., K. Ba., S. G., K. G. und Si. L. zugunsten der IKK classic. Die Klägerin legte dagegen am 19. Januar 2009 Widerspruch ein und begehrte am 21. Januar 2009 die Aussetzung der Vollziehung. Bedingt durch Kundeninsolvenz hätten ihre (der Klägerin) Mitarbeiter auf Lohnzahlungen zur Arbeitsplatz- und Betriebserhaltung verzichtet. Es sei jedoch versäumt worden, die Abrechnungen zu korrigieren. Die Korrekturen der Lohn- und Gehaltsabrechnungen würden ihr (der Beklagten) noch zugestellt werden, was jedoch bis Ende April 2009 dauern werde. Hinsichtlich des Versicherten T. wurde geltend gemacht, dass zu dessen Gunsten die Brutto-Restforderung durch den Gerichtsvollzieher vollstreckt worden sei. Mit Schreiben vom 26. Januar 2009 wies dann die Beklagte die Klägerin darauf hin, aufgrund der angekündigten Unterlagen sei nicht auszuschließen, dass der Beitragsbescheid nach Abschluss gegebenenfalls noch notwendiger Ermittlungen zumindest teilweise zurückzunehmen sei. Aus diesem Grund werde der Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Gemäß § 86a Abs. 3 Satz 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werde diese Entscheidung jedoch mit der Auflage zur Verzinsung der Beitragsforderung verbunden, sofern der Widerspruch zurückzuweisen sei. Die Zinshöhe ergebe sich in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV). Telefonisch (11. Februar 2009) und schriftlich (Schreiben vom 18. März 2009) forderte die Beklagte die Klägerin auf, die korrigierten Abrechnungen zuzusenden und Nachweise über die tatsächlichen Lohnzahlungen einzureichen. Zur Beitragsnachforderung für den Mitarbeiter T. wurde darauf hingewiesen, dass unabhängig von einer von diesem Mitarbeiter veranlassten Pfändung der Arbeitgeber zur Zahlung der GSVB verpflichtet sei. Danach übersandte die Klägerin der Beklagten Jahresmeldungen für die Mitarbeiter S. G., Si. L., K. G., K. Ba. und S. Sch., ferner eine Aufstellung der tatsächlich zu erbringenden Beiträge zugunsten der AOK Baden-Württemberg und der IKK classic (Schreiben vom 31. März und 22. Mai 2009). Mit Schreiben vom 05. Juni 2009 wies dann die Beklagte die Klägerin darauf hin, nach Überprüfung der für das Jahr 2003 vorgelegten Unterlagen seien Unterschiede bezüglich der im Beitragsbescheid berücksichtigten und der von ihr mitgeteilten Entgelte festzustellen. Es wurde angefragt, ob sich die Entgeltdifferenzen aus dem geltend gemachten Lohnverzicht ergeben würden. Der Verzicht auf Teile des Arbeitsentgelts müsse jedoch verschiedene Kriterien erfüllen, damit daraus in der Sozialversicherung keine Beiträge berechnet würden. Der Verzicht müsse arbeitsrechtlich zulässig und schriftlich niedergelegt sein und dürfe auch nur auf künftig fällig werdende Arbeitsentgelte gerichtet werden. Ein rückwirkender Verzicht der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgeltansprüche führe nicht zu einer Reduzierung der Beitragsforderung. Der Beitragsanspruch sei bereits entstanden und werde durch den Verzicht auf das Arbeitsentgelt nicht mehr beseitigt. Erfülle der Verzicht nur eines der genannten drei Kriterien nicht, sei der Verzicht beitragsrechtlich nicht zu beachten. Die Klägerin wurde um Zusendung entsprechender Nachweise gebeten und daran erinnert. Die Klägerin trug dazu telefonisch am 24. Juni 2009 vor, es gebe eine Betriebsvereinbarung, die jeder Mitarbeiter bei Einstellung unterschrieben habe, in der der Lohnverzicht vereinbart sei. Es wurde von der Klägerin zugesagt, diese Betriebsvereinbarung zu übersenden. Auch daran wurde die Klägerin danach erinnert, und zwar zuletzt mit Schreiben vom 30. Oktober 2009. Es wurde nun von der Klägerin vorgetragen, der Mitarbeiter A. Maier sei zwar vom 01. Februar bis 30. April 2006 bei ihr in den Büchern geführt worden; er sei jedoch nur 75 Stunden beschäftigt gewesen; ihm sei für den genannten Zeitraum lediglich ein Nettobetrag von EUR 900,00 ausgezahlt worden. Ferner wurden Schreiben der Klägerin an die Mitarbeiter S. G., Sie. We. und D. W. vorgelegt, jeweils mit der Angabe "Betriebsinterne Vereinbarung" und von diesen Personen unterschrieben, in denen, bezogen auf die Gehaltszahlungen 2003, 2004 und 2005 jeweils rückwirkend am 08. Januar 2004, am 10. Januar 2005 bzw. am 07. Februar 2006 unter Bezugnahme auf eine Betriebsversammlung vom 22. Dezember 2003 mitgeteilt wurde, dass die dem Mitarbeiter zustehende Lohnzahlung aus der Abrechnung für das Vorjahr gemindert worden sei, sodass sich ein Minder-Abrechnungsbetrag ergebe. Dazu wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 06. November 2009 darauf hin, die vorgelegten Vereinbarungen stellten lediglich einen rückwirkenden Verzicht der Arbeitnehmer auf einen Arbeitsentgeltanspruch dar und führten nicht zu einer Reduzierung der Beitragsforderung. Es wurde um Übersendung des Protokolls der Betriebsversammlung vom 22. Dezember 2003 gebeten, aus dem sich die vereinbarten Modalitäten zum Verzicht ergeben sollten. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 11. Februar 2010 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Gleichzeitig wurden Aussetzungszinsen von EUR 4.929,71 festgestellt. Die Voraussetzungen eines wirksamen Gehaltsverzichts seien nicht erfüllt. Das Protokoll der Betriebsverssammlung sei nicht vorgelegt worden. Es lägen mithin weder Nachweise eines wirksamen Gehaltsverzichts sowie der tatsächlichen Auszahlung des verminderten Entgelts und auch keine entsprechenden Lohnunterlagen vor, die eine Änderung der bisher getroffenen Feststellungen herbeiführen könnten.
Deswegen erhob die Klägerin am 16. Februar 2010 Klage beim SG, die unter dem Aktenzeichen S 8 R 964/10 anhängig ist. Sie wiederholte, sie habe, um den laufenden Geschäftsbetrieb nicht zu gefährden, mit ihren Mitarbeitern im Jahre "2002" eine betriebsinterne Vereinbarung zur Arbeitsplatzerhaltung und zur Abwendung der Insolvenz getroffen. Die Beitragsforderung der Beklagten sei nicht rechtens, da Lohnzahlungen in der angenommenen Höhe tatsächlich nicht geflossen seien. Den Ausgleich in Höhe der nachgeforderten GSVB könne sie wirtschaftlich nicht erbringen. Der Mitarbeiter T. habe die Lohnzahlungen (brutto) über seinen Anwalt eintreiben lassen. Von den beigetriebenen Bruttobezügen hätten die Sozialversicherungsabgaben direkt abgeführt werden müssen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Ein zulässiger und wirksamer Verzicht auf Arbeitsentgelt habe nicht vorgelegen. Allein die Fertigung von Korrekturmeldungen und die rückwirkend jährlich an die einzelnen Arbeitnehmer erfolgten Mitteilungen über die Minderung des Arbeitsentgelts stellten keinen wirksamen Verzicht dar.
Am 25. Februar 2010 beantragte die Klägerin beim SG auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, denn die Zahlung der geforderten GSVB zuzüglich der Zinsen würde für sie eine wirtschaftliche Härte bedeuten, zumal Zwangsversteigerungen bereits durchgeführt worden seien und ihr, d.h. dem Inhaber nur noch die Arbeitskraft verblieben sei. Die Klägerin reichte verschiedene Unterlagen ein, darunter auch eine Zwangsversteigerungsankündigung vom 12. Mai 2009 über ein dem Inhaber der Klägerin und dessen Ehefrau gehörendes Flurstück mit Lagerhalle mit Büro und Sozialräumen, ferner ein Schreiben der AOK Baden-Württemberg vom 24. Februar 2010 mit dem Hinweis auf einen Rückstand von EUR 65.334,76 und darauf, dass eine derartige Rückstandssumme nicht ohne Sicherheiten akzeptiert werden könne.
Die Beklagte trat dem Antrag entgegen. Weder im Rahmen der Betriebsprüfung noch im nachfolgenden Widerspruchsverfahren habe die Klägerin Nachweise für einen wirksamen Gehaltsverzicht sowie die tatsächliche Auszahlung des verminderten Entgelts, auch keine entsprechenden Lohnunterlagen vorgelegt, die eine Änderung der getroffenen Feststellungen herbeiführen könnten. Wie die AOK Baden-Württemberg könne auch sie (die Beklagte) einen Zahlungsaufschub ohne Sicherheitsleistung nicht akzeptieren. Hilfsweise werde bei Stattgabe des Antrags beantragt, diesem lediglich bis zum Abschluss der Instanz befristet mit der Auflage der Verzinsung in Höhe von 4 v.H. sowie Sicherheitsleistungen zu entsprechen.
Das SG forderte die Klägerin auf, das Protokoll der Betriebsversammlung vom 22. Dezember 2003 einzureichen, was nicht geschah.
Mit Beschluss vom 07. April 2010 wies das SG den Antrag zurück. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei nicht anzuordnen. Es lägen weder ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2010 vor, noch würde dessen Vollziehung eine unbillige Härte für die Klägerin bedeuten, die nicht durch überwiegende öffentliche Interessen geboten sei. Bei summarischer Prüfung seien die angegriffenen Bescheide rechtmäßig. Ein rückwirkender Gehaltsverzicht entfalte beitragsrechtlich keine Wirkung. Eine zukunftsbezogene Verzichtserklärung der Mitarbeiter habe die Klägerin nicht vorgelegt. Auch bezüglich des Mitarbeiters T. sei die Klägerin als Arbeitgeberin verpflichtet, die GSVB an die Einzugsstelle abzuführen, und zwar auch den Arbeitnehmeranteil, unabhängig davon, dass der Mitarbeiter bei ihr den Bruttolohn vollstreckt habe. Die Vollziehung des Bescheids bedeute für die Klägerin auch keine nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene unbillige Härte. Eine drohende Insolvenz sei die mögliche Folge der gesetzlichen Zahlungsverpflichtung. Es wäre gerade unbillig, denjenigen Zahlungspflichtigen gegenüber anderen zu privilegieren, dem durch die Zahlungsverpflichtung die Insolvenz drohe. Außerdem würde dies eine Benachteiligung derjenigen Unternehmen im Wettbewerb bedeuten, die ihren gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen nachkämen. Bestünden daher wie im vorliegenden Fall keine ernsthaften Zweifel an der Zahlungsverpflichtung, so könne von einer unbilligen Härte nicht schon dann ausgegangen werden, wenn die Insolvenz allein aufgrund der Zahlungsverpflichtung drohe. Der Beschluss wurde der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 09. April 2010 zugestellt.
Am 03. Mai 2010 hat die Klägerin dagegen beim SG Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie wiederholt erneut, dass nie Auszahlungen in Höhe der Abrechnungen getätigt worden seien. Die Korrekturen würden in Kürze übersandt werden. Wegen der Kündigung des bewilligten Kredits habe zur Rettung des Betriebs ein "Notpaket" geschnürt werden müssen. Die Klägerin hat auf die bereits vorgelegten Unterlagen bezüglich der Mitarbeiter Sie. We., Si. L. und S. G. verwiesen sowie weiter eingereicht Kopien von undatierten Arbeitsverträgen mit den Mitarbeitern We. und W. (jeweils ab 01. Januar 2003), den Teilzeit-Arbeitsvertrag der Mitarbeiterin Si. L. vom 20. Oktober 2005 für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Dezember 2006, den weiteren Teilzeit-Arbeitsvertrag der Mitarbeiterin S. G. vom 07. Januar 1986 (für die Zeit ab 07. Januar 1986) sowie die Kopie einer (nicht unterschriebenen) "Betriebsvereinbarung § 77" vom 22. Dezember 2003 mit einer unter dem 18. Juni 2010 datierten und vom Inhaber der Klägerin unterschriebenen Mitteilung "G. Gebäudetechnik Betriebsvereinbarung § 77" über die benannten "Monats-Brutto-Zahlungen" (Bl. 45/46 der LSG-Akte).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 07. Januar 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer beim Sozialgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen S 8 R 964/10 anhängigen Klage wegen des Bescheids der Beklagten vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2010 anzuordnen.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend. Ein Gehaltsverzicht mit Wirkung für die Vergangenheit sei beitragsrechtlich ausgeschlossen, da die Beitragsansprüche bereits entstanden gewesen seien. Aus den vorgelegten Arbeitsverträgen ergebe sich kein wirksamer Verzicht für die Zukunft. Die Verträge mit den Mitarbeitern We. und W. enthielten kein Datum. Der Teilzeit-Arbeitsvertrag mit der Mitarbeiterin G. datiere unter dem 07. Januar 1986, lege jedoch Arbeitsentgelt in Euro fest. Bei dem Teilzeit-Arbeitsvertrag mit der Mitarbeiterin L., der unter dem 26. Oktober 2005 datiere, handle es sich um dasselbe Vertragsmuster. Es seien keine Original-Arbeitsverträge. Unabhängig davon beinhalteten beide Vertragsmuster unter Nr. 12 ein Schriftformerfordernis. Die einseitige Mitteilung über die Kürzung des Arbeitsentgelts wäre bereits aus formellen Gründen unwirksam. Ohne Vorlage aller Original-Arbeitsverträge bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Ohne schriftliche Verzichtserklärung jedes Arbeitnehmers, die auf künftig entstehendes Arbeitsentgelt gerichtet sei, sei der Beitragsanspruch bereits in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen. Selbst wenn die Klägerin die geschuldeten Arbeitsentgelte nicht gezahlt hätte, würde dies nichts an der Beitragspflicht hinsichtlich des vereinbarten Arbeitsentgelts ändern. Bereits nach den vorliegenden Unterlagen bestünden hinreichende Anzeichen dafür, dass die behauptete Betriebsvereinbarung keine rechtswirksame Grundlage für die Abänderung der einzelnen Arbeitsverträge beinhalte. Nach Nr. 12 der Arbeitsvertragsmuster habe das Schriftformerfordernis gegolten, soweit Änderungen nicht auf einer ausdrücklichen oder individuell ausgehandelten Abrede bestünden. Eine Vereinbarung des kollektiven Arbeitsrechts, beispielsweise eine Betriebsvereinbarung, bedürfe daher erst recht der Schriftform. Bei einem Vertrag müsste die Urkunde von beiden Parteien unterzeichnet werden. Bei der Klägerin seien aktuell 15 Beschäftigte gemeldet, weshalb grundsätzlich das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) anwendbar sei. Für die Frage der Wirksamkeit einer echten Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 2003 sei darzulegen, ob ein Betriebsrat bei Abschluss der Betriebsvereinbarung bestanden habe und dieser nach § 87 Abs. 1 des BetrVG zwingend beteiligt worden sei. Zudem sei zu belegen, in welcher Form diese den Mitarbeitern bekanntgemacht worden sei. Die Betriebsvereinbarung könne zudem nicht für die Mitarbeiter berücksichtigt werden, deren Arbeitsverträge nach diesem Datum geschlossen worden seien, wie beispielsweise für die Beschäftigte L ... Wenn keine wirksame Betriebsvereinbarung geschlossen worden sei, müsste die einzelvertragliche Abänderung jedes Arbeitsvertrags von der Klägerin bewiesen werden. Unabhängig davon, ob ein arbeitsvertraglich wirksamer Verzicht vorgelegen habe, sei die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auch nicht davon abhängig, ob die Arbeitnehmer noch rückständigen Lohn verlangen könnten.
Zur weiteren Darstellung wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge einschließlich der Akte des SG Stuttgart S 8 R 964/10 Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen. Denn der für eine Berufung notwendige Beschwerdewert des § 144 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten. Der Antrag der Klägerin, die aufschiebende Wirkung der beim SG anhängigen Klage S 8 R 964/10 anzuordnen, betrifft eine Nachforderung von GSVB in Höhe von EUR 123.242,83 zuzüglich Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 4.929,71.
Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung der anhängigen Klage S 8 R 964/10 anzuordnen, zu Recht abgelehnt.
Die Beiladung der betroffenen Arbeitnehmer sowie der zuständigen Sozialversicherungsträger, zu deren Gunsten die Nacherhebung wirkt, wie sie im Hauptsacheverfahren notwendig wäre (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. Juli 2009 - B 12 KR 1/09 R -, veröffentlicht in Juris, Rn. 11), war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht geboten.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Die beim SG anhängige Klage S 8 R 964/10 hat keine aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Als solche Nebenkosten sind hier auch die im Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2010 für die Zeit bis zum 11. Februar 2010 festgestellten Aussetzungszinsen anzusehen.
Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu entscheiden. Maßgeblich ist, ob das Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit schwerer wiegt als das gegenläufige Interesse am Erhalt der aufschiebenden Wirkung. Die Interessenabwägung fällt grundsätzlich von vorneherein zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit aus, wenn der Widerspruch oder die Klage gegen den Verwaltungsakt aufgrund der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur summarischen Prüfung erkennbar aussichtslos ist. Sie fällt von vorneherein für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung aus, wenn der Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung erkennbar rechtswidrig ist. Ist keiner dieser Fälle der erkennbaren Aussichtslosigkeit der Klage oder der erkennbaren Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gegeben, so sind die Beteiligteninteressen anhand sonstiger Umstände im Einzelfall zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen.
Im Rahmen der Interessenabwägung spricht gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 8 R 964/10, dass aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes der mit der Klage angefochtene Bescheid über die Nachforderung von GSVB vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2010 nicht erkennbar rechtswidrig ist, mithin die Klage aussichtslos ist.
Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den GSVB der Arbeitgeber zu zahlen. Als GSVB werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Bemessung der GSVB richtet sich nach dem Arbeitsentgelt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus dieser Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
Eine Rechtswidrigkeit der Beitragsnachforderung ergibt sich nicht daraus, dass sich die Klägerin auf einen Gehaltsverzicht ihrer Mitarbeiter bezieht, der der Nacherhebung von GSVB entgegenstehen würde. Zwar mag unterstellt werden, dass hinsichtlich der von der Beklagten genannten Arbeitnehmer, bezüglich der sie im Wesentlichen die GSVB nachfordert, nachträglich tatsächlich jährlich niedrigeres Entgelt als nach den Arbeitsverträgen vereinbart ausgezahlt worden ist. Allerdings liegen Originalarbeitsverträge aller insoweit betroffenen Beschäftigten nicht vor, aufgrund derer feststellbar wäre, um welchen Betrag sich jeweils das tatsächlich ausgezahlte Arbeitsentgelt gegenüber dem geschuldeten Arbeitsentgelt vermindert hat. Die Klägerin hat insoweit lediglich Kopien von zum Teil undatierten Arbeitsverträgen mit den Mitarbeitern We., W., L. und G. vorgelegt. Soweit sich die Klägerin jedoch darauf beruft, es sei nur das tatsächliche (verminderte) Arbeitsentgelt für die Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung heranzuziehen gewesen, verkennt sie, dass für die Feststellung der Beitragshöhe das Entstehungsprinzip, nicht jedoch das Zuflussprinzip gilt. Die Höhe des Beitragsanspruchs richtet sich nicht nur danach, welche Einnahmen der Versicherte (Arbeitnehmer) aus seiner Beschäftigung tatsächlich erhalten hat, sondern darüber hinaus auch nach den Einnahmen, die er zwar nicht erhalten hat, die ihm aber vom Arbeitgeber aufgrund der beitragspflichtigen Beschäftigung geschuldet wurde. Nach § 22 Abs. 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Sozialversicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Diese bestanden im Falle der Arbeitnehmer hier darin, dass eine versicherungs- und beitragspflichtige Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt wurde. Insofern haben es die Parteien von Arbeitsverträgen und die Tarifpartner in der Hand, durch Vereinbarung von Entgelt und seiner Höhe den Eintritt der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses mit entsprechenden Beitragsforderungen der Einzugsstellen auszuschließen. Ist dieses jedoch einmal geschehen, so können sie das Versicherungsverhältnis in seiner öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung durch ein späteres Verhalten für die Vergangenheit nicht mehr beeinflussen, sondern eine Änderung lediglich für die Zukunft nach Maßgabe der neuen Entgeltvereinbarungen oder Zahlungen bewirken. So führt die Vereinbarung einer rückwirkenden Lohnerhöhung nicht dazu, dass schon in der Vergangenheit auch ein höherer Beitragsanspruch entstanden ist. Entsprechend bringt eine rückwirkende Verringerung des Entgelts eine einmal entstandene Beitragsforderung nicht zum Erlöschen. Ebenso ist es auf einen in der Vergangenheit entstandenen Beitragsanspruch ohne Einfluss, dass der entstandene Entgeltanspruch später verfällt, weil der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig gegenüber seinem Arbeitgeber geltend gemacht hat und eine tarifliche Ausschlussklausel eingreift (vgl. BSGE 75, 61 ff.).
Bei summarischer Prüfung lässt sich hier nicht feststellen, dass hinsichtlich der von der Klägerin genannten Arbeitnehmer für die streitige Zeit von 2003 bis 2006 wirksam jeweils für die Zukunft eine Änderung des ursprünglich geschuldeten Gehalts vereinbart worden ist, die dann auch zu einer Verminderung des Beitragsanspruchs und hier zum Ausschluss der Nachforderung der GSVB geführt hätte. Diese in die Zukunft wirkende konkrete Vereinbarung einer Verminderung des vereinbarten Gehalts ergibt sich hier nicht daraus, dass die Klägerin ihren Mitarbeitern lediglich jeweils rückwirkend für das zurückliegende Jahr einen konkreten Minder-Abrechnungsbetrag mitgeteilt hat. Eine für die Zukunft wirkende arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Verminderung des an sich vereinbarten Gehalts auf das tatsächlich später ausgezahlte reduzierte Gehalt, für das Beiträge abgeführt worden sind, lässt sich auch nicht aus den vorgelegten Arbeitsverträgen (Kopien) für vier Mitarbeiter herleiten, zumal die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die vorgelegten Kopien von Verträgen jeweils unter Nr. 12 (Vertragsänderungen) die Klausel enthielten, dass Änderungen oder Ergänzungen des Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürften. Insoweit wurden schriftliche Vereinbarungen über eine konkrete für die Zukunft wirkende Gehaltsminderung (Gehaltsverzicht) nicht vorgelegt. Die nachträgliche Verminderung der gemeldeten Entgelte führt nicht zu einer Verminderung des Beitragsanspruchs.
Soweit sich die Klägerin für einen wirksamen, in die Zukunft wirkenden Gehaltsverzicht auf eine Betriebsversammlung bzw. Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 2003 beruft, steht dieses Vorbringen der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung nicht entgegen. Zwar hat die Klägerin erstmals am 18. Juni 2010 die nicht unterschriebene Kopie einer "Betriebsvereinbarung § 77" vom 22. Dezember 2003 vorgelegt. Eine derartige Betriebsvereinbarung würde jedoch, was zu ihrer Wirksamkeit erforderlich wäre, schon nicht den Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 BetrVG entsprechen. Denn danach sind Betriebsvereinbarungen vom Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu schließen und schriftlich niederzulegen. Im Übrigen ergäbe sich aus der in Kopie, ohne Unterschrift, vorgelegten "Betriebsvereinbarung" nicht, auf welche konkrete Gehaltszahlung der Beschäftigte für die Zukunft verzichten sollte, indem lediglich allgemein von "Reduzierungen in den Lohn- und Gehaltszahlungen" die Rede war und davon, dass nach den Abrechnungen jeweils nur "ihr Mindestlebensunterhalt-Fixum" ausgezahlt werden sollte.
Auch soweit es um die Nachforderung von GSVB für den Arbeitnehmer T. geht, hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Nachforderung nicht zu beanstanden sein dürfte, weil die Klägerin als Arbeitgeberin die GSVB schuldet.
Darauf, dass die Beklagte im Widerspruchsverfahren die Aussetzung, jedoch gegen Berechnung von Aussetzungszinsen, bewilligt hatte, kann sich die Klägerin für das Antrags-, Beschwerde- und Klageverfahren nicht berufen, zumal die von ihr eingereichten Unterlagen einen wirksamen Gehaltsverzicht der Beschäftigten nicht belegt haben.
Im Hinblick darauf, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nachgeforderten GSVB, auch der Höhe nach, derzeit nicht bestehen, kann eine einstweilige Aussetzung der Zahlungspflicht auch nicht mit einer unbilligen Härte begründet werden, wie das SG zutreffend entschieden hat. Allein der Umstand, dass für den 13. Juli 2009 die Zwangsversteigerung eines im Eigentum des Inhabers der Klägerin und seiner Ehefrau stehenden Grundstücks angeordnet worden war und dass nach dem Schreiben der AOK Baden-Württemberg vom 24. Februar 2010 auch hinsichtlich der laufenden GSVB ab Oktober 2009 ein Rückstand von EUR 6.875,21 bestanden hat, vermag eine aufschiebende Wirkung der Klage nicht zu rechtfertigen. Bei der Interessenabwägung wäre insoweit auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin für den Fall, dass sie mit der anhängigen Klage ganz oder teilweise Erfolg hat, die zunächst gezahlten GSVB von der Beklagten wieder zurückerhalten kann. Eine Zahlungsunfähigkeit der Beklagten kann nicht eintreten. Demgegenüber könnte während der Dauer des Klageverfahrens die Klägerin in Insolvenz fallen oder ihren Geschäftsbetrieb einstellen. Würde die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und die Klage rechtskräftig abgewiesen, bestünde die Gefahr, dass die nachgeforderten GSVB nicht mehr eingetrieben werden könnten und der Solidargemeinschaft der Versicherten damit ein Nachteil entstünde. Dieses Interesse wäre höher zu gewichten als das Interesse der Klägerin.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 124, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 63 Abs.3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Klägerin wendet sich gegen eine Forderung von GSVB in Höhe von EUR 123.242,84. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Streitwert regelmäßig ein Betrag von 25 v.H. der geforderten GSVB, wobei die Aussetzungszinsen hier nicht zu berücksichtigen sind. Damit ergibt sich der endgültige Streitwert für das Beschwerdeverfahren von EUR 30.810,71.
Dieser Beschluss ist nicht mit der (weiteren) Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Klägerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird endgültig auf EUR 30.810,71 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin, ein Gebäudetechnikbetrieb, deren Inhaber der am 17. Februar 1956 geborene verheiratete R. G. ist, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 16. Februar 2010 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage wegen des Bescheids der Beklagten vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2010 über die Nachforderung von Gesamtversicherungsbeiträgen (GSVB) in Höhe von EUR 123.242,84 zuzüglich Aussetzungszinsen (S 8 R 964/10).
Die Beklagte führte bei der Klägerin vom 27. November 2007 bis 13. August 2008 eine Betriebsprüfung durch, die sich auf die Zeit vom 01. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 bezog. Mit Schreiben vom 14. August 2008 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Nachforderung von GSVB in Höhe von EUR 123.242,84 an. Beim Abgleich der bei der AOK Baden-Württemberg sowie der IKK Baden-Württemberg, nunmehr IKK classic (im Folgenden einheitlich IKK classic), eingereichten Beitragsnachweise mit den Lohnunterlagen sei festgestellt worden, dass für die an die im Prüfungszeitraum beschäftigten Mitarbeiter gezahlten kompletten Löhne die Beiträge nicht abgeführt worden seien. Weiterhin sei nach Rücksprache mit der Siemens BKK festgestellt worden, dass für den im Zeitraum 2003 bis Juni 2004 dort versicherten Mitarbeit A. T. keine Beitragsnachweise vorlägen. Weitere angeforderte Unterlagen seien nicht vorgelegt worden. Der Klägerin wurde Gelegenheit zur Äußerung bis zum 10. September 2008 gegeben. Die Klägerin machte u.a. geltend, Mitarbeiter hätten bei ihr auf Lohnauszahlungen verzichtet. Die Beklagte (Schreiben vom 05. September 2008) forderte die Klägerin auf, dazu weitere Unterlagen vorzulegen; es wurde eine Fristverlängerung bis zum 30. September 2008 gewährt, ohne dass weitere Unterlagen bei der Beklagten eingereicht wurden. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2008 forderte die Beklagte dann die GSVB in Höhe von EUR 123.242,84 nach, und zwar zugunsten der AOK Baden-Württemberg, der IKK classic und der Siemens BKK als Einzugsstellen. Für den Mitarbeiter A. T. fehle die Jahresmeldung 2003 und die Abmeldung 2004, weshalb Beiträge zugunsten der Siemens BKK nachzuzahlen seien. Für die Beschäftigten D. W., S. We., E. Al. und A. M. ergebe sich zugunsten der AOK Baden-Württemberg eine Korrektur der Beitragsberechnung aufgrund des Abgleichs der Entgelte der Arbeitnehmer mit den gemeldeten Beitragsnachweisen. Entsprechendes ergebe sich bei den Versicherten S. Sch., K. Ba., S. G., K. G. und Si. L. zugunsten der IKK classic. Die Klägerin legte dagegen am 19. Januar 2009 Widerspruch ein und begehrte am 21. Januar 2009 die Aussetzung der Vollziehung. Bedingt durch Kundeninsolvenz hätten ihre (der Klägerin) Mitarbeiter auf Lohnzahlungen zur Arbeitsplatz- und Betriebserhaltung verzichtet. Es sei jedoch versäumt worden, die Abrechnungen zu korrigieren. Die Korrekturen der Lohn- und Gehaltsabrechnungen würden ihr (der Beklagten) noch zugestellt werden, was jedoch bis Ende April 2009 dauern werde. Hinsichtlich des Versicherten T. wurde geltend gemacht, dass zu dessen Gunsten die Brutto-Restforderung durch den Gerichtsvollzieher vollstreckt worden sei. Mit Schreiben vom 26. Januar 2009 wies dann die Beklagte die Klägerin darauf hin, aufgrund der angekündigten Unterlagen sei nicht auszuschließen, dass der Beitragsbescheid nach Abschluss gegebenenfalls noch notwendiger Ermittlungen zumindest teilweise zurückzunehmen sei. Aus diesem Grund werde der Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Gemäß § 86a Abs. 3 Satz 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werde diese Entscheidung jedoch mit der Auflage zur Verzinsung der Beitragsforderung verbunden, sofern der Widerspruch zurückzuweisen sei. Die Zinshöhe ergebe sich in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV). Telefonisch (11. Februar 2009) und schriftlich (Schreiben vom 18. März 2009) forderte die Beklagte die Klägerin auf, die korrigierten Abrechnungen zuzusenden und Nachweise über die tatsächlichen Lohnzahlungen einzureichen. Zur Beitragsnachforderung für den Mitarbeiter T. wurde darauf hingewiesen, dass unabhängig von einer von diesem Mitarbeiter veranlassten Pfändung der Arbeitgeber zur Zahlung der GSVB verpflichtet sei. Danach übersandte die Klägerin der Beklagten Jahresmeldungen für die Mitarbeiter S. G., Si. L., K. G., K. Ba. und S. Sch., ferner eine Aufstellung der tatsächlich zu erbringenden Beiträge zugunsten der AOK Baden-Württemberg und der IKK classic (Schreiben vom 31. März und 22. Mai 2009). Mit Schreiben vom 05. Juni 2009 wies dann die Beklagte die Klägerin darauf hin, nach Überprüfung der für das Jahr 2003 vorgelegten Unterlagen seien Unterschiede bezüglich der im Beitragsbescheid berücksichtigten und der von ihr mitgeteilten Entgelte festzustellen. Es wurde angefragt, ob sich die Entgeltdifferenzen aus dem geltend gemachten Lohnverzicht ergeben würden. Der Verzicht auf Teile des Arbeitsentgelts müsse jedoch verschiedene Kriterien erfüllen, damit daraus in der Sozialversicherung keine Beiträge berechnet würden. Der Verzicht müsse arbeitsrechtlich zulässig und schriftlich niedergelegt sein und dürfe auch nur auf künftig fällig werdende Arbeitsentgelte gerichtet werden. Ein rückwirkender Verzicht der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgeltansprüche führe nicht zu einer Reduzierung der Beitragsforderung. Der Beitragsanspruch sei bereits entstanden und werde durch den Verzicht auf das Arbeitsentgelt nicht mehr beseitigt. Erfülle der Verzicht nur eines der genannten drei Kriterien nicht, sei der Verzicht beitragsrechtlich nicht zu beachten. Die Klägerin wurde um Zusendung entsprechender Nachweise gebeten und daran erinnert. Die Klägerin trug dazu telefonisch am 24. Juni 2009 vor, es gebe eine Betriebsvereinbarung, die jeder Mitarbeiter bei Einstellung unterschrieben habe, in der der Lohnverzicht vereinbart sei. Es wurde von der Klägerin zugesagt, diese Betriebsvereinbarung zu übersenden. Auch daran wurde die Klägerin danach erinnert, und zwar zuletzt mit Schreiben vom 30. Oktober 2009. Es wurde nun von der Klägerin vorgetragen, der Mitarbeiter A. Maier sei zwar vom 01. Februar bis 30. April 2006 bei ihr in den Büchern geführt worden; er sei jedoch nur 75 Stunden beschäftigt gewesen; ihm sei für den genannten Zeitraum lediglich ein Nettobetrag von EUR 900,00 ausgezahlt worden. Ferner wurden Schreiben der Klägerin an die Mitarbeiter S. G., Sie. We. und D. W. vorgelegt, jeweils mit der Angabe "Betriebsinterne Vereinbarung" und von diesen Personen unterschrieben, in denen, bezogen auf die Gehaltszahlungen 2003, 2004 und 2005 jeweils rückwirkend am 08. Januar 2004, am 10. Januar 2005 bzw. am 07. Februar 2006 unter Bezugnahme auf eine Betriebsversammlung vom 22. Dezember 2003 mitgeteilt wurde, dass die dem Mitarbeiter zustehende Lohnzahlung aus der Abrechnung für das Vorjahr gemindert worden sei, sodass sich ein Minder-Abrechnungsbetrag ergebe. Dazu wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 06. November 2009 darauf hin, die vorgelegten Vereinbarungen stellten lediglich einen rückwirkenden Verzicht der Arbeitnehmer auf einen Arbeitsentgeltanspruch dar und führten nicht zu einer Reduzierung der Beitragsforderung. Es wurde um Übersendung des Protokolls der Betriebsversammlung vom 22. Dezember 2003 gebeten, aus dem sich die vereinbarten Modalitäten zum Verzicht ergeben sollten. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 11. Februar 2010 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Gleichzeitig wurden Aussetzungszinsen von EUR 4.929,71 festgestellt. Die Voraussetzungen eines wirksamen Gehaltsverzichts seien nicht erfüllt. Das Protokoll der Betriebsverssammlung sei nicht vorgelegt worden. Es lägen mithin weder Nachweise eines wirksamen Gehaltsverzichts sowie der tatsächlichen Auszahlung des verminderten Entgelts und auch keine entsprechenden Lohnunterlagen vor, die eine Änderung der bisher getroffenen Feststellungen herbeiführen könnten.
Deswegen erhob die Klägerin am 16. Februar 2010 Klage beim SG, die unter dem Aktenzeichen S 8 R 964/10 anhängig ist. Sie wiederholte, sie habe, um den laufenden Geschäftsbetrieb nicht zu gefährden, mit ihren Mitarbeitern im Jahre "2002" eine betriebsinterne Vereinbarung zur Arbeitsplatzerhaltung und zur Abwendung der Insolvenz getroffen. Die Beitragsforderung der Beklagten sei nicht rechtens, da Lohnzahlungen in der angenommenen Höhe tatsächlich nicht geflossen seien. Den Ausgleich in Höhe der nachgeforderten GSVB könne sie wirtschaftlich nicht erbringen. Der Mitarbeiter T. habe die Lohnzahlungen (brutto) über seinen Anwalt eintreiben lassen. Von den beigetriebenen Bruttobezügen hätten die Sozialversicherungsabgaben direkt abgeführt werden müssen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Ein zulässiger und wirksamer Verzicht auf Arbeitsentgelt habe nicht vorgelegen. Allein die Fertigung von Korrekturmeldungen und die rückwirkend jährlich an die einzelnen Arbeitnehmer erfolgten Mitteilungen über die Minderung des Arbeitsentgelts stellten keinen wirksamen Verzicht dar.
Am 25. Februar 2010 beantragte die Klägerin beim SG auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, denn die Zahlung der geforderten GSVB zuzüglich der Zinsen würde für sie eine wirtschaftliche Härte bedeuten, zumal Zwangsversteigerungen bereits durchgeführt worden seien und ihr, d.h. dem Inhaber nur noch die Arbeitskraft verblieben sei. Die Klägerin reichte verschiedene Unterlagen ein, darunter auch eine Zwangsversteigerungsankündigung vom 12. Mai 2009 über ein dem Inhaber der Klägerin und dessen Ehefrau gehörendes Flurstück mit Lagerhalle mit Büro und Sozialräumen, ferner ein Schreiben der AOK Baden-Württemberg vom 24. Februar 2010 mit dem Hinweis auf einen Rückstand von EUR 65.334,76 und darauf, dass eine derartige Rückstandssumme nicht ohne Sicherheiten akzeptiert werden könne.
Die Beklagte trat dem Antrag entgegen. Weder im Rahmen der Betriebsprüfung noch im nachfolgenden Widerspruchsverfahren habe die Klägerin Nachweise für einen wirksamen Gehaltsverzicht sowie die tatsächliche Auszahlung des verminderten Entgelts, auch keine entsprechenden Lohnunterlagen vorgelegt, die eine Änderung der getroffenen Feststellungen herbeiführen könnten. Wie die AOK Baden-Württemberg könne auch sie (die Beklagte) einen Zahlungsaufschub ohne Sicherheitsleistung nicht akzeptieren. Hilfsweise werde bei Stattgabe des Antrags beantragt, diesem lediglich bis zum Abschluss der Instanz befristet mit der Auflage der Verzinsung in Höhe von 4 v.H. sowie Sicherheitsleistungen zu entsprechen.
Das SG forderte die Klägerin auf, das Protokoll der Betriebsversammlung vom 22. Dezember 2003 einzureichen, was nicht geschah.
Mit Beschluss vom 07. April 2010 wies das SG den Antrag zurück. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei nicht anzuordnen. Es lägen weder ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2010 vor, noch würde dessen Vollziehung eine unbillige Härte für die Klägerin bedeuten, die nicht durch überwiegende öffentliche Interessen geboten sei. Bei summarischer Prüfung seien die angegriffenen Bescheide rechtmäßig. Ein rückwirkender Gehaltsverzicht entfalte beitragsrechtlich keine Wirkung. Eine zukunftsbezogene Verzichtserklärung der Mitarbeiter habe die Klägerin nicht vorgelegt. Auch bezüglich des Mitarbeiters T. sei die Klägerin als Arbeitgeberin verpflichtet, die GSVB an die Einzugsstelle abzuführen, und zwar auch den Arbeitnehmeranteil, unabhängig davon, dass der Mitarbeiter bei ihr den Bruttolohn vollstreckt habe. Die Vollziehung des Bescheids bedeute für die Klägerin auch keine nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene unbillige Härte. Eine drohende Insolvenz sei die mögliche Folge der gesetzlichen Zahlungsverpflichtung. Es wäre gerade unbillig, denjenigen Zahlungspflichtigen gegenüber anderen zu privilegieren, dem durch die Zahlungsverpflichtung die Insolvenz drohe. Außerdem würde dies eine Benachteiligung derjenigen Unternehmen im Wettbewerb bedeuten, die ihren gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen nachkämen. Bestünden daher wie im vorliegenden Fall keine ernsthaften Zweifel an der Zahlungsverpflichtung, so könne von einer unbilligen Härte nicht schon dann ausgegangen werden, wenn die Insolvenz allein aufgrund der Zahlungsverpflichtung drohe. Der Beschluss wurde der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 09. April 2010 zugestellt.
Am 03. Mai 2010 hat die Klägerin dagegen beim SG Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie wiederholt erneut, dass nie Auszahlungen in Höhe der Abrechnungen getätigt worden seien. Die Korrekturen würden in Kürze übersandt werden. Wegen der Kündigung des bewilligten Kredits habe zur Rettung des Betriebs ein "Notpaket" geschnürt werden müssen. Die Klägerin hat auf die bereits vorgelegten Unterlagen bezüglich der Mitarbeiter Sie. We., Si. L. und S. G. verwiesen sowie weiter eingereicht Kopien von undatierten Arbeitsverträgen mit den Mitarbeitern We. und W. (jeweils ab 01. Januar 2003), den Teilzeit-Arbeitsvertrag der Mitarbeiterin Si. L. vom 20. Oktober 2005 für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Dezember 2006, den weiteren Teilzeit-Arbeitsvertrag der Mitarbeiterin S. G. vom 07. Januar 1986 (für die Zeit ab 07. Januar 1986) sowie die Kopie einer (nicht unterschriebenen) "Betriebsvereinbarung § 77" vom 22. Dezember 2003 mit einer unter dem 18. Juni 2010 datierten und vom Inhaber der Klägerin unterschriebenen Mitteilung "G. Gebäudetechnik Betriebsvereinbarung § 77" über die benannten "Monats-Brutto-Zahlungen" (Bl. 45/46 der LSG-Akte).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 07. Januar 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer beim Sozialgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen S 8 R 964/10 anhängigen Klage wegen des Bescheids der Beklagten vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2010 anzuordnen.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend. Ein Gehaltsverzicht mit Wirkung für die Vergangenheit sei beitragsrechtlich ausgeschlossen, da die Beitragsansprüche bereits entstanden gewesen seien. Aus den vorgelegten Arbeitsverträgen ergebe sich kein wirksamer Verzicht für die Zukunft. Die Verträge mit den Mitarbeitern We. und W. enthielten kein Datum. Der Teilzeit-Arbeitsvertrag mit der Mitarbeiterin G. datiere unter dem 07. Januar 1986, lege jedoch Arbeitsentgelt in Euro fest. Bei dem Teilzeit-Arbeitsvertrag mit der Mitarbeiterin L., der unter dem 26. Oktober 2005 datiere, handle es sich um dasselbe Vertragsmuster. Es seien keine Original-Arbeitsverträge. Unabhängig davon beinhalteten beide Vertragsmuster unter Nr. 12 ein Schriftformerfordernis. Die einseitige Mitteilung über die Kürzung des Arbeitsentgelts wäre bereits aus formellen Gründen unwirksam. Ohne Vorlage aller Original-Arbeitsverträge bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Ohne schriftliche Verzichtserklärung jedes Arbeitnehmers, die auf künftig entstehendes Arbeitsentgelt gerichtet sei, sei der Beitragsanspruch bereits in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen. Selbst wenn die Klägerin die geschuldeten Arbeitsentgelte nicht gezahlt hätte, würde dies nichts an der Beitragspflicht hinsichtlich des vereinbarten Arbeitsentgelts ändern. Bereits nach den vorliegenden Unterlagen bestünden hinreichende Anzeichen dafür, dass die behauptete Betriebsvereinbarung keine rechtswirksame Grundlage für die Abänderung der einzelnen Arbeitsverträge beinhalte. Nach Nr. 12 der Arbeitsvertragsmuster habe das Schriftformerfordernis gegolten, soweit Änderungen nicht auf einer ausdrücklichen oder individuell ausgehandelten Abrede bestünden. Eine Vereinbarung des kollektiven Arbeitsrechts, beispielsweise eine Betriebsvereinbarung, bedürfe daher erst recht der Schriftform. Bei einem Vertrag müsste die Urkunde von beiden Parteien unterzeichnet werden. Bei der Klägerin seien aktuell 15 Beschäftigte gemeldet, weshalb grundsätzlich das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) anwendbar sei. Für die Frage der Wirksamkeit einer echten Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 2003 sei darzulegen, ob ein Betriebsrat bei Abschluss der Betriebsvereinbarung bestanden habe und dieser nach § 87 Abs. 1 des BetrVG zwingend beteiligt worden sei. Zudem sei zu belegen, in welcher Form diese den Mitarbeitern bekanntgemacht worden sei. Die Betriebsvereinbarung könne zudem nicht für die Mitarbeiter berücksichtigt werden, deren Arbeitsverträge nach diesem Datum geschlossen worden seien, wie beispielsweise für die Beschäftigte L ... Wenn keine wirksame Betriebsvereinbarung geschlossen worden sei, müsste die einzelvertragliche Abänderung jedes Arbeitsvertrags von der Klägerin bewiesen werden. Unabhängig davon, ob ein arbeitsvertraglich wirksamer Verzicht vorgelegen habe, sei die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auch nicht davon abhängig, ob die Arbeitnehmer noch rückständigen Lohn verlangen könnten.
Zur weiteren Darstellung wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge einschließlich der Akte des SG Stuttgart S 8 R 964/10 Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen. Denn der für eine Berufung notwendige Beschwerdewert des § 144 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten. Der Antrag der Klägerin, die aufschiebende Wirkung der beim SG anhängigen Klage S 8 R 964/10 anzuordnen, betrifft eine Nachforderung von GSVB in Höhe von EUR 123.242,83 zuzüglich Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 4.929,71.
Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung der anhängigen Klage S 8 R 964/10 anzuordnen, zu Recht abgelehnt.
Die Beiladung der betroffenen Arbeitnehmer sowie der zuständigen Sozialversicherungsträger, zu deren Gunsten die Nacherhebung wirkt, wie sie im Hauptsacheverfahren notwendig wäre (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. Juli 2009 - B 12 KR 1/09 R -, veröffentlicht in Juris, Rn. 11), war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht geboten.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Die beim SG anhängige Klage S 8 R 964/10 hat keine aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Als solche Nebenkosten sind hier auch die im Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2010 für die Zeit bis zum 11. Februar 2010 festgestellten Aussetzungszinsen anzusehen.
Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu entscheiden. Maßgeblich ist, ob das Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit schwerer wiegt als das gegenläufige Interesse am Erhalt der aufschiebenden Wirkung. Die Interessenabwägung fällt grundsätzlich von vorneherein zugunsten der sofortigen Vollziehbarkeit aus, wenn der Widerspruch oder die Klage gegen den Verwaltungsakt aufgrund der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur summarischen Prüfung erkennbar aussichtslos ist. Sie fällt von vorneherein für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung aus, wenn der Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung erkennbar rechtswidrig ist. Ist keiner dieser Fälle der erkennbaren Aussichtslosigkeit der Klage oder der erkennbaren Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gegeben, so sind die Beteiligteninteressen anhand sonstiger Umstände im Einzelfall zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen.
Im Rahmen der Interessenabwägung spricht gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 8 R 964/10, dass aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes der mit der Klage angefochtene Bescheid über die Nachforderung von GSVB vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2010 nicht erkennbar rechtswidrig ist, mithin die Klage aussichtslos ist.
Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den GSVB der Arbeitgeber zu zahlen. Als GSVB werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Bemessung der GSVB richtet sich nach dem Arbeitsentgelt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus dieser Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
Eine Rechtswidrigkeit der Beitragsnachforderung ergibt sich nicht daraus, dass sich die Klägerin auf einen Gehaltsverzicht ihrer Mitarbeiter bezieht, der der Nacherhebung von GSVB entgegenstehen würde. Zwar mag unterstellt werden, dass hinsichtlich der von der Beklagten genannten Arbeitnehmer, bezüglich der sie im Wesentlichen die GSVB nachfordert, nachträglich tatsächlich jährlich niedrigeres Entgelt als nach den Arbeitsverträgen vereinbart ausgezahlt worden ist. Allerdings liegen Originalarbeitsverträge aller insoweit betroffenen Beschäftigten nicht vor, aufgrund derer feststellbar wäre, um welchen Betrag sich jeweils das tatsächlich ausgezahlte Arbeitsentgelt gegenüber dem geschuldeten Arbeitsentgelt vermindert hat. Die Klägerin hat insoweit lediglich Kopien von zum Teil undatierten Arbeitsverträgen mit den Mitarbeitern We., W., L. und G. vorgelegt. Soweit sich die Klägerin jedoch darauf beruft, es sei nur das tatsächliche (verminderte) Arbeitsentgelt für die Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung heranzuziehen gewesen, verkennt sie, dass für die Feststellung der Beitragshöhe das Entstehungsprinzip, nicht jedoch das Zuflussprinzip gilt. Die Höhe des Beitragsanspruchs richtet sich nicht nur danach, welche Einnahmen der Versicherte (Arbeitnehmer) aus seiner Beschäftigung tatsächlich erhalten hat, sondern darüber hinaus auch nach den Einnahmen, die er zwar nicht erhalten hat, die ihm aber vom Arbeitgeber aufgrund der beitragspflichtigen Beschäftigung geschuldet wurde. Nach § 22 Abs. 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Sozialversicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Diese bestanden im Falle der Arbeitnehmer hier darin, dass eine versicherungs- und beitragspflichtige Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt wurde. Insofern haben es die Parteien von Arbeitsverträgen und die Tarifpartner in der Hand, durch Vereinbarung von Entgelt und seiner Höhe den Eintritt der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses mit entsprechenden Beitragsforderungen der Einzugsstellen auszuschließen. Ist dieses jedoch einmal geschehen, so können sie das Versicherungsverhältnis in seiner öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung durch ein späteres Verhalten für die Vergangenheit nicht mehr beeinflussen, sondern eine Änderung lediglich für die Zukunft nach Maßgabe der neuen Entgeltvereinbarungen oder Zahlungen bewirken. So führt die Vereinbarung einer rückwirkenden Lohnerhöhung nicht dazu, dass schon in der Vergangenheit auch ein höherer Beitragsanspruch entstanden ist. Entsprechend bringt eine rückwirkende Verringerung des Entgelts eine einmal entstandene Beitragsforderung nicht zum Erlöschen. Ebenso ist es auf einen in der Vergangenheit entstandenen Beitragsanspruch ohne Einfluss, dass der entstandene Entgeltanspruch später verfällt, weil der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig gegenüber seinem Arbeitgeber geltend gemacht hat und eine tarifliche Ausschlussklausel eingreift (vgl. BSGE 75, 61 ff.).
Bei summarischer Prüfung lässt sich hier nicht feststellen, dass hinsichtlich der von der Klägerin genannten Arbeitnehmer für die streitige Zeit von 2003 bis 2006 wirksam jeweils für die Zukunft eine Änderung des ursprünglich geschuldeten Gehalts vereinbart worden ist, die dann auch zu einer Verminderung des Beitragsanspruchs und hier zum Ausschluss der Nachforderung der GSVB geführt hätte. Diese in die Zukunft wirkende konkrete Vereinbarung einer Verminderung des vereinbarten Gehalts ergibt sich hier nicht daraus, dass die Klägerin ihren Mitarbeitern lediglich jeweils rückwirkend für das zurückliegende Jahr einen konkreten Minder-Abrechnungsbetrag mitgeteilt hat. Eine für die Zukunft wirkende arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Verminderung des an sich vereinbarten Gehalts auf das tatsächlich später ausgezahlte reduzierte Gehalt, für das Beiträge abgeführt worden sind, lässt sich auch nicht aus den vorgelegten Arbeitsverträgen (Kopien) für vier Mitarbeiter herleiten, zumal die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die vorgelegten Kopien von Verträgen jeweils unter Nr. 12 (Vertragsänderungen) die Klausel enthielten, dass Änderungen oder Ergänzungen des Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürften. Insoweit wurden schriftliche Vereinbarungen über eine konkrete für die Zukunft wirkende Gehaltsminderung (Gehaltsverzicht) nicht vorgelegt. Die nachträgliche Verminderung der gemeldeten Entgelte führt nicht zu einer Verminderung des Beitragsanspruchs.
Soweit sich die Klägerin für einen wirksamen, in die Zukunft wirkenden Gehaltsverzicht auf eine Betriebsversammlung bzw. Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 2003 beruft, steht dieses Vorbringen der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung nicht entgegen. Zwar hat die Klägerin erstmals am 18. Juni 2010 die nicht unterschriebene Kopie einer "Betriebsvereinbarung § 77" vom 22. Dezember 2003 vorgelegt. Eine derartige Betriebsvereinbarung würde jedoch, was zu ihrer Wirksamkeit erforderlich wäre, schon nicht den Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 BetrVG entsprechen. Denn danach sind Betriebsvereinbarungen vom Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu schließen und schriftlich niederzulegen. Im Übrigen ergäbe sich aus der in Kopie, ohne Unterschrift, vorgelegten "Betriebsvereinbarung" nicht, auf welche konkrete Gehaltszahlung der Beschäftigte für die Zukunft verzichten sollte, indem lediglich allgemein von "Reduzierungen in den Lohn- und Gehaltszahlungen" die Rede war und davon, dass nach den Abrechnungen jeweils nur "ihr Mindestlebensunterhalt-Fixum" ausgezahlt werden sollte.
Auch soweit es um die Nachforderung von GSVB für den Arbeitnehmer T. geht, hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Nachforderung nicht zu beanstanden sein dürfte, weil die Klägerin als Arbeitgeberin die GSVB schuldet.
Darauf, dass die Beklagte im Widerspruchsverfahren die Aussetzung, jedoch gegen Berechnung von Aussetzungszinsen, bewilligt hatte, kann sich die Klägerin für das Antrags-, Beschwerde- und Klageverfahren nicht berufen, zumal die von ihr eingereichten Unterlagen einen wirksamen Gehaltsverzicht der Beschäftigten nicht belegt haben.
Im Hinblick darauf, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nachgeforderten GSVB, auch der Höhe nach, derzeit nicht bestehen, kann eine einstweilige Aussetzung der Zahlungspflicht auch nicht mit einer unbilligen Härte begründet werden, wie das SG zutreffend entschieden hat. Allein der Umstand, dass für den 13. Juli 2009 die Zwangsversteigerung eines im Eigentum des Inhabers der Klägerin und seiner Ehefrau stehenden Grundstücks angeordnet worden war und dass nach dem Schreiben der AOK Baden-Württemberg vom 24. Februar 2010 auch hinsichtlich der laufenden GSVB ab Oktober 2009 ein Rückstand von EUR 6.875,21 bestanden hat, vermag eine aufschiebende Wirkung der Klage nicht zu rechtfertigen. Bei der Interessenabwägung wäre insoweit auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin für den Fall, dass sie mit der anhängigen Klage ganz oder teilweise Erfolg hat, die zunächst gezahlten GSVB von der Beklagten wieder zurückerhalten kann. Eine Zahlungsunfähigkeit der Beklagten kann nicht eintreten. Demgegenüber könnte während der Dauer des Klageverfahrens die Klägerin in Insolvenz fallen oder ihren Geschäftsbetrieb einstellen. Würde die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und die Klage rechtskräftig abgewiesen, bestünde die Gefahr, dass die nachgeforderten GSVB nicht mehr eingetrieben werden könnten und der Solidargemeinschaft der Versicherten damit ein Nachteil entstünde. Dieses Interesse wäre höher zu gewichten als das Interesse der Klägerin.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 124, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 63 Abs.3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Klägerin wendet sich gegen eine Forderung von GSVB in Höhe von EUR 123.242,84. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Streitwert regelmäßig ein Betrag von 25 v.H. der geforderten GSVB, wobei die Aussetzungszinsen hier nicht zu berücksichtigen sind. Damit ergibt sich der endgültige Streitwert für das Beschwerdeverfahren von EUR 30.810,71.
Dieser Beschluss ist nicht mit der (weiteren) Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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