L 10 R 5561/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1401/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5561/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.09.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die am 1963 geborene, aus I. stammende Klägerin siedelte im Jahr 1980 in die Bundesrepublik Deutschland über. Eine Ausbildung absolvierte sie nicht. Nach einer Zeit der Kindererziehung war sie von 1992 bis Ende 2000 im Wesentlichen als Reinigungskraft beschäftigt. Anschließend war die Klägerin bis 16.04.2002 arbeitslos. Von Februar 2002 bis Februar 2004 übte sie eine geringfügige Beschäftigung im Frühstücksservice eines Hotels aus. Zur Feststellung der rentenversicherungsrechtlichen Zeiten im Einzelnen wird auf den von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 26.02.2009 Bezug genommen.

Wegen neurotisch-depressiver Entwicklung bei zunehmender Somatisierung, chronischem HWS-, BWS- und LWS-Syndrom bei diskreten degenerativen Veränderungen wurde die Klägerin vom 04. bis 25.09.2001 in der Rehabilitationsklinik S in D. stationär behandelt. Seinerzeit wurde die Klägerin arbeitsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne ständige Wirbelsäulenzwangshaltungen und ohne Nachtschichten entlassen. Vom 28.04. bis 10.05.2004 befand sich die Klägerin in akut-stationärer Behandlung in der Klinik Dr. R. , Fachklinik für Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, wobei die Behandlung bis 31.05.2004 als medizinische Rehabilitationsmaßnahme fortgesetzt wurde. Diagnostisch ging Dr. R. von einer neurotischen Depression, einer somatoformen Schmerzstörung sowie einer Anpassungsstörung bei Familienkonflikt aus. Wegen dieser Erkrankungen erfolgten weitere stationäre Behandlungen im Klinikum N. , Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, in den Zeiträumen vom 21.03. bis 30.03.2007, vom 25.04. bis 06.06.2007 und vom 23.04. bis 03.06.2008.

Im November 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und begründete diesen Antrag mit Depressionen. Die Beklagte zog u.a. die Entlassungsberichte der Rehabilitationsklinik S und der Klinik Dr. R. sowie das Vorerkrankungsverzeichnis der A B. bei und ließ diese Unterlagen sozialmedizinisch auswerten. Dabei gelangte die Dipl.-Med. G. , Neurologin und Psychiaterin, zu der Auffassung, die Klägerin könne weiterhin sowohl in dem zuletzt ausgeübten Beruf als Reinigungskraft als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr ausüben. Mit Bescheid vom 14.01.2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, sie erfülle nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, weil sie in dem maßgeblichen Fünfjahreszeitraum (09.11.1999 bis 08.11.2004) nur zwei Jahre und drei Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt habe; zudem sei sie im Sinne der maßgeblichen Regelungen auch nicht erwerbsgemindert. Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin das an ihre Bevollmächtigten gerichtete Schreiben des Dr. R. vom 22.04.2005 vor, in dem dieser ausführte, er habe die Klägerin regelmäßig von 1998 bis 2001 und dann erneut ab 06.02.2004 behandelt; bereits an dem Tag der Wiedervorstellung habe sie sich in einer so schlechten Verfassung befunden, dass von Erwerbs- oder Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden müsse. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2005 zurückgewiesen. In dem sich anschließenden Klageverfahren (S 12 R 4068/05) hörte das Sozialgericht Karlsruhe (SG) die behandelnden Ärzte, u.a. auch Dr. R. , schriftlich als sachverständige Zeugen an. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung schlossen die Beteiligten im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin, wonach die Beklagte eine rentenrechtliche Zeit der Arbeitslosigkeit unberücksichtigt gelassen habe, einen Vergleich, wonach die Beklagte der Klägerin nach Vorlage entsprechender Unterlagen im Hinblick auf den Rentenantrag vom 09.11.2004 gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) einen rechtsmittelfähigen Bescheid erteilt und die Klägerin die Klage zurücknahm.

Nachdem die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass im Versicherungsverlauf zusätzlich lediglich noch eine Zeit der Arbeitslosigkeit vom 18.01. bis 16.04.2002 zu berücksichtigen ist, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.08.2006 die Rücknahme des Bescheids vom 14.01.2005 mit der Begründung ab, ausgehend von der Rentenantragstellung am 09.11.2004 seien mit lediglich 30 Kalendermonaten an Pflichtbeiträgen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt. Diese Voraussetzungen seien letztmals am 29.02.2004 erfüllt; insoweit sei keine Änderung des Sachverhalts eingetreten. Im Widerspruchsverfahren gelangte die Beklagte zu der Auffassung, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals bei Eintritt des Versicherungsfalls am 31.05.2004 erfüllt seien und holte im Hinblick darauf eine sozialmedizinische Stellungnahme der Dipl.-Med. G. ein, die die Auffassung vertrat, dass zu diesem Zeitpunkt nicht von einem verminderten Leistungsvermögen auszugehen sei. Dr. R. habe die Klägerin weder anlässlich ihrer ambulanten Vorstellung am 06.02.2004 arbeitsunfähig geschrieben noch für die Zeit nach Entlassung aus der stationären Behandlung. Dem Vorerkrankungsverzeichnis der A sei vielmehr zu entnehmen, dass die Arbeitsunfähigkeit mit der Entlassung aus der Behandlung am 31.05.2004 geendet habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen hat die Klägerin am 19.03.2007 beim SG Klage erhoben und geltend gemacht, sie sei bereits am 31.05.2004 erwerbsgemindert gewesen. Wenn auch nicht erklärbar sei, warum Dr. R. sie weder am 06.02.2004 noch nach Entlassung aus der stationären Behandlung am 31.05.2004 arbeitsunfähig geschrieben habe, so sei sie gleichwohl in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit so stark eingeschränkt gewesen, dass eine berufliche Belastbarkeit nicht mehr bestanden habe. Im diesem Sinne habe sich Dr. R. ihren Bevollmächtigten gegenüber auch in seinem Schreiben vom 22.04.2005 geäußert.

Das SG hat Dr. R. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat - wie bereits in seiner in dem vorausgehenden Verfahren eingeholten Auskunft - die Auffassung vertreten, dass bei der Klägerin die Schmerz- und Depressionssymptomatik so erheblich sei, dass von einer ausreichenden psychophysischen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit für eine Berufstätigkeit nicht auszugehen sei.

Die Beklagte hat die sozialmedizinische Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie Dr. H. vorgelegt, die keine hinreichenden Hinweise dafür gesehen hat, dass bereits zu dem maßgeblichen Zeitpunkt 31.05.2004 eine so starke und willentlich bzw. therapeutisch nicht beeinflussbare psychische rentenrelevantes Ausmaß erreichende Störung bestanden hat. Mit Urteil vom 24.09.2008 hat das SG die Klage gestützt auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen der Dipl.-Med. G. und der Dr. H. abgewiesen.

Gegen das ihren Bevollmächtigten am 31.10.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.12.2008, einem Montag, beim Landessozialgericht (LSG) unter Aufrechterhaltung ihrer bisherigen Auffassung Berufung eingelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.09.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2007 zu verurteilen, den Bescheid vom 14.01.2005 zurückzunehmen und ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Senat hat die Auskunft der S K , Inhaberin des Motel A und letzte Arbeitgeberin der Klägerin, eingeholt, wonach diese vom 01.04.2002 bis 31.01.2004 als Aushilfe im Frühstücksservice von Montag bis Freitag bzw. Dienstag bis Freitag von 5:00 bis 6:45 Uhr bzw. 7:00 Uhr geringfügig beschäftigt war. Der Senat hat ferner vom Landratsamt C. die über die Klägerin geführte Schwerbehinderten-Akte beigezogen und das psychiatrische Gutachten des Dr. E. , Ärztlicher Direktor im Klinikum N. , auf Grund Untersuchung der Klägerin am 23.04.2009 eingeholt. Der Sachverständige ist von einer bei der Klägerin seit ca. 10 Jahren bestehenden rezidivierenden depressiven Störung mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung im Rahmen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und abhängigen Anteilen ausgegangen, wodurch ihre Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt sei und zum Untersuchungszeitpunkt lediglich noch leichte Tätigkeiten im Umfang von maximal drei bis deutlich unter sechs Stunden zumutbar gewesen seien. Dieser Zustand bestehe seit dem Zeitpunkt der Trennung des Ehemanns von der Klägerin Anfang des Jahres 2008. Der Zustand der Klägerin am 31.05.2004 lasse sich angesichts der widersprüchlichen Befundbeschreibungen nicht mit Sicherheit darstellen. Eindeutig sei jedoch, dass zum damaligen Zeitpunkt eine deutlich geringere Chronifizierung der Symptome, insbesondere auch der beschriebenen Depression bestanden habe.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 28.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Mit diesen Bescheiden hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, ihren früheren, die Gewährung von Erwerbsminderung ablehnenden Bescheid vom 14.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2005 zurückzunehmen und der Klägerin die begehrte Rente zu gewähren. Denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig und von der Beklagten daher auch nicht zurückzunehmen.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt wurde oder von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 14.01.2005 und des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2005 das Recht unrichtig angewandt hätte oder von einem Sachverhalt ausgegangen wäre, der sich zwischenzeitlich als unrichtig erwiesen hat und der Klägerin deshalb zu Unrecht Rente wegen voller Erwerbsminderung versagt hätte. Die Erfüllung der entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen vermag der Senat nicht festzustellen.

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind nach Satz 2 dieser Regelung insbesondere Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die nach diesen Regelungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu erfüllenden sog. versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, wonach in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt sein müssen, erfüllt die Klägerin lediglich noch bis zum Ablauf des Monats Mai 2004. Hiervon ist die Beklagte im Widerspruchsverfahren zutreffend ausgegangen. Die Richtigkeit dessen wird auch von der Klägerin selbst nicht angezweifelt, so dass weitergehende Ausführungen zu deren Berechnung nicht erforderlich sind. Auch die Klägerin geht davon aus, dass sie Erwerbsminderungsrente nur dann beanspruchen kann, wenn bei ihr der Versicherungsfall der Erwerbsminderung spätestens am 31.05.2004 eingetreten ist. Hiervon vermag der Senat jedoch ebenso wenig wie das SG auszugehen. Denn er vermag nach Auswertung sämtlicher medizinischer Unterlagen nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin schon am 31.05.2004 auf ein rentenberechtigendes Ausmaß herabgesunken war, sie mithin bereits zu diesem Zeitpunkt selbst leichte berufliche Tätigkeiten bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen nicht mehr wenigstens in einem Umfang von sechs Stunden täglich hätte verrichten können.

Die Leistungsfähigkeit der Klägerin ist in erster Linie durch Beeinträchtigungen von psychiatrischer Seite eingeschränkt. So leidet die Klägerin seit ca. 1998 an einer rezidivierenden depressiven Störung mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung im Rahmen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und abhängigen Anteilen. Hiervon geht der Senat auf der Grundlage des überzeugenden Gutachtens des Dr. E. aus. Nach seinen schlüssigen und überzeugenden Ausführungen, die sich auf die Untersuchung der Klägerin und die Auswertung der zahlreich vorliegenden Behandlungsberichte und medizinischen Unterlagen stützen, sind bei der Klägerin in der Dynamik der Erkrankung anfängliche rezidivierende Anteile zunehmend einer Chronifizierung gewichen, wobei die Krankheitssymptome zum Zeitpunkt der Untersuchung der Klägerin durch den Sachverständigen im Sinne einer Fixierung ihren wesentlichen "Lebensinhalt" dargestellt haben. Dabei wurde durch die zunehmende und "erkennbare" Hilflosigkeit der Klägerin insbesondere erreicht, dass sich ihre drei mittlerweile erwachsenen Söhne intensiv um sie kümmern. Dies führt nach den Darlegungen des Sachverständigen zu einer hoch malignen Dynamik der Erkrankung. Denn die eigenen Abhängigkeitsstrukturen der Klägerin werden mit schweren Symptomen auf die Kinder übertragen und diese intensiv an die Mutter gebunden. Dies führt nach den überzeugenden weiteren Ausführungen des Sachverständigen zu einem erheblichen sekundären Krankheitsgewinn bei der Klägerin, der für die Fixierung und die Dynamik der Krankheitsentwicklung von erheblicher Bedeutung ist. Zuletzt hatte die Trennung des Ehemanns Anfang des Jahres 2008 eine massive Krise ausgelöst, wobei die Folge vor allem darin bestand, dass sich die Kinder noch mehr um die Klägerin kümmerten. Insgesamt sieht der Sachverständige in alledem eine konsequente Folge ungünstiger Voraussetzungen in der Persönlichkeit der Klägerin, der psychosozialen Ereignisse und ihren Belastungen, die im Sinne psychodynamischer Entwicklungen zwangsläufig zu einer derartigen Symptomatik geführt haben. Dabei sind die Ressourcen der Klägerin, einen anderen Lösungsweg zu finden angesichts der vor allem dependenten Persönlichkeitsanteile begrenzt. Für den Senat schlüssig und nachvollziehbar ist die Klägerin durch dieses Krankheitsbild in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. So ist es der Klägerin nicht mehr möglich, sich zu einer größeren Leistung zu motivieren, was zu einer deutlichen Erschöpfbarkeit und Müdigkeit mit entsprechendem Leistungsversagen führt. Auch die Ausdauer ist erheblich beeinträchtigt, wobei sich die Klägerin subjektiv bereits nach Ausübung einer leichten Tätigkeit nach 20 bis 30 Minuten erschöpft fühlt und sich im Alltag zurückzieht. Auf dieser Grundlage ist für den Senat schlüssig nachvollziehbar, dass der Sachverständige das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin lediglich noch mit deutlich unter sechs Stunden einschätzt und zusätzliche qualitative Einschränkungen für notwendig erachtet (keine Zwangshaltungen, keine Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, an rotierenden Maschinen, unter deutlichem Kälte- oder Hitzeeinfluss und Zugluft, keine Arbeiten mit deutlichen Anforderungen an die Konzentration und Aufmerksamkeit sowie mit intensivem Publikumsverkehr). Das beschriebene Leistungsvermögen hat der Sachverständige für den Senat überzeugend ab dem Zeitpunkt der Trennung durch den Ehemann angenommen, da hierdurch eine erhebliche Verschlimmerung der Symptomatik eingetreten ist, die zu der notwendig gewordenen längeren stationären Behandlung im Klinikum N. vom 23.04. bis 03.06.2008 geführt hat. Jedenfalls seit diesem Zeitpunkt ist das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin auf ein rentenberechtigendes Ausmaß herabgesunken. Allerdings haben zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer entsprechenden Erwerbsminderungsrente nicht mehr vorgelegen. Da sich die Erkrankung der Klägerin nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen aber zunehmend verschlechtert hat und es gerade Anfang des Jahres 2008 nochmals zu einer erheblichen Zunahme der Symptomatik gekommen ist, vermag der Senat nicht davon auszugehen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auch schon zu dem hier relevanten Zeitpunkt 31.05.2004, also schon rund vier Jahre vor der Trennung des Ehemanns, in dem beschriebenen Ausmaß eingeschränkt war. Für diesen Zeitpunkt ist vielmehr von einer noch deutlich geringeren Chronifizierung der Symptome auszugehen. Zu einer klaren Aussage zu dem seinerzeitigen Zustand der Klägerin hat sich der Sachverständige Dr. E. auf Grund der dokumentierten Befundsituation nicht in der Lage gesehen.

Für diesen Zeitpunkt Ende Mai 2004 liegen lediglich die Angaben des Dr. R. vor, bei dem sich die Klägerin rund vier Monate vorher nach einer Behandlungspause von ca. dreieinhalb Jahren auf Überweisung des Allgemeinarztes B. erneut am 06.02.2004 und dann am 12.03.2004 vorstellte. Nach den Ausführungen des Dr. R. in seinen damaligen Arztbriefen an Dr. B. klagte die Klägerin seinerzeit jeweils über Schmerzen am ganzen Körper, Probleme mit ihrem Bruder, dem Sohn und dem Ehemann, worauf der Allgemeinarzt B. auf die Anregung des Dr. R. eine stationäre Einweisung in die Klinik Dr. R. veranlasste, in der die Klägerin dann zunächst vom 28.04. bis 10.05.2004 akut stationär und anschließend im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme bis 31.05.2004 unter den Diagnosen neurotische Depression, somatoforme Schmerzstörung und Anpassungsstörung bei Familienkonflikt stationäre behandelt wurde.

Der Senat sieht ebenso wie der Sachverständige Dr. E. keine hinreichenden Hinweise für die Annahme, dass bei der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Entlassung aus der stationären Behandlung von einer dauerhaften Herabsetzung ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit auf ein rentenberechtigendes Ausmaß ausgegangen werden könnte. In dem Entlassungsbericht der Klinik Dr. R. ist zwar beschrieben, dass die Klägerin klagsam, leidend und unglücklich geblieben sei, im Rahmen der stationären Behandlung jedoch durchaus eine Teilbesserung hätte erzielt werden können. So habe sich die Klägerin, die über viele ihrer Probleme habe sprechen können, verstanden gefühlt, habe auch Kontakt zu Mitpatienten gehabt und sei etwas aufgelebt. Dr. R. sah durch die regelmäßigen Gespräche darüber hinaus auch eine gewisse Kontinuität eingetreten, wenn auch eine grundlegende Wendung zum besseren nicht habe erreicht werden können. Insgesamt erachtete er die Prognose nach alledem als schwierig. Diese Befundsituation rechtfertigt die Annahme einer rentenrelevanten Leistungsminderung nicht, insbesondere nicht die Annahme einer bereits eingetretenen erheblichen Chronifizierung und Fixierung auf Krankheitssymptome, die ihrem willentlichen Einfluss entzogen waren und sich bereits quantitativ auf das berufliche Leistungsvermögen auswirkten. Seelisch bedingte Störungen scheiden für die Begründung einer Erwerbsminderung aber aus, wenn der Betroffene diese bei der ihm zumutbaren Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BSG, Urteile vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO und vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61 in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO). Dass die weitere Entwicklung aus heutiger, also nachträglicher Sicht, letztlich zu einer rentenrelevanten Leistungsminderung geführt hat, stellt keinen Grund dar, eine solche auch schon für den hier maßgeblichen Zeitpunkt anzunehmen.

Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht aus den Ausführungen des Dr. R. in seinem Schreiben vom 22.04.2005 an die Bevollmächtigten der Klägerin ableiten. Soweit er darin ausführte, die Klägerin habe sich bereits bei Wiederaufnahme der Behandlung am 06.02.2004 in einer so schlechten Verfassung befunden, dass von Erwerbs- oder Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden müsse, hat er diese Einschätzung weder begründet noch mit Befunden belegt, so dass seine Auffassung schon deshalb nicht nachvollzogen werden kann. Zudem hat er ganz offensichtlich ausschließlich den Zustand am 06.02.2004 bewertet, ohne aber die dann im Rahmen der stationären Behandlung erzielten Teilerfolge zu berücksichtigen, so dass die entsprechenden Ausführungen für die vorliegend zu beurteilende Frage wenig beitragen können. Soweit Dr. R. im Rahmen seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge die Psychodynamik der Erkrankung der Klägerin dargestellt und ausgeführt hat, dass diese Störungen durchaus einen Schweregrad erreichen können, dass - wie dies bei der Klägerin der Fall sei - das Denken, Fühlen und Handeln so stark beeinflusst und gestört ist, dass Schwächen, Unsicherheiten, Ängste und subjektive Beschwerden entstehen und die Symptomatik durch eine Anstrengung der Willenskraft nicht mehr überwunden werden kann, weshalb die Beeinträchtigungen bis zur vollen Erwerbsminderung reichen können, hat der Senat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Darlegungen. Allerdings bezieht sich diese Einschätzung nach der ausdrücklichen Aussage des Dr. R. auf den Zeitpunkt des 19.03.2007, also auf einen Zeitpunkt knapp drei Jahre nach dem vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt, zu dem die Entwicklung der Erkrankung bereits in einem Maße fortgeschritten war, wie dies zum 31.05.2004 zweifellos noch nicht der Fall war.

Nach alledem vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Erkrankung der Klägerin, für die mehr als drei Jahre lang offenbar keine Behandlungsbedürftigkeit bestand, und danach erstmals wieder am 06.02.2004 zu einer nervenärztlichen Inanspruchnahme führte, bereits vier Monate später am 31.05.2004 so weit chronifiziert war, dass sie zu einer rentenberechtigenden Leistungsminderung führte. Somit ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, ihren die Rentengewährung ablehnenden Bescheid vom 14.01.2005 zurückzunehmen und entsprechende Leistungen zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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