L 11 KR 5570/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 1521/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5570/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. November 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei dem Hinweis, dass bei Nichtvorlage einer Einkommenserklärung für die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung der Höchstbeitrag festgesetzt werde, um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt.

Die 1968 geborene Klägerin war seit 20. Mai 2001 bei der Beklagten familienversichert. Am 13. Oktober 2008 beantragte die Klägerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2008 stellte die Beklagte daraufhin fest, ab dem Tag der Rentenantragstellung ende die Familienversicherung und bestehe eine eigene Mitgliedschaft, die kostenfrei sei, solange die Klägerin keine eigenen Einkünfte habe. Die Beklagte übersandte Formulare zur Anmeldung zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und zur Einkommenserklärung, um deren baldige Rückgabe die Klägerin gebeten wurde.

Gegen den Bescheid vom 27. Oktober 2008 legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, das Vorliegen von Erwerbsminderung stehe noch nicht fest, weshalb es bei der Familienversicherung verbleibe.

Mit Schreiben vom 3. November 2008 erläuterte die Beklagte der Klägerin die Voraussetzungen der KVdR und der Rentenantragsteller. Beiträge müssten nicht entrichtet werden, sofern das Einkommen 355,00 EUR bzw. 400,00 EUR monatlich nicht übersteige. Die Klägerin werde gebeten, die Unterlagen für die Pflichtmitgliedschaft als Rentenantragstellerin ausgefüllt und unterschrieben bis spätestens 17. November 2008 zurückzugeben. Ansonsten müsse eine Mitgliedschaft kraft Gesetzes eingerichtet werden. In diesem Fall wäre der Höchstbeitrag von 592,20 EUR zu verlangen.

Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, die Androhung, eine Mitgliedschaft mit einem Höchstbeitrag einzurichten, sei eine Verwaltungszwangsmaßnahme und damit ein Bescheid. Die Vorgehensweise erfülle zudem den Tatbestand der Nötigung.

Mit Bescheid vom 12. November 2008 stellte die Beklagte nochmals fest, dass ab dem Tag der Rentenantragstellung Versicherungspflicht für Rentenantragsteller bestehe. Die Beklagte wiederholte auch den Hinweis aus dem Schreiben vom 3. November 2008.

Mit dem Widerspruch hiergegen legte die Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die von der Beklagten geforderten Unterlagen vor.

Mit Bescheid vom 19. November 2008 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, derzeit seien Beiträge zur KVdR nicht zu zahlen und erläuterte die Rechtsaufassung mit Schreiben vom 4. Dezember 2008 und 15. Januar 2009. Die Klägerin verblieb dabei, dass ihre Mitgliedschaft nicht korrekt geführt werde.

Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 27. Oktober 2008, ergänzt durch das Schreiben vom 3. November 2008, und vom 12. November 2008, ergänzt durch die Schreiben vom 19. November 2008, 4. Dezember 2008 und 15. Januar 2009, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2009, der Klägerin nach eigenen Angaben am 24. Februar 2009 zugestellt, zurück. Es bestehe ab dem Tag der Rentenantragstellung keine Familienversicherung mehr, sondern eine beitragsfreie Pflichtversicherung als Rentenantragstellerin.

Mit der dagegen am 24. März 2009 vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Anfechtungsklage hat die Klägerin geltend gemacht, das Schreiben vom 3. November 2008 ergänze nicht den Bescheid vom 27. Oktober 2008, sondern enthalte eine Verwaltungszwangsmaßnahme, die als Verwaltungsakt zu qualifizieren sei. Es bestehe kein Anlass, den Höchstbeitrag zu verlangen.

Mit Gerichtsbescheid vom 10. November 2009, der Klägerin am 12. November 2009 zugestellt, hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 3. November 2008 nicht um einen Verwaltungsakt handele. Die Beklagte habe entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen Angaben der Klägerin zur Höhe der Einkünfte angefordert und für den Fall des Ausbleibens von Angaben die Festsetzung der Höchstbeiträge angekündigt. Eine Regelung im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) beinhalte das Schreiben nicht.

Am 1. Dezember 2009 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie trägt vor, mittlerweile habe die Beklagte erneut eine Einkommenserklärung unter Androhung eines Beitrags in Höhe von 597,19 EUR monatlich angefordert, obwohl sich an den Verhältnissen nichts geändert habe und die Rentengewährung derzeit gerichtlich geklärt werde. Nur das Nichtausfüllen eines Vordrucks könne nicht zu einer rechtswidrigen Beitragsklasseneinstufung führen. Davon zu trennen sei der Umstand, dass man bei eigentlich bestehender Mitteilungspflicht mit den Vordrucken regelrecht genervt werde. Das Schreiben vom 3. November 2008 sei entsprechend der Aufforderung nach § 51 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Auch bei der letztgenannten Vorschrift trete die Rechtsfolge nur ein, wenn einer Aufforderung nicht gefolgt werde. Die Rechtsfolge bestehe darin, dass der Höchstbeitrag festgesetzt werde, wenn der Vordruck nicht ausgefüllt werde. Eine Rechtsgrundlage hierfür existiere nicht. Erst gegen den Beitragsfestsetzungsbescheid vorzugehen, sei mit einem hohen haftungsrechtlichen Risiko verbunden. Die rechtswidrige Zwangsmaßnahme der Beklagten habe nötigenden Charakter.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. November 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 3. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2009 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 3. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2009 rechtswidrig war, und hilfsweise festzustellen, dass die Vorgehensweise der Beklagten rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Denn das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die erstmals im Berufungsverfahren hilfsweise geltend gemachte Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig.

Der Hauptantrag der Klägerin war auszulegen. Denn die Klägerin verfolgt damit eine Anfechtungsklage, mit der der Hinweis im Schreiben vom 3. November 2008, dass bei Nichtvorlage einer Einkommenserklärung für die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung der Höchstbeitrag festgesetzt werde, aufgehoben werden soll. Sinngemäß handelt es sich dabei um eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes feststellen. Denn schon vor Klageerhebung hat die Beklagte eine beitragsfreie Versicherung der Klägerin festgestellt, womit sich der Hinweis, der nach Auffassung der Klägerin als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, gemäß § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt hat. Deshalb ist der Antrag der Klägerin dahingehend auszulegen, dass jedenfalls hilfsweise die Feststellung begehrt wird, dass der Bescheid der Beklagten vom 3. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2009 rechtswidrig war.

Sowohl die ursprünglich geltend gemachte Anfechtungs- als auch die sinngemäß erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage sind unzulässig, da kein Verwaltungsakt vorliegt. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Anfechtungs- und Fortsetzungsfeststellungsklage ist das Vorliegen (und nicht nur das Behaupten) eines Verwaltungsaktes (so schon Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. Januar 1975, 5 RKnU 12/74, SozR 2200 § 628 Nr. 1 mwN; BSG, Urteil vom 29. Januar 2003, B 11 AL 47/02 R, juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 131 Rdnr. 9 mwN). Verwaltungsakt ist gemäß § 31 Satz 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge setzt (z.B. BSG, Urteil vom 21. Mai 1996, 12 RK 67/94, SozR 3-2200 § 306 Nr. 2 mwN). Die Regelung muss die Rechtsstellung einer Person damit ohne weiteren Umsetzungsakt berühren, das heißt durch die Maßnahme müssen ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt oder abgelehnt werden (BSG, Urteil vom 4. Oktober 1994, 7 KlAr 1/93, SozR 3-4100 § 116 Nr. 2; von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 5. Auflage, § 31 Rdnr. 24 mwN).

Im vorliegenden Fall wird durch den Hinweis der Beklagten, dass der Höchstbeitrag (in der Zukunft) festgesetzt werde, wenn die Einkommenserklärung nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abgegeben wird, gerade derzeit der Höchstbeitrag noch nicht festgesetzt. Somit wird das Recht, den Höchstbeitrag zu fordern, mit dem Hinweis noch nicht verbindlich festgestellt. Insofern wird noch keine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt. Hierin besteht auch der Unterschied zu der von der Klägerin in Bezug genommenen Vorschrift des § 51 SGB V. Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V kann die Krankenkasse Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert ist, eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen haben. Stellen Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, entfällt gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 SGB V der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist. Im Übrigen bewirkt diese Aufforderung eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Versicherten, da er einen solchen Antrag nur noch mit Zustimmung der Krankenkasse wirksam zurücknehmen oder beschränken kann (vgl BSG, Urteil vom 26. Juni 2008, B 13 R 37/07 R, SozR 4-2500 § 51 Nr. 2 mwN). Ein damit vergleichbarer unmittelbarer Eingriff in die Rechtsposition der Klägerin ist vorliegend nicht gegeben. Weder tritt nach Ablauf der Frist kraft Gesetzes eine Mitgliedschaft zum Höchstbeitrag ein noch hat der Hinweis sonstige unmittelbaren Rechtswirkungen.

Die Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Gegenstand der begehrten Feststellung unter § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG fällt, die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat und der Vorrang der Leistungsklage nicht eingreift. Die Feststellung, dass die Vorgehensweise der Beklagten rechtswidrig war, ist zu unbestimmt und läuft lediglich auf die gewünschte Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage hinaus. In Verbindung mit dem Klage- und Berufungsvortrag könnte das Begehren noch dahingehend ausgelegt werden, die Klägerin begehre die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt war, im Rahmen des die Pflichtversicherung als Rentenantragstellerin betreffenden Verwaltungsverfahrens auf die Festsetzung des Höchstbeitrages bei Nichtvorlage einer Einkommenserklärung hinzuweisen. Eine derartige Feststellung beträfe aber bloße Vorfragen oder unselbständige Elemente eines Rechtsverhältnisses, die ebenfalls nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein können (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010, 8 C 19/09, veröffentlicht in juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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