L 11 R 5867/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 3108/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5867/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 3. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 29. Februar 2008 hinaus.

Die 1959 geborene Klägerin erlernte keinen Beruf und war zuletzt bis August 2001 als Raumpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist sie arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos und bezieht derzeit Arbeitslosengeld II.

Aufgrund eines Antrages auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 20. Dezember 2001, der als Rentenantrag gewertet wurde, gewährte die Rechtsvorgängerin der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg der Klägerin wegen einer am 13. August 2001 eingetretenen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 10. März 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. März 2002 bis 30. November 2004. Grundlage war das sozialmedizinische Gutachten des Dr. L. vom 3. Februar 2003. Die Klägerin sei psychisch so sehr belastet, dass von einer erheblichen Leistungsbeeinträchtigung in Bezug auf das Erwerbsleben ausgegangen werden müsse.

Aus der vom 29. Juni 2004 bis 27. Juli 2004 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik O. wurde die Klägerin mit den Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung mit gegenwärtig ausgeglichener Stimmungslage, einer Persönlichkeit mit ausgeprägten ängstlich-vermeidenden und asthenischen Anteilen, einem Hyperventilationssyndrom, Zustand nach posttraumatischer Epilepsie (anfallsfrei ohne Medikation seit 1997) und einem funktionell statischen degenerativen Wirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenvorfall C5/C6 mit Spinalkanalstenose entlassen. Sowohl für die Tätigkeit als Raumpflegerin als auch für sonstige leichte Arbeiten, die klar vorstrukturiert seien und keinen besonderen Zeit- und Verantwortungsdruck beinhalteten, wurde die Klägerin für maximal vier Stunden täglich als leistungsfähig erachtet. Daraufhin gewährte die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 30. November 2007 (Bescheid vom 19. August 2004).

Am 18. Juli 2007 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente über den Wegfallzeitpunkt hinaus.

Da die Klägerin zeitweise ihren Wohnsitz in die Niederlande verlegt hatte, konnte eine von der Beklagten beabsichtigte Begutachtung zunächst nicht stattfinden. Nachdem die Klägerin jedenfalls ihren Zweitwohnsitz wieder in der Bundesrepublik Deutschland genommen hatte, erstattete Hausärztin Dr. L. den Befundbericht vom 15. November 2007. Bei der Klägerin liege aufgrund eines multimorbiden Geschehens Erwerbsunfähigkeit vor. Im Vordergrund stünden psychische Probleme bei chaotischen Familienverhältnissen.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 verlängerte die Beklagte wegen der noch andauernden medizinischen Ermittlungen die Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 29. Februar 2008 und holte das sozialmedizinische Gutachten der Dr. Z.-R. vom 11. Februar 2008 ein. Diese stellte eine Stabilisierung der Klägerin im Vergleich zu den Vorbegutachtungen fest und kam zum Ergebnis, der Klägerin seien leichte bis teilweise mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich bei Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen möglich, nicht aber die letzte Tätigkeit als Reinigungskraft.

Mit Bescheid vom 6. März 2008 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung über den Wegfallmonat Februar 2008 hinaus ab, weil die Klägerin nicht mehr voll oder teilweise erwerbsgemindert sei.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, eine Besserung ihres Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten.

Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei (ua die Arztbriefe des Psychiaters Dr. S. vom 12. November 2007 und 1. April 2008 und des Neurologen und Psychiaters Dr. J. vom 21. September 2007 und 26. November 2007) und holte den Befundbericht der Dr. L. vom 15. April 2008 ein, die ihre ursprüngliche Einschätzung bestätigte. Dr. S. diagnostizierte eine gemischte Störung mit Angst und Depression und flüchtigen psychotischen Symptomen bei guter Kontaktfähigkeit, affektiver Schwingungsfähigkeit, aber deutlich reduzierter Vitalität und energetischem Potenzial. Fraglich sei, ob die Klägerin wirklich in der Lage sei, einer normalen Tätigkeit nachzugehen. Dr. J. hat in Bezug auf das zerebrale Anfallsleiden keinen neurologischen Handlungsbedarf gesehen.

Zur Aufklärung des Sachverhalts veranlasste die Beklagte eine nervenärztliche Begutachtung. Neurologin und Psychiaterin Dr. M. diagnostizierte im Gutachten vom 29. Mai 2008 bei der Klägerin eine leichte depressive Störung, eine Anpassungsstörung, ein degeneratives HWS- und LWS-Syndrom und einen Kombinationskopfschmerz. Die Klägerin sei wieder in der Lage, leichte Tätigkeiten unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig zu verrichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach dem Untersuchungsergebnis und in Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen sei die Klägerin wieder fähig, leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten.

Dagegen hat die Klägerin am 3. September 2008 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und nochmals darauf hingewiesen, dass sich die gesundheitlichen Einschränkungen nicht gebessert hätten.

Um zu prüfen, ob Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht kommen, hat die Beklagte das Gutachten des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin Dr. W. vom 12. März 2009 eingeholt und dem SG vorgelegt. Dr. W. hat eine leichte chronische Anpassungsstörung mit geringer Dysthymie und Somatisierung, eine vorbeschriebene Lumbalgie und Cervicalgie bei bekannten leichten Bandscheibenschäden (erscheinungsfrei) und aktuell eine neu aufgetretene Coxalgie links ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigung diagnostiziert. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, auch die Tätigkeit als Reinigungskraft, könne die Klägerin noch vollschichtig ausüben. Zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes hat Dr. W. eine psychosomatische Rehabilitationsbehandlung empfohlen.

Auf Veranlassung der Beklagten hat sich die Klägerin deshalb vom 9. Juni 2009 bis 7. Juli 2009 in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. in M. befunden. Die Klägerin wurde für in der Lage erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten sechs bis sieben Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben.

Mit Urteil vom 3. Dezember 2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin könne nach dem Entlassungsbericht der Psychosomatischen Klinik noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein und sei deswegen nicht erwerbsgemindert.

Mit der am 7. Dezember 2009 beim SG eingelegten Berufung hat sich die Klägerin auf ihren bisherigen Vortrag bezogen und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Sie ergänzt, Hausärztin Dr. L. behandele sie schon seit zehn Jahren. Es sei dringend erforderlich, ein ausführliches Gutachten dieser Ärztin einzuholen. Sie sei zur Zeit psychisch am Ende. Der Ehemann habe nicht immer Arbeit und ein Sohn sei in der Justizvollzugsanstalt U. inhaftiert.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 3. Dezember 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. März 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Mit Beschluss vom 15. Februar 2010 hat der Senat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg der Berufung abgelehnt.

Der Senat hat noch den Befundbericht der Dr. L. vom 5. März 2010 eingeholt. Dr. L. hat ausgeführt, der Gesundheitszustand der Klägerin sei unverändert. Es liege eine schwere Angststörung, eine depressive Störung, eine Persönlichkeitsstörung, Grand-mal-Anfälle bei Zustand nach Schädelhirntrauma, eine Migräne, ein Bandscheibenvorfall im HWS-Bereich und ein Bandscheibenvorfall im LWS-Bereich vor. Dr. L. hat verschiedene Arztbriefe beigefügt, ua des Dr. S. vom 5. Januar 2010 (neuerliche Vorstellung der Klägerin nach neun Monaten und Bericht über die Kur sowie die Verlegung des Sohnes nach U. in den Vollzug), des Dr. J. vom 25. Februar 2010 (weiterhin unauffälliger Befund) und des Kardiologen Dr. Y. vom 12. Januar 2010 (bekanntes Mitralprolaps-Syndrom mit geringer Mitralinsuffizienz).

Die Klägerin hat noch das ärztliche Attest der Dr. L. vom 28. Oktober 2002 vorgelegt und nach Hinweis des Senats, dass ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen werden kann, auf eine am 24. März 2010 erfolgte CT-Untersuchung der HWS, eine Vorstellung bei Orthopäde Dr. H. und eine weitere Untersuchung wegen eines Muskelfaserrisses hingewiesen und gebeten, die Stellungnahme des Versorgungsamtes abzuwarten, bei dem sie die Unterlagen ebenfalls eingereicht habe. Ferner hat die Klägerin das Attest über die Behandlung am 16. April 2010 durch Chirurg Dr. K. und die ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. H. vom 14. April 2010 mit Arztbrief der Radiologin Dr. B. vom 24. März 2010 vorgelegt. Dr. H. hat nach kernspintomographischer Untersuchung zwei Bandscheibenvorfälle bei deutlich osteodegenerativen Veränderungen, eine Retrospondylose, eine Einengung der Neuroforamina sowie eine Einengung des Spinalkanales bei chronischen Wirbelsäulenbeschwerden mit Drehschwindel und statische Fußbeschwerden diagnostiziert. Zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit sei dringend eine wechselnde Tätigkeit ohne Zwangshaltung, ohne das Heben und Tragen von schwereren Gegenständen, ohne häufiges Begehen von Treppen und Leitern und ohne häufiges Bücken zu empfehlen. Der Arbeitsplatz sollte sich in trockenen wohltemperierten Räumen befinden.

Schließlich hat die Klägerin auf die am 23. Juni 2010 anstehende Kernspintomographie der LWS hingewiesen und die Arztbriefe des Orthopäden Dr. H. vom 27. Mai 2010 (chronische Schmerzen der HWS und LWS mit akuter Verschlechterung, nur leichtgradige Einschränkung der Beweglichkeit der LWS), des Kardiologen Dr. Y. vom 29. April 2010 (Mitralprolaps-Syndrom, Neigung zu atrialen Arrhythmien und rezidivierenden symptomatischen Sinustachykardien, hypotone Kreislaufregulationsstörung mit Kreislaufkollaps unter Hinweis auf eine Verschlechterung des klinischen Zustandes in den letzten Jahren, niedrigen Blutdruck, Leistungsminderung und Antriebsschwäche) und des Dr. S. vom 18. Mai 2010 (Hinweis auf ein chronisches Krankheitsbild, welches die Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtige) vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 29. Februar 2008 hinaus.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenan-passungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I 2007, 554). Denn gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden gemäß § 302b SGB VI keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGBVI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGBVI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweiserhebungen sowie unter Berücksichtigung der von der Beklagten eingeholten Gutachten, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden können, fest, dass die Klägerin nicht (mehr) erwerbsgemindert ist. Denn sie ist wieder in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Der Senat stützt sich insoweit nicht nur auf den Entlassungsbericht der Psychosomatischen Klinik Schloss W. in M., sondern auch auf die übereinstimmenden Gutachten der Dr. M. vom 29. Mai 2008, der Dr. Z.-R. vom 11. Februar 2008 und des Dr. W. vom 12. März 2009. Übereinstimmend gehen die Ärzte davon aus, dass der Klägerin noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich möglich sind.

Im Vordergrund der Leistungsbeurteilung steht die psychiatrische Erkrankung der Klägerin.

Dr. Z.-R., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und Sozialmedizin, hat im Gutachten vom 11. Februar 2008 vor allem eine Persönlichkeitsstörung mit emotional instabiler/ängstlich vermeidender depressiver Komponente und Anfallsfreiheit nach posttraumatischer Epilepsie bis 1997 nach Schädelhirntrauma in den 80er Jahren diagnostiziert. Die Klägerin hat während der Begutachtung über keine psychotischen Symptome berichtet, zudem eine gute Teilhabe in der Gesellschaft gezeigt, den (damals noch aus fünf Personen bestehenden) Haushalt bewältigt, jährlich ihren Urlaub in der Türkei verbracht und erst im Rahmen des Weitergewährungsantrags (nach Rentenbezug bis Februar 2008) wieder monatlich den Psychiater Dr. S. aufgesucht, jedoch kein Antidepressivum eingenommen. Trotz Angabe, ermüdet zu sein, hat die Klägerin auch nach zweistündiger Begutachtung konzentriert mitgearbeitet. Deshalb hat die Gutachterin nachvollziehbar und schlüssig eine Stabilisierung festgestellt und die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten ohne häufigen Publikumsverkehr, ohne erhöhte Anforderung an Anpassung und Umstellung, ohne häufige Zwangshaltungen und ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten über sieben bis zehn Kilogramm noch mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Dieser Leistungsbeurteilung hat sich die Neurologin und Psychiaterin Dr. M. im Gutachten vom 28. Mai 2008 angeschlossen. Sie hat eine ua eine leichte depressive Störung, eine Anpassungsstörung und einen Kombinationskopfschmerz diagnostiziert. Die Stimmung war nur leicht depressiv und die Klägerin ist in der Lage, ihren Haushalt zu versorgen, Spaziergänge zu machen und Haustiere zu versorgen.

Dr. W. hat im Gutachten vom 12. März 2009 insbesondere eine leichte chronische Anpassungsstörung mit geringer Dyshtymie und Somatisierung diagnostiziert. Der Tagesablauf der Klägerin ist nach den Feststelllungen des Dr. Wenzel nicht eingeschränkt. Die Klägerin beschäftigt sich mit Fernsehen, Lesen, Aktivitäten am PC, Haushaltsarbeiten, Fahrradfahren und Spaziergängen, um unter die Leute zu kommen. Psychopathologisch hat Dr. W. keine Auffälligkeiten finden können, alle Funktionsbereiche sind unbeeinträchtigt gewesen. Damit hat sich lediglich eine psychosoziale Regressionshaltung gefunden, weswegen Dr. W. eine Rehabilitationsbehandlung vorgeschlagen hat. Befunde, die das Leistungsvermögen zeitlich einschränken könnten, hat Dr. W. jedoch ebenfalls nachvollziehbar nicht festgestellt.

Schließlich hat sich das mindestens sechsstündige Leistungsvermögen der Klägerin in der vom 9. Juni 2009 bis 7. Juli 2009 durchgeführten stationären Rehabilitation in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. bestätigt. Verhaltensanalytisch ist zwar als verschlimmernde Bedingung die Inhaftierung des (mittlerweile außer Haus lebenden) Sohnes hinzugekommen, jedoch hat auch Dr. G. insgesamt eine deutliche Befundverbesserung festgestellt. Die Klägerin ist bewusstseinsklar gewesen bei aktuell ausgeglichener Stimmungslage, allerdings verflachter affektiver Schwingungsfähigkeit. Der Antrieb ist normal, der Gedankengang leicht aufgelockert und sprunghaft gewesen. Geschilderte nächtliche halluzinatorische Erlebensweisen waren wenig affektbelastet. Ich-Störungen, weitergehende halluzinatorische Erlebensweisen, Wahngedanken oder ähnliche psychotische Symptome haben völlig gefehlt. Deshalb ist auch Dr. G. nachvollziehbar und schlüssig zu dem Ergebnis gekommen, dass nur qualitative, aber keine quantitativen Leistungseinschränkungen vorliegen.

Diesen übereinstimmenden ärztlichen Aussagen zum Leistungsvermögen der Klägerin schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Die von Dr. S. - den die Klägerin zuletzt nur noch sporadisch aufgesucht hat - aufgeworfene Frage, ob die Klägerin wirklich in der Lage sei, einer normalen Tätigkeit nachzugehen, ist damit (zu Ungunsten der Klägerin) geklärt. Der Beurteilung der Hausärztin Dr. L., die sie im Verwaltungsverfahren geäußert hat, kann nicht gefolgt werden. Denn Befunde nennt Dr. L. - im Gegensatz zu den oben zitierten Gutachtern - nicht und verweist lediglich auf die im Vordergrund stehende psychische Beeinträchtigung. Die Gesundheitsstörungen auf diesem Gebiet sind jedoch durch die drei Gutachten abgeklärt. Eine Verschlechterung schildert Dr. L. im Bericht vom 5. März 2010 nicht, so dass sich auch keine Anhaltspunkte einer Verschlechterung der Gesundheitsstörungen ergeben. Mit dem von der Klägerin im Berufungsverfahren noch vorgelegten Attest der Dr. L. vom 28. Oktober 2002 kann im Übrigen der Gesundheitszustand der Klägerin ab dem Jahr 2008, auf den es in diesem Verfahren ankommt, nicht belegt werden. Insgesamt ist die Beurteilung der Dr. L. deshalb nicht nachvollziehbar. Wegen der psychiatrischen Gesundheitsstörungen muss die Klägerin daher (nur) häufigen Publikumsverkehr und erhöhte Anforderung an Anpassung und Umstellung vermeiden, kann Tätigkeiten unter Beachtung dieser Einschränkungen jedoch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet liegen des Weiteren eine Wirbelsäulenfehlstatik mit degenerativen Aufbraucherscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie Spinalkanaleinengung der Halswirbelsäule mit endgradiger Bewegungshemmung (Dr. Z.-R.), eine Coxalgie links ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigung (Dr. W.) und eine funktionelle Sinustachykardie bei bekanntem Mitralklappenprolaps und normaler kardialer Belastungstoleranz vor (Dr. Z.-R.). Jedoch resultieren hieraus keine wesentlichen Funktionsstörungen.

Insbesondere bezüglich der orthopädischen Gesundheitsstörungen sind die Bewegungen maximal leichtgradig eingeschränkt. Dem radiologischen Bericht der Dr. B. können keine weitergehenden Funktionseinschränkungen entnommen werden. Den von Dr. H. in der ärztlichen Bescheinigung vom 14. April 2010 genannten radiologischen Befunden und Beschwerden durch die Wirbelsäulenbeschwerden mit Drehschwindel sowie den statischen Fußbeschwerden kann - offensichtlich schon nach Auffassung des Dr. H. selbst - ausreichend mit qualitativen Leistungseinschränkungen Rechnung getragen werden. Auch im Arztbrief des Dr. H. werden keine weitergehenden Funktionsstörungen beschrieben. Die Beweglichkeit der LWS ist nur leichtgradig eingeschränkt gewesen, die sensomotorische Untersuchung der unteren Extremitäten hat keinen pathologischen Befund erbracht. Deshalb sind Tätigkeiten in Wechselhaltung auszuüben, zu vermeiden sind Tätigkeiten mit Zwangshaltung, mit Heben und Tragen schwerer Gegenstände, mit häufigem Begehen von Treppen und Leitern und mit häufigem Bücken. Weder haben Dr. H. oder Dr. H. eine zeitliche Einschränkung mitgeteilt noch sind Gründe für eine solche ersichtlich.

Einen weitergehenden Befund nennt schließlich Chirurg Dr. K. im Attest vom 16. April 2010 nicht. Daraus ergibt sich lediglich, dass die Klägerin an diesem Tag von 9.00 Uhr bis 10.00 Uhr zur Behandlung in seiner Praxis war. Nach dem Vortrag der Klägerin hat es sich dabei um die Behandlung eines Muskelfaserrisses gehandelt. Ein solcher kann zwar kurzzeitige Arbeitsunfähigkeit, jedoch nicht eine länger andauernde Erwerbsminderung begründen. Aus dem Arztbrief des Dr. Y. ergeben sich keine weiteren Funktionsstörungen. Sowohl die Sinustachykardie als auch der Mitralklappenprolaps sind bekannt. Die Angabe einer Verschlechterung in den letzten Jahren mit Leistungsminderung und Antriebsschwäche kann ohne Angabe objektiver Befunde, wie zB der Blutdruckwerte und eines Ruhe- und Belastungs-EKG, nicht nachvollzogen werden. Noch während der letzten Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2009 lagen die Blutdruckwerte während der gesamten Zeit im unteren Normbereich, Einschränkungen der Aktivitäten durch die Herzerkrankung wurden nicht geschildert. Auch Dr. W. hat keine Funktionsstörungen diesbezüglich feststellen können. Anhaltspunkte für eine wesentliche Verschlechterung der Erkrankung auf kardiologischem Fachgebiet in den letzten Jahren finden sich daher nicht.

Die Bewertung der Gesundheitsstörungen im Rahmen des Antrags der Klägerin auf Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) musste nicht abgewartet werden. Denn der GdB nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch ist für die rentenversicherungsrechtliche Beurteilung einer im konkreten Einzelfall noch vorhandenen Leistungsfähigkeit nicht geeignet (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juli 2003, L 11 RJ 513/03; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2002, L 11 RJ 3713/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Juni 1997, L 6 J 233/96; juris).

Schließlich hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben gemäß § 240 Abs. 1 SGB X in den ab 1. Januar 2001 geltenden Fassungen (zuletzt durch Art 1 Nr. 61 des RV-Altersgrenzenan-passungsgesetzes) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist gemäß § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB VI stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist gemäß § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Deshalb besteht ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann, wenn der bisherige Beruf (Hauptberuf) nicht mehr ausgeübt werden kann, sondern erst, wenn der Versicherte nicht auf eine zumutbare andere Tätigkeit verwiesen werden kann. Das Gesetz verlangt dazu einen zumutbaren beruflichen Abstieg. Um bestimmen zu können, auf welche Berufe der Versicherte verweisbar ist, hat die Rechtsprechung des BSG ein sogenanntes Mehrstufenschema entwickelt, das die Angestellten- und Arbeiterberufe in mehrere, durch unterschiedliche "Leitberufe" charakterisierte Gruppen untergliedert. Hiernach sind sowohl für gewerbliche als auch für Angestellten-Berufe mittlerweile sechs Stufen zu unterscheiden (zuletzt BSG, Beschluss vom 27. August 2009, B 13 R 85/09 B, juris). Die erste Stufe bilden dabei ungelernte Berufe, auf der zweiten Stufe folgen Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Angelernte). Grundsätzlich darf im Rahmen des Mehrstufenschemas der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten der gleichen oder jeweils nächstniedrigeren Gruppe verwiesen werden (BSG, Urteil vom 24. März 1983, 1 RA 15/82, SozR 2200 § 1246 Nr 107; zuletzt BSG, Beschluss vom 27. August 2009, B 13 RJ 85/09 B, aaO). Dabei zerfällt die Stufe der Angelernten in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994, 13 RJ 35/93, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Eine konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist grundsätzlich (Ausnahmen: sog Unüblichkeitsfälle oder Seltenheitsfälle) nur dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein sog einfacher Angelernter (Stufe 2, aber Ausbildung bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004, B 4 RA 5/04 R, juris). Angelernte des oberen Bereiches können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale wie z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994, 13 RJ 35/93, aaO mwN).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verwaltungstätigkeit richtet sich somit nach der Wertigkeit des Hauptberufs. Die Klägerin war zuletzt als Raumpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt. Diese Tätigkeit ist als ungelernte Tätigkeit einzustufen und somit ist ausreichend, dass die Klägerin bestimmte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch ausüben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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