L 10 KR 38/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 7 KR 82/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 38/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Grippeimpfstoff/Vergabe/Apotheke/Unterlassung
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 2,5 Millionen Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, welche Folgen ein Vergabeverfahren bezüglich eines Impfstoffes für die Apotheken hat, welche am Ausschreibungsverfahren nicht teilgenommen bzw. den Zuschlag nicht erhalten haben. Weiter rügt der Antragsteller zu 1) eine Verletzung seiner Rechte als Landesapothekerverband.

In den vergangenen Jahren bezogen die Vertragsärzte regelmäßig saisonale Grippeimpfstoffe direkt von einer Apotheke ihrer Wahl als sogenannten Sprechstundenbedarf. Als Sprechstundenbedarf bezeichnet man u. a. solche Arzneimittel, die ein Arzt in seiner Praxis verfügbar hält, weil sie ihrer Art nach bei mehr als einem Patienten angewendet werden oder bei Notfällen zur Verfügung stehen müssen. Solche Mittel und Gegenstände verordnet der Arzt nicht - wie sonst üblich - dem einzelnen Patienten mit Hilfe einer sogenannten Individualverordnung. Er stellt vielmehr eine sogenannte Sprechstundenbedarfsverordnung aus. Dabei verwendet der Arzt zwar dasselbe Formular wie für ein Individualrezept, doch er verordnet damit kein Mittel für einen bestimmten Patienten, sondern bestellt den Sprechstundenbedarf für seine eigene Praxis.

Am 30. September 2009 machte die IKK gesund plus, handelnd für sämtliche gesetzlichen Krankenkassen in Sachsen-Anhalt (die übrigen Antragsgegnerinnen) im Amtsblatt der Europäischen Union eine Ausschreibung bekannt. Gegenstand war die Lieferung von saisonalem Grippeimpfstoff im Sprechstundenbedarf entsprechend der Leistungsbeschreibung für die Versicherten der Krankenkassen im Bundesland Sachsen-Anhalt. Hierzu solle - aufgeteilt in drei Regionallose - der Abschluss von Rahmenvereinbarungen erfolgen. Zur Menge heißt es, in der Grippesaison 2008/2009 seien 371.992 Impfdosen verabreicht worden (Los Region M. ). In den Ausschrei-bungsunterlagen heißt es u. a.: "Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die künftigen Mengen der benötigten Grippeimpfstoffe insbesondere von der Nachfrage der Versicherten nach Grippeschutzimpfungen und dem Verordnungsverhalten der Ärzte abhängen. Die Auftraggeber haben keine Berechtigung, den verordnenden Ärzten eine bestimmte Apotheke zum Bezug der Impfstoffe vorzuschreiben. Weiterhin kann die abgerufene Menge auch von Ereignissen höherer Gewalt (z.B. Eintritt von Pandemien) abhängen. ( )

Gleichwohl garantieren die Auftraggeber zur Sicherung von Absatzvolumina während der Vertragslaufzeit Exklusivität in der Form, dass sie zusichern, mit keinem anderen Auftragnehmer einen Vertrag über die Lieferung saisonaler Grippeimpfstoffe zu schließen.

Außerdem sind Regelungen vorgesehen, wie die Auftraggeber und der/die Auftragnehmer gemeinsam auf die Ärzte zum Bezugsweg der Impfstoffe einwirken werden bzw. unterstützend tätig werden".

Im Februar 2010 erhielt die M. S. -Apotheke den Zuschlag für das Los Region M ... Mit dieser wurde nachfolgend der angekündigte Rahmenvertrag geschlossen.

Im Weiteren informierten die Antragsgegnerinnen alle Vertragsärzte in einem Musterschreiben über die nach ihrer Sichtweise eingetretenen Rechtsfolgen der Vergabeentscheidung (vgl Anlage K 14, Bl. 82 GA). Darin wird ausgeführt, dass die S. -Apotheke nun allein berechtigt sei, die Versorgung mit Grippeimpfstoff durchzuführen. Weiter heißt es: "Als Vertragsarzt sind sie nunmehr verpflichtet, den Grippeimpfstoff für die Saison 2010/2011 bei der S. -Apotheke A. H. in M. zu bestellen. Bei Einhaltung dieses Bezugsweges sind Sie vor Regressforderungen wegen unwirtschaftlichen Bezuges von Grippeimpfstoff geschützt! Nach der Spruchpraxis der Bundesvergabekammer sind ausgeschriebene Waren ausschließlich bei dem Ausschreibungsgewinner zu bestellen. Waren, die nicht über den Ausschreibungsgewinner bezogen werden, sind nicht zu erstatten (vgl. Beschluss der Bundesvergabekammer vom 22. Januar 2009, AZ VK 3-191/08)."

Ferner haben die Antragsgegnerinnen Musterschreiben an die Apotheker versandt, wonach keine Vergütung erfolge, wenn der Grippeimpfstoff von einer anderen Apotheke als der S. -Apotheke geliefert würde. Allein diese sei lieferberechtigt.

Am 23. März 2010 haben die Antragsteller Klage erhoben und zugleich eine einstweilige Anordnung beantragt, um ihre angeblich unverändert fortbestehende Liefer- und Abrechnungsberechtigung klären und zugleich den Antragsgegnerinnen untersagen zu lassen, die Vertragsärzte unter Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot zu verpflichten, die Grippeimpfstoffe ausschließlich bei der S. -Apotheke in M. zu bestellen.

Der Antragsteller zu 1) ist der Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt e.V. als Interessenvertretung der Apothekenleiter in Sachsen-Anhalt. Nach eigenen Angaben vertritt er die Interessen von ca. 500 sachsen-anhaltinischen Apothekenleitern und damit 95 Prozent der Apotheken. In Sachen-Anhalt ist er die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Organisation der Apotheker auf Landesebene im Sinne des § 129 Abs. 5 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 2 seiner Satzung verfolgt der Antragsteller zu 1) den Zweck, die wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen gemeinsamen Interessen der Apotheker im Land Sachen-Anhalt wahrzunehmen und nach außen zu vertreten. Besondere Aufgabe des Verbandes ist danach auch der Abschluss von Verträgen und Vereinbarungen mit Krankenkassen und anderen Kostenträgern sowie der Abschluss weiterer Verträge zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sowie die Durchfüh-rung sonstiger allgemeiner die Interessen des Berufsstandes betreffender Verträge und Vereinbarungen. Die Verträge und Vereinbarungen haben nach § 2 seiner Satzung Rechtswirkung für die Mitglieder des Apothekerverbandes, die eine Apotheke leiten.

Der Antragsteller zu 2) ist Inhaber einer Apotheke in M. und hat sich an der Ausschreibung beteiligt. Er hat vorgetragen vor, er habe in der Vergangenheit saisonalen Grippeimpfstoff als sogenannten Sprechstundenbedarf an etwa 10 Arztpraxen geliefert und beabsichtige, dies auch weiterhin zu tun. In der Impfsaison 2008/2009 hätte seine Apotheke rund 2.300 Impfdosen geliefert und damit rund 34.000 EUR umgesetzt. In der nachfolgenden Impfsaison sei die Zahl der gelieferten Dosen auf rund 2.500 und der Umsatz auf rund 44.000 EUR gestiegen. Ein Verfahren des Antragstellers zu 2) um einstweiligen Rechtschutz gegen die Vergabeentscheidung vor dem LSG Nordrhein-Westfalen war erfolglos; seine Klage ist dort noch anhängig.

Der Antragsteller zu 3) ist ebenfalls Inhaber einer Apotheke; er war jedoch an dem Ausschreibungsverfahren nicht beteiligt. Er hat mit Grippeimpfstoffen im Kalenderjahr 2009 einen Umsatz von rund 143.000 EUR getätigt. Er beabsichtigt, weiterhin saisonalen Grippeimpfstoff als Sprechstundenbedarf an Arztpraxen zu liefern.

Die Antragsteller meinen, die Antragsgegnerinnen verletzten durch die Musterschreiben an die Ärzte und Apotheker ihre Neutralitätspflichten. Eine solche exklusive Stellung ergebe sich nicht durch das Vergabeverfahren. Sie bzw. die Mitglieder des Antragstellers zu 1) seien weiter lieferberechtigt zu den handelsüblichen Preisen.

Der Antragsteller zu 1) hat zusätzlich geltend gemacht, die Antragsgegnerinnen griffen durch das Vergabeverfahren und die nachfolgenden Musterschreiben an Ärzte und Apotheker in seine Rechte nach § 129 Abs. 5 SGB V ein. Faktisch liege eine unzulässige Teilkündigung der mit ihm abgeschlossenen Lieferverträge zwischen Apotheken und den Krankenkassen vor. Zu der Frage der Eilbedürftigkeit haben die Antragsteller zu 2) und 3) auf ihre Umsätze mit dem hier umstrittenen Grippeimpfstoff verwiesen. Auf den Einwand der Antragsgegnerinnen, diese machten nicht einmal zwei Prozent ihres Umsatzes aus, haben sie vorgetragen, diese Verluste stellten auf jeden Fall wesentliche Nachteile im Sinne von § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dar. Eine Existenzgefährdung müsse nicht vorliegen.

Weiter haben die Antragsteller vorgetragen, in dem Vergabeverfahren sei erkennbar davon ausgegangen worden, dass die Apotheken, die sich am Verfahren nicht beteilig-ten bzw. keinen Zuschlag erhielten, weiter lieferberechtigt blieben. Nur deshalb habe der Antragsteller zu 3) auch davon abgesehen, ein Angebot abzugeben. Nunmehr behaupteten die Antragsgegnerinnen überraschend, der Bezug dürfe nur noch über die S. -Apotheke in M. erfolgen und die Lieferungen durch andere Apotheken würden nicht mehr vergütet.

Die Antragsgegnerinnen haben gerügt, es liege eine anderweitige Rechtshängigkeit vor, da faktisch die gleichen Fragen behandelt würden, wie dies bereits im Vergabeverfahren geschehen sei.

Mit Beschluss vom 9. Juni 2010 hat das Sozialgericht Magdeburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der nunmehr von den Antragstellern gewählte Weg, nach Abschluss des Vergabeverfahrens erneut die Sozialgerichte anzurufen, unzulässig sei. Sämtliche Einwendungen hätten im Ausschreibungsverfahren vorgebracht werden können und müssen. Die Antragsteller hätten auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Es sei nicht erkennbar, welche schweren und unzumutbaren Nachteile entstünden, deren nachträgliche Beseitigung mit der Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr möglich sei. Es stehe den Antragstellern zu 2) und 3) frei, später eine Schadenersatzklage zu erheben.

Gegen den Beschluss haben die Antragsteller am 10. Juni 2010 Beschwerde eingelegt und betont, es ginge nicht um die Ausschreibung als solche, sondern um die Konsequenzen aus dieser Ausschreibung und insbesondere um die Frage nach einem Exklusivlieferrecht des Ausschreibungsgewinners. Damit habe das Sozialgericht den Kern der Auseinandersetzung nicht erkannt. Soweit das Sozialgericht bei der Frage des Anordnungsgrundes auf eine Existenzgefährdung abstelle, verstoße dies gegen eine gefestigte sozialgerichtliche Rechtsprechung.

Schadenersatzklagen könnten nicht geführt werden. Denn es werde nicht nachweisbar sein, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerinnen für Umsatzverluste kausal gewesen sei. Man werde sich dem Einwand ausgesetzt sehen, dass die Grippeimpfstoffbestellung möglicherweise ohnehin ganz oder teilweise über andere Apotheken gelaufen wäre. Es sei auch zu befürchten, dass sonstiger Sprechstundenbedarf ebenfalls über die S. -Apotheke abgewickelt würde. Die Antragsteller zu 2) und 3) hätten aber keine Möglichkeit, in einem späteren Schadensersatzprozess substantiiert vorzutragen und zu belegen, dass ein bestimmter Arzt dadurch, dass er seinen Grippeimpfstoff ausschließlich über die S. -Apotheke in M. beziehe, veranlasst worden sei, nunmehr auch seinen übrigen Sprechstundenbedarf bei dieser Apotheke oder bei anderen Apotheken als in der derjenigen der Antragsteller zu decken.

Die Antragsteller beantragen,

1) im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer vollstreckbaren Entscheidung in der Hauptsache vorläufig festzustellen, dass die Apotheke des Antragstellers zu 2) und 3) sowie diejenigen Apotheken, deren Leiter Mitglied des Antragstellers zu 1) sind, saisonalen Grippeimpfstoff, welcher Gegenstand des im Supplement zum Amtsblatt der europäischen Union vom 30. September 2009 (Bekanntmachung 2009/S 188/270763) ausgeschriebenen Rahmenver-trages ist, als Sprechstundenbedarf an sachsen-anhaltinische Vertragsarztpraxen liefern und die Kosten gegenüber den Antragsgegnerinnen bzw. ggf. ihren Mitgliedskrankenkassen abrechnen dürfen.

Für den Fall der Zurückweisung des Antrages zu 1 wird hilfsweise beantragt,

2a) den Antragsgegnerinnen und ihren Mitgliedskassen im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer vollstreckbaren Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu untersagen, die Abrechnung von Apotheken über die Lieferung von Grippeimpfstoff, welcher Gegenstand des im Supplement zum Amtsblatt der eu-ropäischen Union vom 30. September 2009 (Bekanntmachung 2009/S 188-270763) ausgeschriebenen Rahmenvertrages ist, als Sprechstundenbedarf an sachsen-anhaltinische Vertragsarztpraxen mit der Begründung zu beanstanden, dass die Apotheke, die im Rahmen der Ausschreibung den Zuschlag erhalten habe, allein lieferberechtigt sei oder deswegen Retaxionen auszusprechen und/oder Abrechnungen der Apotheken durch Absetzung zu kürzen,

2b) den Antragsgegnerinnen und ihren Mitgliedskrankenkassen im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer vollstreckbaren Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu untersagen, gegenüber Vertragsärzten zu behaupten, sie seien verpflichtet, solche Grippeimpfstoffe, welche Gegenstand des im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 30. September 2009 (Bekanntmachung 2009/S 188-270763) ausgeschriebenen Rahmenvertrages sind, in der bevorstehenden Impfsaison ausschließlich über die M. S. -Apotheke am H. zu beziehen,

2c) Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter Ziff. 2a und/oder 2b ausgesprochene Verbot den Antragsgegnerinnen und ihren Mitgliedskrankenkassen anzudrohen, jeweils ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR festzusetzen und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen.

Für den Fall der Zurückweisung der Anordnungsanträge zu 2) wird weiter hilfsweise beantragt,

3a) den Antragsgegnerinnen und ihren Mitgliedskrankenkassen im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer vollstreckbaren Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu untersagen, den in dem Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 30. September 2009 (Bekanntmachung 2009/S 188-270763) ausgeschriebenen und mit der S. -Apotheke A. H. in M. geschlossenen Rahmenvertrag über die Lieferung von saisonalen Grippeimpfstoffen als Sprechstundenbedarf umzusetzen und

3b) den Antragsgegnerinnen und ihren Mitgliedskrankenkassen für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter Ziff. 3a) ausgesprochene Verbot jeweils ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen des weiteren Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen; sie lag bei der Entscheidungsfindung vor. II. A. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Es handelt sich um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung, da ausschließlich Rechtsbeziehungen nach §§ 69 ff. SGB V umstritten sind.

Die nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist auch i.S.v. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Beschwerdewert liegt weit über 750,00 EUR.

Die Anträge sind zulässig.

Eine anderweitige Rechtshängigkeit liegt nicht vor. Ob die Ausschreibung als solche zulässig und der Zuschlag wirksam war oder nicht, hat der Senat auch nach den hier gestellten Anträgen nicht zu beurteilen. Vielmehr wollen die Antragsteller geklärt sehen, welche Rechtsfolgen das wirksame Vergabeverfahren und der Zuschlag haben.

Die Antragsteller zu 2) und 3) haben ein rechtliches Interesse, rechtzeitig vor Lieferung Grippesaison 2010/2011 zu erfahren, ob und unter welchen Bedingungen sie den Impfstoff liefern können. Sollte ihr Vortrag zutreffend sein, dass die Ausschreibung an ihren Abrechnungsmöglichkeiten und auch der Dispositionsfreiheit der Vertragsärzte nichts geändert hat, so könnten sie durch die Schreiben der Antragsgegnerinnen zumindest in ihrem Recht aus eingerichtetem und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigt sein (vgl. allerdings BVerfG, 17.12.2002, 1 BvL 28/95, 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95, BVerfGE 106, 275-310 = NJW 2003, 1232-1236; BSG, 24.11.2004, B 3 KR 16/03, SozR 4-2500 § 36 Nr 1).

Unter diesem Aspekt ist auch der Antragsteller zu 1) als Interessenvertreter und Vereinigung von Leistungsanbietern befugt, die Rechtswidrigkeit der Handlungen der Antragsgegnerinnen im eigenen Namen geltend zu machen (BSG, 14.06.1995, 3 RK 23/94, USK 95167; Ulmer in Hennig, § 54 SGG Rn. 54). Nicht in eigenen Rechten möglicherweise verletzt ist der Antragsteller zu 1) aber als Partei diverser Arzneimittelversorgungs- und Arzneilieferungsverträge mit den Antragsgegnerinnen. Er hat keine anderen Rechte als die seiner Mitglieder, die er repräsentiert. § 129 Abs. 5 Satz 1 SGB V vermittelt ihm kein weitergehendes subjektives Recht, in das ein rechtmäßig und korrekt durchgeführtes Vergabeverfahren eingreifen könnte. Diese Vorschrift gibt nur die Möglichkeit zum Abschluss eines Vertrages; sie vermittelt aber kein Exklusivrecht, allein Vertragspartner zu sein. Andernfalls wäre ein Vergabeverfahren nicht möglich.

Die Arzneilieferungsverträge regeln konsequent auch nur die Abrechnungsbefugnis zu Lasten der Krankenkasse für den Fall, dass eine Apotheke eine Verordnung von einem Arzt erhält; sie regeln aber kein Recht der Apotheken auf eine Auftragserteilung oder ein Exklusivrecht der Apotheken für die Lieferung aller Medikamente. Damit besteht auch keine unzulässige Teilkündigung der Lieferverträge zwischen den Apotheken und den Krankenkassen. Zudem dürften die Arzneimittelversorgungsverträge nach § 129 Abs. 5 SGB V auch für die S. -Apotheke in M. hinsichtlich der streitigen Versorgung gelten, soweit sich aus dem Vergabeverfahren nichts Spezielleres ergibt.

B. Die Anträge sind unbegründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung u.a. zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 839 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) kann eine einst-weilige Verfügung auch darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung verboten wird.

Voraussetzung ist neben einem Anordnungsanspruch, also dem materiellen Anspruch, den die Antragsteller im Hauptsacheverfahren geltend machen, ein Anordnungsgrund. Darunter ist die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung zu verstehen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt. Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz [GG]) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzen könnte (BSG, 27.01.1977, 7 RAr 17/76, BSGE 43, 134, 139).

Bei Zweifeln in Bezug auf das Bestehen oder Nichtbestehen des Anordnungsanspruches muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegen-über der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Ein wesentlicher Nachteil liegt jedenfalls vor, wenn die Antragsteller konkret in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind. Der Senat lässt offen, ob bereits erhebliche wirtschaftliche Nachteile, die entstehen, wenn das Ergebnis eines langwierigen Verfahrens abgewartet werden müsste, ausreichen können (vgl bejahend LSG NRW, 08.10.2007, L 9 B 150/07 AS ER, Juris; anders LSG Sachsen-Anhalt, 11.01.2010, L 5 AS 216/09 B ER, Juris Rn. 24) oder ob einem Eilantrag bereits dann stattzugeben ist, wenn der Anordnungsanspruch offensichtlich gegeben ist.

1) Der Antrag zu 1 - Feststellung der Lieferungs- und Abrechnungsbefugnis - ist unbegründet.

Zu beurteilen ist hier nur das Verhältnis von Apotheken und Krankenkassen; die mittelbare Beeinträchtigung der Antragsteller durch das Schreiben an die Ärzte ist erst unter 2b zu untersuchen. Soweit die Antragsteller auf mögliche Umsatzeinbußen hinweisen, vermischen sie bei ihrer Argumentation teilweise den Anordnungsgrund für die Anträge zu 1 und 2a mit dem Anordnungsgrund für den Antrag zu 2b. Die Frage der Lieferungs- und Abrechnungsbefugnis stellt sich nur, wenn die Vertragsärzte konkret bei den Antragstellern bestellt haben. Für diesen Fall - der bei den Anträgen zu 1 und 2a allein relevant ist - ergeben sich aus dem Zeitverzug durch das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für die Antragsteller keine Rechtsnachteile. Sie können bei einem Obsiegen alle gelieferten Impfstoffe normal abrechnen. Der einzige Unterschied ist, dass sie das Geld später erhalten. Dies ist aber bei allen Verfahren der Fall, in denen eine Leistung verlangt wird; allein dieser Umstand begründet noch keine Eilbedürftigkeit.

Ein Anordnungsgrund liegt nicht vor, da kein Interesse an einer vorläufigen Feststellung erkennbar ist. Eine vorläufige Feststellung, dass alle Apotheken lieferberechtigt sind, enthielte weder eine Regelung noch eine Anordnung und könnte einen Anspruch der Antragsteller nicht sichern. Ein zu beseitigendes Verbot oder eine aufzuhebende Verfügung existiert nicht. Eine isolierte vorläufige Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht können die Antragsteller nicht verlangen. Allein im Hinblick auf die Äußerungen der Beklagten in Rundschreiben gegenüber den Vertragsärzten bzw. Apothekern oder bei Existenzgefährdung durch eine verzögerte Bezahlung könnten Unterlassungs- oder Leistungsansprüche bestehen, die einer gerichtlichen Durchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zugänglich sind. Um solche Ansprüche geht es bei den Anträgen zu 2a und 2b.

2) Der Hilfsantrag zu 2a - Untersagung, die Abrechnung von Apotheken zu beanstanden, oder Retaxionen auszusprechen oder zu kürzen - ist unbegründet. Es ist kein Anordnungsgrund, d.h. kein auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse vorhanden (vgl. BSG, 28.01.1993, 2 RU 8/92, Juris).

Das von den Antragstellern beklagte wirtschaftliche Risiko der Lieferung ohne die Gewissheit, ob es zu einer Gegenleistung kommt, bleibt bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens bestehen. So lange müssen die Antragsteller zumindest damit rechnen, dass die Antragsgegnerinnen ihre Abrechnungen beanstanden und die geleisteten Zahlungen im Wege der Retaxation oder Kürzung nachträglich rückgängig machen. Lediglich vorläufig müssten die Antragsgegnerinnen bei einem Unterliegen in diesem Verfahren zahlen. Der Beschluss des Senats hat rechtlich für das Hauptsacheverfahren keine Relevanz.

Eine Existenzgefährdung ohne eine vorläufige Zahlung behaupten die Antragssteller zu 2) und 3) nicht; dies ist auch bezüglich einer anderen Apotheke nicht ersichtlich oder behauptet.

Allerdings hält es der Senat für fehlerhaft, von den Umsätzen der Antragsteller zu 2) und 3) in der Vergangenheit auf die Umsätze in der Grippesaison 2010/2011 zu schließen. Denn wie zum Antrag zu 2b näher ausführen sein wird, informieren die Antragsgegnerinnen zu Recht die Vertragsärzte über das Risiko, das bei Bezug des Impfstoffes von einer anderen als der S. -Apotheke in M. besteht. Insoweit ist zu erwarten, dass die Vertragsärzte das rechtlich zwingende Wirtschaftlichkeitsgebot beachten und auch aus ökonomischen Erwägungen ihre zukünftigen Verordnungen ganz überwiegend mit der S. -Apotheke in M. abwickeln werden. Daher werden die Umsätze nach der Einschätzung des Senats ohnehin minimal sein.

Sollte der Antrag weitergehend so zu verstehen sein, dass nicht einmal ein Vorbehalt der Antragsgegnerinnen zulässig sein sollte, so würde die Hauptsacheentscheidung vorweg genommen, da die Beanstandungen/Retaxationen innerhalb bestimmter Fristen geltend zu machen sind und eine rechtskräftige Entscheidung der Hauptsache nicht vor Ablauf dieser Fristen zu erwarten ist. Eine solche Vorwegnahme der Hauptache ist nur in hier nicht gegebenen besonders gelagerten Konstellationen möglich; dass ein solcher Fall vorliegt, behaupten die Antragsteller selbst nicht.

Der Anordnungsanspruch ist zudem zweifelhaft.

Nach dem Beschluss der Bundesvergabekammer vom 20. Januar 2009 sind Waren, die nicht über den Ausschreibungsgewinner bezogen werden, nicht zu erstatten (Az.: VK 3-191/08 Rn. 56 dieses bei Juris veröffentlichten Beschlusses zu Sprechstunden-bedarf nach Durchführung eines Vergabeverfahren). Dies könnte zutreffend sein; diese schwierige Frage wird im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zu klären sein.

Zudem könnte ein Prozesshindernis existieren. Es besteht bei Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung jeweils nach § 12 Abs. 1 der Arzneimittelversorgungsverträge zwischen dem Antragsteller zu 1) und den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 4) und 13) ein eigenständiger Konflikt-Lösungsmechanismus in Form eines Vertragsausschusses. Auch der dritte vorgelegte Arzneimittellieferungsvertrag zwischen dem Deutschen Apothe-kerverband und dem Verband der Angestelltenkrankenkassen sieht in § 5 vor, dass Meinungsverschiedenheiten möglichst im gegenseitigen Einvernehmen geregelt werden sollten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsteller eine solche einvernehmliche Lösung gesucht hätte; das behaupten sie auch nicht.

Auch eine Folgenabwägung führt zu keinem für die Antragsteller günstigeren Ergebnis. Hierbei hat der Senat einerseits das (auch öffentliche) Interesse an einer uneingeschränkten Durchführung des Vertrages zur Senkung der Arzneimittelkosten und damit Stabilisierung der Kosten im Gesundheitswesen wie auch der Beitragssätze, und andererseits das Interesse der betroffenen Apotheker zu beachten.

Der Senat hat keine Zweifel, dass die Krankenkassen in erheblichem Umfang Einsparungen durch das Vergabeverfahren erzielen. Dies ist Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens; dass dies fehlgeschlagen sei, wird nicht behauptet. Auf Seiten der Antragsteller sind der allgemeine Justizgewährungsanspruch und das Gebot des effektiven Rechtschutzes zu berücksichtigen. Jedoch können sie ihre Rechte uneingeschränkt im Hauptsacheverfahren geltend machen, so dass die Folgenabwägung zu ihren Lasten geht. Eine Existenzbedrohung ist nicht ersichtlich.

3) Der Hilfsantrag zu 2b - Untersagung, gegenüber Vertragsärzten zu behaupten, sie seien verpflichtet, die Impfstoffe ausschließlich über die M. S. -Apotheke zu beziehen - ist unbegründet. Der Senat lässt offen, ob eine Eilbedürftigkeit vorliegt; jedenfalls fehlt der Anordnungsanspruch. Der Hinweis auf eine Verpflichtung zur Bestellung bei der S. -Apotheke ist nicht zu bestanden.

Nach § 73 Abs. 8 Satz 1 SGB V haben die Krankenkassen zur Sicherung der wirt-schaftlichen Verordnungsweise die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen, einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren (vgl auch Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, (Hrsg), jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 Rn. 53 ff, 56 ff, 71 ff; vgl auch § 305a SGB V). Insoweit kommen die Antragsgegnerinnen nur einer gesetzlichen Pflicht nach, die durch § 7 Abs. 1 und Abs. 3 des Arzneilieferungsvertrages zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem Verband der Angestelltenkrankenkassen weder ausgeschlossen wird noch ausgeschlossen werden könnte.

Wie die Antragsteller selbst bereits mit ihrem Antrag zum Ausdruck bringen, sind insoweit Erklärungen - konkret das Musterschreiben - gegenüber den Vertragsärzten zu beurteilen. Als wichtige Akteure im Gesundheitssystem sind den Vertragsärzten Einzelheiten des Systems bekannt; daher sind die streitigen Äußerungen der Krankenkassen nach dem speziellen Empfängerhorizont der Vertragsärzte zu beurteilen. Weiter sind die übrigen Ausführungen in dem Schreiben zu berücksichtigen.

Die hier streitige Verordnung der Grippeimpfstoffe unterliegt - wie nun auch die Antragsteller einräumen - dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 12, 84, 106 SGB V; vgl. zu einer unzulässigen Verordnung von Sprechstundenbedarf BSG, 06.05.2009, B 6 KA 2/08 R, Juris; siehe allgemein zur Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Arzneimitteln BSG, 05.11.2008, B 6 KA 63/07 R, Juris). Bei dem Grippeimpfstoff handelt es sich um Sprechstundenbedarf im Sinne von § 2 Abs. 4 der Vereinbarung über die Ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt und den in Sachsen-Anhalt tätigen Krankenkassen. § 4 Abs. 3 dieser Vereinbarung sieht ausdrücklich die Prüfung der Wirtschaftlichkeit vor.

Angesichts des Wissens der Vertragsärzte über das Wirtschaftlichkeitsgebot und den Gesamtkontext löst sich der scheinbare Widerspruch zwischen Ausschreibung und Musterbrief auf. Der Hinweis in Letzterem, die Ärzte seien verpflichtet, den Grippeimpf-stoff von der S. -Apotheke zu beziehen, und Regressverfahren würden im Falle des Bezuges durch diese Apotheke nicht durchgeführt, entspricht lediglich dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Falls die Vertragsärzte unmittelbar verpflichtet wären, bei keiner anderen Apotheke als der S. -Apotheke die hier streitigen Grippeimpfstoffe zu bestellen oder solche Bestellungen unwirksam wären, würde sich die Frage eines Regresses gegenüber den Ärzten, der unausgesprochen hier angedeutet wird, überhaupt nicht stellen. Denn dies setzt voraus, dass die Antragsgegnerinnen das Medikament zu unwirtschaftlichen Konditionen zu Lasten der Antragsgegnerinnen von einer anderen Apotheke bezogen haben. Die Antragsteller behaupten nicht, dass dieser Fall prinzipiell nicht eintreten könnte; im Gegenteil zielen ihre Anträge zu 1 und 2a sogar in diese Richtung. Daher können die Vertragsärzte dieses Schreiben nur so verstehen, dass sie nur vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes verpflichtet sind, ausschließlich bei der S. -Apotheke zu bestellen. Darin liegt - in Übereinstimmung mit der Ausschreibung - nicht ein "Vorschreiben" des Bezugs des Impfstoffes bei einer bestimmten Apotheke durch die Antragsgegnerinnen.

Auch der Sprachgebrauch der Antragsgegnerinnen ist insoweit nicht zu kritisieren, da er sich an der Rechtsprechung des BSG orientiert. Danach gilt, "dass jeder Vertragsarzt verpflichtet ist, sich umfassend wirtschaftlich zu verhalten, dh nicht nur insgesamt, sondern auch in jedem Teilbereich seiner Tätigkeit und bei jeder einzelnen Leistung entsprechend dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu handeln (Urteil vom 27.06.2007, B 6 KA 44/06 R, Juris Rn. 15 m.w.N.; Hervorhebung vom Senat).

Nur theoretischer Natur sind die Überlegungen der Antragsteller, dass andere Apotheken zu demselben oder einem niedrigeren Preis liefern könnten; hierfür gibt es keinen Anhaltspunkt. Angesichts der Einsparungen von mehreren Millionen Euro geht der Senat davon aus, dass die anderen Apotheken nur zu einem höheren Preis liefern werden; andernfalls hätte zumindest der Antragsteller zu 2) oder ein anderer Bewerber außer der S. -Apotheke im Ausschreibungsverfahren den Zuschlag bekommen müssen (vgl. dazu den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 15. Januar 2010 VK 1-227/09 S. 7). Sofern keine Einsparungen erzielt würden und andere Apotheken zu dem gleichen oder einem niedrigeren Preis liefern wollten, wäre das Vergabeverfahren wirkungslos gewesen; dies hält der Senat für ausgeschlossen. Zudem sind die Krankenkassen vergaberechtlich gehalten, auf die Vertragsärzte einzuwirken, Grippeimpfstoffe ausschließlich über die S. -Apotheke zu bestellen. Die Nicht-Einhaltung dieser Verpflichtung könnte zu Regress-Forderungen der S. -Apotheke führen, die wiederum unter Umständen letztlich von den Vertragsärzten zu tragen wären. Sofern sich ein atypischer Sonderfall ergeben würde, in dem ausnahmsweise die Möglichkeit besteht, bei einer anderen Apotheke zu bestellen, ohne gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu verstoßen, wäre dies nach dem kritisierten Musterschreiben den Ärzten nicht untersagt. Die Antragsgegnerinnen behaupten demgemäß nicht, dass ein Regressverfahren stattfinden, geschweige denn stets Erfolg haben muss, was verfahrensrechtlich angesichts des Umstandes, dass für diese Entscheidung nicht die Krankenkassen berufen sind, durchaus problematisch wäre. Der Senat hält es aber ohne Weiteres für denkbar und wahrscheinlich, dass solche Regressverfahren gegen die Vertragsärzte bei Bezug des Impfstoffes von einer anderen Apotheke regelmäßig zu deren Lasten abgeschlossen werden (vgl. näher BSG, 05.11.2008, B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 21 Rn. 14).

Auch für den Antragsteller zu 3) besteht kein Grund, von dem Wirtschaftlichkeitsgebot abzuweichen. Soweit er geltend macht, irrtümlich aufgrund einer fehlerhaften Ausschreibung von einer Teilnahme am Vergabeverfahren abgesehen zu haben, kann er allenfalls Schadensersatzansprüche haben. Für die hier faktisch erstrebte alleinige Lieferungsberechtigung ohne das Risiko eines Regressverfahrens zu den normalen Preisen neben der S. -Apotheke gibt es keine Rechtsgrundlage. Denn dies würde dem Antragsteller zu 3) eine Marktstellung verschaffen, die eine völlig andere ist als die, die bei einer erfolgreichen Teilnahme am Vergabeverfahren entstanden wäre. Daher kann der Anspruch nicht auf einen Schadensersatzanspruch im Sinne einer Naturalrestitution gestützt werden. Zudem ist nicht glaubhaft gemacht worden, dass er den Zuschlag erhalten haben würde. Auch aus dem Gedanken des Folgenbeseitigungsanspruchs kann die gewünschte Rechtsfolge nicht abgeleitet werden. Denn ein rechtmäßiger Zustand - Lieferung durch den preiswertesten Anbieter - kann so nicht hergestellt werden.

Zudem war die Zielrichtung des durchgeführten Vergabeverfahrens, ein grundsätzlich exklusives Lieferrecht zu vermitteln, eindeutig. Eine europaweite Ausschreibung wird nicht vorgenommen, um anschließend so zu verfahren wie bisher mit dem einzigen Unterschied, dass eine einzelne Apotheke berechtigt ist, zu einem niedrigeren Preis zu liefern.

Die von den Antragstellern zum Beleg für die Wirkungslosigkeit der Ausschreibung angeführte Textstelle, wonach die Auftraggeber keine Berechtigung hätten, den verordnenden Ärzten eine bestimmte Apotheke zum Bezug der Impfstoffe vorzuschreiben, ist sachlich richtig. Dieser grundsätzliche Hinweis auf die Verordnungsfreiheit der Ärzte in den Ausschreibungsunterlagen war notwendig, um bei den am Wettbewerb beteiligten Bietern keine Zweifel über dieses Kalkulationsrisiko aufkommen zu lassen.

Allerdings ist wie oben dargelegt rechtlich unumstritten, dass die Krankenkassen bei einem unwirtschaftlichen Verhalten bei einem Arzt Regress nehmen können. Ausdrücklich wurde in der Ausschreibung angekündigt, auf die Ärzte einzuwirken. Ebenso ausdrücklich wurde in der Ausschreibung "Exklusivität" zugesichert. Dies geschah zwar nur in der Form, dass zugesichert wurde, mit keinem anderen Auftragnehmer einen Vertrag mit Lieferung von saisonalen Impfstoffen zu schließen. Wenn die Lieferberechtigung der Apotheken jedoch unverändert geblieben sein sollte, ist nicht ersichtlich, zu welchem Zweck eine solche Exklusivität zugesichert werden sollte. Außerdem heißt es in dem ausgeschriebenen Rahmenvertrag unter Ziff. 8, dass weitere Maßnahmen zur Vertragserfüllung durchgeführt werden könnten. Das den Beteiligten bekannte Wirtschaftlichkeitsgebot bewirkt - ohne dass es als zwingende gesetzliche Vorschrift eigens in der Ausschreibung erwähnt werden musste -, dass die Vertragsärzte regelmäßig bei dem Ausschreibungsgewinner bestellen müssen.

Ein klarer objektiver Beleg, dass grundsätzlich im Vergabeverfahren ein exklusives Lieferrecht vermittelt werden sollte, ist der Umstand, dass in den Ausschreibungsunterlagen der gesamte Umsatz in Sachsen-Anhalt in den letzten drei Jahren dargestellt wird. Ausdrücklich heißt es, diese Angaben stellten Orientierungswerte für das Volumen der Ausschreibung dar. Die Klausel in dem mit dem Ausschreibungsgewinner abzuschließenden Vertrag (Anlage 4 der Ausschreibung), wonach die Details der jeweiligen Lieferung hinsichtlich der Menge und Termine in den Bestellungen durch die Vertragsärzte festgelegt werden, drückt nur eine Selbstverständlichkeit aus. Natürlich können die Grippeimpfstoffe von den Ärzten nur geordert werden, wenn sie erwarten, diese in ihrer Praxis auch konkret zu benötigen. Da der Umfang solcher Grippeschutzimpfungen stark von dem Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung abhängt, welches ihrerseits von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, lässt sich die konkrete Menge nicht exakt bestimmen. Dies zeigen auch die Schwankungen der in der Vergangenheit verordneten Menge und auch die unterschiedlichen Umsätze bei den Antragstellern zu 2) und 3) mit solchen saisonalen Grippeimpfstoffen.

Sofern ein Arzt angesichts dieser Umstände seinen übrigen Sprechstundenbedarf ebenfalls bei der S. -Apotheke bestellen sollte, ist dies seine freie Entscheidung, die ihm von den Antragsgegnerinnen nicht nahe gelegt wird.

b) Auch ein Verstoß gegen §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist nicht ersichtlich. Angesichts des § 69 SGB V kann hier zwar nicht von einer ausschließlichen Zuständigkeit der Kartellbehörden im Sinne von §§ 54 ff. GWB im Falle von Verstößen ausgegangen werden. Diese Vorschriften waren auch nicht im Vergabeverfahren zu prüfen.

Die Voraussetzungen von § 20 GWB sind jedoch nicht gegeben. Danach dürfen marktbeherrschende Unternehmen und bestimmte Verbände von Unternehmen ein anderes Unternehmen im Geschäftsverkehr weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gleichartige Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln. Jedoch liegt angesichts des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 12 SGB V und des Grundsatzes des Vergabeverfahrens, nach dem mit Durchführung der Ausschreibung der wirtschaftlichste Anbieter ermittelt wird, ein sachlich gerechtfertigter Grund für eine unterschiedliche Behandlung zwischen der S. -Apotheke in M. einerseits und den anderen Apotheken anderer-seits vor.

Ebenso besteht keine unbillige Beeinträchtigung im Sinne von § 21 Abs. 1 GWG. Danach dürfen Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen nicht ein anderes Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefersperren oder Bezugssperren auffordern. Die Antragsgegnerinnen setzen mit den Musterschreiben an die Vertrags-ärzte wie oben dargelegt lediglich das um, was das Wirtschaftlichkeitsgebot von ihnen verlangt. Der Freiheit des Wettbewerbes trägt ein ordnungsgemäß durchgeführtes Vergabeverfahren, welches gleichfalls im GWB geregelt ist, in vollem Umfang Rechnung.

c) Die Rüge eines Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorschriften unter dem Aspekt der Bündelung von Nachfragemacht bzw. Schaffung einer marktbeherrschenden Stellung bei der Durchführung des Vergabeverfahrens greift nicht durch. Den kartellrechtlichen Vorgaben wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass das Vergabeverfahren den Grundsätzen des Wettbewerbs, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz Rechnung zu tragen hat und diese Grundsätze das vorrangig anzuwendende primäre und das sekundäre Gemeinschaftsrecht - z.B. die RL 2004/18 EG (Vergabekoordinie-rungsrichtlinie) - prägen. Missbräuchlichen - insbesondere diskriminierenden - Verhaltensweisen öffentlicher Auftraggeber soll gerade durch das Vergabeverfahren vorge-beugt werden. Dieses stellt sich - wie hier bei fehlerfreier Durchführung - als Ausgleich für die gebündelte öffentliche Nachfragemacht der Krankenkassen dar (vergl. LSG NRW, 08.10.2009, L 21 KR 44/09 SFB, Juris m.w.N.).

Ferner zwingt § 69 Abs. 2 Satz 1 HS 1 SGB V entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht zur Überprüfung kartellrechtlich begründeter Abwehransprüche. Denn die von den Antragstellern insoweit vertretene Auffassung findet weder im Gesetzeswortlaut noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze. Hintergrund der Anordnung der entsprechenden Anwendbarkeit der §§ 19 - 21 GWB ist die Gefahr, dass durch die erweiterten Fusionsmöglichkeiten von Krankenkassen marktbeherrschende Stellungen gegenüber Leistungserbringern entstehen. Durch die entsprechende Anwendung der Miss-brauchs- und Diskriminierungsverbote soll gewährleistet werden, dass Krankenkassen marktbeherrschende Stellungen nicht missbrauchen und es zu keiner Diskriminierung der Vertragspartner und zu keinen Boykotten kommt (Ausschussbericht, BT-Drucks. 16/4247, S. 35 zu § 69 SGB V). Ein Bezug zum Kartellvergaberecht findet sich jedoch nicht, zumal bei der Abfassung des Ausschussberichts zum GKV-WSG noch streitig war, ob Vergaberecht überhaupt im Verhältnis zwischen den gesetzlichen Krankenkas-sen und Leistungserbringern anwendbar ist (vergl. Ausschussbericht BT-Drucks. 16/10609 S. 52 f. zu § 69 SGB V sowie S. 64 f. zu § 142a SGG; vgl zu allem LSG NRW, 08.10.2009, L 21 KR 44/09 SFB, Juris).

4) Der Hilfsantrag zu 3 - Untersagung der Umsetzung des Rahmenvertrages - ist mangels Anordnungsanspruch unbegründet. Die Antragsgegnerinnen sind verpflichtet, den geschlossenen Rahmenvertrag über die Lieferung der saisonalen Grippeimpfstoffe als Sprechstundenbedarf umzusetzen. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass legal abgeschlossene und wirksame Verträge einzuhalten sind; es würde gegen den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung verstoßen, den Antragstellern das Verhalten zu verbieten, zu dem sie nach dem nach dem SGB V zugelassenen und auch im übrigen ordnungsgemäßen Vergabeverfahren verpflichtet sind. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat es abgelehnt, die aufschiebende Wirkung gegen die Vergabeentschei-dung anzuordnen.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

D. Nach § 197a SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) war der Streitwert festzusetzen. Der streitige Umsatz ist von den Beteiligten mit 17 Millionen EUR und der erwartete Einspareffekt mit ca. 7 Millionen Euro beziffert worden. Nach § 52 Abs. 4 GKG ist der Streitwert im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit jedoch nicht über 2,5 Millionen EUR festzusetzen. Da die Antragsteller eine Vorwegnahme der Hauptsache und in drei Hilfsanträgen eine umfassende Klärung für verschiedene Fälle einschließlich der Beziehung zu Vertragsärzten erstrebt haben, besteht kein Grund für eine Verringerung dieses Wertes. Eine Festsetzung des Streitwertes gem. § 50 Abs. 2 GKG kam nicht in Betracht, da dies eine Bestimmung lediglich für das Vergabeverfahren darstellt. Um ein Vergabeverfahren geht es vorliegend jedoch nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Quecke gez. Dr. Waßer gez. Dr. Ulmer
Rechtskraft
Aus
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