L 7 AS 234/10 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 155/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 234/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bindungswirkung von Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz
Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz beinhalten - vorbehaltlich einer Änderung der Sach- und Rechtslage - eine endgültige Entscheidung über eine vorläufige Regelung. Sie haben also eine sachliche Bindungswirkung, die aber längstens bis zur Rechtskraft der hauptsacheentscheidung bzw. der Bestandskraft des strittigen Verwaltungsaktes reicht.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 18. März 2010 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


Streitig sind Absenkungen des Arbeitslosengelds II nach § 31 SGB II wegen Pflichtverletzungen des Beschwerdeführers.

Der im Jahr 1977 geborene alleinstehende Antragsteller und Beschwerdeführer bezog bis Frühjahr 2001 Arbeitslosengeld, danach überwiegend Arbeitslosenhilfe bzw. Sozialhilfe, seit 01.01.2005 lebt er von Arbeitslosengeld II. Wegen Meldeversäumnissen, fehlenden Eigenbemühungen und Verweigerung von Bewerbungen auf konkrete Stellenangebote erfolgten zahlreiche Absenkungen und zahlreiche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 30.03.2009, S 13 AS 109/09 ER, nachfolgend Beschluss des BayLSG vom 24.06.2009, L 16 AS 250/09 B ER).

Mit Bescheid vom 22.07.2009 wurde das Arbeitslosengeld II für die Monate August, September und Oktober 2009 um 100 % gemindert (S. 725 Verwaltungsakte). Der Antragsteller habe die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eigenbemühungen nicht nachgewiesen. Mit Beschluss vom 22.09.2009, S 7 AS 559/09 ER, lehnte das Sozialgericht Landshut Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab (S. 774). Eine Absenkung um 110 % der Regelleistung für denselben Zeitraum wegen einem Meldeversäumnis am 26.06.2009 wurde von der Antragsgegnerin wieder aufgehoben (S. 723, 734).

Mit Bescheid vom 22.09.2009 wurde das Arbeitslosengeld II für die Monate November und Dezember 2009 sowie Januar 2010 um 100 % gemindert (S. 779). Der Antragsteller habe die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eigenbemühungen nicht nachgewiesen. Im anschließenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes S 5 AS 680/09 ER wurde am 11.11.2009 einen Vergleich geschlossen und das Antragsverfahren damit erledigt (S. 826).

Mit Bescheid vom 18.02.2010 wurde das Arbeitslosengeld II für die Monate März, April und Mai 2010 um 100 % gemindert (S. 878). Der Antragsteller habe das Zustandekommen einer angebotenen Beschäftigung vereitelt. Mit Bescheid gleichen Datums erfolgte für denselben Zeitraum eine Absenkung des Arbeitslosengelds II um 100 % (S. 876). Der Antragsteller habe die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eigenbemühungen nicht nachgewiesen.

Am 23.02.2010 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Landshut einstweiligen Rechtsschutz. Mit Schreiben vom 10.03.2010 hob die Antragsgegnerin die beiden Bescheide vom 18.02.2010 wegen fehlerhafter Rechtsfolgenbelehrung auf. Mit Beschluss vom 18.03.2010 lehnte das Sozialgericht Landshut den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Nach Aufhebung der Sanktionsbescheide bestehe kein Rechtsschutzinteresse mehr.

Am 25.03.2010 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut eingelegt. Die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, sämtliche Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Von August bis Oktober 2009 sei das Arbeitslosengeld II vollständig gestrichen worden. Es seien Mietschulden entstanden. Der Vermieter habe das Mietverhältnis im Oktober 2009 deswegen gekündigt. Auch bei einer Kürzung um 100 % sei die Miete zu übernehmen, ggf. als Mietschulden.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
die Beschwerdegegnerin vorläufig zu verpflichten, Leistungen für die Monate August, September und Oktober 2009 ohne Absenkung zu bezahlen ...

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerde sei bereits unzulässig. Die Absenkungen aus den Sanktionsbescheiden vom 22.07.2009 und 22.09.2009 seien bereits Gegenstand von Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gewesen, die zu abschließenden Regelungen (Vergleich bzw. ablehnender Beschluss des Sozialgerichts) geführt hätten.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte der Beschwerdegegnerin, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Landessozialgerichts verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Beschwerde nicht gegen den vorhergehenden Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 18.03.2010. Gegenstand dieses Beschlusses waren Absenkungen im März, April und Mai 2010, die aber bereits von der Behörde aufgehoben wurden. Er begehrt dagegen im Beschwerdeverfahren die Rücknahme einer Absenkung für die Monate August, September und Oktober 2009, zumindest die Übernahme der Miete für diese Monate.

Eine Beschwerde muss den Streitgegenstand des vorhergehenden Beschlusses betreffen. Eine Beschwerde, die sich allein auf einen anderen Streitgegenstand richtet, ist unzulässig (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, Rn. 290 a.E.; Leitherer in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, Rn. 3 vor § 143 zur Berufung).

Ergänzend ist anzumerken, dass Entscheidungen im einstweiligen Rechtschutz - vorbehaltlich einer Änderung der Sach- und Rechtslage - eine endgültige Entscheidung über eine vorläufige Regelung enthalten, also eine sachliche Bindungswirkung für den einstweiligen Rechtsschutz entfalten (vgl. Krodel, a.a.O., Rn. 40). Der Vergleich vom 11.11.2009 im Verfahren S 5 AS 680/09 ER enthält die Erledigung des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, nicht aber einen unwiderruflichen Vergleich für die Hauptsache.

Das Beschwerdegericht weist darauf hin, dass die mittlerweile erfolgten Aufhebungen von Absenkungen überwiegend auf dem Fehlen einer konkreten Rechtsfolgenbelehrung beruhten, also aus formalen Gründen erfolgten. Spätere Rechtsfolgenbelehrungen lassen sich der neuen Rechtsprechung des BSG anpassen. Das vom Antragsteller gezeigte Verhalten lässt dagegen nicht im Ansatz erkennen, dass er seiner in § 2 SGB II festgelegten Pflicht nachkommen will, seine Hilfebedürftigkeit mit allen Mitteln, insbesondere durch Einsatz seiner Arbeitskraft, zu beenden oder zu mindern.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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