Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 413/09 ER
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 872/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf den Antrag der Beschwerdegegnerin wird der Beschluss des Landessozialgerichts vom 26.02.2010, Aktenzeichen L 6 B 154/09 AS ER, aufgehoben. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der am 00.00.1955 geborene Antragsteller (ASt) ist italienischer Staatsangehöriger. Ab 1994 lebte er in der Dominikanischen Republik und war auch dort berufstätig. Mit der Absicht, seinen Lebensmittelpunkt hierhin zu verlegen, reiste er am 05.09.2009 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seinen Antrag vom 10.09.2009 auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) lehnte die Antragsgegnerin (AG) durch Bescheid vom 14.09.2009 unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab. Nach dieser Vorschrift sei der ASt, der zum Zwecke der Arbeitssuche eingereist sei, nicht leistungsberechtigt. Hiergegen legte der ASt am 24.09.2009 Widerspruch ein.
Einen Eilantrag vom 20.10.2009 hat das Sozialgericht Dortmund (SG) durch Beschluss vom 13.11.2009 abgelehnt. Der hiergegen gerichteten Beschwerde des ASt vom 07.12.2009 hat das Landessozialgericht mit Beschluss vom 26.02.2010 stattgegeben und die AG verpflichtet, dem Ast (vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren (Az. L 6 B 154/09 AS ER).
Am 01.04.2010 hat die AG die Aufhebung des Beschlusses wegen veränderter Umstände beantragt. Sie habe festgestellt, dass die Vermieterin den ASt bereits zum 01.01.2010 abgemeldet habe. Seine neue Anschrift sei weder ihr noch dem Meldeamt der Stadt X noch dem Bevollmächtigten des Ast bekannt. Da nicht geklärt werden könne, ob sich der ASt überhaupt noch in ihrem Zuständigkeitsbereich aufhalte und welches seine aktuellen Einkommensverhältnisse seien, sei eine Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des SGB II momentan weder angezeigt noch gerechtfertigt.
Der Bevollmächtigte des ASt hält die beantragte Aufhebung des Beschlusses für rechtlich unzulässig. Gegen den stattgebenden Beschluss bestünden keine Rechtsmittel, insbesondere nicht die Beschwerde gem. § 177 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Im Hinblick auf die Regelung des § 199 Abs. 2 S. 3 SGG werde deutlich, dass der Gesetzgeber eine Aufhebung für den hier vorliegenden Fall bewusst nicht vorgesehen habe.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der den ASt betreffenden Verwaltungsakte der AG verwiesen; dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Antrag der AG ist zulässig und begründet.
Der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Anordnung ist zulässig. Die Befugnis des Gerichts zur Aufhebung oder Abänderung einer einstweiligen Anordnung bei veränderten Umständen ergibt sich aus § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. 927 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) analog. Wenngleich in § 86b Abs. 2 S. 4 SGG nicht auf § 927 Abs. 1 ZPO verwiesen wird, so findet die dortige Abänderungsmöglichkeit dennoch Geltung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn. 45; Binder in Hk-SGG, 1. Aufl. 2003, Rn. 43; Berlit, info also 2005, 3, 12; Wündrich, SGb 2009, 267, 274; Änderungsmöglichkeit bejahend aber auf der Grundlage von § 86a Abs. 1 S. 4 SGG analog: LSG Berlin, Beschluss vom 26.10.2004, L 15 B 88/04 KR ER; Adolf in Hennig, SGG, Rn. 101).
Der Antrag ist begründet. Die Voraussetzungen, die dem Eilbeschluss des erkennenden Senats vom 26.02.2010 nach dem Akteninhalt und seinerzeitigen Vortrag der Beteiligten zugrunde lagen und zur vorläufigen Gewährung von Leistungen an den Antragsteller geführt haben, sind weggefallen. Nach dem unbestrittenen Vortrag der AG hat der ASt die Wohnung, für die ihm Kosten der Unterkunft zugesprochen worden sind, spätestens ab dem 01.01.2010 nicht mehr bewohnt. Entsprechend sind dem ASt tatsächliche Aufwendungen für diese Unterkunft nicht entstanden und können ihm daher auch nicht gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II - im Zeitraum ab dem 26.02.2010 vorläufig - gewährt werden. Da der Aufenthaltsort des ASt im vorläufig bewilligenden Zeitraum bis zur jetzigen Entscheidung unbekannt ist, fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch bezüglich der Gewährung von Regelleistungen. Weder ist bekannt, ob der ASt sich ab dem 26.02.2010 noch im Zuständigkeitsbereich der AG aufgehalten hat bzw. aufhält (§ 36 SGB II) noch ob er seinen gewöhnlichen Aufenthalt überhaupt noch in der Bundesrepublik Deutschland hat oder anderenfalls die Voraussetzungen für einen Anspruch nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II im Zeitraum der vorläufigen Regelung gänzlich entfallen sind.
Die Aufhebung des bindenden Beschlusses des erkennenden Senats vom 26.02.2010 beeinträchtigt den ASt in seinen grundrechtlichen Belangen auch nicht unzumutbar. Sofern er seinen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der AG wieder belegen kann, ist davon auszugehen, dass die AG ihm bei erneuter Antragstellung Leistungen nicht unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II verweigert, sondern bis zu einer Klärung der Europarechtskonformität dieser Regelung Leistung gewähren wird, sofern und soweit der ASt die übrigen (allgemeinen) Leistungsvoraussetzungen erfüllt. Erforderlichenfalls bleibt es dem ASt unbenommmen, einen erneuten Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Tatbestand:
Der am 00.00.1955 geborene Antragsteller (ASt) ist italienischer Staatsangehöriger. Ab 1994 lebte er in der Dominikanischen Republik und war auch dort berufstätig. Mit der Absicht, seinen Lebensmittelpunkt hierhin zu verlegen, reiste er am 05.09.2009 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seinen Antrag vom 10.09.2009 auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) lehnte die Antragsgegnerin (AG) durch Bescheid vom 14.09.2009 unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab. Nach dieser Vorschrift sei der ASt, der zum Zwecke der Arbeitssuche eingereist sei, nicht leistungsberechtigt. Hiergegen legte der ASt am 24.09.2009 Widerspruch ein.
Einen Eilantrag vom 20.10.2009 hat das Sozialgericht Dortmund (SG) durch Beschluss vom 13.11.2009 abgelehnt. Der hiergegen gerichteten Beschwerde des ASt vom 07.12.2009 hat das Landessozialgericht mit Beschluss vom 26.02.2010 stattgegeben und die AG verpflichtet, dem Ast (vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren (Az. L 6 B 154/09 AS ER).
Am 01.04.2010 hat die AG die Aufhebung des Beschlusses wegen veränderter Umstände beantragt. Sie habe festgestellt, dass die Vermieterin den ASt bereits zum 01.01.2010 abgemeldet habe. Seine neue Anschrift sei weder ihr noch dem Meldeamt der Stadt X noch dem Bevollmächtigten des Ast bekannt. Da nicht geklärt werden könne, ob sich der ASt überhaupt noch in ihrem Zuständigkeitsbereich aufhalte und welches seine aktuellen Einkommensverhältnisse seien, sei eine Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des SGB II momentan weder angezeigt noch gerechtfertigt.
Der Bevollmächtigte des ASt hält die beantragte Aufhebung des Beschlusses für rechtlich unzulässig. Gegen den stattgebenden Beschluss bestünden keine Rechtsmittel, insbesondere nicht die Beschwerde gem. § 177 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Im Hinblick auf die Regelung des § 199 Abs. 2 S. 3 SGG werde deutlich, dass der Gesetzgeber eine Aufhebung für den hier vorliegenden Fall bewusst nicht vorgesehen habe.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der den ASt betreffenden Verwaltungsakte der AG verwiesen; dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Antrag der AG ist zulässig und begründet.
Der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Anordnung ist zulässig. Die Befugnis des Gerichts zur Aufhebung oder Abänderung einer einstweiligen Anordnung bei veränderten Umständen ergibt sich aus § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. 927 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) analog. Wenngleich in § 86b Abs. 2 S. 4 SGG nicht auf § 927 Abs. 1 ZPO verwiesen wird, so findet die dortige Abänderungsmöglichkeit dennoch Geltung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn. 45; Binder in Hk-SGG, 1. Aufl. 2003, Rn. 43; Berlit, info also 2005, 3, 12; Wündrich, SGb 2009, 267, 274; Änderungsmöglichkeit bejahend aber auf der Grundlage von § 86a Abs. 1 S. 4 SGG analog: LSG Berlin, Beschluss vom 26.10.2004, L 15 B 88/04 KR ER; Adolf in Hennig, SGG, Rn. 101).
Der Antrag ist begründet. Die Voraussetzungen, die dem Eilbeschluss des erkennenden Senats vom 26.02.2010 nach dem Akteninhalt und seinerzeitigen Vortrag der Beteiligten zugrunde lagen und zur vorläufigen Gewährung von Leistungen an den Antragsteller geführt haben, sind weggefallen. Nach dem unbestrittenen Vortrag der AG hat der ASt die Wohnung, für die ihm Kosten der Unterkunft zugesprochen worden sind, spätestens ab dem 01.01.2010 nicht mehr bewohnt. Entsprechend sind dem ASt tatsächliche Aufwendungen für diese Unterkunft nicht entstanden und können ihm daher auch nicht gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II - im Zeitraum ab dem 26.02.2010 vorläufig - gewährt werden. Da der Aufenthaltsort des ASt im vorläufig bewilligenden Zeitraum bis zur jetzigen Entscheidung unbekannt ist, fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch bezüglich der Gewährung von Regelleistungen. Weder ist bekannt, ob der ASt sich ab dem 26.02.2010 noch im Zuständigkeitsbereich der AG aufgehalten hat bzw. aufhält (§ 36 SGB II) noch ob er seinen gewöhnlichen Aufenthalt überhaupt noch in der Bundesrepublik Deutschland hat oder anderenfalls die Voraussetzungen für einen Anspruch nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II im Zeitraum der vorläufigen Regelung gänzlich entfallen sind.
Die Aufhebung des bindenden Beschlusses des erkennenden Senats vom 26.02.2010 beeinträchtigt den ASt in seinen grundrechtlichen Belangen auch nicht unzumutbar. Sofern er seinen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der AG wieder belegen kann, ist davon auszugehen, dass die AG ihm bei erneuter Antragstellung Leistungen nicht unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II verweigert, sondern bis zu einer Klärung der Europarechtskonformität dieser Regelung Leistung gewähren wird, sofern und soweit der ASt die übrigen (allgemeinen) Leistungsvoraussetzungen erfüllt. Erforderlichenfalls bleibt es dem ASt unbenommmen, einen erneuten Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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