Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KA 1/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag, die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Antragsgegners vom 09.12.2009 anzuordnen, wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Zulassungsentscheidung des Antragsgegners.
Der Antragsteller ist Facharzt für Chirurgie, Facharzt für Viscalchirurgie sowie Facharzt für Thoraxchirurgie und als Chefarzt der Abteilung Chirurgie II im Krankenhaus E. angestellt. Auf seinen Antrag vom 30.03.2009 ermächtigte ihn der Antragsgegner mit Beschluss vom 22.04.2009 für die Zeit vom 01.05. bis 30.09.2009 im Krankenhaus E. vorläufig zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Mit Beschluss des Antragsgegners vom 23.09.2009 wurde die Ermächtigung vorläufig bis 31.12.2009 erneuert. Mit weiterem Beschluss vom 09.12.2009 ermächtigte ihn der Antragsgegner im Krankenhaus E. bis 31.12.2011 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (u.a. auf dem Gebiet der Gefässchirurgie). Gegen diese Entscheidung legte der Beigeladene zu 8), der auf dem Gelände des Krankenhauses E. eine Praxis für Gefäß- und Thoraxchirurgie betreibt und daneben im Umfang von 8 Stunden wöchentlich beim Krankenhaus E. angestellt war, am 23.03.2010 Widerspruch ein. Grundlage für diesen Praxisbetrieb waren vertragliche Beziehungen zwischen dem Krankenhausträger (der Krankenhaus E. gGmbH) und dem Beigeladenen zu 8) (u.a. Mietvertrag über Räumlichkeiten vom 19.07.2007 sowie Kooperationsvertrag zur gefäßchirurgischen Patientenversorgung vom 11.10.2006), die mittlerweile vom Krankenhausträger fristlos gekündigt worden sind. Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Beigeladene zu 8) aus, er sei in seinen subjektiven Rechten verletzt, weil für die dem Antragsteller erteilte Ermächtigung kein Versorgungsbedarf bestehe. Der Antragsteller trägt im Widerspruchsverfahren vor, der Versorgungsbedarf habe sich gegenüber dem vorherigen Ermächtigungszeitraum nicht verändert, er sei lediglich zu den gleichen Leistungen ermächtigt worden wie seine Vorgängerin am Krankenhaus E., für die seit mindestens 1997 eine gefäßchirurgische Ermächtigung bestanden hatte. Gleichzeitig beantragte er die Anordnung der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Ermächtigung. Hierüber hat der Antragsgegner bislang nicht entschieden.
Am 01.04.2010 hat sich der Antragsteller an das Sozialgericht Köln gewandt und Eilrechtsschutz begehrt. Er führt aus, angesichts der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Beigeladenen zu 8) müssten zahlreiche bereits terminierte Patienten abgesagt werden, Dies führe auch dazu, dass der bestehende Versorgungsbedarf nicht gedeckt werden könnte. Überdies befürchte er erhebliche Einnahmeausfälle.
Der Antragsteller beantragt,
die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Antragsgegners vom 09.12.2009 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Beigeladenen zu 1) bis 4) und zu 6) bis 7) stellen keinen eigenen Antrag.
Der Beigeladene zu 5) beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt aus, gerichtlicher Eilrechtsschutz könne vor einer Entscheidung des Berufungsausschusses nicht gewährt werden.
Der Beigeladene zu 8) beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er beruft sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren.
Das Gericht hat den Antragsteller unter dem 17.05.2010 aufgefordert, die von ihm geltend gemachten erheblichen Einnahmeausfälle zu konkretisieren und auch die vom Antragsteller aufgrund der Ermächtigung vom 09.12.2009 getroffenen finanziellen Dispositionen näher darzulegen sowie mitzuteilen, in welchem Umfang aufgrund der Ermächtigung bislang Termine an Patienten vergeben worden sind. Der Antragsteller hat hierzu am 09.06.2010 mitgeteilt, in der Zeit vom 01.05.2009 bis 31.12.2009 seien monatsdurchschnittlich 0,75 Personen in die Sprechsstunde gekommen, in der Zeit vom 01.01.2010 bis 09.03.2010 monatsdurchschnittlich 7 Personen, die Tendenz sei weiter steigend. Nach Eingang des Widerspruchs seien alle Termine abgesagt bzw. nicht mehr angenommen worden. Die hierdurch verursachten (unmittelbaren) Einnahmeausfälle hielten sich in Grenzen, jedoch sei zu berücksichtigen, dass die Ausübung der dem Antragsteller erteilten Ermächtigung zur Abklärung (auch) von Operationsindikationen immer wieder zu medizinischen notwendigen stationären Behandlungen geführt habe. Diese Erlöse gingen zur Zeit verloren, während dem Krankenhaus Aufwendungen im Zusammenhang mit der erteilten Ermächtigung (etwa für den Ausbau von Räumlichkeiten) entstünden. Die hieraus resultierenden Einnahmeausfälle könnten zur Zeit nicht konkret beziffert werden, pro stationär zu behandelndem Patient lägen sie für das Krankenhaus bei ca. 1.600,- Euro. Das Gericht hat weiter eine Stellungnahme des Berufungsausschusses eingeholt. Danach beabsichtigt der Berufungsausschuss, am 16.06.2010 über den Drittwiderspruch des Beigeladenen zu 8) zu entscheiden.
Hinsichtlich der weiteren wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.
II.
Der Antrag wäre nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, wenn die §§ 86a, 86b SGG im vertragsärztlichen Zulassungsverfahren anwendbar wären. Denn die Anrufung des Berufungsausschusses durch den Beigeladenen zu 8) hat aufschiebende Wirkung, § 96 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Dies ist jedoch nicht der Fall.
Gerichtlicher Eilrechtsschutz nämlich kann grundsätzlich nicht vor der Entscheidung des Berufungsausschusses gewährt werden (dazu unter 1.). Von diesem Grundsatz ist lediglich in Ausnahmefällen abzuweichen, wenn dies erforderlich ist, um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes zur Geltung zu verhelfen. Ein solcher Ausnahmefall ist jedoch nicht gegeben (dazu unter 2.).
1. Das Verfahren vor dem Berufungsausschuss ist kein Vorverfahren im Sinne der §§ 78 ff. SGG, vgl. BSG, Urteil vom 27.01.1993, 6 RKa 40/91 = juris; BSG, Urteil vom 09.06.1999, B 6 KA 76/97 R = juris). Aus diesem Grund verbietet sich eine unmittelbare Anwendung der §§ 86a, 86b SGG (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2002, L 10 B 2/02 KA ER = GesR 2003, 76 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.10.2006, L 10 B 15/06 KA ER, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Die Vorschriften der §§ 86a, 86b SGG finden auch keine analoge Anwendung, weil die Voraussetzungen für eine Gesetzesanalogie nicht vorliegen. Zwar besteht insoweit eine Regelungslücke. Es fehlt jedoch an einer Planwidrigkeit dieser Regelungslücke, weil es sich um ein sog. beredtes Schweigen des Gesetzgebers handelt. Denn bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-ÄndG zum 02.01.2002 war es umstritten, ob das Gericht auf Antrag auch Entscheidungen der Zulassungsausschüsse für sofort vollziehbar erklären konnte (vgl. die Nachweise bei LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2002, a.a.O.). Hat der Gesetzgeber mit dem 6. SGG-ÄndG aber insbesondere das Ziel verfolgt, den einstweiligen Rechtsschutz zu verbessern und umfassen zu regeln (vgl. insoweit die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/5943, S. 20) und hat er im Rahmen dieses Vorhabens auf eine Änderung von § 97 Abs. 4 SGB V verzichtet, so kann dieses Schweigen nur in dem Sinne interpretiert werden, dass er den einstweiligen Rechtsschutz in Zulassungs- und Ermächtigungssachen nicht verbessern wollte (vgl. zum Ganzen LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2002, L 10 B15/06 KA ER, a.a.O.). Diese gesetzgeberische Entscheidung ist von den Gerichten zu respektieren. Gerichtlicher Eilrechtsschutz kann damit grundsätzlich nicht vor der Entscheidung des Berufungsausschusses begehrt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 04.09.2002 und vom 25.10.2006, jeweils a.a.O.; ebenso SG Aachen, Beschluss vom 23.09.2003, S 7 KA 14/03 ER, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; a.A. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 86a Rdnr. 23; SG Marburg, Beschluss vom 12.08.2009, S 12 KA 428/09 ER = juris).
Dem steht schließlich nicht das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.10.2007 (B 6 KA 4/07 R = juris) entgegen. Denn abgesehen davon, dass diese Entscheidung den Gebührenanspruch eines Rechtsanwalts betraf, der einen Arzt in Zulassungssachen vertreten hatte und sich das BSG zu Fragen des einstweiligen Rechtsschutzes in Zulassungssachen in dieser Entscheidung (a.a.O., Rdnr. 18) lediglich obiter dicta geäußert hat, so ging es um die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entscheidung des Berufungsausschusses.
2. Diese Grundregel ist lediglich dann zu durchbrechen, wenn andernfalls das Gebot effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht verwirklicht werden könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.10.2006, a.a.O.; SG Aachen, Beschluss vom 23.09.2003, S 7 KA 14/03 ER, a.a.O.). Dies ist in Konstellationen wie der vorliegenden, in denen um die Anordnung der sofortigen Vollziehung gestritten wird, etwa dann der Fall, wenn der Drittwiderspruch erkennbar abwegig und daher rechtsmissbräuchlich ist (SG Aachen, Beschluss vom 23.09.2003, S 7 KA 14/03 ER, a.a.O.). Diese Voraussetzung liegt indessen nicht vor. Zwar bestehen bei summarischer Betrachtung im Eilverfahren Zweifel, ob der Widerspruch Erfolg haben wird, weil sich - worauf der Antragsteller hingewiesen hat - die Versorgungssituation durch die Entscheidung des Antragsgegners vom 09.12.2009 nicht wesentlich geändert hat, weil die Vorgängerin des Antragstellers bereits eine entsprechende Ermächtigung innehatte. Dies jedoch reicht für eine Rechtsmissbräuchlichkeit im oben genannten Sinne allein nicht aus.
Sonstige unzumutbare Nachteile des Antragstellers, welche zur Verwirklichung seines grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG eine Durchbrechung des o.g. Grundsatzes geböten, liegen nicht vor. Denn er hat erklärt, das (derzeitige) Volumen der Einnahmeausfälle sei überschaubar, zumal er selbst ausgeführt hat, er führe zur Zeit keine ambulanten gefäßchirurgischen Behandlungen auf der Grundlage der streitgegenständlichen Ermächtigung durch (Bl. 204 der Gerichtsakte). Selbst die geltend gemachten Einnahmeausfälle für das Krankenhaus (basierend auf dem Wegfall des Anteils an stationären Aufenthalten, die auf eine Ausübung der Ermächtigung - OP-Indikationsprüfung - zurückzuführen sind), halten sich in Grenzen. Abgesehen davon handelt es sich hierbei um Interessen des Krankenhausträgers, die (wirtschaftlichen) Interessen des Antragstellers sind dadurch lediglich äußerst mittelbar berührt. Hinzu kommt, dass der Berufungsausschuss auf Anfrage mitgeteilt hat, eine Entscheidung über den Widerspruch des Beigeladenen zu 8) sei für den 16.06.2010 vorgesehen, so dass der Entscheidung des Antragsgegners eine zeitlich äußerst begrenzte Wirkung beizumessen ist und es dem Antragsteller frei steht, ggf. gegen diese in Kürze ergehende Entscheidung einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert erfolgt durch gesonderten Beschluss.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Zulassungsentscheidung des Antragsgegners.
Der Antragsteller ist Facharzt für Chirurgie, Facharzt für Viscalchirurgie sowie Facharzt für Thoraxchirurgie und als Chefarzt der Abteilung Chirurgie II im Krankenhaus E. angestellt. Auf seinen Antrag vom 30.03.2009 ermächtigte ihn der Antragsgegner mit Beschluss vom 22.04.2009 für die Zeit vom 01.05. bis 30.09.2009 im Krankenhaus E. vorläufig zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Mit Beschluss des Antragsgegners vom 23.09.2009 wurde die Ermächtigung vorläufig bis 31.12.2009 erneuert. Mit weiterem Beschluss vom 09.12.2009 ermächtigte ihn der Antragsgegner im Krankenhaus E. bis 31.12.2011 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (u.a. auf dem Gebiet der Gefässchirurgie). Gegen diese Entscheidung legte der Beigeladene zu 8), der auf dem Gelände des Krankenhauses E. eine Praxis für Gefäß- und Thoraxchirurgie betreibt und daneben im Umfang von 8 Stunden wöchentlich beim Krankenhaus E. angestellt war, am 23.03.2010 Widerspruch ein. Grundlage für diesen Praxisbetrieb waren vertragliche Beziehungen zwischen dem Krankenhausträger (der Krankenhaus E. gGmbH) und dem Beigeladenen zu 8) (u.a. Mietvertrag über Räumlichkeiten vom 19.07.2007 sowie Kooperationsvertrag zur gefäßchirurgischen Patientenversorgung vom 11.10.2006), die mittlerweile vom Krankenhausträger fristlos gekündigt worden sind. Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Beigeladene zu 8) aus, er sei in seinen subjektiven Rechten verletzt, weil für die dem Antragsteller erteilte Ermächtigung kein Versorgungsbedarf bestehe. Der Antragsteller trägt im Widerspruchsverfahren vor, der Versorgungsbedarf habe sich gegenüber dem vorherigen Ermächtigungszeitraum nicht verändert, er sei lediglich zu den gleichen Leistungen ermächtigt worden wie seine Vorgängerin am Krankenhaus E., für die seit mindestens 1997 eine gefäßchirurgische Ermächtigung bestanden hatte. Gleichzeitig beantragte er die Anordnung der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Ermächtigung. Hierüber hat der Antragsgegner bislang nicht entschieden.
Am 01.04.2010 hat sich der Antragsteller an das Sozialgericht Köln gewandt und Eilrechtsschutz begehrt. Er führt aus, angesichts der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Beigeladenen zu 8) müssten zahlreiche bereits terminierte Patienten abgesagt werden, Dies führe auch dazu, dass der bestehende Versorgungsbedarf nicht gedeckt werden könnte. Überdies befürchte er erhebliche Einnahmeausfälle.
Der Antragsteller beantragt,
die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Antragsgegners vom 09.12.2009 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Beigeladenen zu 1) bis 4) und zu 6) bis 7) stellen keinen eigenen Antrag.
Der Beigeladene zu 5) beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt aus, gerichtlicher Eilrechtsschutz könne vor einer Entscheidung des Berufungsausschusses nicht gewährt werden.
Der Beigeladene zu 8) beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er beruft sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren.
Das Gericht hat den Antragsteller unter dem 17.05.2010 aufgefordert, die von ihm geltend gemachten erheblichen Einnahmeausfälle zu konkretisieren und auch die vom Antragsteller aufgrund der Ermächtigung vom 09.12.2009 getroffenen finanziellen Dispositionen näher darzulegen sowie mitzuteilen, in welchem Umfang aufgrund der Ermächtigung bislang Termine an Patienten vergeben worden sind. Der Antragsteller hat hierzu am 09.06.2010 mitgeteilt, in der Zeit vom 01.05.2009 bis 31.12.2009 seien monatsdurchschnittlich 0,75 Personen in die Sprechsstunde gekommen, in der Zeit vom 01.01.2010 bis 09.03.2010 monatsdurchschnittlich 7 Personen, die Tendenz sei weiter steigend. Nach Eingang des Widerspruchs seien alle Termine abgesagt bzw. nicht mehr angenommen worden. Die hierdurch verursachten (unmittelbaren) Einnahmeausfälle hielten sich in Grenzen, jedoch sei zu berücksichtigen, dass die Ausübung der dem Antragsteller erteilten Ermächtigung zur Abklärung (auch) von Operationsindikationen immer wieder zu medizinischen notwendigen stationären Behandlungen geführt habe. Diese Erlöse gingen zur Zeit verloren, während dem Krankenhaus Aufwendungen im Zusammenhang mit der erteilten Ermächtigung (etwa für den Ausbau von Räumlichkeiten) entstünden. Die hieraus resultierenden Einnahmeausfälle könnten zur Zeit nicht konkret beziffert werden, pro stationär zu behandelndem Patient lägen sie für das Krankenhaus bei ca. 1.600,- Euro. Das Gericht hat weiter eine Stellungnahme des Berufungsausschusses eingeholt. Danach beabsichtigt der Berufungsausschuss, am 16.06.2010 über den Drittwiderspruch des Beigeladenen zu 8) zu entscheiden.
Hinsichtlich der weiteren wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.
II.
Der Antrag wäre nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, wenn die §§ 86a, 86b SGG im vertragsärztlichen Zulassungsverfahren anwendbar wären. Denn die Anrufung des Berufungsausschusses durch den Beigeladenen zu 8) hat aufschiebende Wirkung, § 96 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Dies ist jedoch nicht der Fall.
Gerichtlicher Eilrechtsschutz nämlich kann grundsätzlich nicht vor der Entscheidung des Berufungsausschusses gewährt werden (dazu unter 1.). Von diesem Grundsatz ist lediglich in Ausnahmefällen abzuweichen, wenn dies erforderlich ist, um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes zur Geltung zu verhelfen. Ein solcher Ausnahmefall ist jedoch nicht gegeben (dazu unter 2.).
1. Das Verfahren vor dem Berufungsausschuss ist kein Vorverfahren im Sinne der §§ 78 ff. SGG, vgl. BSG, Urteil vom 27.01.1993, 6 RKa 40/91 = juris; BSG, Urteil vom 09.06.1999, B 6 KA 76/97 R = juris). Aus diesem Grund verbietet sich eine unmittelbare Anwendung der §§ 86a, 86b SGG (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2002, L 10 B 2/02 KA ER = GesR 2003, 76 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.10.2006, L 10 B 15/06 KA ER, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Die Vorschriften der §§ 86a, 86b SGG finden auch keine analoge Anwendung, weil die Voraussetzungen für eine Gesetzesanalogie nicht vorliegen. Zwar besteht insoweit eine Regelungslücke. Es fehlt jedoch an einer Planwidrigkeit dieser Regelungslücke, weil es sich um ein sog. beredtes Schweigen des Gesetzgebers handelt. Denn bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-ÄndG zum 02.01.2002 war es umstritten, ob das Gericht auf Antrag auch Entscheidungen der Zulassungsausschüsse für sofort vollziehbar erklären konnte (vgl. die Nachweise bei LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2002, a.a.O.). Hat der Gesetzgeber mit dem 6. SGG-ÄndG aber insbesondere das Ziel verfolgt, den einstweiligen Rechtsschutz zu verbessern und umfassen zu regeln (vgl. insoweit die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/5943, S. 20) und hat er im Rahmen dieses Vorhabens auf eine Änderung von § 97 Abs. 4 SGB V verzichtet, so kann dieses Schweigen nur in dem Sinne interpretiert werden, dass er den einstweiligen Rechtsschutz in Zulassungs- und Ermächtigungssachen nicht verbessern wollte (vgl. zum Ganzen LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2002, L 10 B15/06 KA ER, a.a.O.). Diese gesetzgeberische Entscheidung ist von den Gerichten zu respektieren. Gerichtlicher Eilrechtsschutz kann damit grundsätzlich nicht vor der Entscheidung des Berufungsausschusses begehrt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 04.09.2002 und vom 25.10.2006, jeweils a.a.O.; ebenso SG Aachen, Beschluss vom 23.09.2003, S 7 KA 14/03 ER, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; a.A. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 86a Rdnr. 23; SG Marburg, Beschluss vom 12.08.2009, S 12 KA 428/09 ER = juris).
Dem steht schließlich nicht das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.10.2007 (B 6 KA 4/07 R = juris) entgegen. Denn abgesehen davon, dass diese Entscheidung den Gebührenanspruch eines Rechtsanwalts betraf, der einen Arzt in Zulassungssachen vertreten hatte und sich das BSG zu Fragen des einstweiligen Rechtsschutzes in Zulassungssachen in dieser Entscheidung (a.a.O., Rdnr. 18) lediglich obiter dicta geäußert hat, so ging es um die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entscheidung des Berufungsausschusses.
2. Diese Grundregel ist lediglich dann zu durchbrechen, wenn andernfalls das Gebot effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht verwirklicht werden könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.10.2006, a.a.O.; SG Aachen, Beschluss vom 23.09.2003, S 7 KA 14/03 ER, a.a.O.). Dies ist in Konstellationen wie der vorliegenden, in denen um die Anordnung der sofortigen Vollziehung gestritten wird, etwa dann der Fall, wenn der Drittwiderspruch erkennbar abwegig und daher rechtsmissbräuchlich ist (SG Aachen, Beschluss vom 23.09.2003, S 7 KA 14/03 ER, a.a.O.). Diese Voraussetzung liegt indessen nicht vor. Zwar bestehen bei summarischer Betrachtung im Eilverfahren Zweifel, ob der Widerspruch Erfolg haben wird, weil sich - worauf der Antragsteller hingewiesen hat - die Versorgungssituation durch die Entscheidung des Antragsgegners vom 09.12.2009 nicht wesentlich geändert hat, weil die Vorgängerin des Antragstellers bereits eine entsprechende Ermächtigung innehatte. Dies jedoch reicht für eine Rechtsmissbräuchlichkeit im oben genannten Sinne allein nicht aus.
Sonstige unzumutbare Nachteile des Antragstellers, welche zur Verwirklichung seines grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG eine Durchbrechung des o.g. Grundsatzes geböten, liegen nicht vor. Denn er hat erklärt, das (derzeitige) Volumen der Einnahmeausfälle sei überschaubar, zumal er selbst ausgeführt hat, er führe zur Zeit keine ambulanten gefäßchirurgischen Behandlungen auf der Grundlage der streitgegenständlichen Ermächtigung durch (Bl. 204 der Gerichtsakte). Selbst die geltend gemachten Einnahmeausfälle für das Krankenhaus (basierend auf dem Wegfall des Anteils an stationären Aufenthalten, die auf eine Ausübung der Ermächtigung - OP-Indikationsprüfung - zurückzuführen sind), halten sich in Grenzen. Abgesehen davon handelt es sich hierbei um Interessen des Krankenhausträgers, die (wirtschaftlichen) Interessen des Antragstellers sind dadurch lediglich äußerst mittelbar berührt. Hinzu kommt, dass der Berufungsausschuss auf Anfrage mitgeteilt hat, eine Entscheidung über den Widerspruch des Beigeladenen zu 8) sei für den 16.06.2010 vorgesehen, so dass der Entscheidung des Antragsgegners eine zeitlich äußerst begrenzte Wirkung beizumessen ist und es dem Antragsteller frei steht, ggf. gegen diese in Kürze ergehende Entscheidung einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert erfolgt durch gesonderten Beschluss.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved