L 10 P 59/10 B ER RG

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 12 P 233/09 ER
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 P 59/10 B ER RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Senats vom 10.05.2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 31.05.2010 wird aufrecht erhalten. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (ASt) betreibt ein Pflegeheim. Sie wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Veröffentlichung eines Transparenzberichts durch die Antragsgegner (AG). Den hierauf gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht Dortmund (SG) mit Beschluss vom 25.01.2010 abgelehnt. Im sich anschließenden Beschwerdeverfahren hat der Senat durch Beschluss vom 10.05.2010, im Kostentenor und in der Kostenentscheidung berichtigt durch Beschluss vom 31.05.2010, die Beschwerde der ASt zurückgewiesen.

Die ASt hat mit Schriftsatz vom 20.05.2010 Anhörungsrüge nach § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben und diese damit begründet, dass ihr vor Beschlussfassung des Senats die Beschwerdeerwiderung des AG zu 6) nicht übersandt und damit der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungerheblicher Weise verletzt worden sei.

Der Senat hat der Anhörungsrüge mit Beschluss vom 31.05.2010 abgeholfen und das Verfahren fortgeführt. Die ASt hat daraufhin mit Schriftsatz vom 07.06.2010 umfassend zur Beschwerdeerwiderungsschrift Stellung genommen.

II.

Der mit der Anhörungsrüge angefochtene Beschluss vom 10.05.2010 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 31.05.2010 wird aufrecht erhalten. Die nach Fortführung des Verfahrens angeführten weiteren Gründe führen nicht zur Aufhebung des Beschlusses. Die aufgrund des Fortsetzungsverfahrens zu treffende Entscheidung stimmt mit der früheren Senatsentscheidung überein (§ 178a Abs 5 S 4 SGG iVm § 349 Zivilprozessordnung - ZPO -; vgl. OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 04.09.2008, 2 L 46/08). Auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringen der ASt im Fortsetzungsverfahren besteht kein Grund, die Beschwerdeentscheidung vom 10.05.2010 zu ändern und dem Antrag stattzugeben.

Ein Anordnungsanspruch ist nicht gegeben.

Soweit die ASt einen Verstoß gegen den Artikel 80 Grundgesetz (GG) getroffene Regelung rügt, hat sich der Senat mit dieser Problematik in dem Beschluss vom 10.05.2010 umfassend auseinander gesetzt. Die Ausführungen der Antragstellerin führen zu keinem abweichenden Ergebnis. § 115 Abs 1a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) enthält eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Normsetzung durch vertragliche Vereinbarungen, dh Vereinbarungen mit Geltung für Dritte, hier mit Geltung für die Pflegeeinrichtungen. Zielsetzung dieser Vorschrift ist die Vergleichbarkeit der Pflegeleistungen und deren Qualität für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige in verständlicher, übersichtlicher Form und die Veröffentlichung der Prüfergebnisse im Internet bzw in anderer geeigneter Form. Die Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik sind nicht näher durch den parlamentarischen Gesetzgeber vorgegeben, sondern die Fassung und Festlegung im Einzelnen sind den Beteiligten der Vereinbarung überlassen worden. Dies war gewollt und ist hinzunehmen. Derartige konkrete Vorgaben können im Einzelnen kaum abstrakt in einem Gesetz formuliert werden. Der Bezug auf die Prüfung der Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, gibt einen hinreichend bestimmten Rahmen vor. Die beabsichtigte und teilweise vollzogene Veröffentlichung der Berichte durch die Antragsgegner ist durch bundesgesetzliche Rechtsgrundlagen gedeckt und rechtmäßig (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 30.03.2010, L 2 P 7/10 B ER, Juris, Rn 37).

Der Einwand, die ASt sei nicht Mitglied einer der an der Transparenzvereinbarung beteiligten Vereinigungen, greift nicht. § 115 Abs 1a S 6 u 7 SGB XI gibt vor, welche Organisationen an der Vereinbarung zu beteiligen waren. Diese Vorgaben sind nach der im Rahmen des Anordnungsverfahrens gebotenen summarischen Prüfung eingehalten worden. Nicht vorgesehen ist hingegen die unmittelbare Beteiligung aller von der Vereinbarung betroffenen Pflegeheime. Es steht der ASt frei, einem der beteiligten Interessensvereinigungen als Mitglied beizutreten und auf diesem Weg von den Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.

Der Umstand, dass es aktuell an pflegewissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen über valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität der pflegerischen Versorgung fehlt, ist bei der Beschlussfassung durch den Senat ebenfalls berücksichtigt worden. Der Senat geht - anders als die ASt - nicht davon aus, dass es für die Erstellung des Transparenzberichts an hinreichenden Erkenntnissen fehlt. Auch kann aus dem Fehlen pflegewissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse über valide Indikatoren nicht auf eine generelle Unrichtigkeit der nach Maßgabe der Transparenzvereinbarung erstellten Transparenzberichte geschlossen werden. Mit § 115 Abs 1a S 6 SGB XI hat der Gesetzgeber die Vereinbarung der Bewertungskriterien bewusst in die Hände der wesentlichen mit der Pflege befassten Verbände und Vereinigungen gelegt. Diese verfügen über große Erfahrungen und Sachkenntnisse im Bereich der Pflege. Sie haben die gesetzliche Aufgabe erfüllt, indem sie die nach aktuellem Kenntnisstand aus ihrer übereinstimmenden Sicht bestmöglichen Bewertungskriterien entwickelt haben. Diese sind - unabhängig von ihrer wissenschaftlichen Validität - jedenfalls verständlich, nachvollziehbar und nach summarischer Prüfung auch sachgerecht. Pflegewissenschaftlich nicht gesichert ist allenfalls die Aussagekraft einzelner Bewertungskriterien. Hieraus ergibt sich aber noch keine Unrichtigkeit der auf ihnen basierenden Prüfergebnisse. Sofern die Kriterien ordnungsgemäß geprüft werden, sind die in den Transparenzberichten veröffentlichten Ergebnisse objektiv richtig. Durch die Veröffentlichung der Noten der einzelnen Bewertungskriterien wird der Bürger auch in die Lage versetzt, eine bedarfsgerechte Auswahl eines Pflegeplatzes zu treffen. Schließlich hat auch die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt, dass und inwieweit sich die vereinbarten Kriterien generell in sachlich unrichtigen Angaben niederschlagen.

Der Einwand, eine Kontrollberechnung der veröffentlichten Noten sei durch den Verbraucher nicht möglich, weil die einzelnen Skalenwerte der Bewertungskriterien im Transparenzbericht nicht aufgeführt sind, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Durch den Transparenzbericht soll die Ergebnis- und Lebensqualität für Pflegebedürftige verständlich, übersichtlich und vergleichbar dargestellt und der Verbraucher entsprechend informieren werden. Diesen Vorgaben entsprechen die Transparenzberichte in der derzeitigen Form. Die Darstellungskriterien der Verständlichkeit, Übersichtlichkeit, Klarheit und Vergleichbarkeit der Informationen im Transparenzbericht erfordern es nicht, dass dem Verbraucher auch die Möglichkeit der Kontrollberechnung der veröffentlichten Noten eingeräumt werden müsste. Vielmehr darf der Verbraucher davon ausgehen, dass die Vorgaben der Transparenzvereinbarung durch die Landesverbände der Pflegekassen bei Auswertung des Prüfergebnisses eingehalten und rechnerisch richtig umgesetzt werden. Im Fall rechnerischer Unrichtigkeiten bleibt es dem geprüften Pflegeheim auch unbenommen, Beanstandungen und Unstimmigkeiten zu klären und auf ihre Korrektur hinzuwirken. Überdies besteht für die Pflegeeinrichtung die Möglichkeit, sich zu dem Prüfergebnis im Transparenzbericht in der verlinkten Rubrik "Kommentar der Pflegeeinrichtung" zu äußern. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich aus der fehlenden Veröffentlichung der Skalenwerte jedenfalls nicht.

Entgegen der Auffassung der ASt ist eine Gewichtung innerhalb der einzelnen Kriterien bereits deshalb erkennbar, weil die Prüfnoten aller Kriterien veröffentlicht werden. Der Verbraucher kann insofern bei Durchsicht des Transparenzberichts ohne Weiteres feststellen, welche Bewertungskriterien sich bei Bildung der Gesamtnoten besonders positiv oder negativ ausgewirkt haben.

Nicht zu beanstanden ist entgegen der Ansicht der ASt, dass den MDK-Prüfern bei der Bewertung einiger Kriterien ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Informationen unterliegen wie jedes Staatshandeln dem Sachlichkeitsgebot. Bei marktbezogenen Informationen richten sich die Anforderungen auch nach den Funktionserfordernissen des Wettbewerbs. Wertungen sind hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen. Sie dürfen lediglich nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen. Die Information darf auch bei zutreffendem Inhalt in der Form weder unsachlich noch herabsetzend formuliert sein. Ihre Verbreitung ist unter Berücksichtigung möglicher nachteiliger Wirkungen für betroffene Wettbewerber auf das zur Informationsgewährung Erforderliche zu beschränken (vgl Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.06.2002, 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91, Juris Rnr 61). Unter der Voraussetzung der Beachtung dieser Grundsätze bestehen für den Senat keine Zweifel, dass eine grundsätzliche Vergleichbarkeit auch der Kriterien gegeben ist, bei denen ein Beurteilungsspielraum besteht.

Duchgreifende Bedenken bestehen auch nicht deshalb, weil der MDK Westfalen-Lippe und der MDK Nordrhein für die in ihrem Bereich tätigen Einrichtungsträger jeweils eigene Landesdurchschnittsbewertungen erstellen. Maßgeblich für die Vergleichbarkeit der Noten ist eine gewisse Ortsnähe und eine repräsentative Größe der Vergleichsgruppe. Diese Kriterien sind vorliegend erfüllt. Insbesondere bestehen angesichts der Größe der beiden Verbände - auch im Vergleich zu deutlich kleineren Bundesländern - keine Zweifel, dass eine repräsentative Vergleichsgruppe gegeben ist.

Soweit die ASt ausführt, es fehle an einer Vergleichbarkeit der einzelnen Ergebnisse auch deshalb, weil die Prüfbedingungen zwischenzeitlich aufgrund gewonnener Prüfergebnisse und Erfahrungen geändert worden sind, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Es ist weder dargelegt, inwieweit sich die Prüfbedingungen geändert haben, noch wie sich dies auf die Bewertungen auswirkt. Darüber hinaus geht der Senat davon aus, dass etwaige Änderungen der Prüfbedingungen - auch wenn die Vergleichbarkeit dadurch eingeschränkt wird - hinzunehmen sind. Der Optimierung der Bewertungskriterien und Prüfbedingungen ist insoweit Vorrang einzuräumen. Denn die Anpassung der Prüfbedingungen und -kriterien an die neuesten Erkenntnisse gewährleistet die - auch im Interesse der Pflegeeinrichtungen liegende - sachgerechte Bewertung der Pflege.

Auch der Vortrag der ASt zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes führt zu keiner gegenüber der Beschlussfassung durch den Senat am 10.05.2010 abweichenden Beurteilung. Bei den Ausführungen zu einem möglicherweise eintretenden Schwinden der Bewohnerzufriedenheit bei Veröffentlichung des Transparenzberichts aufgrund einzelner schlechter Bewertungen handelt es sich um reine Spekulationen. Die Behauptung, die Dokumentationspflicht sprenge die gesetzlichen Vorgaben und sei praxisuntauglich und unvertretbar, ist in keiner Weise konkretisiert worden und damit unsubstantiiert. Einen Eingriff in die Grundrechte der ASt hat der Senat gerade nicht feststellen können, so dass sich auch unter diesem Aspekt kein Anordnungsgrund ergibt.

Die weiteren im Fortsetzungsverfahren vorgetragenen Argumente waren dem Senat - auch aus zahlreichen Parallelverfahren - bei der Beschlussfassung am 10.05.2010 bereits bekannt und sind im Rahmen der Beschlussfassung berücksichtigt worden, so dass weitergehende Ausführungen hierzu entbehrlich sind. Dies gilt um so mehr, als im vorliegenden Anordnungsverfahren regelmäßig lediglich eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage vorzunehmen ist.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Anhörungsrügeverfahren beruht auf § 197 a SGG iVm § 154 Abs 2 GKG. Einer gesonderten Streitwertfestsetzung hinsichtlich des Anhörungsrügeverfahrens bedarf es nicht, weil sich die Gebührenhöhe für die Anhörungsrüge unmittelbar aus Nr 5400 der Anlage I zum GKG ergibt.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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