Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 116/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 145/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.09.2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Im vorliegenden Berufungsverfahren wendet sich die Beklagte gegen die Aufhebung des beanstandeten Bescheides durch das Sozialgericht (SG) wegen noch erforderlicher Ermittlungen.
Der am 00.00.1948 geborene Kläger beantragte am 16.2.2007 Rente aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung. Zur Verwaltungsakte der Beklagten gelangten diverse spanische Unterlagen, u.a. ein Gutachten vom 26.4.2007 im Formular E 213 sowie ein weiteres Gutachten vom 28.9.2007, ebenfalls im Vordruck E 213. Eine Übersetzung zu dem zweiten Gutachten wurde nicht angefertigt. Mit Bescheid vom 15.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.2.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente voller oder teilweiser Erwerbsminderung - ggf. bei Berufsunfähigkeit - ab, weil der Kläger nach ihrer Einschätzung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch 6 Stunden und mehr einsatzfähig sei; der Kläger sei verweisbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, weil er zuletzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Bauarbeiter, also eine solche eines angelernten Arbeiters ausgeübt habe.
Hiergegen hat der Kläger am 6.4.2009 Klage zum SG Düsseldorf erhoben und zur Begründung ausgeführt, er müsse zumindest Rente wegen Berufsunfähigkeit bekommen, denn er habe für seine Tätigkeit als "Bauarbeiter" eine Ausbildung nach spanischen Vorschriften machen müssen. Seiner Klage hat er Unterlagen u.a. hinsichtlich der durchlaufenen Ausbildung beigefügt. Außerdem hat er den gerichtlichen Fragebogen zur Person zurückgesandt.
Dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers hat das SG das Begehren entnommen, die Beklagte möge unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, zumindest als Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verurteilt werden.
Mit Schreiben vom 18.8.2009 hat das SG den Beteiligten mitgeteilt, es beabsichtige, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Es sei voraussichtlich damit zu rechnen, dass das Gericht die angefochtenen Bescheide nach § 131 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne Sachentscheidung aufhebe, damit die Beklagte erneut Gelegenheit habe, den Rentenantrag zu prüfen und erneut darüber zu entscheiden. Das Gericht halte nämlich die bisherige Sachaufklärung für unzureichend.
Der Kläger, dem die Anhörung am 25.08.2009 zugegangen ist, hat sich hierzu nicht geäußert.
Die Beklagte hat zwar auch schriftlich keinen bestimmten Antrag gestellt, jedoch Einwendungen zum gerichtlichen Anhörungsschreiben vorgebracht. Sie hat keinen Ermittlungsausfall gesehen. Es sei nicht erforderlich, dass im spanischen Rentengutachten auch alle Fragen bzw. Punkte ausgefüllt werden müssten. Sie, die Beklagte, habe sich zur Beurteilung des medizinischen Sachverhaltes ihres ärztlichen Dienstes bedient, die Gutachten ausgewertet und sich damit auf ausreichende Weise Kenntnisse über die entscheidungserheblichen Tatsachen verschaffen können. Im Übrigen liege bei dem Kläger auch nach seinem ergänzenden Vortrag keine Berufsunfähigkeit vor, weil nach dem bisherigen Angaben auch im gerichtlichen Fragebogen nur von einer Anlernzeit bzw. Ausbildungszeit von weniger als einem Jahr ausgegangen werden könne.
Das SG hat sodann mit Gerichtsbescheid vom 29.9.2009 den Bescheid der Beklagten vom 15.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.2.2009 aufgehoben. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 5.10.2009 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Beklagte mit ihrer am 13.10.2009 erhobenen Berufung. Sie bezweifelt zunächst, dass die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG vorliegen. Eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG weise besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht vor. Sofern das SG in Abrede stelle, dass sie, die Beklagte, die nicht übersetzten Seiten der medizinischen Unterlagen hinreichend erfasst habe und demnach die medizinischen Sachverhalte beurteilen könne, so handele es sich hierbei nicht um einen Aspekt der fehlenden Sachverhaltsaufklärung, sondern vielmehr um eine Frage der Entscheidungsbildung. § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG rechtfertige aber nicht eine Bescheidaufhebung aus diesem Grunde. Es müsse ein Ermittlungsausfall vorliegen. Zwar liege keine Übersetzung des Gutachtens vom 28.9.2007 vor. Der beratungsärztliche Dienst habe das Gutachten aber gleichwohl auswerten können. Soweit das SG kritisiere, dass sich aus dem Vordruck E 213 keine konkrete Aussagen zur zeitlichen Leistungsfähigkeit des Klägers ergäben, übersehe es, dass der Inhalt des Vordrucks E 213 von der Europäischen Kommission festgelegt worden sei. In diesen Verbindungsvordrucken können nicht auf jede mitgliedschaftliche Besonderheit bei der Feststellung von Invalidität eingegangen werden. Diese Besonderheiten seien durch den zuständigen Sozialversicherungsträger separat zu klären. Dies gestalte sich im Ausland für die Beklagte aber regelmäßig nicht unproblematisch, so dass vertiefende Erkenntnisse nicht unbedingt zu erwarten gewesen seien. Die Beklagte habe daher von einer ergänzenden Sachverhaltsaufklärung abgesehen. Denn schließlich gingen aus den vorliegenden Unterlagen genügend medizinische Fakten hervor, die es dem ärztlichen Dienst erlaubt hätten, die quantitative und qualitative Leistungsfähigkeit des Klägers ausreichend zu beurteilen, dies auch mit Blick darauf, dass insbesondere im Gutachten vom 26.4.2007 die Fragen nach dem quantitativen Leistungsvermögen nicht beantwortet seien und auch die Merkblätter zur sogenannten Neutralnullmethode unausgefüllt geblieben seien. Für die Richtigkeit der Beurteilung sei es nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers direkt vom untersuchenden Gutachter oder aber vom medizinischen Sachverständigen der Beklagten in Anknüpfung an die eingeholten (zum Teil nicht gewöhnlichen Standards entsprechenden) Gutachten getroffen worden sei. Sofern das SG meine, diese Einschätzung sei zu überprüfen, so könne es den medizinischen Sachverhalt weiter eigenständig aufklären. Auch in Bezug auf die Ermittlung zum beruflichen Status des Klägers sei sie, die Beklagte, ihren Ermittlungspflichten ausreichend nachgekommen. Anhaltspunkte für einen Berufsschutz des Klägers ergäben sich nicht. Auch diesbezüglich läge kein Ermittlungsausfall vor. Selbst wenn man demgegenüber davon ausgehe, dass notwendige Ermittlungen unterlassen worden seien, sei ein solcher Ausfall für eine Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG nur relevant, wenn die unterlassenen Ermittlungen erheblich iSd Vorschrift seien. Dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn der Sozialleistungsträger die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen besser und rascher durchführen könne als das Gericht. Hierfür gebe es aber vorliegend keine Anhaltspunkte. Selbst wenn das SG die Einholung weiterer Sachverständigengutachten für nötig halte, mangele es nach aktueller Rechtsprechung an einer Erheblichkeit im Sinne von § 131 Abs. 5 SGG.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.9.2009 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.
Der Kläger hat sich zum Berufungsbegehren nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt. Zur mündlichen Verhandlung ist er nicht erschienen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gem. §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil dieser in der Terminsmitteilung, die ihm am 24.2.2010 per Einschreiben gegen Rückschein zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil eine Entscheidung des SG aufheben und zur erneuten Verhandlung an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das SG eine Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache zu entscheiden. Diese Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn das SG einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formalen Gründen bzw. ohne Sachentscheidung aufgehoben hat, der Klage also - wie hier - teilweise stattgegeben wurde (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 149 Rdnr. 2b). Auf die Berufung der Beklagten ist danach der angefochtene Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Das SG hat die Bescheide der Beklagten zu Unrecht aufgehoben, ohne in der Sache zu entscheiden. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 131 Abs. 5 SGG liegen nicht vor. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob das Sozialgericht vorliegend durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 SGG entscheiden konnte.
Gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGG kann das SG binnen 6 Monaten seit Eingang der Behördenakten bei Gericht den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, nach Art und Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Anwendung dieser Vorschrift führt in den genannten Fällen zu einer vollständigen Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Behörde zum Zweck erneuter Ermittlungen und neuer Bescheiderteilung. Die Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG beinhaltet eine - grundsätzlich eng auszulegende - Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht selbst eine Sachentscheidung über eine zulässige Klage treffen muss.
§ 131 Abs. 5 SGG wurde durch Art. 8 Nr. 1 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.8.2004 mit Wirkung vom 1.9.2004 dem bisherigen § 131 SGG angefügt und gilt seit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 mit Wirkung vom 1.4.2008 nunmehr auch für kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Die Vorschrift lehnt sich nach den Motiven des Gesetzgebers unmittelbar an die bereits vorhandenen, fast wortgleichen Vorschriften des § 113 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie des § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an und soll dem Gericht eine zeit- und kostenintensive Ermittlung ersparen, die eigentlich der Behörde obliegt, weil nach Beobachtungen der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe (Bundestagsdrucksache 15/1508 S. 29, Bundestagsdrucksache 378/03 S. 67).
Zwar hat das Sozialgericht innerhalb von 6 Monaten nach Eingang der Behördenakten entschieden, denn die Verwaltungsakten sind am 22.4.2009 bei dem SG eingegangen und der Gerichtsbescheid ist der Beklagten am 5.10.2009 zugestellt worden. Die übrigen Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG liegen jedoch nicht vor. Hierbei ist die Frage, ob die drei Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG, nämlich noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung, auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten vorliegen, uneingeschränkt vom Rechtsmittelgericht überprüfbar (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.6.2006, L 4 SB 24/06 in Juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 Rdnr. 20).
Bei der Beurteilung der Erheblichkeit noch durchzuführender Ermittlungen und der Sachdienlichkeit einer Zurückverweisung stellt der Senat in Konkretisierung seiner Entscheidung vom 6.5.2005 (Az.: L 8 RJ 141/04) unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 17.4.2007, B 5 RJ 30/05 R), der sich der Senat ausdrücklich anschließt, strenge Anforderungen. Das BSG hat in dieser Entscheidung, der noch § 131 Abs. 5 SGG in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung zugrunde lag, darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber, wolle er den Sozialgerichten ein effizientes Instrument zur Entlastung und Beschleunigung der Verfahren auch in kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungssituationen zur Verfügung stellen und eine unerwünschte Verlagerung der Ermittlungen in das Gerichtsverfahren verhindern, nicht nur den Anwendungsbereich ausdrücklich auch auf solche Klagen erstrecken, sondern zugleich auch von den strengen Voraussetzungen, wie sie § 131 Abs.5 SGG aktuell normiere, abrücken müsse. Andernfalls habe die Vorschrift praktisch keinerlei Anwendungsbereich. Denn die Tatbestandsmerkmale der Norm seien nur dann erfüllt, wenn die Behörde nach personeller und sachlicher Ausstattung die für erheblich gehaltenen Ermittlungen besser bzw. schneller durchführen könne als das Gericht. Das sei jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Beklagte über keine anderen Aufklärungsmittel verfüge als das Gericht (BSG a.a.O. Rdnr. 20). Der Gesetzgeber hat entgegen diesem ausdrücklichen Hinweis mit der ab 1.4.2008 geltenden Fassung des § 131 Abs. 5 SGG an den ursprünglichen und damit strengen Voraussetzungen der Vorschrift festgehalten, indem er lediglich die Worte "in den Fällen des § 54 Abs. 1 und Abs. 4" ergänzt, die Vorschrift im Übrigen im Wortlaut aber beibehalten hat. Er hat mit dieser Ergänzung zwar den Anwendungsbereich der Vorschrift grundsätzlich über reine Anfechtungssituationen hinaus auch auf kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 4 SGG) erweitert, in Ansehung des Urteils vom 17.4.2007 aber augenscheinlich in Kauf genommen, dass sich ein tatsächlicher Anwendungsbereich praktisch nicht eröffnet. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Begründung des Gesetzesentwurfs weder der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Sachdienlichkeit im Urteil vom 17.4.2007 entgegentritt noch die aufgeworfene Frage einer Lockerung der Voraussetzungen für die Zurückverweisung anspricht (so auch Humpert in Jansen, SGG, 3.Auflage 2008, § 131 Rdnr. 48).
Ausgehend hiervon liegen hier die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nicht vor. Die noch ausstehenden Ermittlungen sind weder erheblich (hierzu unter 1.), noch ist die vom SG ausgesprochene Aufhebung der angefochtenen Bescheide sachdienlich (hierzu unter 2.) im Sinne der Vorschrift.
1. Zur Beurteilung der Erheblichkeit der noch ausstehenden Ermittlungen sind diese mit denjenigen Ermittlungen und sonstigen notwendigen Handlungen des Gerichts zu vergleichen, die das Gericht ohnehin voraussichtlich hätte durchführen müssen, wenn die Beklagte die vom Gericht für erforderlich gehaltenen ergänzenden (medizinischen) Ermittlungen durchgeführt hätte. Hierbei geht der Senat angesichts der vorliegenden Ermittlungen mit dem SG zwar davon aus, dass insbesondere noch eine medizinische Begutachtung hinsichtlich der funktionalen Auswirkungen der bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erfolgen hat. Denn das Bestehen oder Nichtbestehen einer sozialrechtlich relevanten Leistungsbeeinträchtigung allein aus dem Vorliegen medizinischer Diagnosen zu folgern, greift regelmäßig zu kurz. Hierzu ist in der Regel eine klinische Betrachtung, die den vorliegenden Gutachten zumindest in großen Teilen zu fehlen scheint, nötig. Eine solche Ermittlung kann das SG aber auch ohne großen Mehraufwand durch die Einholung gerichtlicher Gutachten selbst durchführen. Insoweit wird sein Aufwand regelmäßig nicht größer sein, als wenn es ein qualitativ besseres Gutachten der Beklagten zu überprüfen hätte. Denn in der großen Mehrzahl der Verfahren, bei denen es um die Gewährung von Erwerbsminderungsrente geht, geschieht dies ebenfalls durch gerichtliche Gutachten. Nur in den seltensten Fällen stützt ein erstinstanzliches Gericht seine Urteilsfindung bei Ansprüchen auf Erwerbsminderungsrenten allein auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten. Dies kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn die dort getroffenen Leistungsbeurteilungen von den behandelnden Ärzten geteilt werden (im Ergebnis und mit ähnlicher Argumentation BFH, Urteil v. 22.4.1997, IX R 74/95 Rdnr. 26). Gleiches gilt erst recht für die Einholung von Befundberichten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.1.2009, Az.: L 4 R 1519/08, Rdnr. 23), die nötige Anfertigung von deutschen Übersetzungen oder die Ermittlungen zum Berufsschutz des Klägers.
2. Entgegen der Ansicht des SG ist eine Zurückverweisung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten auch nicht sachdienlich. Hiervon kann man in der Regel nur dann ausgehen, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung die Ermittlung zügiger als das Gericht durchführen kann und es unter übergeordneten Gesichtspunkten sachgerechter wäre, die Behörde tätig werden zulassen (BSG, Urteil vom 17.4.2007, B 5 RJ 30/05 R, Rdnr. 17). Nicht zuletzt angesichts der vom SG zu Recht beanstandeten eher geringen Qualität der medizinischen Ermittlungen der Beklagten gibt es vorliegend keinerlei Anlass anzunehmen, dass diese die noch ausstehenden Ermittlungen wird besser durchführen können als das Gericht. Unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten ist zudem beachtlich, dass die durch die Aufhebungs- und Zurückverweisungsentscheidung eintretende Verzögerung jedenfalls in kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungssachen wie vorliegend - den Rechtssuchenden insoweit belastet, als er die begehrte Leistung ohne Sachentscheidung durch das Gericht jedenfalls nicht zeitnah erhält. Für eine solche Belastung sind als Rechtfertigung erhebliche übergeordnete Interessen zu verlangen, insbesondere da die Möglichkeit besteht, die Beklagte an den Kosten unterbliebener Ermittlungen nach § 192 Abs. 4 SGG zu beteiligen. Erhebliche übergeordnete Interessen könnten z.B. im Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Verwaltung liegen. Solche erheblichen übergeordneten Interessen sind hier indessen nicht erkennbar.
Wegen dieser zu berücksichtigenden Belange des Klägers ist das Gericht hier gehalten, die von ihm für erforderlich erachteten weiteren Ermittlungen selbst durchzuführen und eine eigene Sachentscheidung zu treffen. Der angegriffene Gerichtsbescheid ist daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, aaO., § 159 Rdnr. 5).
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall, die sich am Urteil des BSG vom 17.4.2007, Az B 5 RJ 30/05 R orientiert.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Im vorliegenden Berufungsverfahren wendet sich die Beklagte gegen die Aufhebung des beanstandeten Bescheides durch das Sozialgericht (SG) wegen noch erforderlicher Ermittlungen.
Der am 00.00.1948 geborene Kläger beantragte am 16.2.2007 Rente aus der gesetzlichen deutschen Rentenversicherung. Zur Verwaltungsakte der Beklagten gelangten diverse spanische Unterlagen, u.a. ein Gutachten vom 26.4.2007 im Formular E 213 sowie ein weiteres Gutachten vom 28.9.2007, ebenfalls im Vordruck E 213. Eine Übersetzung zu dem zweiten Gutachten wurde nicht angefertigt. Mit Bescheid vom 15.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.2.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente voller oder teilweiser Erwerbsminderung - ggf. bei Berufsunfähigkeit - ab, weil der Kläger nach ihrer Einschätzung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch 6 Stunden und mehr einsatzfähig sei; der Kläger sei verweisbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, weil er zuletzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Bauarbeiter, also eine solche eines angelernten Arbeiters ausgeübt habe.
Hiergegen hat der Kläger am 6.4.2009 Klage zum SG Düsseldorf erhoben und zur Begründung ausgeführt, er müsse zumindest Rente wegen Berufsunfähigkeit bekommen, denn er habe für seine Tätigkeit als "Bauarbeiter" eine Ausbildung nach spanischen Vorschriften machen müssen. Seiner Klage hat er Unterlagen u.a. hinsichtlich der durchlaufenen Ausbildung beigefügt. Außerdem hat er den gerichtlichen Fragebogen zur Person zurückgesandt.
Dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers hat das SG das Begehren entnommen, die Beklagte möge unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, zumindest als Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verurteilt werden.
Mit Schreiben vom 18.8.2009 hat das SG den Beteiligten mitgeteilt, es beabsichtige, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Es sei voraussichtlich damit zu rechnen, dass das Gericht die angefochtenen Bescheide nach § 131 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne Sachentscheidung aufhebe, damit die Beklagte erneut Gelegenheit habe, den Rentenantrag zu prüfen und erneut darüber zu entscheiden. Das Gericht halte nämlich die bisherige Sachaufklärung für unzureichend.
Der Kläger, dem die Anhörung am 25.08.2009 zugegangen ist, hat sich hierzu nicht geäußert.
Die Beklagte hat zwar auch schriftlich keinen bestimmten Antrag gestellt, jedoch Einwendungen zum gerichtlichen Anhörungsschreiben vorgebracht. Sie hat keinen Ermittlungsausfall gesehen. Es sei nicht erforderlich, dass im spanischen Rentengutachten auch alle Fragen bzw. Punkte ausgefüllt werden müssten. Sie, die Beklagte, habe sich zur Beurteilung des medizinischen Sachverhaltes ihres ärztlichen Dienstes bedient, die Gutachten ausgewertet und sich damit auf ausreichende Weise Kenntnisse über die entscheidungserheblichen Tatsachen verschaffen können. Im Übrigen liege bei dem Kläger auch nach seinem ergänzenden Vortrag keine Berufsunfähigkeit vor, weil nach dem bisherigen Angaben auch im gerichtlichen Fragebogen nur von einer Anlernzeit bzw. Ausbildungszeit von weniger als einem Jahr ausgegangen werden könne.
Das SG hat sodann mit Gerichtsbescheid vom 29.9.2009 den Bescheid der Beklagten vom 15.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.2.2009 aufgehoben. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 5.10.2009 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Beklagte mit ihrer am 13.10.2009 erhobenen Berufung. Sie bezweifelt zunächst, dass die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG vorliegen. Eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG weise besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht vor. Sofern das SG in Abrede stelle, dass sie, die Beklagte, die nicht übersetzten Seiten der medizinischen Unterlagen hinreichend erfasst habe und demnach die medizinischen Sachverhalte beurteilen könne, so handele es sich hierbei nicht um einen Aspekt der fehlenden Sachverhaltsaufklärung, sondern vielmehr um eine Frage der Entscheidungsbildung. § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG rechtfertige aber nicht eine Bescheidaufhebung aus diesem Grunde. Es müsse ein Ermittlungsausfall vorliegen. Zwar liege keine Übersetzung des Gutachtens vom 28.9.2007 vor. Der beratungsärztliche Dienst habe das Gutachten aber gleichwohl auswerten können. Soweit das SG kritisiere, dass sich aus dem Vordruck E 213 keine konkrete Aussagen zur zeitlichen Leistungsfähigkeit des Klägers ergäben, übersehe es, dass der Inhalt des Vordrucks E 213 von der Europäischen Kommission festgelegt worden sei. In diesen Verbindungsvordrucken können nicht auf jede mitgliedschaftliche Besonderheit bei der Feststellung von Invalidität eingegangen werden. Diese Besonderheiten seien durch den zuständigen Sozialversicherungsträger separat zu klären. Dies gestalte sich im Ausland für die Beklagte aber regelmäßig nicht unproblematisch, so dass vertiefende Erkenntnisse nicht unbedingt zu erwarten gewesen seien. Die Beklagte habe daher von einer ergänzenden Sachverhaltsaufklärung abgesehen. Denn schließlich gingen aus den vorliegenden Unterlagen genügend medizinische Fakten hervor, die es dem ärztlichen Dienst erlaubt hätten, die quantitative und qualitative Leistungsfähigkeit des Klägers ausreichend zu beurteilen, dies auch mit Blick darauf, dass insbesondere im Gutachten vom 26.4.2007 die Fragen nach dem quantitativen Leistungsvermögen nicht beantwortet seien und auch die Merkblätter zur sogenannten Neutralnullmethode unausgefüllt geblieben seien. Für die Richtigkeit der Beurteilung sei es nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers direkt vom untersuchenden Gutachter oder aber vom medizinischen Sachverständigen der Beklagten in Anknüpfung an die eingeholten (zum Teil nicht gewöhnlichen Standards entsprechenden) Gutachten getroffen worden sei. Sofern das SG meine, diese Einschätzung sei zu überprüfen, so könne es den medizinischen Sachverhalt weiter eigenständig aufklären. Auch in Bezug auf die Ermittlung zum beruflichen Status des Klägers sei sie, die Beklagte, ihren Ermittlungspflichten ausreichend nachgekommen. Anhaltspunkte für einen Berufsschutz des Klägers ergäben sich nicht. Auch diesbezüglich läge kein Ermittlungsausfall vor. Selbst wenn man demgegenüber davon ausgehe, dass notwendige Ermittlungen unterlassen worden seien, sei ein solcher Ausfall für eine Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG nur relevant, wenn die unterlassenen Ermittlungen erheblich iSd Vorschrift seien. Dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn der Sozialleistungsträger die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen besser und rascher durchführen könne als das Gericht. Hierfür gebe es aber vorliegend keine Anhaltspunkte. Selbst wenn das SG die Einholung weiterer Sachverständigengutachten für nötig halte, mangele es nach aktueller Rechtsprechung an einer Erheblichkeit im Sinne von § 131 Abs. 5 SGG.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.9.2009 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.
Der Kläger hat sich zum Berufungsbegehren nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt. Zur mündlichen Verhandlung ist er nicht erschienen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gem. §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil dieser in der Terminsmitteilung, die ihm am 24.2.2010 per Einschreiben gegen Rückschein zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil eine Entscheidung des SG aufheben und zur erneuten Verhandlung an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das SG eine Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache zu entscheiden. Diese Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn das SG einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formalen Gründen bzw. ohne Sachentscheidung aufgehoben hat, der Klage also - wie hier - teilweise stattgegeben wurde (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 149 Rdnr. 2b). Auf die Berufung der Beklagten ist danach der angefochtene Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Das SG hat die Bescheide der Beklagten zu Unrecht aufgehoben, ohne in der Sache zu entscheiden. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 131 Abs. 5 SGG liegen nicht vor. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob das Sozialgericht vorliegend durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 SGG entscheiden konnte.
Gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGG kann das SG binnen 6 Monaten seit Eingang der Behördenakten bei Gericht den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, nach Art und Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Anwendung dieser Vorschrift führt in den genannten Fällen zu einer vollständigen Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Behörde zum Zweck erneuter Ermittlungen und neuer Bescheiderteilung. Die Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG beinhaltet eine - grundsätzlich eng auszulegende - Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht selbst eine Sachentscheidung über eine zulässige Klage treffen muss.
§ 131 Abs. 5 SGG wurde durch Art. 8 Nr. 1 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.8.2004 mit Wirkung vom 1.9.2004 dem bisherigen § 131 SGG angefügt und gilt seit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 mit Wirkung vom 1.4.2008 nunmehr auch für kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Die Vorschrift lehnt sich nach den Motiven des Gesetzgebers unmittelbar an die bereits vorhandenen, fast wortgleichen Vorschriften des § 113 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie des § 100 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an und soll dem Gericht eine zeit- und kostenintensive Ermittlung ersparen, die eigentlich der Behörde obliegt, weil nach Beobachtungen der Praxis die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von den Verwaltungsbehörden zum Teil unterlassen werde, was zu einer sachwidrigen Aufwandsverlagerung auf die Gerichte führe (Bundestagsdrucksache 15/1508 S. 29, Bundestagsdrucksache 378/03 S. 67).
Zwar hat das Sozialgericht innerhalb von 6 Monaten nach Eingang der Behördenakten entschieden, denn die Verwaltungsakten sind am 22.4.2009 bei dem SG eingegangen und der Gerichtsbescheid ist der Beklagten am 5.10.2009 zugestellt worden. Die übrigen Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG liegen jedoch nicht vor. Hierbei ist die Frage, ob die drei Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG, nämlich noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung, auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten vorliegen, uneingeschränkt vom Rechtsmittelgericht überprüfbar (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.6.2006, L 4 SB 24/06 in Juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 131 Rdnr. 20).
Bei der Beurteilung der Erheblichkeit noch durchzuführender Ermittlungen und der Sachdienlichkeit einer Zurückverweisung stellt der Senat in Konkretisierung seiner Entscheidung vom 6.5.2005 (Az.: L 8 RJ 141/04) unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 17.4.2007, B 5 RJ 30/05 R), der sich der Senat ausdrücklich anschließt, strenge Anforderungen. Das BSG hat in dieser Entscheidung, der noch § 131 Abs. 5 SGG in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung zugrunde lag, darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber, wolle er den Sozialgerichten ein effizientes Instrument zur Entlastung und Beschleunigung der Verfahren auch in kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungssituationen zur Verfügung stellen und eine unerwünschte Verlagerung der Ermittlungen in das Gerichtsverfahren verhindern, nicht nur den Anwendungsbereich ausdrücklich auch auf solche Klagen erstrecken, sondern zugleich auch von den strengen Voraussetzungen, wie sie § 131 Abs.5 SGG aktuell normiere, abrücken müsse. Andernfalls habe die Vorschrift praktisch keinerlei Anwendungsbereich. Denn die Tatbestandsmerkmale der Norm seien nur dann erfüllt, wenn die Behörde nach personeller und sachlicher Ausstattung die für erheblich gehaltenen Ermittlungen besser bzw. schneller durchführen könne als das Gericht. Das sei jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Beklagte über keine anderen Aufklärungsmittel verfüge als das Gericht (BSG a.a.O. Rdnr. 20). Der Gesetzgeber hat entgegen diesem ausdrücklichen Hinweis mit der ab 1.4.2008 geltenden Fassung des § 131 Abs. 5 SGG an den ursprünglichen und damit strengen Voraussetzungen der Vorschrift festgehalten, indem er lediglich die Worte "in den Fällen des § 54 Abs. 1 und Abs. 4" ergänzt, die Vorschrift im Übrigen im Wortlaut aber beibehalten hat. Er hat mit dieser Ergänzung zwar den Anwendungsbereich der Vorschrift grundsätzlich über reine Anfechtungssituationen hinaus auch auf kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 4 SGG) erweitert, in Ansehung des Urteils vom 17.4.2007 aber augenscheinlich in Kauf genommen, dass sich ein tatsächlicher Anwendungsbereich praktisch nicht eröffnet. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Begründung des Gesetzesentwurfs weder der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Sachdienlichkeit im Urteil vom 17.4.2007 entgegentritt noch die aufgeworfene Frage einer Lockerung der Voraussetzungen für die Zurückverweisung anspricht (so auch Humpert in Jansen, SGG, 3.Auflage 2008, § 131 Rdnr. 48).
Ausgehend hiervon liegen hier die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nicht vor. Die noch ausstehenden Ermittlungen sind weder erheblich (hierzu unter 1.), noch ist die vom SG ausgesprochene Aufhebung der angefochtenen Bescheide sachdienlich (hierzu unter 2.) im Sinne der Vorschrift.
1. Zur Beurteilung der Erheblichkeit der noch ausstehenden Ermittlungen sind diese mit denjenigen Ermittlungen und sonstigen notwendigen Handlungen des Gerichts zu vergleichen, die das Gericht ohnehin voraussichtlich hätte durchführen müssen, wenn die Beklagte die vom Gericht für erforderlich gehaltenen ergänzenden (medizinischen) Ermittlungen durchgeführt hätte. Hierbei geht der Senat angesichts der vorliegenden Ermittlungen mit dem SG zwar davon aus, dass insbesondere noch eine medizinische Begutachtung hinsichtlich der funktionalen Auswirkungen der bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erfolgen hat. Denn das Bestehen oder Nichtbestehen einer sozialrechtlich relevanten Leistungsbeeinträchtigung allein aus dem Vorliegen medizinischer Diagnosen zu folgern, greift regelmäßig zu kurz. Hierzu ist in der Regel eine klinische Betrachtung, die den vorliegenden Gutachten zumindest in großen Teilen zu fehlen scheint, nötig. Eine solche Ermittlung kann das SG aber auch ohne großen Mehraufwand durch die Einholung gerichtlicher Gutachten selbst durchführen. Insoweit wird sein Aufwand regelmäßig nicht größer sein, als wenn es ein qualitativ besseres Gutachten der Beklagten zu überprüfen hätte. Denn in der großen Mehrzahl der Verfahren, bei denen es um die Gewährung von Erwerbsminderungsrente geht, geschieht dies ebenfalls durch gerichtliche Gutachten. Nur in den seltensten Fällen stützt ein erstinstanzliches Gericht seine Urteilsfindung bei Ansprüchen auf Erwerbsminderungsrenten allein auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten. Dies kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn die dort getroffenen Leistungsbeurteilungen von den behandelnden Ärzten geteilt werden (im Ergebnis und mit ähnlicher Argumentation BFH, Urteil v. 22.4.1997, IX R 74/95 Rdnr. 26). Gleiches gilt erst recht für die Einholung von Befundberichten (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.1.2009, Az.: L 4 R 1519/08, Rdnr. 23), die nötige Anfertigung von deutschen Übersetzungen oder die Ermittlungen zum Berufsschutz des Klägers.
2. Entgegen der Ansicht des SG ist eine Zurückverweisung unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten auch nicht sachdienlich. Hiervon kann man in der Regel nur dann ausgehen, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung die Ermittlung zügiger als das Gericht durchführen kann und es unter übergeordneten Gesichtspunkten sachgerechter wäre, die Behörde tätig werden zulassen (BSG, Urteil vom 17.4.2007, B 5 RJ 30/05 R, Rdnr. 17). Nicht zuletzt angesichts der vom SG zu Recht beanstandeten eher geringen Qualität der medizinischen Ermittlungen der Beklagten gibt es vorliegend keinerlei Anlass anzunehmen, dass diese die noch ausstehenden Ermittlungen wird besser durchführen können als das Gericht. Unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten ist zudem beachtlich, dass die durch die Aufhebungs- und Zurückverweisungsentscheidung eintretende Verzögerung jedenfalls in kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungssachen wie vorliegend - den Rechtssuchenden insoweit belastet, als er die begehrte Leistung ohne Sachentscheidung durch das Gericht jedenfalls nicht zeitnah erhält. Für eine solche Belastung sind als Rechtfertigung erhebliche übergeordnete Interessen zu verlangen, insbesondere da die Möglichkeit besteht, die Beklagte an den Kosten unterbliebener Ermittlungen nach § 192 Abs. 4 SGG zu beteiligen. Erhebliche übergeordnete Interessen könnten z.B. im Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Verwaltung liegen. Solche erheblichen übergeordneten Interessen sind hier indessen nicht erkennbar.
Wegen dieser zu berücksichtigenden Belange des Klägers ist das Gericht hier gehalten, die von ihm für erforderlich erachteten weiteren Ermittlungen selbst durchzuführen und eine eigene Sachentscheidung zu treffen. Der angegriffene Gerichtsbescheid ist daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, aaO., § 159 Rdnr. 5).
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall, die sich am Urteil des BSG vom 17.4.2007, Az B 5 RJ 30/05 R orientiert.
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