Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 25 R 365/10
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 253/10 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Entscheidung der Einzugsstelle nach § 28h Abs. 2 SGB VI ist grundsätzlich geeignet, auch den Rentenversicherungsträger im Rahmen der Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten zu binden, soweit es in diesem Verfahren auf das Merkmal einer "versicherungspflichtigen Beschäftigung" ankommt.
2. Für die Anerkennung von Beitragszeiten ist zumindest dem Grundsatz nach die tatsächliche Zahlung von Beiträgen notwendig. Nur aufgrund der Vermutungswirkung des § 199 Satz 1 SGB VI wird dieses Prinzip faktisch aufgeweicht.
2. Für die Anerkennung von Beitragszeiten ist zumindest dem Grundsatz nach die tatsächliche Zahlung von Beiträgen notwendig. Nur aufgrund der Vermutungswirkung des § 199 Satz 1 SGB VI wird dieses Prinzip faktisch aufgeweicht.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 15. März 2010 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten vor dem Sozialgericht München wegen der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Im hier vorliegenden Verfahren wendet sich die Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf) gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (im Folgenden: PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Die 55-jährige Bf ist chinesische Staatsangehörige und lebt seit 1988 in Deutschland. Von 1988 bis 1999 war sie zunächst ein Jahr Gasthörerin, dann ordentliche Studierende an der L.-Universität A-Stadt. Von 29.08.1997 an fungierte sie auch als Geschäftsführerin eines Unternehmens für Import und Export von Lebensmitteln. Gleichzeitig war sie Gesellschafterin dieser GmbH mit einem Anteil am Stammkapital von 100%. Von Mai 1999 bis Juni 2002 arbeitete sie daneben als selbstständige CAD-Zeichnerin. Von 05.03. bis 30.09.2007 bezog die Bf Arbeitslosengeld II. Gemäß den Angaben der Bf wurde diese Leistung eingestellt, weil deren Erwerbsfähigkeit weggefallen war. Seitdem erhält sie keine Sozialleistungen.
Der aktuelle Versicherungsverlauf der Bf weist für die Monate Dezember 1996, August 1998 und März bis September 2007 Pflichtbeitragszeiten aus; weitere Beitragszeiten sind nicht aufgeführt.
Im November 2008 hatte die Bf die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens beantragt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilte ihr im Februar 2009 mit, zuständig für die Beurteilung, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliege, sei die Einzugsstelle; an diese habe sie die Unterlagen weitergeleitet. Mit Bescheid vom 30.03.2009 entschied die Hanseatische Krankenkasse als zuständige Einzugsstelle, bezüglich der Tätigkeit als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Lebensmittelimport-/-exportfirma ab 08.09.1997 handle es sich nicht um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sei nicht gegeben. Die Einzugsstelle begründete ihre Entscheidung damit, angesichts des Anteils am Stammkapital von 100% habe die Bf maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH ausüben können. Gegen den Bescheid vom 30.03.2009 legte die Bf keinen Widerspruch ein. Das tat sie lediglich gegen einen Beitragsbescheid der Hanseatischen Krankenkasse vom 16.04.2009, mit dem der bis dahin geltende günstige Beitragstarif entzogen werden sollte.
Am 09.10.2009 beantragte die Bf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Bg lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 29.10.2009 mit der Begründung ab, die allgemeine Wartezeit sei nicht erfüllt. Vorhanden seien lediglich neun darauf anrechenbare Kalendermonate. Die Zeit als Geschäftsführerin des Lebensmittelunternehmens komme dafür nicht in Betracht. Dagegen legte die Bf am 16.11.2009 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 22.02.2010 hat die Bf beim Sozialgericht München Klage erhoben. Gleichzeitig hat sie beantragt, ihr Prozesskostenhilfe (im Folgenden: PKH) zu bewilligen und Rechtsanwalt A. M. B., A-Stadt, beizuordnen. Sie hat dazu vorgetragen, bereits seit Oktober 2002 sei sie schwerkrank und habe deshalb in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin kaum mehr einen Verdienst erzielen können.
Mit Beschluss vom 15.03.2010 hat das Sozialgericht den Antrag auf PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Es hat dies damit begründet, es fehle an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Weder sei bis zum Eintritt der unterstellten Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt noch hätte die Bf in den letzten fünf Jahren davor drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit.
Die am 29.03.2010 gegen die PKH-Ablehnung eingelegte Beschwerde begründet die Bf im Wesentlichen damit, ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin sei zu Unrecht als selbstständige Tätigkeit eingestuft worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten der Bg sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts, PKH und die Beiordnung des von der Bf gewünschten Rechtsanwalts abzulehnen, ist richtig.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Tatbestandsmerkmal "hinreichende Erfolgsaussicht" ist unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Bezüge zu interpretieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr). Verfassungsrechtlich ist zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von PKH davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet zugleich, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr).
Im vorliegenden Fall vermag der Senat keinen Ansatzpunkt zu erkennen, auf welche Weise die Bf die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt haben könnte. Aus diesem Grund kann der Rechtsverfolgung der Bf - auch nach den strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - keine hinreichende Erfolgsaussicht bescheinigt werden.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 SGB VI hängt ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung auch von der Erfüllung bestimmter versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ab. So bestimmen § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, dass vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt worden sein muss (vgl. auch § 50 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Die allgemeine Wartezeit beträgt fünf Jahre (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Auf die allgemeine Wartezeit werden gemäß § 51 Abs. 1 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet.
Unter bestimmten Voraussetzungen regelt § 53 SGB VI eine ausnahmsweise vorzeitige Wartezeiterfüllung. Diese Voraussetzungen sind hier aber unter allen möglichen Facetten nicht gegeben.
Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten (nur) Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Daraus lässt sich für den vorliegenden Fall zweierlei ableiten: Zum Einen sind für die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit Anrechnungszeiten im Sinn von § 58 SGB VI - dazu zählen unter anderem Zeiten der schulischen Ausbildung - nicht relevant. Das bedeutet unter anderem, dass hier kein Anlass besteht, wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder der Arbeitslosigkeit zu ermitteln, in denen keine Sozialleistungen bezogen wurden; denn diese können von vornherein - freiwillige Beiträge sind nicht geleistet worden - keine Beitragszeiten sein. Zum Anderen müssen die Beiträge vom Grundsatz her zur deutschen Rentenversicherung gezahlt worden sein. Etwaige in der Volksrepublik China gezahlte Beiträge zur Altersversorgung sind unbeachtlich. Anders wäre es dann, wenn zwischen Deutschland bzw. der Europäischen Union und der Volksrepublik China ein völkerrechtliches Abkommen existieren würde, das die Gleichstellung solcher Zeiten im In- und Ausland vorsieht. Dies ist aber nicht der Fall. Zwar haben die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik China am 17.01.2002 ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen, das auch die gesetzliche Rentenversicherung betrifft. Gegenständlich regelt dieser Vertrag aber ausschließlich, welches nationale Recht im Einzelfall anwendbar ist; es geht dabei nur darum, Doppelversicherungen zu vermeiden. Die gegenseitige Berücksichtigung oder Anrechnung von rentenrechtlichen Zeiten, die nach dem Recht des anderen Staates zurückgelegt worden sind, bei der Leistungsgewährung sieht das Abkommen dagegen nicht vor.
Nach diesem Maßstab liegen bei der Bf, wie die Beklagte und das Sozialgericht festgestellt haben, in der Tat allenfalls neun Kalendermonate vor, die auf die allgemeine Wartezeit angerechnet werden können. Folgt man dem Vortrag der Bf, sind es möglicherweise sogar nur zwei Monate, die dieser bei der vorliegenden Konstellation von Nutzen sein könnten. Denn versicherungsrechtliche Voraussetzung für eine Rente wegen Erwerbsminderung ist, dass die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt worden ist. Wäre eine Erwerbsminderung, wie die Bf behauptet, aber tatsächlich schon im Oktober 2002 eingetreten, lägen bis dahin nur zwei Kalendermonate mit Beitragszeiten vor.
Der argumentative Ansatz der Bf, die Einzugsstelle habe zu Unrecht die Tätigkeit als Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer GmbH als selbstständig beurteilt, begründet keine hinreichende Erfolgsaussicht im prozesskostenhilferechtlichen Sinn. Obwohl es darauf nicht ankommt, weist der Senat die Bf darauf hin, dass er keinen Raum für eine andere Bewertung sieht; denn die GmbH "gehörte" der Bf allein, sie allein "hatte das Sagen". Jedenfalls hat die Einzugsstelle bestandskräftig festgestellt, dass keine abhängige Beschäftigung und damit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung vorlag. Diese Entscheidung entfaltet für den Rentenversicherungsträger Bindungswirkung, soweit es im Rentenleistungsrecht darauf ankommt. Das würde auch dann gelten, wenn die Einzugsstelle falsch entschieden hätte - wovon der Senat nicht ausgeht.
Der Vollständigkeit halber soll nicht verschwiegen werden, dass auch dann, wenn keinerlei Entscheidung der Einzugsstelle vorliegen würde, von vornherein keine Beitragszeiten angenommen werden könnten. Denn aus § 55 Abs. 1 SGB VI ergibt sich, dass für die Anerkennung von Beitragszeiten zumindest dem Grundsatz nach die tatsächliche Zahlung von Beiträgen notwendig ist; daran fehlt es. Nur aufgrund der weit reichenden Vermutungswirkung des § 199 Satz 1 SGB VI (vgl. dazu BayLSG, Urteil vom 01.04.2009 - L 1 R 1005/08) wird dieses Prinzip faktisch aufgehoben. Die Vermutung der ordnungsgemäßen Beitragszahlung erfolgt auf dieser Grundlage aber nur, wenn eine ordnungsgemäße Meldung der Beschäftigungszeit vorliegt; auch daran mangelt es offenkundig.
Die rechtlichen Erwägungen, die der Senat getroffen hat, verstoßen nicht gegen das verfassungsrechtlich begründete Verbot, das Hauptsacheverfahren in das PKH-Verfahren zu verlagern. Zwar hat die Klärung schwieriger Rechtsfragen im PKH-Verfahren keinen Platz (vgl. BVerfG NJW 2000, S. 1936; BVerfG NJW 2003, S. 1857). Jedoch sind im vorliegenden Fall keine schwierigen Rechtsfragen in diesem Sinn gegeben. Die ausführliche Darstellung der Rechtslage ist nicht wegen etwaiger rechtlicher Probleme, sondern ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, der nicht rechtskundigen Bf umfassende Informationen an die Hand zu geben.
Eine Entscheidung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten unterbleibt wegen § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten vor dem Sozialgericht München wegen der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Im hier vorliegenden Verfahren wendet sich die Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf) gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (im Folgenden: PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Die 55-jährige Bf ist chinesische Staatsangehörige und lebt seit 1988 in Deutschland. Von 1988 bis 1999 war sie zunächst ein Jahr Gasthörerin, dann ordentliche Studierende an der L.-Universität A-Stadt. Von 29.08.1997 an fungierte sie auch als Geschäftsführerin eines Unternehmens für Import und Export von Lebensmitteln. Gleichzeitig war sie Gesellschafterin dieser GmbH mit einem Anteil am Stammkapital von 100%. Von Mai 1999 bis Juni 2002 arbeitete sie daneben als selbstständige CAD-Zeichnerin. Von 05.03. bis 30.09.2007 bezog die Bf Arbeitslosengeld II. Gemäß den Angaben der Bf wurde diese Leistung eingestellt, weil deren Erwerbsfähigkeit weggefallen war. Seitdem erhält sie keine Sozialleistungen.
Der aktuelle Versicherungsverlauf der Bf weist für die Monate Dezember 1996, August 1998 und März bis September 2007 Pflichtbeitragszeiten aus; weitere Beitragszeiten sind nicht aufgeführt.
Im November 2008 hatte die Bf die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens beantragt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilte ihr im Februar 2009 mit, zuständig für die Beurteilung, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliege, sei die Einzugsstelle; an diese habe sie die Unterlagen weitergeleitet. Mit Bescheid vom 30.03.2009 entschied die Hanseatische Krankenkasse als zuständige Einzugsstelle, bezüglich der Tätigkeit als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Lebensmittelimport-/-exportfirma ab 08.09.1997 handle es sich nicht um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sei nicht gegeben. Die Einzugsstelle begründete ihre Entscheidung damit, angesichts des Anteils am Stammkapital von 100% habe die Bf maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH ausüben können. Gegen den Bescheid vom 30.03.2009 legte die Bf keinen Widerspruch ein. Das tat sie lediglich gegen einen Beitragsbescheid der Hanseatischen Krankenkasse vom 16.04.2009, mit dem der bis dahin geltende günstige Beitragstarif entzogen werden sollte.
Am 09.10.2009 beantragte die Bf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Bg lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 29.10.2009 mit der Begründung ab, die allgemeine Wartezeit sei nicht erfüllt. Vorhanden seien lediglich neun darauf anrechenbare Kalendermonate. Die Zeit als Geschäftsführerin des Lebensmittelunternehmens komme dafür nicht in Betracht. Dagegen legte die Bf am 16.11.2009 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 22.02.2010 hat die Bf beim Sozialgericht München Klage erhoben. Gleichzeitig hat sie beantragt, ihr Prozesskostenhilfe (im Folgenden: PKH) zu bewilligen und Rechtsanwalt A. M. B., A-Stadt, beizuordnen. Sie hat dazu vorgetragen, bereits seit Oktober 2002 sei sie schwerkrank und habe deshalb in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin kaum mehr einen Verdienst erzielen können.
Mit Beschluss vom 15.03.2010 hat das Sozialgericht den Antrag auf PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Es hat dies damit begründet, es fehle an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Weder sei bis zum Eintritt der unterstellten Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt noch hätte die Bf in den letzten fünf Jahren davor drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit.
Die am 29.03.2010 gegen die PKH-Ablehnung eingelegte Beschwerde begründet die Bf im Wesentlichen damit, ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin sei zu Unrecht als selbstständige Tätigkeit eingestuft worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten der Bg sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts, PKH und die Beiordnung des von der Bf gewünschten Rechtsanwalts abzulehnen, ist richtig.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Tatbestandsmerkmal "hinreichende Erfolgsaussicht" ist unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Bezüge zu interpretieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr). Verfassungsrechtlich ist zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von PKH davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet zugleich, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, 347 ; stRspr).
Im vorliegenden Fall vermag der Senat keinen Ansatzpunkt zu erkennen, auf welche Weise die Bf die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt haben könnte. Aus diesem Grund kann der Rechtsverfolgung der Bf - auch nach den strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - keine hinreichende Erfolgsaussicht bescheinigt werden.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 SGB VI hängt ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung auch von der Erfüllung bestimmter versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ab. So bestimmen § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, dass vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt worden sein muss (vgl. auch § 50 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Die allgemeine Wartezeit beträgt fünf Jahre (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Auf die allgemeine Wartezeit werden gemäß § 51 Abs. 1 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet.
Unter bestimmten Voraussetzungen regelt § 53 SGB VI eine ausnahmsweise vorzeitige Wartezeiterfüllung. Diese Voraussetzungen sind hier aber unter allen möglichen Facetten nicht gegeben.
Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten (nur) Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Daraus lässt sich für den vorliegenden Fall zweierlei ableiten: Zum Einen sind für die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit Anrechnungszeiten im Sinn von § 58 SGB VI - dazu zählen unter anderem Zeiten der schulischen Ausbildung - nicht relevant. Das bedeutet unter anderem, dass hier kein Anlass besteht, wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder der Arbeitslosigkeit zu ermitteln, in denen keine Sozialleistungen bezogen wurden; denn diese können von vornherein - freiwillige Beiträge sind nicht geleistet worden - keine Beitragszeiten sein. Zum Anderen müssen die Beiträge vom Grundsatz her zur deutschen Rentenversicherung gezahlt worden sein. Etwaige in der Volksrepublik China gezahlte Beiträge zur Altersversorgung sind unbeachtlich. Anders wäre es dann, wenn zwischen Deutschland bzw. der Europäischen Union und der Volksrepublik China ein völkerrechtliches Abkommen existieren würde, das die Gleichstellung solcher Zeiten im In- und Ausland vorsieht. Dies ist aber nicht der Fall. Zwar haben die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik China am 17.01.2002 ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen, das auch die gesetzliche Rentenversicherung betrifft. Gegenständlich regelt dieser Vertrag aber ausschließlich, welches nationale Recht im Einzelfall anwendbar ist; es geht dabei nur darum, Doppelversicherungen zu vermeiden. Die gegenseitige Berücksichtigung oder Anrechnung von rentenrechtlichen Zeiten, die nach dem Recht des anderen Staates zurückgelegt worden sind, bei der Leistungsgewährung sieht das Abkommen dagegen nicht vor.
Nach diesem Maßstab liegen bei der Bf, wie die Beklagte und das Sozialgericht festgestellt haben, in der Tat allenfalls neun Kalendermonate vor, die auf die allgemeine Wartezeit angerechnet werden können. Folgt man dem Vortrag der Bf, sind es möglicherweise sogar nur zwei Monate, die dieser bei der vorliegenden Konstellation von Nutzen sein könnten. Denn versicherungsrechtliche Voraussetzung für eine Rente wegen Erwerbsminderung ist, dass die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt worden ist. Wäre eine Erwerbsminderung, wie die Bf behauptet, aber tatsächlich schon im Oktober 2002 eingetreten, lägen bis dahin nur zwei Kalendermonate mit Beitragszeiten vor.
Der argumentative Ansatz der Bf, die Einzugsstelle habe zu Unrecht die Tätigkeit als Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer GmbH als selbstständig beurteilt, begründet keine hinreichende Erfolgsaussicht im prozesskostenhilferechtlichen Sinn. Obwohl es darauf nicht ankommt, weist der Senat die Bf darauf hin, dass er keinen Raum für eine andere Bewertung sieht; denn die GmbH "gehörte" der Bf allein, sie allein "hatte das Sagen". Jedenfalls hat die Einzugsstelle bestandskräftig festgestellt, dass keine abhängige Beschäftigung und damit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung vorlag. Diese Entscheidung entfaltet für den Rentenversicherungsträger Bindungswirkung, soweit es im Rentenleistungsrecht darauf ankommt. Das würde auch dann gelten, wenn die Einzugsstelle falsch entschieden hätte - wovon der Senat nicht ausgeht.
Der Vollständigkeit halber soll nicht verschwiegen werden, dass auch dann, wenn keinerlei Entscheidung der Einzugsstelle vorliegen würde, von vornherein keine Beitragszeiten angenommen werden könnten. Denn aus § 55 Abs. 1 SGB VI ergibt sich, dass für die Anerkennung von Beitragszeiten zumindest dem Grundsatz nach die tatsächliche Zahlung von Beiträgen notwendig ist; daran fehlt es. Nur aufgrund der weit reichenden Vermutungswirkung des § 199 Satz 1 SGB VI (vgl. dazu BayLSG, Urteil vom 01.04.2009 - L 1 R 1005/08) wird dieses Prinzip faktisch aufgehoben. Die Vermutung der ordnungsgemäßen Beitragszahlung erfolgt auf dieser Grundlage aber nur, wenn eine ordnungsgemäße Meldung der Beschäftigungszeit vorliegt; auch daran mangelt es offenkundig.
Die rechtlichen Erwägungen, die der Senat getroffen hat, verstoßen nicht gegen das verfassungsrechtlich begründete Verbot, das Hauptsacheverfahren in das PKH-Verfahren zu verlagern. Zwar hat die Klärung schwieriger Rechtsfragen im PKH-Verfahren keinen Platz (vgl. BVerfG NJW 2000, S. 1936; BVerfG NJW 2003, S. 1857). Jedoch sind im vorliegenden Fall keine schwierigen Rechtsfragen in diesem Sinn gegeben. Die ausführliche Darstellung der Rechtslage ist nicht wegen etwaiger rechtlicher Probleme, sondern ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, der nicht rechtskundigen Bf umfassende Informationen an die Hand zu geben.
Eine Entscheidung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten unterbleibt wegen § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
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