L 5 AL 15/07

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 AL 1362/04
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 15/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Januar 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt 1/5 der notwenigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Minderung des Arbeitslosengeldes wegen verspäteter Meldung.

Die 1964 geborene Klägerin war vom 1. November 2001 bis einschließlich 30. Juni 2003 bei der "R. Schule gGmbH" als Dozentin beschäftigt. Am 1. Juli 2003 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, welches sie vom 4. Juli 2003 bis 30. September 2003 bezog. Bei Antragstellung wurde ihr ein Merkblatt für Arbeitslose (Stand: April 2003) ausgehändigt, das u.a. folgende Hinweise auf die "Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche" enthielt: "Ab dem 1. Juli 2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung Ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen. Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden". Der letzte Satz lautete: "Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung in der Regel zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes führt". Ab dem 1. Oktober 2003 war die Klägerin erneut als Dozentin bei der "R. Schule gGmbH" beschäftigt. Der am 1. Oktober 2003 geschlossene Dienstvertrag war befristet bis 31. Juli 2004 und enthält unter Punkt 6. die folgende Klausel:

"Zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld sind Sie verpflichtet, sich 3 Monate vor Ablauf des Vertragsverhältnisses persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden. Sofern dieses Arbeitsverhältnis für eine kürzere Dauer als 3 Monate befristet ist, besteht die Verpflichtung unverzüglich."

Wegen der Arbeitsaufnahme hob die Beklagte die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 6. Oktober 2003 ab dem 1. Oktober 2003 auf. Auf der Rückseite des Bescheides heißt es unter der Überschrift "Wichtige Hinweise":

"Ab dem 1.7.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses kennen. Die Meldepflicht entsteht z. B. bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis unverzüglich nach Zugang der Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden. Beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres künftigen Leistungsanspruches führen kann."

Die Klägerin meldete sich am 10. Juni 2004 persönlich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 28. Juni 2004 mit, ihr Arbeitslosengeldanspruch mindere sich gemäß § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) um 1050 EUR wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung. Sodann bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheiden vom 30. Juni 2004 und vom 31. Juli 2004 Arbeitslosengeld ab dem 1. August 2004 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgeltes in Höhe von 470 EUR wöchentlich und minderte die Leistung um insgesamt 1050 EUR, wobei sie den täglichen Leistungssatz von 28,08 EUR um 14,04 EUR kürzte.

Mit ihrem Widerspruch vom 7. Juli 2004 trug die Klägerin vor, ihr sei von Seiten des Arbeitgebers im Anschluss an den befristeten Arbeitsvertrag eine Weiterbeschäftigung in Aussicht gestellt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung hieß es u. a., die Klägerin bei Arbeitsverhältnissen, die länger als drei Monate befristet seien, entstehe die Meldepflicht spätestens drei Monat vor dem Ende der Befristung. Die Klägerin habe sich jedoch erst am 10. Juni 2004 arbeitslos gemeldet.

Vom 16. August 2004 bis 27. August 2004 war die Klägerin erneut als Dozentin bei der "R. Schule gGmbH" beschäftigt. Mit Bescheid vom 31. August 2004 wurde ihr ab 28. August 2004 erneut Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung der Minderung durch Kürzung des täglichen Leistungssatzes um 14,04 EUR bewilligt.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 4. August 2004 hat die Klägerin am 6. September 2004 Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Arbeitgeber habe ihr in Aussicht gestellt, den Vertrag eventuell zu verlängern. Darüber hinaus sei die gesetzliche Regelung des § 37b Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) so unklar formuliert, dass ihr eine Obliegenheitsverletzung nicht vorgeworfen werden könne. Die Sanktionierung sei aber auch verfassungswidrig, da eine Strafe festgesetzt werde ohne Prüfung, ob durch die angeblich verspätete Meldung überhaupt eine Verlängerung der Arbeitslosigkeit eintrete.

Das Sozialgericht hat eine Auskunft der "R. Schule gGmbH" eingeholt und die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 4. Januar 2007 persönlich angehört. Die "R. Schule gGmbH" hat angegeben, es sei mit der Klägerin mündlich abgesprochen gewesen, dass man das Arbeitsverhältnis gerne verlängern würde, um die Klägerin in Kursen ab 1. Oktober 2004 einzusetzen. Es sei dann aber zu massiven Einbrüchen bei Teilnehmern an Fort- und Weiterbildungskursen gekommen, so dass die in Aussicht gestellte Vertragsverlängerung nicht habe realisiert werden können. Dies sei der Klägerin am 8. Juni 2004 mitgeteilt worden. Die Klägerin hat angegeben, sie habe die Hoffnung gehabt, dauerhaft bei der R.-Schule beschäftigt zu werden. Im März 2004 habe sie im Internet recherchiert unter dem Stichwort "Arbeitslosmeldung" und dabei die Auskunft bekommen, dass eine Meldung frühestens drei Monate vor dem Ende der Beschäftigung zu erfolgen habe. Der Begriff der Arbeitssuchendmeldung sei ihr damals nicht vertraut gewesen; sie habe nur die Arbeitslosmeldung gekannt.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 4. Januar 2007 der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und der Gegenstandsbescheide verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 1. August 2004 ohne Minderung zu bewilligen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, die Klägerin habe glaubhaft erklärt, davon ausgegangen zu sein, sie müsse sich frühestens drei Monate vor Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses bei der Beklagten melden. Hierfür spreche auch der Wortlaut des § 37b SGB III. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) ausgeführt, die Norm sei so auszulegen, dass die Meldung spätestens drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses zu erfolgen habe. Jedoch könne von einem juristischen Laien nicht erwartet werden, dass er eine derartige Auslegung der Norm vornehme.

Gegen das ihr am 22. Februar 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. März 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Mai 2005 (B 11a/11 AL 81/04 R) aus, die Klägerin könne sich nicht auf eine unverschuldete Unkenntnis der Meldeobliegenheit berufen, da sie sowohl durch das ausgehändigte Merkblatt als auch durch die Belehrungen im Aufhebungsbescheid unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" und durch den Hinweis in dem befristeten Dienstvertrag mit der "R. Schule gGmbH" informiert gewesen sei. Diese Belehrungen seien allesamt verständlich und inhaltlich zutreffend gewesen, weshalb keine Veranlassung bestanden habe, sich aus dem Internet zu informieren.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen. Der von der Beklagten angeführte Hinweis im Merkblatt finde sich unter der Überschrift "Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche". Die Klägerin habe keine Veranlassung gehabt, unter dieser Überschrift nach Hinweisen zu suchen, da sie sich aufgrund der Befristung des Arbeitsverhältnisses selbstverständlich immer "mit einem halben Ohr" auch auf Arbeitssuche befunden habe. Bei ihrer Recherche im Internet im März 2004 sei sie auf der Web-Seite der Bundesagentur für Arbeit auf die Vorschrift des § 37b SGB III gestoßen, nach dessen Wortlaut sie von einer rechtzeitigen Meldung im Juni 2004 habe ausgehen können.

Die Beteiligten haben sich nach Anhörung mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin einverstanden erklärt.

In der mündlichen Verhandlung vor der Einzelrichterin vom 31. Mai 2010 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben, indem sie die angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert hat, dass der Minderungsbetrag lediglich 875 EUR beträgt. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die die Berichterstatterin mit dem Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats nach § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheiden kann, ist statthaft (§§ 143, 144 SGG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 155 SGG) erhoben.

Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Auf die Berufung ist das Urteil des Sozialgerichts vom 4. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die angefochtenen Bescheide sind unter Berücksichtigung des von der Beklagten abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnisses rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung höheren Arbeitslosengeldes ohne Berücksichtigung der Minderung.

Gegenstand des Rechtsstreits sind die Festsetzung der Minderung im Schreiben der Beklagten vom 28. Juni 2004 und der Bewilligungsbescheid vom 30. Juni 2004, die eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheides über die Minderung des Anspruchs darstellen (BSG, Urteil vom 18.8.2005 – B 7a/7 AL 80/04 R; Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 2; Urteil vom 28.8.2007 – B 7/7a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6). Gegenstand des Verfahrens sind des Weiteren die Bescheide vom 30. Juli und vom 31. August 2004, welche gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

Der Streitgegenstand ist sachlich auf die Anfechtung der Minderung selbst beschränkt. Das entspricht dem Begehren der Klägerin und ist zulässig (BSG, Urteil vom 18.8. 2005 – B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr. 1).

Die angefochtenen Bescheide haben ihre Rechtsgrundlage in § 140 SGB III i.V.m. § 37b SGB III in der ab 1. Juli 2003 bis zum 30. Dezember 2005 geltenden Fassung (die im Folgenden genannten Vorschriften des SGB III beziehen sich – soweit nicht anders vermerkt – stets auf diese Fassung). Gemäß § 37b S. 1 SGB III sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit zu melden. § 37b S. 2 SGB III bestimmt: "Im Fall eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen".

Das BSG hat hierzu mehrfach entschieden, dass § 37b SGB III auch bei von vornherein befristeten Arbeitsverhältnissen ausreichend inhaltlich bestimmt ist. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 37b S. 2 SGB III ist die Vorschrift so auszulegen, dass die Meldung "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses, ansonsten unverzüglich zu erfolgen hat. § 37b S. 2 SGB III ist dabei in sich nicht so widersprüchlich beziehungsweise unbestimmt, dass er den rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsvoraussetzung (§ 140 SGB III) nicht mehr genügt (BSG, Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 2; Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 –B 11a/7a AL 72/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6).

Die objektiven Voraussetzungen für eine verspätete Meldung haben vorgelegen. Da das Arbeitsverhältnis von vornherein bis zum 31. Juli 2004 befristet war, hätte die Meldung spätestens am 1. Mai 2004 erfolgen müssen. Die erst am 10. Juni 2004 erfolgte Meldung war daher verspätet.

Die subjektiven Voraussetzungen liegen ebenfalls vor. Die Klägerin hat ihre Obliegenheit schuldhaft verletzt.

Unverzüglich i.S.d. § 37b S. 1 SGB III bedeutet nach der Rechtsprechung des BSG "ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. § 121 BGB). Die Obliegenheitsverletzung verlangt auf Seiten des Versicherten ein Verschulden nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab. Insoweit ist eine doppelte Verschuldensprüfung erforderlich; diese betrifft zum einen die Kenntnis bzw. die fahrlässige Unkenntnis über die Meldepflicht, zum anderen das vorwerfbare Fehlverhalten für jeden einzelnen Tag der versäumten Arbeitssuchendmeldung (BSG, Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 2; Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/6 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6).

Da die Norm zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht allgemein bekannt war, kommt es auf die subjektive Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Arbeitsuchenden und die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BSG, Urteil vom 25.5.2005 – B 11a/11 AL 81/04, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 1; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/6 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6).

Die Klägerin wurde durch das im Juni 2003 ausgehändigte Merkblatt der Beklagten, durch den Hinweis in dem Aufhebungsbescheid vom 6. Oktober 2003, sowie durch den Hinweis in dem mit der "R. Schule gGmbH" abgeschlossenen Dienstvertrag vom 1. Oktober 2003 über ihre Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung ausreichend informiert.

Das BSG hat mittlerweile entschieden, dass Hinweise mit gleichartigem Wortlaut unmissverständlich und inhaltlich zutreffend sind. Der Wortlaut der Belehrung lasse keine Zweifelsfragen bezüglich des geforderten Meldezeitpunkts aufkommen und sei auch in Bezug auf die drohende Rechtsfolge unmissverständlich. Mit der einschränkenden Wortwahl ("in der Regel" und "könne") werde in der Sache berücksichtigt, dass eine Minderung nicht nur objektiv von der verspäteten Arbeitssuchendmeldung, sondern auch subjektiv von einem Verschulden abhängig sei. Mehr könne von einer Belehrung nicht verlangt werden (Urteil vom 28.8.2007 – B 7/a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/06 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 6). Das BSG hat damit zu erkennen gegeben, dass es solche Hinweise auch für grundsätzlich geeignet hält, Fahrlässigkeit zu begründen. Dem schließt sich der Senat an.

Die Belehrung über die Meldeobliegenheit befindet sich auf dem Aufhebungsbescheid unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" und ist dadurch hervorgehoben. Der Abschnitt über die wichtigen Hinweise setzt sich lediglich aus 3 Absätzen zusammen und kann daher ohne weiteres vollständig gelesen werden. Ein Obliegenheit, Bescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, besteht, auch wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (BSG, Urteil vom 8.2.2001 - B 11 AL 21/00 R, SozR 3 - 1300 § 45 Nr. 45).

Im Hinblick auf den beruflichen Werdegang der Klägerin, die unter anderem als Programmiererin, Dozentin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität gearbeitet hat, und den Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2010 von der Klägerin gewonnen hat, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen ist, von den Hinweisen im Merkblatt, im Aufhebungsbescheid und im Dienstvertrag Kenntnis zu nehmen und den Inhalt zu erfassen. Die Klägerin hätte daher wissen müssen, dass sie sich spätestens drei Monate vor Ende ihres Arbeitsverhältnisses arbeitsuchend melden musste. Dies hat sie nicht getan.

Der Klägerin wurde auch nicht die Fortführung ihres Arbeitsverhältnisses in der Weise zugesichert, dass sie auf die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses vertrauen durfte. Sie musste zumindest damit rechnen, dass das Arbeitsverhältnis zu dem im Vertrag genannten Zeitpunkt enden würde. Dies ergibt sich zum einen aus der Auskunft des Arbeitgebers gegenüber dem Sozialgericht. Dieser hat auf gerichtliche Anfrage angegeben, die Möglichkeit einer Verlängerung sei zwar in Erwägung gezogen worden, hätten sich dann aber immer mehr zerschlagen. Auch die Tatsache, dass sich die Klägerin ausweislich der Angaben in den mündlichen Verhandlungen vor dem Sozialgericht vom 4. Januar 2007 und vor dem Landessozialgericht am 31. Mai 2010 veranlasst sah, sich im März 2004 im Internet darüber zu informieren, wann sie sich arbeitslos zu melden habe, spricht dagegen, dass sie sicher von einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses ausging.

Dass die Klägerin bei ihrer Internetrecherche auf die Vorschrift des § 37b SGB III stieß und diese dem Wortlaut nach so auslegte, dass sie sich frühestens drei Monate vor Ende des Arbeitsverhältnisses zu melden habe, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Klägerin lagen hier drei von dieser Auslegung abweichende Informationen vor, so dass Veranlassung bestanden hätte, sich aufgrund der erfolgten Belehrung bei der zuständigen Stelle – hier also der Beklagten – genauer zu informieren. Bei Verständnisschwierigkeiten hätte sie die Rechtsauffassung zum Regelungsgehalt des § 37 b SGB III erfragen müssen und sich nicht auf ihre eigene (fehlerhafte) Gesetzesinterpretation verlassen dürfen. Dies gilt umso mehr, als die Belehrungen leicht verständlich abgefasst und weder widersprüchlich noch unklar waren. Das Unterlassen der Einholung von Erkundigungen stellt unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin ein fahrlässiges Verhalten dar, welches geeignet ist, Fahrlässigkeit im Sinne des § 37b SGB III zu begründen (vgl.: LSG Bayern, Urteil vom 18.9.2009 – L 8 AL 204/08 – Juris).

Da die Klägerin ihre Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung gemäß § 37b SGB III verletzt hat, treten die Rechtsfolgen gemäß § 140 SGB III ein. Danach mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruches zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist, wenn der Arbeitslose sich entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet hat.

Der festgelegte Umfang der Minderung ist – nach dem in der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2010 abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnis - nicht zu beanstanden. Nach § 140 S. 2 Nr. 1 und S. 3 SGB III beträgt die Minderung bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700 Euro (hier: 455 Euro) 35 Euro für jeden Tag der verspäteten Meldung, begrenzt auf den Betrag, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Klägerin hätte sich am 1. Mai 2004 melden müssen, hat dies aber erst am 10. Juni 2004 getan. Dieser Zeitraum umfasst 40 Kalendertage, davon entfallen 12 Tage auf Wochenenden und 3 Tage auf Feiertage, so dass 25 Tage verbleiben, in denen das Arbeitsamt dienstbereit war.

Die Vorschrift ist auch nicht im Hinblick auf ihre Rechtsfolgen verfassungswidrig, wie die Klägerin meint. Zum einen schließt die unverschuldete Unkenntnis von der Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung die Rechtsfolgen des § 140 SGB III aus (BSG, Urteil vom 25.5.2005 – B 11a/11 AL 81/04 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 1). Zum anderen hat das BSG in seiner Entscheidung vom 28. August 2007 (B 7/7a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 5) zutreffend dargelegt, dass die Norm verfassungsgemäß ist, weil die Einführung der frühzeitigen Meldepflicht und die Sanktion bei deren Verletzung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit seinen Elementen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn beachtet. Die Klägerin kann auch aus der Tatsache, dass die Meldepflicht ab dem 31. Dezember 2005 keine Minderung, sondern eine lediglich einwöchige Sperrzeit auslöst (§ 144 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 6 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2005, BGBl. I S. 3676) keinen Anspruch auf Herabsetzung des Minderungsbetrages herleiten, denn auf den vorliegenden Fall sind §§ 37b, 140 SGB III in der Fassung des Gesetzes ab dem 1.7.2003 anzuwenden. Später in Kraft getretene gesetzliche Vorschriften finden keine Beachtung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache unter Berücksichtigung des am 31. Mai 2010 abgegebenen Teilanerkenntnisses der Beklagten.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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