Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AS 260/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AS 57/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 10.12.2009 geändert. Die dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf 788,97 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren.
Mit Bescheid vom 18.09.2008 und Widerspruchsbescheid vom 04.11.2008 senkte die Antragsgegnerin gestützt auf § 31 Abs. 1 SGB II das dem Antragsteller zu 1) gewährte Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.10.2008 bis 31.12.2008 monatlich um 30 % der Regelleistung ab. Hieraus ergab sich eine Absenkung der monatlichen Leistung für den Antragsteller zu 1) in Höhe von 95,00 EUR. Am 04.12.2008 beantragte der Bevollmächtigte der Antragsteller (Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft), die aufschiebende Wirkung der am selben Tag erhobenen Klage anzuordnen. Mit Schriftsatz vom 12.12.2008 hob die Antragsgegnerin den angefochtenen Bescheid auf. Die Kläger nahmen das Anerkenntnis an, die Antragsgegnerin verpflichtete sich zur Erstattung der Kosten dem Grunde nach. Mit Beschluss vom 15.12.2008 bewilligte das Sozialgericht Münster den Antragstellern Prozesskostenhilfe und ordnete den Prozessbevollmächtigten bei.
Der Bevollmächtigte hat folgende Vergütungsfestsetzung beantragt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102, Nr. 1008 VV/RVG 750,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 200,00 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV/RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV/RVG 184,30 EUR
Gesamt: 1.154,30 EUR
Die Urkundsbeamtin setzte die Vergütung wie folgt fest (Beschluss vom 23.12.2008):
Verfahrensgebühr Nr. 3102, Nr. 1008 VV/RVG 510,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 133,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV/RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV/RVG 125,97 EUR
Gesamt: 788,97 EUR
Gegen diese Entscheidung legten der Bevollmächtigte der Antragsteller, die Antragsgegnerin sowie der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse Erinnerung ein. Während der Bevollmächtigte der Antragsteller die Erinnerung zunächst nicht näher begründete, bemängelte die Antragsgegnerin die Festsetzung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV/RVG. Der Bezirksrevisor beantragte, die Vergütung auf 630,70 EUR festzusetzen. Er meinte, eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG falle im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht an.
Mit Beschluss vom 10.12.2009 hat das Sozialgericht Münster die Vergütung auf 630,70 EUR festgesetzt. Es hat die Erinnerung des Bevollmächtigten der Antragsteller und der Antragsgegnerin zurückgewiesen und auf die Erinnerung des Bezirksrevisors die festzusetzende Vergütung um die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG nebst Umsatzsteuer reduziert. Die fiktive Terminsgebühr falle nur in solchen Verfahren an, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben oder doch der Regelfall ist. Dies sei bei einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht der Fall. Nach Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 3106 Anmerkung Ziff. 3 VV/RVG solle die Bereitschaft der Anwälte gefördert werden, durch ihr prozessuales Verhalten eine Terminierung der Streitsache bei einem Anerkenntnis zu vermeiden. Der Anwalt, dem in Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung eine Verhandlungsgebühr zukomme, solle diese auch erhalten, wenn das Verfahren ohne mündliche Verhandlung endet. Dieser Zweck könne in einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht erreicht werden, da gemäß §§ 86 b Abs. 4, 124 Abs. 3 SGG eine mündliche Verhandlung nicht vorgesehen sei. Gegen diese dem Bevollmächtigten der Antragsteller am 18.12.2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 04.01.2010 (Montag) eingelegte Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragsteller. Er begehrt die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung auf 1.154,30 EUR und meint, aus dem Wortlaut von Ziff. 3 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG ergebe sich ohne Einschränkung, dass auch in einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach angenommenem Anerkenntnis die Terminsgebühr anfalle. Im Übrigen sei angesichts der in § 14 Abs. 1 RVG festgelegten Kriterien der Ansatz der Mittelgebühr gerechtfertigt.
Der Vertreter der Staatskasse und die Antragsgegnerin haben sich dem Antrag entgegen gestellt.
II.
Die Beschwerde, über die der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit mit den Berufsrichtern in voller Besetzung entscheidet (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs.8 RVG), ist zulässig, insbesondere statthaft, §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG. Diese allgemein für das Erstattungsverfahren des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts geltenden Spezialvorschriften gehen den Vorschriften des SGG vor, so dass §§ 178, 197 Abs. 2 SGG keine Anwendung finden (vgl. Senatsbeschluss vom 25.01.2010 - L 1 B 19/09 AS; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2008 - L 5 B 43/08 KR; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2009, § 178 Rdnr. 3). § 197 Abs. 2 SGG ist zudem allein deshalb nicht einschlägig, weil diese Vorschrift nur für Verfahrensbeteiligte des Ausgangsverfahrens gilt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 04.06.2008 - L 19 B 5/08 AL und vom 01.04.2009 - L 19 B 137/07 AS).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 EUR (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG). Die Beschwerde wurde fristgerecht innerhalb der gemäß § 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG maßgeblichen Zweiwochenfrist erhoben. Der Bevollmächtigte der Antragsteller ist im eigenen Namen befugt, gemäß § 55 RVG die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung zu beantragen und das Beschwerdeverfahren zu führen. Sein Vorbringen ist entsprechend auszulegen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 25.01.2010 - L 1 B 19/09 AS; Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage, § 56 RVG Rdnr. 6).
Die Beschwerde ist insoweit begründet, als entgegen der angefochtenen Entscheidung auch die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG entstanden ist. Hiernach fällt in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen - wie hier - Betragsrahmengebühren entstehen, eine Terminsgebühr an. Die Gebühr entsteht nach der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einvernehmen mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (Ziff. 1), nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird (Ziff. 2) oder das Verfahren nach angenommenen Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Ziff. 3). Entgegen der Entscheidung des Sozialgerichts und der Ansicht des Beschwerdeführers hält es der Senat mit Blick auf die Zubilligung der fiktiven Terminsgebühr für unerheblich, dass für das einstweilige Anordnungsverfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zwingend vorgeschrieben ist (§§ 86b Abs. 4, 124 Abs. 3 SGG). Er gibt seine abweichende Rechtsprechung (Senatsbeschluss vom 25.1.2010 - L 1 B 19/09 AS) insoweit auf. Anders als bei Ziff. 1 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG, die ausdrücklich eine ansonsten obligatorische mündliche Verhandlung voraussetzt, fehlt bei Ziff. 3 eine entsprechende Voraussetzung. Die Vorschrift ist nicht so zu lesen, als sei die in Ziff. 1 enthaltene Formulierung "in einem Verfahren, in dem mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist" vor die Klammer gezogen (so aber Senatsbeschluss vom 25.1.2010 - L 1 B 19/09 AS). Einer derartigen Auslegung steht bereits der ausdrückliche Wortlaut der Regelung entgegen und sie widerspricht dem Zweck der gesetzlichen Regelung, wonach durch die fiktive Terminsgebühr gerade die außergerichtliche Einigung gefördert werden soll (vgl. hierzu BT-Drucksache 15/1971 S. 147; wie hier LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2007 - L 7 B 36/09 AS; abweichend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.10.2008 - L 20 B 67/08). Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig keine Terminierung stattfindet. Denn auch in derartigen Verfahren ist die Durchführung eines Termins möglich. Gem. § 124 Abs. 3 SGG kann auch in Beschlussverfahren eine mündliche Verhandlung anberaumt werden, die Entscheidung hierüber liegt im Ermessen des Gerichts (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 124 Rnr. 5). Außerdem entsteht nach Absatz 3 der Vorbemerkungen zu Teil 3 VV/RVG die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin, für die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termin oder für die Mitwirkung von auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. Diese in der Vorbemerkung genannten Termine umfassen damit nicht nur Verhandlungstermine. Auch die dort genannten weiteren Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermine können in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anfallen bzw. durch eine der Intention der Ziff. 3 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG entsprechende Handlung des Bevollmächtigten entfallen.
Zutreffend hat das Sozialgericht die geltend gemachten Gebühren jeweils mit 2/3 der Mittelgebühr festgesetzt, so dass die Beschwerde insoweit unbegründet ist. Diese Festsetzung entspricht den in § 14 Abs. 1 RVG vorgegebenen Kriterien. Die Bedeutung der Angelegenheit war unterdurchschnittlich, denn streitig war nur die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der zeitgleich eingereichten Klage. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller sind unterdurchschnittlich. Dies gilt auch für Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Diese erschöpfte sich in einem Schriftsatz, mit dem gleichzeitig die Klage und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erhoben bzw. begründet worden sind. Die Regelleistung ist lediglich für einen der Beteiligten um 30 % für 3 Monate reduziert worden. Umfang und Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit waren unterdurchschnittlich, denn die Antragsgegnerin hat bereits wenige Tage nach Stellung des Antrages den angefochtenen Bescheid aufgehoben.
Die Reduzierung der Mittelgebühr gilt auch für die Terminsgebühr. Zwar ist für jede Gebühr grundsätzlich eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 18.09.2008 - L 5 B 43/08 KR), konkrete Anhaltspunkte für eine von der Verfahrensgebühr abweichende Beurteilung ergeben sich hier jedoch nicht. Der Umstand, dass keine gerichtliche Verhandlung stattfand, rechtfertigt keine Abweichung von den Kriterien, nach denen sich die Verfahrensgebühr bestimmt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2008 - L 5 B 43/08 KR; Beschluss vom 07.12.2006 - L 18 B 9/06 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Gründe:
I.
Streitig ist die Höhe der nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren.
Mit Bescheid vom 18.09.2008 und Widerspruchsbescheid vom 04.11.2008 senkte die Antragsgegnerin gestützt auf § 31 Abs. 1 SGB II das dem Antragsteller zu 1) gewährte Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.10.2008 bis 31.12.2008 monatlich um 30 % der Regelleistung ab. Hieraus ergab sich eine Absenkung der monatlichen Leistung für den Antragsteller zu 1) in Höhe von 95,00 EUR. Am 04.12.2008 beantragte der Bevollmächtigte der Antragsteller (Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft), die aufschiebende Wirkung der am selben Tag erhobenen Klage anzuordnen. Mit Schriftsatz vom 12.12.2008 hob die Antragsgegnerin den angefochtenen Bescheid auf. Die Kläger nahmen das Anerkenntnis an, die Antragsgegnerin verpflichtete sich zur Erstattung der Kosten dem Grunde nach. Mit Beschluss vom 15.12.2008 bewilligte das Sozialgericht Münster den Antragstellern Prozesskostenhilfe und ordnete den Prozessbevollmächtigten bei.
Der Bevollmächtigte hat folgende Vergütungsfestsetzung beantragt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102, Nr. 1008 VV/RVG 750,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 200,00 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV/RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV/RVG 184,30 EUR
Gesamt: 1.154,30 EUR
Die Urkundsbeamtin setzte die Vergütung wie folgt fest (Beschluss vom 23.12.2008):
Verfahrensgebühr Nr. 3102, Nr. 1008 VV/RVG 510,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 133,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV/RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV/RVG 125,97 EUR
Gesamt: 788,97 EUR
Gegen diese Entscheidung legten der Bevollmächtigte der Antragsteller, die Antragsgegnerin sowie der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse Erinnerung ein. Während der Bevollmächtigte der Antragsteller die Erinnerung zunächst nicht näher begründete, bemängelte die Antragsgegnerin die Festsetzung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV/RVG. Der Bezirksrevisor beantragte, die Vergütung auf 630,70 EUR festzusetzen. Er meinte, eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG falle im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht an.
Mit Beschluss vom 10.12.2009 hat das Sozialgericht Münster die Vergütung auf 630,70 EUR festgesetzt. Es hat die Erinnerung des Bevollmächtigten der Antragsteller und der Antragsgegnerin zurückgewiesen und auf die Erinnerung des Bezirksrevisors die festzusetzende Vergütung um die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG nebst Umsatzsteuer reduziert. Die fiktive Terminsgebühr falle nur in solchen Verfahren an, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben oder doch der Regelfall ist. Dies sei bei einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht der Fall. Nach Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 3106 Anmerkung Ziff. 3 VV/RVG solle die Bereitschaft der Anwälte gefördert werden, durch ihr prozessuales Verhalten eine Terminierung der Streitsache bei einem Anerkenntnis zu vermeiden. Der Anwalt, dem in Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung eine Verhandlungsgebühr zukomme, solle diese auch erhalten, wenn das Verfahren ohne mündliche Verhandlung endet. Dieser Zweck könne in einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht erreicht werden, da gemäß §§ 86 b Abs. 4, 124 Abs. 3 SGG eine mündliche Verhandlung nicht vorgesehen sei. Gegen diese dem Bevollmächtigten der Antragsteller am 18.12.2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 04.01.2010 (Montag) eingelegte Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragsteller. Er begehrt die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung auf 1.154,30 EUR und meint, aus dem Wortlaut von Ziff. 3 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG ergebe sich ohne Einschränkung, dass auch in einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach angenommenem Anerkenntnis die Terminsgebühr anfalle. Im Übrigen sei angesichts der in § 14 Abs. 1 RVG festgelegten Kriterien der Ansatz der Mittelgebühr gerechtfertigt.
Der Vertreter der Staatskasse und die Antragsgegnerin haben sich dem Antrag entgegen gestellt.
II.
Die Beschwerde, über die der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit mit den Berufsrichtern in voller Besetzung entscheidet (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs.8 RVG), ist zulässig, insbesondere statthaft, §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG. Diese allgemein für das Erstattungsverfahren des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts geltenden Spezialvorschriften gehen den Vorschriften des SGG vor, so dass §§ 178, 197 Abs. 2 SGG keine Anwendung finden (vgl. Senatsbeschluss vom 25.01.2010 - L 1 B 19/09 AS; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2008 - L 5 B 43/08 KR; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2009, § 178 Rdnr. 3). § 197 Abs. 2 SGG ist zudem allein deshalb nicht einschlägig, weil diese Vorschrift nur für Verfahrensbeteiligte des Ausgangsverfahrens gilt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 04.06.2008 - L 19 B 5/08 AL und vom 01.04.2009 - L 19 B 137/07 AS).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 EUR (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG). Die Beschwerde wurde fristgerecht innerhalb der gemäß § 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG maßgeblichen Zweiwochenfrist erhoben. Der Bevollmächtigte der Antragsteller ist im eigenen Namen befugt, gemäß § 55 RVG die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung zu beantragen und das Beschwerdeverfahren zu führen. Sein Vorbringen ist entsprechend auszulegen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 25.01.2010 - L 1 B 19/09 AS; Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage, § 56 RVG Rdnr. 6).
Die Beschwerde ist insoweit begründet, als entgegen der angefochtenen Entscheidung auch die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG entstanden ist. Hiernach fällt in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen - wie hier - Betragsrahmengebühren entstehen, eine Terminsgebühr an. Die Gebühr entsteht nach der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einvernehmen mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (Ziff. 1), nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird (Ziff. 2) oder das Verfahren nach angenommenen Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Ziff. 3). Entgegen der Entscheidung des Sozialgerichts und der Ansicht des Beschwerdeführers hält es der Senat mit Blick auf die Zubilligung der fiktiven Terminsgebühr für unerheblich, dass für das einstweilige Anordnungsverfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zwingend vorgeschrieben ist (§§ 86b Abs. 4, 124 Abs. 3 SGG). Er gibt seine abweichende Rechtsprechung (Senatsbeschluss vom 25.1.2010 - L 1 B 19/09 AS) insoweit auf. Anders als bei Ziff. 1 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG, die ausdrücklich eine ansonsten obligatorische mündliche Verhandlung voraussetzt, fehlt bei Ziff. 3 eine entsprechende Voraussetzung. Die Vorschrift ist nicht so zu lesen, als sei die in Ziff. 1 enthaltene Formulierung "in einem Verfahren, in dem mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist" vor die Klammer gezogen (so aber Senatsbeschluss vom 25.1.2010 - L 1 B 19/09 AS). Einer derartigen Auslegung steht bereits der ausdrückliche Wortlaut der Regelung entgegen und sie widerspricht dem Zweck der gesetzlichen Regelung, wonach durch die fiktive Terminsgebühr gerade die außergerichtliche Einigung gefördert werden soll (vgl. hierzu BT-Drucksache 15/1971 S. 147; wie hier LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2007 - L 7 B 36/09 AS; abweichend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.10.2008 - L 20 B 67/08). Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig keine Terminierung stattfindet. Denn auch in derartigen Verfahren ist die Durchführung eines Termins möglich. Gem. § 124 Abs. 3 SGG kann auch in Beschlussverfahren eine mündliche Verhandlung anberaumt werden, die Entscheidung hierüber liegt im Ermessen des Gerichts (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 124 Rnr. 5). Außerdem entsteht nach Absatz 3 der Vorbemerkungen zu Teil 3 VV/RVG die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin, für die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termin oder für die Mitwirkung von auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. Diese in der Vorbemerkung genannten Termine umfassen damit nicht nur Verhandlungstermine. Auch die dort genannten weiteren Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermine können in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anfallen bzw. durch eine der Intention der Ziff. 3 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV/RVG entsprechende Handlung des Bevollmächtigten entfallen.
Zutreffend hat das Sozialgericht die geltend gemachten Gebühren jeweils mit 2/3 der Mittelgebühr festgesetzt, so dass die Beschwerde insoweit unbegründet ist. Diese Festsetzung entspricht den in § 14 Abs. 1 RVG vorgegebenen Kriterien. Die Bedeutung der Angelegenheit war unterdurchschnittlich, denn streitig war nur die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der zeitgleich eingereichten Klage. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller sind unterdurchschnittlich. Dies gilt auch für Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Diese erschöpfte sich in einem Schriftsatz, mit dem gleichzeitig die Klage und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erhoben bzw. begründet worden sind. Die Regelleistung ist lediglich für einen der Beteiligten um 30 % für 3 Monate reduziert worden. Umfang und Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit waren unterdurchschnittlich, denn die Antragsgegnerin hat bereits wenige Tage nach Stellung des Antrages den angefochtenen Bescheid aufgehoben.
Die Reduzierung der Mittelgebühr gilt auch für die Terminsgebühr. Zwar ist für jede Gebühr grundsätzlich eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 18.09.2008 - L 5 B 43/08 KR), konkrete Anhaltspunkte für eine von der Verfahrensgebühr abweichende Beurteilung ergeben sich hier jedoch nicht. Der Umstand, dass keine gerichtliche Verhandlung stattfand, rechtfertigt keine Abweichung von den Kriterien, nach denen sich die Verfahrensgebühr bestimmt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2008 - L 5 B 43/08 KR; Beschluss vom 07.12.2006 - L 18 B 9/06 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
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