L 8 R 140/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 98/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 140/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.8.2009 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 52.182,33 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen zu Gunsten der Beigeladenen in Höhe von 52.182,33 EUR.

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost. Mit Schreiben vom 22.12.1994 an die Direktionen der Deutschen Bundespost wies sie darauf hin, dass Nachversicherungen künftig bei einer einzurichtenden Zentralstelle für Nachversicherungen, dem später so bezeichneten Sachgebiet Nachversicherung (SgNV), durchgeführt würden. Personalakten des betroffenen Personenkreises seien mit einem Formblatt dem SgNV zu übersenden. Es werde gebeten sicherzustellen, dass die Entlassungsvorgänge aller unversorgt ausscheidenden Beamtinnen bzw. Beamten vorgelegt würden. Diese seien bei ihrem Ausscheiden über die Nachversicherung zu informieren. Ein Merkblatt und eine Erklärung zur Nachversicherung seien ihnen nachweislich auszuhändigen oder der jeweiligen Entlassungsverfügung beizufügen. Eine Arbeitsanweisung aus dem Jahr 1996 schrieb zudem die Übersendung der Personalvorgänge an das SgNV per Einschreiben vor.

Die Beigeladene war bei der Deutschen Bundespost bzw. der Klägerin als Nachfolgeunternehmen seit dem 1.9.1980 als Beamtin versicherungsfrei beschäftigt, wobei sie vom 1.9.1980 bis zum 31.8.1982 ihre Ausbildung absolvierte, vom 28.8.1992 bis zum 27.8.1993 sowie vom 7.12.1993 bis zum 10.10.1996 Erziehungsurlaub und vom 11.10.1996 bis zum 30.9.1997 Urlaub ohne Bezüge hatte. Auf eigenen Antrag wurde sie mit Ablauf des 31.10.1997 ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus dem Dienst entlassen. Zuvor war sie für den Monat Oktober unter Beurlaubung vom Beamtenverhältnis in ein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gewechselt, für das eine Gewährleistungserstreckung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bestand. Dies ermöglichte die Auszahlung eines "Veränderungsgeldes". Im Zusammenhang mit ihrem Ausscheiden aus dem Dienst erhielt die Beigeladene von der Klägerin das Merkblatt und die Erklärung zur Nachversicherung, die sie ausfüllte.

Mit Schreiben vom 13.2.2005 bat die Beigeladene die Beklagte um Kontenklärung. Dabei wies sie darauf hin, dass sie über Nachversicherungsleistungen der Klägerin bislang von der Beklagten noch keine Mitteilung erhalten habe. Die Klägerin teilte die Dienstzeiten der Beigeladenen mit und berief sich hinsichtlich der Entrichtung von Nachversicherungsbeiträgen auf die Einrede der Verjährung.

Mit Bescheid vom 30.5.2005 forderte die Beklagte die Klägerin auf, Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 52.182,33 Euro für die Beigeladene für die Zeiten vom 1.9.1980 bis 27.8.1992, 28.8.1993 bis 6.12.1993 sowie vom 1.10.1997 bis zum 31.10.1997 zu zahlen. Der Anspruch sei nicht verjährt. Es gelte die 30jährige Verjährungsfrist. Denn die Klägerin habe die Nachversicherungsbeiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten. Jeder Personalsachbearbeiter eines öffentlichen Dienstherrn habe den Eintritt der Fälligkeit der Beiträge beurteilen und erkennen müssen. Die insoweit offensichtliche Amtspflichtverletzung eines Mitarbeiters entbinde die Klägerin nicht von ihren Pflichten gegenüber der Versichertengemeinschaft und der ausgeschiedenen Beschäftigten.

Die Klägerin erhob Widerspruch und trug vor, es handele sich um einen Einzelfall. Im Übrigen entstehe der Beigeladenen kein Nachteil, da bereits die Feststellung des Nachversicherungsverhältnisses zur Anerkennung von Beitragszeiten durch den Rentenversicherungsträger führen müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.8.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Ergänzend zu ihren bisherigen Argumenten wies sie darauf hin, dass nach § 185 Abs. 2 SGB VI nur gezahlte Nachversicherungsbeiträge als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge gälten, sodass der Beigeladenen entgegen der Auffassung der Klägerin durch die Nichtzahlung der Beiträge durchaus ein rentenrechtlicher Nachteil entstehe.

Die Klägerin hat am 22.8.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin erhoben, das den Rechtsstreit an das SG Köln verwiesen hat (Beschluss v. 26.9.2005). Die Klägerin hat vorgetragen: Bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31.1.2008 (Az.: B 13 R 27/07 R) sei davon auszugehen gewesen, dass Nachversicherungszeiten zugunsten der Versicherten kraft Gesetzes auch ohne Beitragszahlung entstünden. Soweit § 281 Abs. 2 SGB VI jetzt - rückwirkend - eine abweichende Regelung enthalte, handele es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung. Im Streitfall falle ihr weder vorsätzliches Handeln eines einzelnen Sachbearbeiters noch Organisationsverschulden zur Last. Wenn ein Beamter bei einer jeweiligen Organisationseinheit (OrgE) aus seinem Dienst bei ihr, der Klägerin, unversorgt ausscheide, melde die OrgE einen entsprechenden "Wegfall mit Grund" im System "Open" und leite die Personalakte an das SgNV. Dieses hole daraufhin die entsprechenden Informationen (Entgeltanforderungen, Anfragen zum Versorgungsausgleich etc.) bei den zuständigen Stellen ein, fertige die Nachversicherungsbescheinigung mit den individuellen Entgelten, übersende diese an den Rentenversicherungsträger und veranlasse die Überweisung der in der Nachversicherungsbescheinigung ermittelten Nachversicherungsbeiträge. Sie, die Klägerin, habe ihre OrgE auch nach der Umwandlung in eine private Aktiengesellschaft fortlaufend durch verschiedene Anweisungen auf das Nachversicherungsverfahren sowie den beschriebenen Arbeitsablauf hingewiesen. Außerdem habe den OrgE eine ausführliche Arbeitshilfe zur Thematik "Nachversicherung" zur Verfügung gestanden. Im konkreten Fall sei die Beitragsnachentrichtung aus nicht mehr aufklärbaren Gründen nicht veranlasst bzw. abgeschlossen worden. Eine Meldung des unversorgten Ausscheidens an das zuständige SgNV sei jedoch zweifellos nicht erfolgt. Vielmehr hätten dessen Mitarbeiter erstmals durch die Nachfrage der Beigeladenen von deren Nachversicherungsfall Kenntnis erlangt. Dieser Sachverhalt rechtfertige nicht die Beurteilung, sie, die Klägerin, habe vorsätzlich gehandelt. Vielmehr sei offenbar die Absendung der Vorgänge zur Nachversicherung entgegen der klaren Anweisungslage versehentlich nicht veranlasst worden. Die Nachversicherung unversorgt ausscheidender Beamter stelle zudem keinen regelhaft auftretenden Geschäftsvorfall dar. Nachversicherungsfälle seien vielmehr Sonderaufgaben, bei deren im Einzelfall fehlerhafter Ausführung nur von Fahrlässigkeit auszugehen sei. Dass es sich um einen solchen Einzelfall handele, ergebe sich nicht zuletzt daraus, dass die Personalstellen allein 1997 tatsächlich 1.446 Beitragsnachentrichtungen ordnungsgemäß veranlasst hätten. Das Urteil des BSG vom 17.4.2008 (Az.: B 13 R 123/07 R) rechtfertige keine andere Beurteilung. Die dort formulierten Anforderungen an den Informationsaustausch innerhalb einer Organisation zur Gewährleistung der Nachversicherung seien erfüllt.

Zu Unrecht trage die Beklagte vor, die Erhebung der Einrede der Verjährung sei rechtsmissbräuchlich (Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Hiervon könne man nur ausgehen, wenn der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung seines Anspruchs abgehalten habe. Maßgebend sei insoweit allein das Verhältnis zwischen ihr, der Klägerin, und der Beklagten. Die Beklagte sei jedoch nicht durch klägerseitiges Verhalten an der Geltendmachung der Nachversicherungsbeiträge gehindert worden. Auch das Fehlen einer Nachversicherungs- oder Aufschubbescheinigung begründe insoweit keinen Rechtsmissbrauch.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 30.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.8.2005 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Die 30jährige Verjährungsfrist werde bereits durch bedingt vorsätzliches Verhalten des Beitragsschuldners ausgelöst, wofür es ausreiche, dass dieser seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen habe. Dem Vortrag der Klägerin lasse sich ein Organisationsverschulden entnehmen. Offensichtlich habe sie es unterlassen, ausreichende Kontrollmechanismen zu schaffen, die sicherstellten, dass die Nachversicherung tatsächlich durchgeführt werde. Jedenfalls verstoße die Erhebung der Einrede der Verjährung gegen Treu und Glauben. Denn die Klägerin habe pflichtwidrig verhindert, dass sie, die Beklagte, als Rentenversicherungsträger Kenntnis vom Eintritt des Nachversicherungsfalles erlangen und die Verjährung hemmende bzw. unterbrechende Schritte habe unternehmen können. Sie habe es nämlich versäumt, innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist eine Nachversicherungs- oder Aufschubbescheinigung zu erteilen.

Die Beigeladene hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen. Mit der Abgabe der Erklärung zur Nachversicherung sei sie davon ausgegangen, dass die Nachversicherung nunmehr durchgeführt werde. Daher sei die Berufung der Klägerin auf den Eintritt der Verjährung rechtsmissbräuchlich. Für ein vorsätzliches Verhalten der Klägerin spreche, dass diese keine ausreichenden internen Kontrollmechanismen geschaffen habe.

Das SG hat die von der Klägerin benannten ehemaligen Mitarbeiter/innen I S, X K und K C angeschrieben und um Beantwortung der Fragen gebeten, inwieweit sie mit der Nachversicherung ehemaliger Beamter im Jahre 1997 und danach befasst gewesen seien und welche Vorkehrungen ihres Wissens innerhalb der für die Beigeladene seinerzeit zuständigen Niederlassung Postfilialen Berlin getroffen worden seien, um die Dienstanweisungen der Klägerin umzusetzen, insbesondere ob ständige Kontrollen und Schulungen der Mitarbeiter erfolgt seien. Herr K hat mitgeteilt, er sei mit der Nachversicherung nicht befasst gewesen und habe die Dienstanweisungen nicht gekannt. Es habe ein Gegenzeichnungsrecht des Abteilungsleiters bestanden. Über Neuigkeiten sei man in Dienstbesprechungen informiert worden. Regelmäßige Schulungen und Lehrgänge habe es seiner Erinnerung nach nicht gegeben. Frau S hat geantwortet, sie sei mit der Nachversicherung nicht befasst gewesen. Herr C hat als damals zuständiger Abteilungsleiter ausgeführt, seines Wissens habe es einen regen Informationsaustausch zwischen der Niederlassung Postfilialen Berlin und dem SgNV gegeben. Wiederholt hätten Fallbesprechungen und Schulungen sowie Kontrollen gegeben, sodass die vollständige Umsetzung der Dienstanweisung gewährleistet gewesen sei. Die ordnungsgemäße Absendung der Vorgänge nebst Anlagen an das SgNV sei mit Einschreiben erfolgt. Weitere Kontrollmöglichkeiten habe es nicht gegeben.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil v. 21.8.2009). Es hat die Auffassung vertreten, der Klägerin falle Vorsatz zur Last, sodass die 30jährige Verjährungsfrist maßgebend sei. Im Übrigen handele die Klägerin mit der Berufung auf die Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihr am 30.9.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7.10.2009 Berufung eingelegt. Ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen beruft sie sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12.11.1998 (IX ZR 145/98) zum Organisationsverschulden. Die dort genannten Voraussetzungen für eine ausreichende Organisation habe sie erfüllt. Die Beklagte sei im Übrigen durch das Fehlen einer Nachversicherungs- oder Aufschubbescheinigung schon deshalb nicht von der rechtzeitigen Geltendmachung der Nachversicherungsforderung abgehalten worden, weil sie die Möglichkeit gehabt habe, bei ihr, der Klägerin, eine Betriebsprüfung durchzuführen (§ 212a SGB VI).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.8.2009 zu ändern und den Bescheid vom 30.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.8.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des SG. Ergänzend weist sie darauf hin, dass es anders als in dem vom BSG am 17.4.2008 entschiedenen Fall hier nicht um die Organisation der SgNV gehe, weil an diese gar keine Informationen abgesandt worden seien. Soweit die Klägerin sich nunmehr auf § 212a SGB VI berufe, verkenne sie die Funktion von Betriebsprüfungen. Der Prüfdienst sei selbst in kleineren Betrieben nicht zu einer vollständigen Prüfung verpflichtet. § 212a SGB VI, der im Übrigen erst am 1.1.2005 in Kraft getreten sei, entbinde daher den Nachversicherungsschuldner nicht von der Pflicht, bei Eintritt des Nachversicherungsfalles von sich aus eine Nachversicherungsbe-scheinigung zu erteilen.

Die Beigeladene beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die bei der Klägerin über die Beigeladene geführte Personalakte Bezug genommen, die beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann in Abwesenheit der Beigeladenen verhandeln und entscheiden, nachdem er sie mit der ordnungsgemäßen Terminsnachricht auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.8.2005 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

1. Der Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen, den die Beklagte im Wege des Verwaltungsakts durchsetzen kann, ergibt sich aus §§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, 181 Abs. 5, 185 Abs. 1 Satz 1 SGB VI.

a) Die Beigeladene war Beamtin (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Mit Ausnahme des Monats Oktober 1997 war sie daher nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei. Im Oktober 1997 ergab sich die Versicherungsfreiheit aus der ausgesprochenen Gewährleistungserstreckung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Zwar ist die Klägerin keine Körperschaft im Sinne dieser Bestimmung. Die Regelung muss jedoch zumindest entsprechend angewandt werden. Das folgt aus dem Gewährleistungsbescheid der Klägerin vom 2.9.1997 gegenüber der Beigeladenen und den dort in Bezug genommenen Erlassen des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Postpersonalrechtsgesetz (PostPersRG), wonach die Klägerin ermächtigt ist, die dem Dienstherrn Bund obliegenden Rechte und Pflichten gegenüber den bei ihr beschäftigten Beamten wahrzunehmen, soweit im Einzelnen nichts anderes bestimmt ist.

b) Die Beigeladene ist am 31.10.1997 ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden. Dass die Beigeladene keinen Versorgungsanspruch hatte, ist offensichtlich. Es bestand aber auch keine Versorgungsanwartschaft. Eine solche setzt eine lebenslange Beschäftigung bis zu einem Versorgungsfall sowie grundsätzlich die Berücksichtigung der letzten Besoldung bei der Ruhegehaltsberechnung voraus (BSG, Urteil v. 9.11.1999, B 4 RA 58/98 R, SozR 3-2600 § 8 Nr. 6 Rdnr. 27). Diese Bedingung ist bei der Beigeladenen erkennbar nicht erfüllt.

c) Es bestehen keine Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs. 2 SGB VI). Die dort genannten Voraussetzungen liegen nicht vor. Dasselbe gilt für den speziellen Aufschubgrund des § 18 Abs. 2 PostPersRG.

d) Der Anspruchszeitraum ist von der Beklagten richtig berechnet worden (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Er entspricht den Angaben der Klägerin, denen die Beigeladene nicht entgegengetreten ist und hinsichtlich derer auch im Übrigen keine Bedenken bestehen.

e) Anspruchsgegnerin ist die Klägerin (§ 181 Abs. 5 Satz 1 SGB VI), und zwar auch hinsichtlich der Nachversicherung für den Monat Oktober 1997 (§ 181 Abs. 5 Satz 2 SGB VI). Sie hat die seit dem 1.11.1997 fälligen (vgl. § 184 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) Beiträge unmittelbar an die Beklagte zu zahlen (§ 185 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Es bestehen keine Bedenken, dass aufgrund dieser Verpflichtung eine öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten besteht, kraft derer die Beklagte ihre Ansprüche durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin geltend machen kann.

2. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf die Einrede der Verjährung. Es gilt die 30jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), die noch nicht abgelaufen ist. Denn die Klägerin hat die Nachversicherungsbeiträge vorsätzlich nicht bezahlt.

a) Da für Vorsatz im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV bedingter Vorsatz ausreicht, kommt es darauf an, ob die Klägerin die Nachversicherungspflicht zumindest für möglich gehalten (Wissenselement), die Nichtabführung der Beiträge aber gleichwohl billigend in Kauf genommen hat (Willenselement; vgl. BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Liegt sogar Kenntnis von der Nachversicherungspflicht vor, begründet das Unterlassen der Beitragsführung bereits für sich genommen das erforderliche Willenselement. Beruht das Unterlassen der Beitragsabführung auf Unkenntnis der für die Entscheidung zuständigen Mitarbeiter, ist entscheidend, ob die organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des notwendigen Informationsflusses bestanden. Ist das nicht der Fall, muss sich die Organisation (hier: die Klägerin) das Wissen einzelner Mitarbeiter, gleichgültig auf welcher Ebene, zurechnen lassen (BSG, Urteil v. 17.4.2008, B 13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 2; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 16.1.2006, L 3 R 3/05).

b) Es steht außer Streit, dass die für die Personalsachbearbeitung zuständigen Mitarbeiter in der für die Beigeladene maßgebenden OrgE, der Niederlassung Berlin, Kenntnis vom Nachversicherungsfall hatten. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie ihre Mitarbeiter über den Eintritt der Nachversicherung in solchen Fällen informiert hat. Aus der Personalakte der Beigeladenen ergibt sich ein Schreiben der Mitarbeiter K und L vom 12.8.1997 an die Beigeladene, mit der dieser das Angebot des Ausscheidens gemacht worden ist. Darin wird auf ein Informationsblatt Bezug genommen, das unter Ziff. 10 ausdrücklich auf die Nachversicherung verweist. Schließlich haben die Mitarbeiter der Klägerin der Beigeladenen bei Ausscheiden ein Merkblatt und eine Erklärung zur Nachversicherung zukommen lassen.

c) Die betreffenden Erklärungen haben ebenso wie die Personalvorgänge das für die Nachversicherung zuständige SgNV nicht erreicht. Sie sind vielmehr bei den Personalakten in der OrgE, der Niederlassung Berlin, liegen geblieben. Gleichwohl ist den Mitarbeitern des SgNV die Kenntnis der Sachbearbeiter in der Niederlassung mit der Folge zuzurechnen, dass ihr Nichthandeln trotz Kenntnis bedingten Vorsatz der Kägerin begründet. Denn die Klägerin hat nicht für die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des notwendigen Informationsaustausches zwischen den OrgE und dem SgNV gesorgt.

aa) Dass derartige organisatorische Maßnahmen zumindest entsprechend einem Mindeststandard getroffen werden müssen, ergibt sich nicht zuletzt aus der auch dem ausgeschiedenen Beamten gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn (BSG, Urteil v. 17.4.2008, a.a.O.; BGH, Urteil v. 27.10.1983, III ZR 189/92, MDR 1984, 34). Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sich aus Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG), der die verfassungsrechtliche Grundlage für die Fürsorgepflicht des Dienstherrn bildet, kein Anspruch auf Nachversicherung außerhalb gesetzlich geregelter Fälle ergibt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 3.12.1987, 1 BvR 1208/87, SozR 2200 § 1232 Nr. 24). Denn im vorliegenden Fall ist die Verpflichtung der Klägerin, Nachversicherungsbeiträge für die Beigeladene aufgrund eines gesetzlich geregelten Nachversicherungsfalles zu zahlen, dem Grunde nach (unbeschadet der Frage der Verjährung) unstreitig. Dann gebietet es die Fürsorgepflicht des Dienstherrn jedoch, die notwendigen Maßnahmen zur Verwirklichung der Nachversicherung zu gewährleisten. Zu Unrecht verweist die Klägerin demgegenüber darauf, die Beigeladene sei ausreichend geschützt, weil nicht erst nachentrichtete, sondern bereits nachzuentrichtende Beiträge als gezahlt gälten. Es kann dahingestellt bleiben, wie diese Frage für vor dem 1.1.1992 eingetretene Nachversicherungsfälle zu beantworten ist (vgl. hierzu § 281 Abs. 2 SGB VI sowie BSG, Urteil v. 31.1.2008, B 13 R 27/07 R, SozR 4-2600 § 281 Nr. 1). Denn jedenfalls für ab dem 1.1.1992 eingetretene Nachversicherungsfälle ist ausschließlich die Bestimmung des § 185 Abs. 2 Satz 1 SGB VI maßgebend, die eine tatsächliche Zahlung der Nachversicherungsbeiträge verlangt. Aus den von der Beklagten im Einzelnen dargelegten Gründen reduzieren sich die Anforderungen an die notwendigen organisatorischen Maßnahmen auch nicht dadurch, dass die Beklagte innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist die Möglichkeit einer Betriebsprüfung (§ 212a SGB VI) gehabt hätte.

bb) Im Hinblick darauf müssen die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zumindest drei Anforderungen genügen: Erstens muss sichergestellt sein, dass die Absendung der die Nachversicherung betreffenden Vorgänge durch die OrgE an das SgNV tatsächlich erfolgt. Das kann z.B. durch ein Vier-Augen-Prinzip (Zeichnung durch den Abteilungsleiter, Mitzeichnung durch den Sachbearbeiter) und ein anschließendes Kontrollsystem (Wiedervorlage) geschehen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 16.10.2006, L 2 R 129/05, Breith. 2007, 389). Zweitens muss gewährleistet sein, dass der Zugang der Vorgänge beim SgNV kontrolliert wird. Diese Überprüfung kann entweder durch das SgNV selbst geschehen, wenn und soweit es vorab auf einem zweiten Weg über den Nachversicherungsfall unterrichtet worden ist (z.B. per Mail, per Fax, durch automatische Datenübertragung), oder aber durch die absendende OrgE (z.B. durch Kontrolle des Zugangs im Wege eines Zugangsnachweises in Gestalt eines Empfangsbekenntnisses, Rückscheins o.ä.). Entsprechende Maßnahmen müssen drittens auch ergriffen werden, um zu kontrollieren, ob die Nachversicherungsbeiträge tatsächlich an den Rentenversicherungsträger gezahlt worden sind. Auf diese Weise werden die Anforderungen an die von der Klägerin zu gewährleistenden Organisationsmaßnahmen nicht überspannt. Sie gehören vielmehr zu den üblichen und selbstverständlichen Mechanismen jedes funktionierenden Verwaltungsapparates. Nachdem die Klägerin die Rechte und Pflichten der vormals öffentlich-rechtlichen Träger übernommen hatte (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 PostPersRG), musste sie ihrerseits auf ihre Einhaltung achten.

cc) Die genannten Mindeststandards sind im vorliegenden Fall auch dann nicht einmal ansatzweise eingehalten worden, wenn man sämtliche Angaben der Klägerin und der vom SG befragten Mitarbeiter hierzu als zutreffend unterstellt. Weder wurde in den Niederlassungen (OrgE) die Absendung kontrolliert noch der Zugang beim SgNV. In allgemeinen Dienstanweisungen war lediglich die Verpflichtung zur Absendung per Einschreiben geregelt. Weitere Kontrollmöglichkeiten bestanden nach den ausdrücklichen Angaben des vom SG hierzu schriftlich befragten Postoberamtsrats a.D. C nicht mehr. Der Personalakte lässt sich ein Wiedervorlagesystem auch nicht ansatzweise entnehmen. Gleiches gilt für die Kontrolle des Zugangs beim SgNV. Weder gab es ein doppeltes Informationssystem des Sachgebietes noch war durch einen Zugangsnachweis gesichert, dass seitens der Niederlassung eine Rücklaufkontrolle stattfinden konnte. Dass die ergriffenen Maßnahmen völlig unzureichend waren, wird durch die Einlassung von Herrn C eindrucksvoll belegt. Aufgrund der ihm vorgelegten Unterlagen hat dieser es nämlich als bewiesen angesehen, dass die die Beigeladene betreffenden Vorgänge die Niederlassung Berlin in Richtung des SgNV verlassen hätten. Genau dies ist jedoch gerade nicht geschehen.

dd) Einer der vom BSG in seinen Entscheidungen vom 30.3.2000 und 17.4.2008 (jeweils a.a.O.) genannten Ausnahmefälle, die gegen einen bedingten Vorsatz sprechen könnten, sind nicht ersichtlich:

(1) Ein Versehen eines Dritten, das der Klägerin nicht zugerechnet werden müsste, ist für die unterbliebene Information des SgNV über den Nachversicherungsfall der Beigeladenen nicht verantwortlich zu machen.

(2) Entgegen der Darstellung der Klägerin hat es sich bei den Nachversicherungsfällen auch nicht um unübliche Vorgänge gehandelt. Vielmehr belegen die allgemeinen Anweisungen der Klägerin, dass Nachversicherungsfälle seinerzeit durchaus üblich gewesen sind. Die Klägerin hat - auch im Fall der Beigeladenen - sogar ein Verfahren entwickelt, sich über die Zahlung eines Veränderungsgeldes in einer auch für die bei ihr tätigen Beamten attraktiven, typischerweise jedoch mit dem Eintritt eines Nachversicherungsfalles verbundenen, Weise zu trennen. Nicht zuletzt spricht die von der Klägerin selbst genannte Zahl von 1.446 Beitragsnachentrichtungen allein im Jahr 1997 gegen die Annahme atypischer Einzelfälle.

(3) Dass die Klägerin in der Mehrzahl der auftretenden Fälle die Nachversicherung ordnungsgemäß durchgeführt hat, entlastet sie für sich genommen nicht. Die Frage des bedingten Vorsatzes ist jeweils mit Blick auf den Einzelfall zu prüfen. Dabei setzt bedingter Vorsatz nicht den Willen voraus, die Nachversicherung in einer größeren oder gar der überwiegenden Zahl der Fälle nicht durchzuführen. Abgesehen davon ist die Zahl der durchgeführten Nachversicherungsfälle keine geeignete Kennzahl, um die Geeignetheit der von der Klägerin ergriffenen Kontrollmaßnahmen zu belegen. Dazu müsste vielmehr der Zahl der durchgeführten Nachversicherungen die Zahl der durchzuführenden Nachversicherungen gegenübergestellt werden.

3. Da aus den genannten Gründen die 30jährige Verjährungsfrist maßgebend ist, kommt es auf die weitere von den Beteiligten diskutierte Frage, ob die Berufung auf die Einrede der Verjährung gegebenenfalls rechtsmissbräuchlich wäre, nicht mehr an.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, nachdem die maßgebenden Rechtsfragen alle höchstrichterlich geklärt sind und die Klägerin selbst ihrem Vortrag gemäß der Auffassung ist, es handele sich um einen bedauerlichen Einzelfall.

5. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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