L 9 U 5514/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 953/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 5514/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger am 26. Juli 2007 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Der 1953 geborene Kläger ist als Außendienstmitarbeiter (Verkaufsberater) bei der Firma B., S. & L. GmbH & Co KG beschäftigt. Im Erdgeschoss des von ihm bewohnten Einfamilienhauses befindet sich neben einer Toilette, dem Wohnzimmer und der Küche mit integriertem Esszimmer auch ein Büro, das er für seine berufliche Tätigkeit nutzt.

Am 26. Juli 2007 gegen 7:30 Uhr wollte sich der Kläger über eine Treppe vom Bad im 1. Stock, wo er Medikamente eingenommen hatte, in das im EG befindliche Büro begeben, wobei er auf der letzten oder vorletzten Treppenstufe zu Fall kam, mit der rechten Schulter gegen den rechten Rahmen der Tür zum Büro schlug und sich dabei eine Schulterverletzung (Diagnose: Supraspinatusruptur und Tuberculum-Majus-Abscherung nach traumatischer, ventraler Schulterluxation rechts zuzog. Unter dem 14. August 2007 gab er gegenüber der Krankenkasse an, er sei auf dem Weg zum Diensttelefon auf der unteren Treppenstufe gestürzt und gegen die Bürotür geflogen. Der Unfall habe sich um 07:30 Uhr während seiner beruflichen Tätigkeit ereignet. Gegenüber der Beklagten gab er mit Schreiben vom 17. September 2007 an, er sei, als das ausschließlich für dienstliche Zwecke genutzte Telefon im Büro geklingelt habe, vom 1. Stock relativ schnell über eine Steintreppe in das EG geeilt, um das Telefon abzuheben, wobei er auf der letzten oder vorletzten Treppenstufe gestolpert, in den Flur Richtung Büro gestürzt und er mit voller Wucht mit seiner rechten Schulter gegen den rechten Türrahmen des Büros geschlagen sei. Der Büroraum werde allein dienstlich genutzt. Wegen des Sturzes habe er das Telefon nicht mehr abheben können und wisse deshalb nicht, wer ihn habe anrufen wollen.

Mit Bescheid vom 6. November 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Ein Wegeunfall scheide aus, wenn Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude lägen. Der Gang zur Aufnahme einer Tätigkeit innerhalb des bewohnten Gebäudes sei nicht versichert. Auch ein Betriebsweg beginne grundsätzlich erst mit dem Verlassen des privaten Bereiches. Allenfalls innerhalb des Arbeitszimmers hätte Versicherungsschutz bestanden. Den fristgerecht erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, mit dem Gang zum Geschäftstelefon sei er ausschließlich einer versicherten Tätigkeit nachgegangen und es sei auch "zu problematisieren", ob der Türrahmen nicht dem Arbeitszimmer zuzurechnen sei, in dem sich sein Kopf bereits befunden habe und in das er gestürzt sei, wobei lediglich seine Beine außerhalb gewesen seien, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2008 zurück. Allein die Absicht, eine versicherte Tätigkeit aufzunehmen, führe nicht dazu, einen Weg im privaten häuslichen Bereich unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen. Dem privaten, räumlich abgegrenzten häuslichen Wohnbereich komme vielmehr ein regelmäßig ausschlaggebendes Gewicht zu.

Deswegen hat der Kläger am 2. April 2008 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Neben Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens hat er u. a. noch geltend gemacht, der Sturz habe sich innerhalb seiner Arbeitszeit, die um 07:00 Uhr beginne, ereignet und er sei gehalten gewesen, den rein betrieblichen Anruf entgegenzunehmen. Die Treppe sei weder eindeutig dem privaten, noch dem betrieblichen Bereich zuzurechnen. Er habe sie auf seinem Weg jedoch zu betrieblichen Zwecken benutzt. Er dürfte auch nicht schlechter gestellt werden, als Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers beim kurzen Verlassen des Büros, etwa auf dem Gang zur Toilette, die dabei unter Versicherungsschutz stünden. Im Übrigen habe er - wie er nun noch geltend gemacht hat - die Schwelle zum Arbeitszimmer bereits überschritten gehabt. Das Landessozialgericht (LSG) Hessen habe mit seiner Entscheidung vom 14. Juni 1972 einen Arbeitsunfall eines Versicherten angenommen, der sich beim Gang zum Telefon wegen eines dienstlichen Anrufes verletzt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Kläger beim SG eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), zuletzt im Urteil vom 12. Dezember 2006, B 2 U 1/06 R seien Wege innerhalb des bewohnten Gebäudes grundsätzlich nicht versichert. Der Sturz habe sich im Treppenhaus und damit außerhalb des Arbeitszimmers zugetragen. Bei der Entscheidung des LSG Hessen habe es sich um einen Arzt im Bereitschaftsdienst gehandelt. Der Fall des Klägers sei dem nicht gleichzustellen.

Das SG hat mit Urteil vom 23. Oktober 2009 die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalles lägen nicht vor. Es habe sich bei dem vom Kläger zurückgelegten Weg weder um eine berufliche Tätigkeit im Sinne eines Berufsweges noch um eine Wegeunfall gehandelt. Beim Wegeunfall beginne der Unfallversicherungsschutz nach der Rechtsprechung des BSG mit Durchschreiten der Außentür des Gebäudes. Dies gelte auch, wenn von der Wohnung aus ein Betriebsweg angetreten werde. Etwas anderes gelte nur für Unfälle auf Wegen zur Arbeitsstätte gehörenden Betriebsräumen, auch wenn diese sich im Wohngebäude des Versicherten befänden. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger sei im Treppenhaus gestürzt und habe sich die Schulter an dem zum Treppenhaus hin ausgerichteten Teil des Türrahmens angeschlagen. Die Voraussetzungen, um hier ausnahmsweise Unfallversicherungsschutz anzunehmen, lägen nicht vor. Nach der Rechtsprechung gehe es dabei zum einen um Unfälle in Räumen, die weder eindeutig der Privatwohnung, noch der Betriebsstätte zuzuordnen seien, was hier bei dem Treppenhaus, das in ein Stockwerk führe, in dem sich nur weitere, rein privat genutzte Räume befänden, nicht der Fall sei. Es gehöre dem privaten Bereich an. Betriebsstätte sei lediglich das Büro. Die weitere Ausnahme bei Unfällen im rein persönlichen Wohnbereich, bei denen die Situation durch eine Art Rufbereitschaft und Notwendigkeit sofort zu handeln geprägt sei, sei hier ebenfalls nicht anzunehmen. Völlig unklar sei, wer den Kläger angerufen habe und zu welchem Zweck. Hinweise auf eine besondere Dringlichkeit des Anrufs bestünden ebenfalls nicht. Damit unterscheide sich der Fall des Klägers wesentlich von den in der Rechtsprechung des BSG anerkannten Fällen, in denen jeweils eine besondere Dringlichkeit bestanden habe, das Telefon zu erreichen. Allein der Umstand, dass ein in einem Betriebsraum befindliches Telefon klingle, reiche nicht aus. Die vom Kläger angeführte Entscheidung des LSG Hessen sei überholt. Soweit der Kläger geltend mache, er sei zu einer Uhrzeit gestürzt, als er bereits berufstätig gewesen sei, ändere dies nichts daran, dass sich der Sturz im privaten Bereich ereignet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Gegen das am 29. Oktober 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. November 2009 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend u. a. vor, seine Kunden, in der Regel Landwirte, riefen auch außerhalb seiner Dienstzeit an, also auch wenn er sich mitunter nicht mehr im Büro befinde. Da sich der Anruf innerhalb der Bürozeiten ereignet habe, müsse der Weg zu dem Diensttelefon versichert sein. Bei den Entscheidungen des BSG handle es sich um Einzelfallentscheidungen. Insofern sei auch sein Einzelfall als solcher zu würdigen. Der Unfall habe mit nichts anderem zu tun gehabt, als mit seiner Arbeit. Deswegen sei es "sachgerecht", ihn als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Der Kläger beantragt zum Teil sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Oktober 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2008 aufzuheben und festzustellen, dass es ich bei dem Unfall vom 26. Juli 2007 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei auch auf die Entscheidung des BSG vom 25. Februar 1993, 2 RU 12/92, zu verweisen, wonach der Umstand, dass ein in einem Betriebsraum befindliches Telefon klingle nicht ausreiche, um einen Unfall, der sich auf dem Weg zu diesem Telefon ereignet habe, als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtgesetz (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger begehrte Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles - §§ 8, 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - sowie die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die begehrte Feststellung bzw. Anerkennung nicht erfüllt sind, weil er sich bei dem Sturz nicht auf einem versicherten Weg befunden hat. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass das SG von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und diesen auch zutreffend rechtlich gewürdigt hat. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sind die Entscheidungen der Beklagten sowie des SG nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger im späteren Vorbringen behauptet hat, er habe die Schwelle zu seinem Büro bereits "überschritten" gehabt, ist dies nicht belegt und nicht feststellbar. Vielmehr ist er zur Überzeugung des Senats - wie zunächst auch angegeben - auf der Treppe zu Fall gekommen. Die Treppe zum 1. Stock ist allein dem privaten Bereich zu zuordnen. Sie ist auch zum Erreichen des Büroraumes, der sich im EG befindet, nicht notwendig, es sei denn der Kläger will von den ausschließlich dem privaten Bereich zuzurechnenden Räumen im 1. Stock ins EG oder in sein Büro. Damit befand sich der Kläger bei dem Sturz auf der Treppe noch in einem ausschließlich privat genutzten Bereich. Es ist auch keine besondere Eilbedürfigkeit des Gangs des Klägers vom privaten Bereich, dem Bad, in dem er Medikamente eingenommen hatte, zum Büro, in dem ein Telefon klingelte, feststellbar. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von denen, in denen die Rechtsprechung ausnahmsweise Versicherungsschutz für möglich erachtet hat (zur Abgrenzung vgl. u. a. BSG, Urteile vom 25. Februar 1993, 2 RU 12/92 in NJW 1993, 2070f., und vom 12. Dezember 2006, B 2 U 1/06 R in BSGE 98,20). Allein das Klingeln eines Telefons genügt nicht, um hier den Weg des Klägers zu diesem vor Erreichen des Büros bzw. Betriebsraumes unter Versicherungsschutz zu stellen.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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