Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 46/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2009 wird abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, die Kosten für das als notwendig anerkannte Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF) ohneAnrechnung des Einkommens und Vermögens der Klägerin selbst oder der Eltern der Klägerin zu übernehmen. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF) als Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung ohne Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern.
Die am 00.00.1982 geborene Klägerin ist im Alter von fünf Jahren erblindet und leidet zudem an akustischen Wahrnehmungsstörungen. Sie besucht die Opticus-Schule in C. Dabei handelt es sich um eine Schule für Blinde und Sehbehinderte in Form einer Halbtagsschule. Die zunächst bei der Krankenkasse beantragte Übernahme der Kosten für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten an der Westfälischen Schule für Blinde in T wurde von dieser am 07.12.2007 mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers oder des Sozialhilfeträgers abgelehnt.
Am 06.02.2008 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme durch das Sozialamt. Dieser Antrag wurde an den Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) als Träger der Opticusschule weitergeleitet. Der LWL gab den Antrag an den Kreis zurück, da eine medizinische oder soziale Rehabilitation begehrt werde. Vom 11.03.2008 bis zum 19.03.2008 nahm die Klägerin an der Trainingsmaßnahme teil. Mit Bescheid vom 03.07.2008 lehnte der Kreis Minden-Lübbecke die Kostenübernahme unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Krankenkasse ab. Am 28.10.2008 wurde dieser Bescheid dann nach § 44 SGB X aufgehoben. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde die Übernahme der Kosten im Rahmen der Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zugesagt und es wurden die für die Bewilligung erforderlichen Unterlagen angefordert. Die Gewährung der Hilfe sei von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängig. Es sei noch die Hilfebedürftigkeit zu prüfen. Die Klägerin lehnte mit Schriftsatz vom 07.11.2008 die Darlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse ab, da es um eine schulische Maßnahme gehe, die unabhängig vom Einkommen und Vermögen zu gewähren sei. Mit Bescheid vom 02.12.2008 lehnte der Beklagte die Gewährung der Eingliederungshilfe ab. Zwar habe die Klägerin grundsätzlich Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII. Auch die Notwendigkeit der Durchführung des LPF-Kurses werde im Rahmen der Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft anerkannt. Die Kostenübernahme sei jedoch von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängig. Die Erteilung der erbetenen Angaben sei von der Klägerin ausdrücklich abgelehnt worden. Deshalb seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht aufzuklären gewesen. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Es sei gängige Praxis aller Sonderschulen, die hier im LPF-Kurs angegebenen Lerninhalte anzubieten. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2009 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung wie im Ausgangsbescheid zurück.
Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter.
Sie beantragt,
den Bescheid vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die Kosten des LPF-Trainings, das vom 11.03.2008 bis zum 19.03.2008 durchgeführt wurde, zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die bisherigen Ausführungen.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Verwaltungsverfahrens. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin ist im Sinne von § 54 Absatz 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2009 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang rechtswidrig und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten des bereits durchgeführten LPF-Trainings nicht nur unabhängig von ihren finanziellen Verhältnissen, sondern unabhängig von ihrem Einkommen und Vermögen und insbesondere auch unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern. Denn bei der LPF-Trainingsmaßnahme als Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII handelt es sich um eine schulische Maßnahme im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII betreffend die Vorschriften über die Anrechnung von Einkommen und Vermögen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung der Eingliederungshilfe als solche nach § 53 SGB XII sind erfüllt. Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten die Vorschriften des Neunten Buches gemäß § 53 Abs. 4 SGB XII, soweit sich aus diesem Buch und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach diesem Buch. Dass die Durchführung der LPF-Maßnahme als Eingliederungsmaßnahme in der Sache selbst erforderlich war, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und ist auch zur Überzeugung der Kammer so. Umstritten zwischen den Beteiligten ist ausschließlich, ob die Maßnahme unabhängig vom Einkommen- und Vermögen zu gewähren war.
Die LPF-Trainingsmaßnahme ist unabhängig vom Einkommen und Vermögen zu gewähren. Denn es liegt ein Ausnahmefall gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII vor. Den in § 19 Abs. 2 genannten Personen ist gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten ( ...) bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu. Soweit hier die Aufbringung der Kosten des Lebensunterhalts (unter bestimmten weiteren Voraussetzungen) verlangt wird, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass der Betroffene an den Kosten der Maßnahme als solcher nicht zu beteiligen ist. Es liegt hier zur Überzeugung der Kammer eine schulische Maßnahme im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII vor. Es kommt dabei nicht darauf an, ob es sich um einen Lehrinhalt im Sinne des Schulrechts handelt. Es kommt vielmehr auf die Bedeutung für die Integration des behinderten Menschen an. Denn § 92 SGB XII stellt eine Ausnahmevorschrift zum strikten Bedürftigkeitsgrundsatz in der Sozialhilfe dar. Diese Ausnahmevorschrift hat ihren Ursprung in der Tatsache, dass im SGB XII zwei Themenkomplexe geregelt sind, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, nämlich einmal die klassische Sozialhilfe im Sinne der finanziellen Existenzsicherung und zum anderen die Hilfe für behinderte Menschen. Das sozialpolitische Anliegen, die Situation der Eltern behinderter Kinder zu verbessern, ist im SGB XII systemfremd (Schellhorn, Kommentar zum SGB XII, § 92 Rd. 13). In der Kommentierung wird hierzu dargelegt, dass das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) hätte konsequent den Weg zu einem echten Leistungsgesetz beschreiben sollen. (Schellhorn a.a.O.). Dass dies nicht geschehen ist und deshalb manche Regelung der Eingliederungshilfe im BSHG und nun auch im SGB XII systemfremd ist, darf allerdings nicht dazu führen, die Vorschriften vor allem auch des Absatz 2 zu Lasten der berechtigten Personen eng auszulegen. Um eine deutliche Grenze zu nicht unter den Absatz 2 fallende Maßnahmen zu ziehen, wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass in den erweiterten Katalog solche Eingliederungsmaßnahmen nicht aufgenommen werden können, die in der Familie eines behinderten Menschen oder in einer betreuten Wohngruppe durch familienentlastende Dienste erbracht werden (dazu Wahrendorff, Kommentar zum SGB XII, § 92 Rdnr. 3). Zur Überzeugung der Kammer werden in dem LPF-Kurs in Unterrichtsform Schlüsselqualifikationen vermittelt, auf die jeder Mensch allgemein angewiesen ist. Die Sehfähigkeit spielt eine entscheidende Rolle bei der Aneignung, Planung und Steuerung motorischer Handlungen. Die Blindheit verhindert insoweit das automatische Erlernen entsprechender Handlungsstrategien im Alltag. Es müssen spezielle "nicht-sehend-gerechte Methoden" zur Alltagsbewältigung erlernt werden, wie sich aus dem Bericht des Instituts für Rehabilitation "Iris" vom 10.10.2007 ergibt. Insbesondere handelt es sich dabei auch nicht um einen Hobbykurs wie etwa dem Schwimmen, Reiten oder Blockflötespielen, was viele andere Jugendliche auch machen und das dann selbstverständlich von den Eltern finanziert werden muss. Die Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII ist auch nicht durch die Formulierung der Variante Nr. 8 in Abs. 2 ausgeschlossen, indem dort Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen (nur) erfasst sind, soweit diese Hilfen in besonderen teilstationären Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden. Denn diese Fallgruppe soll speziell die Vorbereitungskurse für die Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen erfassen. Und ebenso wenig ist die Nr. 3 einschlägig und würde den Anwendungsbereich altersmäßig nur auf die Zeit vor der Einschulung eingrenzen. Denn diese Fallgruppe soll speziell die Förderung von so schwer behinderten Menschen erfassen, dass diese gar nicht beschult werden können.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF) als Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung ohne Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern.
Die am 00.00.1982 geborene Klägerin ist im Alter von fünf Jahren erblindet und leidet zudem an akustischen Wahrnehmungsstörungen. Sie besucht die Opticus-Schule in C. Dabei handelt es sich um eine Schule für Blinde und Sehbehinderte in Form einer Halbtagsschule. Die zunächst bei der Krankenkasse beantragte Übernahme der Kosten für ein Training zur Erlangung lebenspraktischer Fähigkeiten an der Westfälischen Schule für Blinde in T wurde von dieser am 07.12.2007 mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers oder des Sozialhilfeträgers abgelehnt.
Am 06.02.2008 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme durch das Sozialamt. Dieser Antrag wurde an den Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) als Träger der Opticusschule weitergeleitet. Der LWL gab den Antrag an den Kreis zurück, da eine medizinische oder soziale Rehabilitation begehrt werde. Vom 11.03.2008 bis zum 19.03.2008 nahm die Klägerin an der Trainingsmaßnahme teil. Mit Bescheid vom 03.07.2008 lehnte der Kreis Minden-Lübbecke die Kostenübernahme unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Krankenkasse ab. Am 28.10.2008 wurde dieser Bescheid dann nach § 44 SGB X aufgehoben. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde die Übernahme der Kosten im Rahmen der Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zugesagt und es wurden die für die Bewilligung erforderlichen Unterlagen angefordert. Die Gewährung der Hilfe sei von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängig. Es sei noch die Hilfebedürftigkeit zu prüfen. Die Klägerin lehnte mit Schriftsatz vom 07.11.2008 die Darlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse ab, da es um eine schulische Maßnahme gehe, die unabhängig vom Einkommen und Vermögen zu gewähren sei. Mit Bescheid vom 02.12.2008 lehnte der Beklagte die Gewährung der Eingliederungshilfe ab. Zwar habe die Klägerin grundsätzlich Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII. Auch die Notwendigkeit der Durchführung des LPF-Kurses werde im Rahmen der Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft anerkannt. Die Kostenübernahme sei jedoch von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängig. Die Erteilung der erbetenen Angaben sei von der Klägerin ausdrücklich abgelehnt worden. Deshalb seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht aufzuklären gewesen. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Es sei gängige Praxis aller Sonderschulen, die hier im LPF-Kurs angegebenen Lerninhalte anzubieten. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2009 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung wie im Ausgangsbescheid zurück.
Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter.
Sie beantragt,
den Bescheid vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die Kosten des LPF-Trainings, das vom 11.03.2008 bis zum 19.03.2008 durchgeführt wurde, zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die bisherigen Ausführungen.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Verwaltungsverfahrens. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin ist im Sinne von § 54 Absatz 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2009 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang rechtswidrig und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten des bereits durchgeführten LPF-Trainings nicht nur unabhängig von ihren finanziellen Verhältnissen, sondern unabhängig von ihrem Einkommen und Vermögen und insbesondere auch unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern. Denn bei der LPF-Trainingsmaßnahme als Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII handelt es sich um eine schulische Maßnahme im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII betreffend die Vorschriften über die Anrechnung von Einkommen und Vermögen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung der Eingliederungshilfe als solche nach § 53 SGB XII sind erfüllt. Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten die Vorschriften des Neunten Buches gemäß § 53 Abs. 4 SGB XII, soweit sich aus diesem Buch und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach diesem Buch. Dass die Durchführung der LPF-Maßnahme als Eingliederungsmaßnahme in der Sache selbst erforderlich war, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und ist auch zur Überzeugung der Kammer so. Umstritten zwischen den Beteiligten ist ausschließlich, ob die Maßnahme unabhängig vom Einkommen- und Vermögen zu gewähren war.
Die LPF-Trainingsmaßnahme ist unabhängig vom Einkommen und Vermögen zu gewähren. Denn es liegt ein Ausnahmefall gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII vor. Den in § 19 Abs. 2 genannten Personen ist gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten ( ...) bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu. Soweit hier die Aufbringung der Kosten des Lebensunterhalts (unter bestimmten weiteren Voraussetzungen) verlangt wird, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass der Betroffene an den Kosten der Maßnahme als solcher nicht zu beteiligen ist. Es liegt hier zur Überzeugung der Kammer eine schulische Maßnahme im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII vor. Es kommt dabei nicht darauf an, ob es sich um einen Lehrinhalt im Sinne des Schulrechts handelt. Es kommt vielmehr auf die Bedeutung für die Integration des behinderten Menschen an. Denn § 92 SGB XII stellt eine Ausnahmevorschrift zum strikten Bedürftigkeitsgrundsatz in der Sozialhilfe dar. Diese Ausnahmevorschrift hat ihren Ursprung in der Tatsache, dass im SGB XII zwei Themenkomplexe geregelt sind, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, nämlich einmal die klassische Sozialhilfe im Sinne der finanziellen Existenzsicherung und zum anderen die Hilfe für behinderte Menschen. Das sozialpolitische Anliegen, die Situation der Eltern behinderter Kinder zu verbessern, ist im SGB XII systemfremd (Schellhorn, Kommentar zum SGB XII, § 92 Rd. 13). In der Kommentierung wird hierzu dargelegt, dass das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) hätte konsequent den Weg zu einem echten Leistungsgesetz beschreiben sollen. (Schellhorn a.a.O.). Dass dies nicht geschehen ist und deshalb manche Regelung der Eingliederungshilfe im BSHG und nun auch im SGB XII systemfremd ist, darf allerdings nicht dazu führen, die Vorschriften vor allem auch des Absatz 2 zu Lasten der berechtigten Personen eng auszulegen. Um eine deutliche Grenze zu nicht unter den Absatz 2 fallende Maßnahmen zu ziehen, wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass in den erweiterten Katalog solche Eingliederungsmaßnahmen nicht aufgenommen werden können, die in der Familie eines behinderten Menschen oder in einer betreuten Wohngruppe durch familienentlastende Dienste erbracht werden (dazu Wahrendorff, Kommentar zum SGB XII, § 92 Rdnr. 3). Zur Überzeugung der Kammer werden in dem LPF-Kurs in Unterrichtsform Schlüsselqualifikationen vermittelt, auf die jeder Mensch allgemein angewiesen ist. Die Sehfähigkeit spielt eine entscheidende Rolle bei der Aneignung, Planung und Steuerung motorischer Handlungen. Die Blindheit verhindert insoweit das automatische Erlernen entsprechender Handlungsstrategien im Alltag. Es müssen spezielle "nicht-sehend-gerechte Methoden" zur Alltagsbewältigung erlernt werden, wie sich aus dem Bericht des Instituts für Rehabilitation "Iris" vom 10.10.2007 ergibt. Insbesondere handelt es sich dabei auch nicht um einen Hobbykurs wie etwa dem Schwimmen, Reiten oder Blockflötespielen, was viele andere Jugendliche auch machen und das dann selbstverständlich von den Eltern finanziert werden muss. Die Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII ist auch nicht durch die Formulierung der Variante Nr. 8 in Abs. 2 ausgeschlossen, indem dort Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen (nur) erfasst sind, soweit diese Hilfen in besonderen teilstationären Einrichtungen für behinderte Menschen erbracht werden. Denn diese Fallgruppe soll speziell die Vorbereitungskurse für die Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen erfassen. Und ebenso wenig ist die Nr. 3 einschlägig und würde den Anwendungsbereich altersmäßig nur auf die Zeit vor der Einschulung eingrenzen. Denn diese Fallgruppe soll speziell die Förderung von so schwer behinderten Menschen erfassen, dass diese gar nicht beschult werden können.
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