Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SO 4601/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1488/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 16. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Ansprüche des Klägers auf Leistungsgewährung durch den beklagten Sozialhilfeträger für eine neue Brille, für einen Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz (SGG), für eine private Zusatzkrankenversicherung und für eine Weihnachtsbeihilfe sowie außerdem über die Übernahme von Umzugskosten; vornehmlich ist über verfahrensrechtliche Fragen zu entscheiden.
Der am 1937 geborene Kläger bezieht seit Januar 2005 vom Beklagten aufstockend zu seiner Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Grundsicherungsleistungen nach den §§ 41 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII); zuvor hatte er vom Beklagten Leistungen nach dem bis 31. Dezember 2004 geltenden Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten.
Am 2. Juni 2005 beantragte der Kläger beim Beklagten Leistungen für die Neubeschaffung einer Brille in Höhe von mindestens 130,00 Euro. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 7. Juli 2005 ab; der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2007 zurückgewiesen. Ein bereits früher gestellter Antrag auf die Gewährung einer Beihilfe für eine Brille war mit Bescheid vom 9. September 2004 und Widerspruchsbescheid vom 2. September 2005 erfolglos geblieben. Die deswegen zum Sozialgericht Ulm (SG) mit weiteren insgesamt 16 angegriffenen Widerspruchsbescheiden zum Verfahren S 3 SO 3176/05 erhobene Klage hatte der seinerzeit im Rahmen eines Gesuchs um Prozesskostenhilfe (PKH) mit Beschluss vom 30. Mai 2007 beigeordnete und vom Kläger am 1. Juni 2007 schriftlich bevollmächtigte Rechtsanwalt K. U., Schwäbisch Gmünd, in der nichtöffentlichen Sitzung vom 10. September 2007 - neben weiteren Klagen - für erledigt erklärt.
Unter dem 23. Juni 2005 beantragte der Kläger mit Blick auf den für Sozialhilfeangelegenheiten geänderten Rechtsweg beim Beklagten Leistungen für die Anschaffung eines Kommentars zum SGG zu einem Verkaufspreis von 95,00 Euro, hilfsweise für einen Handkommentar zu 49,00 Euro bzw. für eine Textausgabe des SGG. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 12. Juli 2005 abgelehnt; der Widerspruch des Klägers blieb wiederum erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007).
Mit demselben Schreiben vom 23. Juni 2005 stellte der Kläger außerdem einen Antrag auf Übernahme der Beiträge für eine - von ihm wohl noch abzuschließende - Zusatzkrankenversicherung. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 21. Juli 2005 nicht stattgegeben, der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2007 zurückgewiesen.
Ferner beantragte der Kläger am 31. Oktober 2005 eine Weihnachtsbeihilfe; insoweit erging der Ablehnungsbescheid vom 21. November 2005 und der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2007.
Mit Blick auf eine zum 5. Juli 2007 anstehende Zwangsräumung seiner bisherigen Wohnung in der H. Straße in A. stellte der Kläger außerdem am 28. Juni 2007 beim Beklagten einen Antrag auf Übernahme sämtlicher Kosten, die ihm im Rahmen der anstehenden Zwangsräumung für das Aufstellen und Montieren seiner Möbel einschließlich der Einbauküche, dem Ab- und Anmontieren der Satellitenanlage sowie für die Rückforderung seiner an den Vermieter geleisteten Kaution von 1.000,00 DM, hilfsweise auch für die ggf. notwendige Anschaffung einer neuen Küche oder anderer Möbel sowie für eine etwaig notwendige Renovierung der neuen Wohnung entstünden. Darauf teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2007 mit, dass die Kosten für den An- und Aufbau der Möbel grundsätzlich im Rahmen der Grundsicherung übernommen werden könnten, nicht dagegen die Kosten für den An- und Aufbau der Satellitenanlage und ebenso nicht die sich durch die Zwangsräumung ergebenden Vollstreckungs- und Gerichtsvollzieherkosten; da eine obdachlosenrechtliche Einweisung erfolge, sei für die Renovierung der neuen Unterkunft die einweisende Stelle zuständig. Unterdessen hatte der Kläger selbst eine kleine Souterrain-Wohnung in der A.str. in A. gefunden, in die er am 5. Juli 2007 auch einziehen konnte. Anlässlich eines Hausbesuchs am 9. Juli 2007 gab der Kläger an, einige der derzeit noch bei dem Umzugsunternehmen eingelagerten Einrichtungsgegenstände zur Einrichtung der neuen Wohnung zu benötigen. Mit Schreiben vom 12. Juli 2007 teilte der Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass die Kosten für den Transport der notwendigen Möbel und Einrichtungsgegenstände (z.B. Kühlschrank, Küchenherd, Radio- oder Fernsehgerät) vom Lager in die Wohnung übernommen werden könnten, nicht dagegen Gerätschaften wie ein Faxgerät, die Satellitenanlage oder ähnliches.
Mit einem zum Klageverfahren S 3 SO 3176/05 gelangten Fax vom 16. August 2007 wandte sich der Kläger gegen das vorbezeichnete Scheiben des Beklagten vom 12. Juli 2007 sowie außerdem gegen die Widerspruchsbescheide vom 12. Juni 2007 ("Brille"), 13. Juni 2007 ("Kommentar etc. zum SGG"), 14. Juni 2007 ("laufende Zusatz-Krankenversicherung") und 15. Juni 2007 ("Weihnachtsbeihilfe"), die ihm sämtlich am 18. Juli 2007 zugestellt worden waren; zugleich beantragte er auch für diese Klagen PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt U ... Das SG hielt eine Einbeziehung der neuen Klagen in das Verfahren S 3 SO 3176/05 nicht für sachdienlich, ferner willigte der Beklagte in eine Klageänderung nicht ein. Die vorgenannten Klagen wurden schließlich vom SG unter dem Az. S 11 SO 3416/07 geführt. Mit Beschluss vom 28. Mai 2008 bewilligte das SG dem Kläger für dieses Verfahren antragsgemäß PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt U ... Dem Antrag des Klägers vom 10. Juni 2008 auf Abänderung des PKH-Beschlusses hinsichtlich des beigeordneten Rechtsanwalts sowie unter Beiordnung eines Rechtsanwalts aus A. ging das SG nicht nach. Andererseits wandte sich der Kläger mit Blick auf das richterliche Schreiben vom 4. Juni 2009, in dem eine Klagerücknahme angeregt worden war, mit einem dem SG am 14. Juli 2009 zur Kenntnis gebrachten Fax vom 11. Juli 2009 erneut an Rechtsanwalt U. und bat um Weiterbehandlung der Angelegenheit. Mit Schriftsatz vom 3. September 2009 teilte Rechtsanwalt U. sodann mit, dass ihm nach mehrfacher Rücksprache eine Klagerücknahme untersagt worden sei. Das SG bestimmte hierauf Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 20. November 2009, 10.20 Uhr, zu dem auch das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet worden war. Zu dem um 10.17 Uhr aufgerufenen Verhandlungstermin erschien von Klägerseite allein Rechtsanwalt U., nicht dagegen der Kläger selbst. Die Kammervorsitzende wies auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Ordnungsgeldes sowie darauf hin, dass zumindest die Klage bezüglich der Bewilligung eines SGG-Kommentars rechtsmissbräuchlich sei und bei Fortführung des Rechtsstreits in diesem Zusammenhang die Auferlegung von Verschuldenskosten in Betracht zu ziehen sei. Die Sitzung wurde darauf um 10.28 Uhr zur telefonischen Kontaktaufnahme des beigeordneten Rechtsanwalts mit dem Kläger unterbrochen und um 10.32 Uhr fortgesetzt. Rechtsanwalt U. teilte daraufhin mit, dass der Kläger angegeben habe, er sei krank und könne nicht kommen. Anschließend gab er folgende Erklärung ab: "Ich nehme die Klage zurück". Diese auf den Tonträger aufgezeichnete Erklärung wurde dem beigeordneten Rechtsanwalt vorgespielt und von ihm genehmigt. Am 12.40 Uhr desselben Tages ging beim SG noch ein Telefax des Klägers ein, in dem er sein Fernbleiben zum Termin mit "Schwindel (bei Bewegung)" entschuldigte.
Mit Telefax vom 8. Dezember 2009 widerrief der Kläger die Klagerücknahme und bat um Behandlung als "Gegenvorstellung". Sein Fax vom 20. November 2009 sei völlig übergangen und das Grundgesetz (GG), insbesondere das Existenzminimum, mit Füßen getreten worden; allein für die Kfz.-Haftplichtversicherung habe er zum Jahresende 205,80 Euro für sechs Monate zu zahlen. Auch die Ausführungen seines Rechtsanwalts seien nicht richtig, auch er missachte das GG und das Existenzminimum. Mit Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2010 hat das SG festgestellt, dass "die Klage vom 16.08.2007 (S 11 SO 3416/07) durch Rücknahme vom 20.11.2009 erledigt" sei; in den Gründen ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klagerücknahme als bedingungsfeindliche Prozesshandlung weder frei widerrufen noch wegen Willensmängeln angefochten werden könne. Die Auslegung des klägerischen Begehrens als Gegenvorstellung sei nicht sachgerecht, weil eine insoweit anfechtbare Entscheidung nicht ergangen sei; zudem sei eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne des § 178 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht ersichtlich, insbesondere sei eine Verlegung bzw. Vertagung der mündlichen Verhandlung wegen der Erkrankung des Klägers nicht beantragt worden und außerdem das Fax des Klägers vom 20. November 2009 erst um 12.40 Uhr bei Gericht eingegangen.
Gegen diesen dem Kläger am 23. Februar 2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich seine am 17. März 2010 beim SG eingegangene Berufung zum Landessozialgericht (LSG). Er hat vorgebracht, er sei der Überzeugung, dass das Ganze alles andere als sozial sei und u.a. gegen "Art. 1 Abs. 1 und 3" verstoße, weil sein Existenzminimum nicht gewahrt sei. Alles werde teurer; allein für Strom habe er 43,67 Euro nachzahlen müssen. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde müsse der Rechtsweg erschöpft sein.
Der Senat hat mit Beschluss vom 26. Mai 2010 den Antrag des Klägers auf PKH für das Berufungsverfahren abgelehnt.
Der Kläger beantragt (sinngemäß)
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 16. Februar 2010 aufzuheben und
1. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2007 zu verurteilen, ihm Leistungen für die Neubeschaffung einer Brille in Höhe von mindestens 130,00 Euro zu gewähren, 2. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007 zu verurteilen, ihm Leistungen für die Anschaffung eines Kommentars zum Sozialgerichtsgesetz zu einem Verkaufspreis von 95,00 Euro, hilfsweise für die Anschaffung eines Handkommentars zu 49,00 Euro bzw. für eine Textausgabe des Sozialgerichtsgesetzes zu gewähren, 3. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2007 zu verurteilen, die Beiträge für eine Zusatzkrankenversicherung zu übernehmen. 4. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juni 2007 zu verurteilen, ihm eine Weihnachtsbeihilfe zu gewähren, 5. den Beklagten zu verurteilen, seinen Antrag vom 28. Juni 2007 auf Übernahme von Umzugskosten zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid vollinhaltlich für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (1 Ordner), die Klageakten des SG (S 11 SO 3416/07 und S 11 SO 4601/09), die weitere Akte des SG (S 3 SO 3176/05) und die Berufungsakte des Senats (L 7 SO 1488/10) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Sache verhandeln und entscheiden, da in der dem Kläger am 31. Mai 2010, dem Beklagten am 1. Juni 2010 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Zutreffend hat das SG das Telefax des Klägers vom 8. Dezember 2009 als Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gewertet (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 1500 § 102 Nr. 2 S. 4) und hierüber durch eine den ersten Rechtszug beendigende Entscheidung in Form des - in seinen Wirkungen gemäß § 105 Abs. 3 SGG einem Urteil gleichstehenden - Gerichtbescheids befunden; für den außerordentlichen Rechtsbehelf der Gegenvorstellung war unter den gegebenen Umständen kein Raum. Auch der Senat behandelt die im Telefax des Klägers vom 17. März 2010 abgegebene Prozesserklärung trotz des weiteren Telefaxes des Klägers vom 9. Juli 2010 ausschließlich als Berufung, so wie das Rechtsmittel im erstgenannten Telefax auch ausdrücklich benannt worden ist; ohnehin ist eine Gegenvorstellung gegen Urteile und urteilsgleiche Gerichtsbescheide grundsätzlich nicht statthaft (vgl. BSG SozR 3-1750 § 318 Nr. 1) und wäre deshalb als unzulässig zu verwerfen.
Der Senat geht zu Gunsten des Klägers von einer Zulässigkeit seiner Berufung aus. Denn bei überschlägiger Berechnung (vgl. hierzu BSGE 93, 42, 43 = SozR 4-4300 § 64 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 1)) erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung mehr als 750,00 Euro betragen hat (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG); mehrere Ansprüche auf Geld- oder Sachleistungen sind bei der objektiven Klagehäufung entsprechend § 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) zusammenzurechnen (vgl. BSGE 24, 260, 261; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnr. 16). Ungeachtet der in § 144 Abs. 1 SGG normierten Voraussetzungen für die Statthaftigkeit der Berufung ist der Senat jedoch bereits deswegen an einer Sachentscheidung gehindert, weil der Rechtsstreit vor dem SG im Verfahren S 11 SO 3416/07 durch die von Rechtsanwalt U. im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. November 2009 abgegebene Rücknahmeerklärung erledigt ist; diese Wirkung hat das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2010 (S 11 SO 4601/09) zutreffend durch Prozessurteil festgestellt.
Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen; die Klage erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache (Satz 2 a.a.O.). Als Prozesshandlung ist die Klagerücknahme bedingungsfeindlich; sie kann als solche - ebenso wie die Rücknahme der Berufung - weder widerrufen noch nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wegen Irrtums angefochten werden (vgl. BSGE 14, 138, 141 f.; SozR Nr. 6 zu § 102 SGG; BSG, Beschlüsse vom 19. März 2002 - B 9 V 75/01 B - und vom 4. November 2009 - B 14 AS 81/08 B - (beide juris)). Die Loslösung von einer solchen Prozesserklärung kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 179 f. SGG, §§ 578 ff. ZPO) vorliegen (vgl. BSG SozR 1500 § 102 Nr. 2) oder wenn es mit dem das gesamte Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar wäre, einen Beteiligten an der vorgenommenen Prozesshandlung festzuhalten (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 310 § 126 VwGO Nr. 3; Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 115; Buchholz 401.64 § 2 AbwAG Nr. 2). Auf die Gründe und Motive für die Rücknahme des Rechtsbehelfs kommt es nicht an (vgl. BSGE 8, 185, 189; Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 80/07 - NJW-RR 2008, 85).
Vorliegend hat der - vom SG mit Beschluss vom 28. Mai 2008 auf das damalige PKH-Gesuch des Klägers sowie auf dessen Antrag hin - beigeordnete Rechtsanwalt U. in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2009 im Verfahren S 11 SO 3416/07 eine Rücknahme der Klage erklärt; diese Prozesserklärung wurde in die Niederschrift aufgenommen, ihm vorgespielt und von ihm genehmigt. Anhaltspunkte, die gegen eine Wirksamkeit der Prozesshandlung sprechen, bestehen nicht. Der Kläger muss sich die Klagerücknahme vielmehr zurechnen lassen. Zwar hatte Rechtsanwalt U. keine schriftliche Vollmacht zu den Gerichtsakten gereicht; dieser Umstand ist indessen gemäß § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG (in der ab 1. Juli 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 - (BGBl. I S. 2840)) bei Rechtsanwälten grundsätzlich nicht mehr von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts U. im Verfahren S 11 SO 3416/07 hat der Kläger, der jenem im Verfahren S 3 SO 3176/05 am 1. Juni 2007 sogar eine schriftliche Vollmacht erteilt hatte, zur Überzeugung des Senats im Übrigen bereits mit der Klageschrift vom 16. August 2007 schlüssig erklärt und ferner in seinen dem SG zugefaxten Schreiben vom 11. und 14. Juli 2009 wiederholt (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 73 Rdnr. 73; ders., a.a.O., § 73a Rdnr. 13e; ferner BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 - XII ZB 219/01 - (juris)); in der Klageschrift hatte er ausdrücklich eine Beiordnung von Rechtsanwalt U. beantragt und ihn im Telefax vom 11. Juli 2009 um "Weiterbehandlung" der Angelegenheit gebeten. Der Kläger hat mithin mit der vorgenannten Klageschrift schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er den Rechtsanwalt zur Prozessführung auch im Verfahren S 11 SO 3416/07 ermächtigen wolle; diese Ermächtigung ist im Telefax vom 11. Juli 2009 sinngemäß wiederholt worden. Ein derartiges schlüssiges Verhalten reicht indes zur Vollmachtserteilung jedenfalls bei der Vertretung durch einen - hier zudem im Rahmen der PKH-Bewilligung beigeordneten - Rechtsanwalt grundsätzlich aus (vgl. BSG SozR 3-1500 § 73 Nr. 10; Leitherer, a.a.O, § 73 Rdnr. 73). Dafür, dass das Mandat im Verfahren S 11 SO 3416/07 zum Zeitpunkt der Klagerücknahme am 20. November 2007 bereits beendet gewesen sein sollte, ist schon mit Blick auf die vorerwähnten Telefaxe vom 11. und 14. Juli 2007 nichts ersichtlich; derartiges hat der Kläger zudem auch in der Folgezeit nie vorgebracht.
Gemäß § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG i.V.m. § 81 Satz 1 1. Halbs. ZPO ermächtigt die Prozessvollmacht den Bevollmächtigten zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen; die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für den Beteiligten in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von dem Beteiligten selbst vorgenommen worden wären (§ 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Vorliegend hat der dem Kläger beigeordnete Rechtsanwalt U., dem nach den obigen Ausführungen von jenem jedenfalls formlos Prozessvollmacht erteilt worden ist, in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 20. November 2009 die im Verfahren S 11 SO 3416/07 erhobenen Klagen, die vom Beklagten abgelehnte Leistungen für eine neue Brille (Bescheid vom 7. Juli 2005/Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2007), für einen Kommentar zum SGG (Bescheid vom 12. Juli 2005/Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007), für eine private Zusatzkrankenversicherung (Bescheid vom 21. Juli 2005/Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2007) und für eine Weihnachtsbeihilfe (Bescheid vom 21. November 2005/Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2007) betrafen sowie außerdem sinngemäß auf eine Entscheidung des Beklagten zur Übernahme von Umzugskosten gerichtet waren, zurückgenommen. Die Rücknahmeerklärung erfolgte, nachdem die Sitzung zuvor unterbrochen worden war, damit der dem Kläger, der trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Termin nicht erschienen war, beigeordnete und von ihm bevollmächtigte Rechtsanwalt U. mit ihm telefonisch Kontakt aufnehmen konnte. Die Rücknahme der Klagen in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2009 durch Rechtsanwalt U. ist in die Niederschrift vom selben Tage aufgenommen worden (vgl. hierzu § 122 SGG i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 8 ZPO). Die auf Tonträger aufgezeichnete Erklärung ist dem Prozessbevollmächtigten vorgespielt und von ihm genehmigt worden (§ 162 Abs. 1 ZPO); die nach § 163 Abs. 1 ZPO erforderliche Unterschriftsleistung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist im Berufungsverfahren zulässigerweise nachgeholt worden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. April 1958 - VIII ZR 72/57 - NJW 1958, 1237; Stöber in Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 163 Rdnr. 8).
Die - nach Unterbrechung der Sitzung und deren Fortsetzung im Anschluss an das Ferngespräch des beigeordneten Rechtsanwalts mit dem Kläger erklärte - Klagerücknahme ist wirksam; dies gilt selbst dann, wenn sie, wofür aber aufgrund der Prozesslage im Zeitpunkt der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2009 keine Anhaltspunkte bestehen, ohne entsprechende Weisung des Klägers erfolgt sein sollte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. Dezember 1987 - IV b ZB 125/87 - (juris); BVerwG Buchholz 310 § 126 VwGO Nr. 3). Offenbare Verstöße gegen Treu und Glauben sind sonach ebenso wenig gegeben wie Wiederaufnahmegründe im Sinne der §§ 179 f. SGG, 579 f. ZPO. Derartige besondere Voraussetzungen für die Wirkungslosigkeit einer Prozesserklärung hat der Kläger in seinem Telefax vom 8. Dezember 2009, mit dem er die Klagerücknahme widerrufen hat, im Übrigen ebenso wenig geltend gemacht wie in seinen Telefaxen vom 12. Februar 2010 an das SG (S 11 SO 4601/09) sowie vom 17. März, 6. und 29. April sowie 9. Juli 2010 an das LSG. Sonach war der Rechtstreit durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 20. November 2009 abgegebene Prozesserklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers erledigt. Diese Klagerücknahme steht einer erneuten Klage mit demselben Streitgegenstand grundsätzlich entgegen (vgl. BSG SozR Nrn. 9 und 10 zu § 102 SGG; SozR 1500 § 102 Nr. 5; BSG, Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 33/91 - (juris)); dies gilt in jedem Fall für fristungebundene Klagen und für fristgebundene Klagen zumindest dann, wenn die Klagefrist (§ 87 SGG) - wie hier - bereits abgelaufen ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 102 Rdnr. 11; Hauck in Hennig, SGG, § 102 Rdnrn. 25 ff.).
Aus all diesen Gründen ist dem Senat eine Sachentscheidung verwehrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Ansprüche des Klägers auf Leistungsgewährung durch den beklagten Sozialhilfeträger für eine neue Brille, für einen Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz (SGG), für eine private Zusatzkrankenversicherung und für eine Weihnachtsbeihilfe sowie außerdem über die Übernahme von Umzugskosten; vornehmlich ist über verfahrensrechtliche Fragen zu entscheiden.
Der am 1937 geborene Kläger bezieht seit Januar 2005 vom Beklagten aufstockend zu seiner Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Grundsicherungsleistungen nach den §§ 41 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII); zuvor hatte er vom Beklagten Leistungen nach dem bis 31. Dezember 2004 geltenden Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten.
Am 2. Juni 2005 beantragte der Kläger beim Beklagten Leistungen für die Neubeschaffung einer Brille in Höhe von mindestens 130,00 Euro. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 7. Juli 2005 ab; der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2007 zurückgewiesen. Ein bereits früher gestellter Antrag auf die Gewährung einer Beihilfe für eine Brille war mit Bescheid vom 9. September 2004 und Widerspruchsbescheid vom 2. September 2005 erfolglos geblieben. Die deswegen zum Sozialgericht Ulm (SG) mit weiteren insgesamt 16 angegriffenen Widerspruchsbescheiden zum Verfahren S 3 SO 3176/05 erhobene Klage hatte der seinerzeit im Rahmen eines Gesuchs um Prozesskostenhilfe (PKH) mit Beschluss vom 30. Mai 2007 beigeordnete und vom Kläger am 1. Juni 2007 schriftlich bevollmächtigte Rechtsanwalt K. U., Schwäbisch Gmünd, in der nichtöffentlichen Sitzung vom 10. September 2007 - neben weiteren Klagen - für erledigt erklärt.
Unter dem 23. Juni 2005 beantragte der Kläger mit Blick auf den für Sozialhilfeangelegenheiten geänderten Rechtsweg beim Beklagten Leistungen für die Anschaffung eines Kommentars zum SGG zu einem Verkaufspreis von 95,00 Euro, hilfsweise für einen Handkommentar zu 49,00 Euro bzw. für eine Textausgabe des SGG. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 12. Juli 2005 abgelehnt; der Widerspruch des Klägers blieb wiederum erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007).
Mit demselben Schreiben vom 23. Juni 2005 stellte der Kläger außerdem einen Antrag auf Übernahme der Beiträge für eine - von ihm wohl noch abzuschließende - Zusatzkrankenversicherung. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 21. Juli 2005 nicht stattgegeben, der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2007 zurückgewiesen.
Ferner beantragte der Kläger am 31. Oktober 2005 eine Weihnachtsbeihilfe; insoweit erging der Ablehnungsbescheid vom 21. November 2005 und der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2007.
Mit Blick auf eine zum 5. Juli 2007 anstehende Zwangsräumung seiner bisherigen Wohnung in der H. Straße in A. stellte der Kläger außerdem am 28. Juni 2007 beim Beklagten einen Antrag auf Übernahme sämtlicher Kosten, die ihm im Rahmen der anstehenden Zwangsräumung für das Aufstellen und Montieren seiner Möbel einschließlich der Einbauküche, dem Ab- und Anmontieren der Satellitenanlage sowie für die Rückforderung seiner an den Vermieter geleisteten Kaution von 1.000,00 DM, hilfsweise auch für die ggf. notwendige Anschaffung einer neuen Küche oder anderer Möbel sowie für eine etwaig notwendige Renovierung der neuen Wohnung entstünden. Darauf teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2007 mit, dass die Kosten für den An- und Aufbau der Möbel grundsätzlich im Rahmen der Grundsicherung übernommen werden könnten, nicht dagegen die Kosten für den An- und Aufbau der Satellitenanlage und ebenso nicht die sich durch die Zwangsräumung ergebenden Vollstreckungs- und Gerichtsvollzieherkosten; da eine obdachlosenrechtliche Einweisung erfolge, sei für die Renovierung der neuen Unterkunft die einweisende Stelle zuständig. Unterdessen hatte der Kläger selbst eine kleine Souterrain-Wohnung in der A.str. in A. gefunden, in die er am 5. Juli 2007 auch einziehen konnte. Anlässlich eines Hausbesuchs am 9. Juli 2007 gab der Kläger an, einige der derzeit noch bei dem Umzugsunternehmen eingelagerten Einrichtungsgegenstände zur Einrichtung der neuen Wohnung zu benötigen. Mit Schreiben vom 12. Juli 2007 teilte der Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass die Kosten für den Transport der notwendigen Möbel und Einrichtungsgegenstände (z.B. Kühlschrank, Küchenherd, Radio- oder Fernsehgerät) vom Lager in die Wohnung übernommen werden könnten, nicht dagegen Gerätschaften wie ein Faxgerät, die Satellitenanlage oder ähnliches.
Mit einem zum Klageverfahren S 3 SO 3176/05 gelangten Fax vom 16. August 2007 wandte sich der Kläger gegen das vorbezeichnete Scheiben des Beklagten vom 12. Juli 2007 sowie außerdem gegen die Widerspruchsbescheide vom 12. Juni 2007 ("Brille"), 13. Juni 2007 ("Kommentar etc. zum SGG"), 14. Juni 2007 ("laufende Zusatz-Krankenversicherung") und 15. Juni 2007 ("Weihnachtsbeihilfe"), die ihm sämtlich am 18. Juli 2007 zugestellt worden waren; zugleich beantragte er auch für diese Klagen PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt U ... Das SG hielt eine Einbeziehung der neuen Klagen in das Verfahren S 3 SO 3176/05 nicht für sachdienlich, ferner willigte der Beklagte in eine Klageänderung nicht ein. Die vorgenannten Klagen wurden schließlich vom SG unter dem Az. S 11 SO 3416/07 geführt. Mit Beschluss vom 28. Mai 2008 bewilligte das SG dem Kläger für dieses Verfahren antragsgemäß PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt U ... Dem Antrag des Klägers vom 10. Juni 2008 auf Abänderung des PKH-Beschlusses hinsichtlich des beigeordneten Rechtsanwalts sowie unter Beiordnung eines Rechtsanwalts aus A. ging das SG nicht nach. Andererseits wandte sich der Kläger mit Blick auf das richterliche Schreiben vom 4. Juni 2009, in dem eine Klagerücknahme angeregt worden war, mit einem dem SG am 14. Juli 2009 zur Kenntnis gebrachten Fax vom 11. Juli 2009 erneut an Rechtsanwalt U. und bat um Weiterbehandlung der Angelegenheit. Mit Schriftsatz vom 3. September 2009 teilte Rechtsanwalt U. sodann mit, dass ihm nach mehrfacher Rücksprache eine Klagerücknahme untersagt worden sei. Das SG bestimmte hierauf Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 20. November 2009, 10.20 Uhr, zu dem auch das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet worden war. Zu dem um 10.17 Uhr aufgerufenen Verhandlungstermin erschien von Klägerseite allein Rechtsanwalt U., nicht dagegen der Kläger selbst. Die Kammervorsitzende wies auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Ordnungsgeldes sowie darauf hin, dass zumindest die Klage bezüglich der Bewilligung eines SGG-Kommentars rechtsmissbräuchlich sei und bei Fortführung des Rechtsstreits in diesem Zusammenhang die Auferlegung von Verschuldenskosten in Betracht zu ziehen sei. Die Sitzung wurde darauf um 10.28 Uhr zur telefonischen Kontaktaufnahme des beigeordneten Rechtsanwalts mit dem Kläger unterbrochen und um 10.32 Uhr fortgesetzt. Rechtsanwalt U. teilte daraufhin mit, dass der Kläger angegeben habe, er sei krank und könne nicht kommen. Anschließend gab er folgende Erklärung ab: "Ich nehme die Klage zurück". Diese auf den Tonträger aufgezeichnete Erklärung wurde dem beigeordneten Rechtsanwalt vorgespielt und von ihm genehmigt. Am 12.40 Uhr desselben Tages ging beim SG noch ein Telefax des Klägers ein, in dem er sein Fernbleiben zum Termin mit "Schwindel (bei Bewegung)" entschuldigte.
Mit Telefax vom 8. Dezember 2009 widerrief der Kläger die Klagerücknahme und bat um Behandlung als "Gegenvorstellung". Sein Fax vom 20. November 2009 sei völlig übergangen und das Grundgesetz (GG), insbesondere das Existenzminimum, mit Füßen getreten worden; allein für die Kfz.-Haftplichtversicherung habe er zum Jahresende 205,80 Euro für sechs Monate zu zahlen. Auch die Ausführungen seines Rechtsanwalts seien nicht richtig, auch er missachte das GG und das Existenzminimum. Mit Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2010 hat das SG festgestellt, dass "die Klage vom 16.08.2007 (S 11 SO 3416/07) durch Rücknahme vom 20.11.2009 erledigt" sei; in den Gründen ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klagerücknahme als bedingungsfeindliche Prozesshandlung weder frei widerrufen noch wegen Willensmängeln angefochten werden könne. Die Auslegung des klägerischen Begehrens als Gegenvorstellung sei nicht sachgerecht, weil eine insoweit anfechtbare Entscheidung nicht ergangen sei; zudem sei eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne des § 178 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht ersichtlich, insbesondere sei eine Verlegung bzw. Vertagung der mündlichen Verhandlung wegen der Erkrankung des Klägers nicht beantragt worden und außerdem das Fax des Klägers vom 20. November 2009 erst um 12.40 Uhr bei Gericht eingegangen.
Gegen diesen dem Kläger am 23. Februar 2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich seine am 17. März 2010 beim SG eingegangene Berufung zum Landessozialgericht (LSG). Er hat vorgebracht, er sei der Überzeugung, dass das Ganze alles andere als sozial sei und u.a. gegen "Art. 1 Abs. 1 und 3" verstoße, weil sein Existenzminimum nicht gewahrt sei. Alles werde teurer; allein für Strom habe er 43,67 Euro nachzahlen müssen. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde müsse der Rechtsweg erschöpft sein.
Der Senat hat mit Beschluss vom 26. Mai 2010 den Antrag des Klägers auf PKH für das Berufungsverfahren abgelehnt.
Der Kläger beantragt (sinngemäß)
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 16. Februar 2010 aufzuheben und
1. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2007 zu verurteilen, ihm Leistungen für die Neubeschaffung einer Brille in Höhe von mindestens 130,00 Euro zu gewähren, 2. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007 zu verurteilen, ihm Leistungen für die Anschaffung eines Kommentars zum Sozialgerichtsgesetz zu einem Verkaufspreis von 95,00 Euro, hilfsweise für die Anschaffung eines Handkommentars zu 49,00 Euro bzw. für eine Textausgabe des Sozialgerichtsgesetzes zu gewähren, 3. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2007 zu verurteilen, die Beiträge für eine Zusatzkrankenversicherung zu übernehmen. 4. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juni 2007 zu verurteilen, ihm eine Weihnachtsbeihilfe zu gewähren, 5. den Beklagten zu verurteilen, seinen Antrag vom 28. Juni 2007 auf Übernahme von Umzugskosten zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid vollinhaltlich für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (1 Ordner), die Klageakten des SG (S 11 SO 3416/07 und S 11 SO 4601/09), die weitere Akte des SG (S 3 SO 3176/05) und die Berufungsakte des Senats (L 7 SO 1488/10) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Sache verhandeln und entscheiden, da in der dem Kläger am 31. Mai 2010, dem Beklagten am 1. Juni 2010 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Zutreffend hat das SG das Telefax des Klägers vom 8. Dezember 2009 als Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gewertet (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 1500 § 102 Nr. 2 S. 4) und hierüber durch eine den ersten Rechtszug beendigende Entscheidung in Form des - in seinen Wirkungen gemäß § 105 Abs. 3 SGG einem Urteil gleichstehenden - Gerichtbescheids befunden; für den außerordentlichen Rechtsbehelf der Gegenvorstellung war unter den gegebenen Umständen kein Raum. Auch der Senat behandelt die im Telefax des Klägers vom 17. März 2010 abgegebene Prozesserklärung trotz des weiteren Telefaxes des Klägers vom 9. Juli 2010 ausschließlich als Berufung, so wie das Rechtsmittel im erstgenannten Telefax auch ausdrücklich benannt worden ist; ohnehin ist eine Gegenvorstellung gegen Urteile und urteilsgleiche Gerichtsbescheide grundsätzlich nicht statthaft (vgl. BSG SozR 3-1750 § 318 Nr. 1) und wäre deshalb als unzulässig zu verwerfen.
Der Senat geht zu Gunsten des Klägers von einer Zulässigkeit seiner Berufung aus. Denn bei überschlägiger Berechnung (vgl. hierzu BSGE 93, 42, 43 = SozR 4-4300 § 64 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 1)) erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungseinlegung mehr als 750,00 Euro betragen hat (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG); mehrere Ansprüche auf Geld- oder Sachleistungen sind bei der objektiven Klagehäufung entsprechend § 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) zusammenzurechnen (vgl. BSGE 24, 260, 261; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnr. 16). Ungeachtet der in § 144 Abs. 1 SGG normierten Voraussetzungen für die Statthaftigkeit der Berufung ist der Senat jedoch bereits deswegen an einer Sachentscheidung gehindert, weil der Rechtsstreit vor dem SG im Verfahren S 11 SO 3416/07 durch die von Rechtsanwalt U. im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. November 2009 abgegebene Rücknahmeerklärung erledigt ist; diese Wirkung hat das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2010 (S 11 SO 4601/09) zutreffend durch Prozessurteil festgestellt.
Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen; die Klage erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache (Satz 2 a.a.O.). Als Prozesshandlung ist die Klagerücknahme bedingungsfeindlich; sie kann als solche - ebenso wie die Rücknahme der Berufung - weder widerrufen noch nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wegen Irrtums angefochten werden (vgl. BSGE 14, 138, 141 f.; SozR Nr. 6 zu § 102 SGG; BSG, Beschlüsse vom 19. März 2002 - B 9 V 75/01 B - und vom 4. November 2009 - B 14 AS 81/08 B - (beide juris)). Die Loslösung von einer solchen Prozesserklärung kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 179 f. SGG, §§ 578 ff. ZPO) vorliegen (vgl. BSG SozR 1500 § 102 Nr. 2) oder wenn es mit dem das gesamte Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar wäre, einen Beteiligten an der vorgenommenen Prozesshandlung festzuhalten (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 310 § 126 VwGO Nr. 3; Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 115; Buchholz 401.64 § 2 AbwAG Nr. 2). Auf die Gründe und Motive für die Rücknahme des Rechtsbehelfs kommt es nicht an (vgl. BSGE 8, 185, 189; Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 80/07 - NJW-RR 2008, 85).
Vorliegend hat der - vom SG mit Beschluss vom 28. Mai 2008 auf das damalige PKH-Gesuch des Klägers sowie auf dessen Antrag hin - beigeordnete Rechtsanwalt U. in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2009 im Verfahren S 11 SO 3416/07 eine Rücknahme der Klage erklärt; diese Prozesserklärung wurde in die Niederschrift aufgenommen, ihm vorgespielt und von ihm genehmigt. Anhaltspunkte, die gegen eine Wirksamkeit der Prozesshandlung sprechen, bestehen nicht. Der Kläger muss sich die Klagerücknahme vielmehr zurechnen lassen. Zwar hatte Rechtsanwalt U. keine schriftliche Vollmacht zu den Gerichtsakten gereicht; dieser Umstand ist indessen gemäß § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG (in der ab 1. Juli 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 - (BGBl. I S. 2840)) bei Rechtsanwälten grundsätzlich nicht mehr von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts U. im Verfahren S 11 SO 3416/07 hat der Kläger, der jenem im Verfahren S 3 SO 3176/05 am 1. Juni 2007 sogar eine schriftliche Vollmacht erteilt hatte, zur Überzeugung des Senats im Übrigen bereits mit der Klageschrift vom 16. August 2007 schlüssig erklärt und ferner in seinen dem SG zugefaxten Schreiben vom 11. und 14. Juli 2009 wiederholt (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 73 Rdnr. 73; ders., a.a.O., § 73a Rdnr. 13e; ferner BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2001 - XII ZB 219/01 - (juris)); in der Klageschrift hatte er ausdrücklich eine Beiordnung von Rechtsanwalt U. beantragt und ihn im Telefax vom 11. Juli 2009 um "Weiterbehandlung" der Angelegenheit gebeten. Der Kläger hat mithin mit der vorgenannten Klageschrift schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er den Rechtsanwalt zur Prozessführung auch im Verfahren S 11 SO 3416/07 ermächtigen wolle; diese Ermächtigung ist im Telefax vom 11. Juli 2009 sinngemäß wiederholt worden. Ein derartiges schlüssiges Verhalten reicht indes zur Vollmachtserteilung jedenfalls bei der Vertretung durch einen - hier zudem im Rahmen der PKH-Bewilligung beigeordneten - Rechtsanwalt grundsätzlich aus (vgl. BSG SozR 3-1500 § 73 Nr. 10; Leitherer, a.a.O, § 73 Rdnr. 73). Dafür, dass das Mandat im Verfahren S 11 SO 3416/07 zum Zeitpunkt der Klagerücknahme am 20. November 2007 bereits beendet gewesen sein sollte, ist schon mit Blick auf die vorerwähnten Telefaxe vom 11. und 14. Juli 2007 nichts ersichtlich; derartiges hat der Kläger zudem auch in der Folgezeit nie vorgebracht.
Gemäß § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG i.V.m. § 81 Satz 1 1. Halbs. ZPO ermächtigt die Prozessvollmacht den Bevollmächtigten zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen; die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für den Beteiligten in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von dem Beteiligten selbst vorgenommen worden wären (§ 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Vorliegend hat der dem Kläger beigeordnete Rechtsanwalt U., dem nach den obigen Ausführungen von jenem jedenfalls formlos Prozessvollmacht erteilt worden ist, in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 20. November 2009 die im Verfahren S 11 SO 3416/07 erhobenen Klagen, die vom Beklagten abgelehnte Leistungen für eine neue Brille (Bescheid vom 7. Juli 2005/Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2007), für einen Kommentar zum SGG (Bescheid vom 12. Juli 2005/Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007), für eine private Zusatzkrankenversicherung (Bescheid vom 21. Juli 2005/Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2007) und für eine Weihnachtsbeihilfe (Bescheid vom 21. November 2005/Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2007) betrafen sowie außerdem sinngemäß auf eine Entscheidung des Beklagten zur Übernahme von Umzugskosten gerichtet waren, zurückgenommen. Die Rücknahmeerklärung erfolgte, nachdem die Sitzung zuvor unterbrochen worden war, damit der dem Kläger, der trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Termin nicht erschienen war, beigeordnete und von ihm bevollmächtigte Rechtsanwalt U. mit ihm telefonisch Kontakt aufnehmen konnte. Die Rücknahme der Klagen in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2009 durch Rechtsanwalt U. ist in die Niederschrift vom selben Tage aufgenommen worden (vgl. hierzu § 122 SGG i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 8 ZPO). Die auf Tonträger aufgezeichnete Erklärung ist dem Prozessbevollmächtigten vorgespielt und von ihm genehmigt worden (§ 162 Abs. 1 ZPO); die nach § 163 Abs. 1 ZPO erforderliche Unterschriftsleistung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist im Berufungsverfahren zulässigerweise nachgeholt worden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. April 1958 - VIII ZR 72/57 - NJW 1958, 1237; Stöber in Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 163 Rdnr. 8).
Die - nach Unterbrechung der Sitzung und deren Fortsetzung im Anschluss an das Ferngespräch des beigeordneten Rechtsanwalts mit dem Kläger erklärte - Klagerücknahme ist wirksam; dies gilt selbst dann, wenn sie, wofür aber aufgrund der Prozesslage im Zeitpunkt der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2009 keine Anhaltspunkte bestehen, ohne entsprechende Weisung des Klägers erfolgt sein sollte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. Dezember 1987 - IV b ZB 125/87 - (juris); BVerwG Buchholz 310 § 126 VwGO Nr. 3). Offenbare Verstöße gegen Treu und Glauben sind sonach ebenso wenig gegeben wie Wiederaufnahmegründe im Sinne der §§ 179 f. SGG, 579 f. ZPO. Derartige besondere Voraussetzungen für die Wirkungslosigkeit einer Prozesserklärung hat der Kläger in seinem Telefax vom 8. Dezember 2009, mit dem er die Klagerücknahme widerrufen hat, im Übrigen ebenso wenig geltend gemacht wie in seinen Telefaxen vom 12. Februar 2010 an das SG (S 11 SO 4601/09) sowie vom 17. März, 6. und 29. April sowie 9. Juli 2010 an das LSG. Sonach war der Rechtstreit durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 20. November 2009 abgegebene Prozesserklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers erledigt. Diese Klagerücknahme steht einer erneuten Klage mit demselben Streitgegenstand grundsätzlich entgegen (vgl. BSG SozR Nrn. 9 und 10 zu § 102 SGG; SozR 1500 § 102 Nr. 5; BSG, Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 33/91 - (juris)); dies gilt in jedem Fall für fristungebundene Klagen und für fristgebundene Klagen zumindest dann, wenn die Klagefrist (§ 87 SGG) - wie hier - bereits abgelaufen ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 102 Rdnr. 11; Hauck in Hennig, SGG, § 102 Rdnrn. 25 ff.).
Aus all diesen Gründen ist dem Senat eine Sachentscheidung verwehrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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