Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 417/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 7/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 30. September 2008 wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der dem Kläger wegen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Lärmschwerhörigkeit - gewährten Verletztenrente.
Der 1949 geborene Kläger war von Mai 1969 bis April 1974 Soldat bei der Nationalen Volksarmee, anschließend war er bis April 1984 bei der Zivilverteidigung der DDR und von August 1985 bis Oktober 1990 bei der Transportpolizei der DDR beschäftigt. Seit dem 03. Oktober 1990 ist er im Polizeivollzugsdienst des Landes Berlin tätig, und zwar zunächst in Wechselschicht im Objektschutz und seit 1999 im Innendienst. Im Rahmen dieser Tätigkeiten wurde er an Schusswaffen ausgebildet, und zwar nach seinen Angaben bis 1990 überwiegend ohne Gehörschutz. Aufgrund des im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung vom 10. Oktober 1995 festgestellten Hörverlusts wurde ein Verbot der Teilnahme am Schießtraining unter Lärmeinwirkung ausgesprochen, welches im April 1997 erneuert wurde.
In ihrer ärztlichen Anzeige vom Januar 1997 äußerte die behandelnde Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO) T gegenüber der Beklagten den Verdacht auf Vorliegen einer BK Nr. 2301. Bei dem Kläger liege rechts eine verminderte Hörleistung sowie ein Tinnitus vor, letzterer sei erstmals 1996 aufgetreten. Beigefügt waren Tonaudiogramme vom 11. Oktober 1996. Die Beklagte holte u. a. Stellungnahmen zur beruflichen Belastung vom Polizeipräsidenten in Berlin vom 06. und 12. März 1997 sowie ihres Präventionsdienstes vom 22. Januar 1999 ein und zog die arbeitsmedizinischen Untersuchungsprotokolle aus den Jahren 1985 (Einstellung) sowie 1995 bis 1998 bei. Der HNO-Arzt und Audiologe Dr. med. B erstellte am 08. März 1999 ein Gutachten, in dem er einen Hörverlust nach den Empfehlungen des Königsteiner Merkblattes aus dem Sprachaudiogramm von rechts und links jeweils 0 % und nach der Tabelle von Röser (1980) aus dem Tonaudiogramm rechts von 5 % und links von 0 % ermittelte. Der Tinnitus sei als dekompensiert zu bezeichnen, so dass sich insgesamt eine MdE v. 10 v. H. ergebe. Nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme stellte die Beklagte mit Bescheid vom 05. Juli 1999 das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit als BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV fest, die Gewährung einer Verletztenrente lehnte sie jedoch ab. Im folgenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger unter Bezugnahme auf eine ärztliche Stellungnahme des Universitätsklinikums C, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie vom 01. Oktober 1999, bei der er sich in tagesstationärer Behandlung wegen eines belastungsinduzierten depressiven Syndroms befand, geltend, auch der Tinnitus sei lärmbedingt und belaste ihn psychisch stark. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, der im Oktober 1996 aufgetretene Tinnitus könne nicht auf die berufliche Lärmexposition zurückgeführt werden, da er erst nach dem Ende der beruflichen Belastung aufgetreten sei (Widerspruchsbescheid vom 09. März 2000). Das Sozialgericht (SG) Berlin zog in dem sich anschließenden Klageverfahren zum Aktenzeichen S 69 U 159/00 die für den Rentenversicherungsträger erstellten Gutachten des HNO-Arztes Dr. S vom 17. April 2000 und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 16. August 2000 sowie die Entlassungsberichte der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie der C vom 02. Dezember 1999 (tagesstationäre Behandlung vom 06. September bis zum 07. Oktober 1999, Diagnose: depressive Episode,. "Die Belastung auf Arbeit hat in jüngster Zeit zu einer Zunahme der Ohrgeräusche sowie zum Entstehen von Grübelzwängen und Schlafstörungen geführt" ...) und der H Klinik vom 09. April 2001 über die medizinische Rehabilitationsmaßnahme 08. Februar bis zum 22. März 2001 (Diagnosen: Dekompensierter Tinnitus aurium mit Hyp- und Hyperakusis, Dysthymia und gemischte Hyperlipidämie; Entlassung als arbeitsfähig) bei. Zudem veranlasste es eine Zusammenhangsbegutachtung durch den HNO-Arzt PD Dr. A sowie den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. In seinem Gutachten vom 18. Februar 2001 ermittelte PD Dr. A einen Hörverlust anhand der Sprachaudiometrie von beiderseits 0 % und aus dem Tonaudiogramm nach Röser (1980) rechts von 5 % und links von 0 %. Der rechtsseitige Tinnitus weise einen Konvergenztyp auf und sei als beruflich verursacht anzusehen, hinsichtlich des linksseitigen Tinnitus bestünden Zweifel an der beruflichen Verursachung, da er erst nach Beendigung der Lärmbelastung aufgetreten und in der Frequenz untypisch für eine Lärmschädigung sei. Die MdE betrage unter Berücksichtigung des Tinnitus 10 v. H ... Prof. Dr. G stellte in seinem Gutachten vom 01. Oktober 2001 nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. April 2002 eine beginnende hypertensive Encephalopathie mit cerebrovaskulärer Insuffizienz und psychischer Veränderung als Ausdruck einer Gefäßkomplikation, eine depressive Anpassungsstörung sowie eine Polyneuropathie ohne motorisches Defizit fest. Die depressive Anpassungsstörung sei durch den berufsbedingten Tinnitus veranlasst, jedoch hätten sich bei der Begutachtung nur mäßige Veränderungen in Form einer dysphorisch-depressiven Einengung des affektiven Erlebens, berichteten bemerkten Verhaltensbeeinträchtigungen sowie Einengungen der Aktivität und Spontanität gezeigt. Daraus resultiere eine MdE von unter 10 v. H. Durch Urteil vom 14. Juni 2002 verurteilte des SG die Beklagte, als weitere Folgen der BK Nr. 2301 einen "Tinnitus am rechten Ohr" und eine "depressive Anpassungsstörung" anzuerkennen und dem Kläger deswegen eine Verletztenteilrente nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 06. September 1999 sowie medizinische Heilbehandlung zu gewähren. Mit Bescheid vom 04. Februar 2003 führte die Beklagte das Urteil hinsichtlich der Feststellung weiterer Folgen der BK und der Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v. H. aus.
Mit Schreiben vom 13. April 2003 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer höheren Verletztenrente wegen Verschlimmerung der BK-Folgen. Durch die wegen der Tinnituserkrankung bedingte medikamentöse Therapie hätten sich Libidoprobleme eingestellt, was zu vermehrten seelischen Störungen wie der Depression geführt habe. Die Beklagte forderte eine Stellungnahme des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M vom 08. Juli 2003 an, der über eine Behandlung des Klägers seit Juli 1998 berichtete. Seit Mai 2001 werde verstärkt eine medikamentöse Einstellung versucht, die jedoch noch nicht zu einer wesentlichen Stabilisierung geführt habe. Des Weiteren zog sie den Entlassungsbericht des Evangelischen Krankenhauses Königin E H vom 20. Juni 2003 über die teilstationäre Behandlung des Klägers vom 07. April bis zum 12. Juni 2003 (Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, ggw. mittelgradige Episode, Tinnitus; Entlassungsmedikation: Paroxetin, Carbamazepin und Trimipramin, zuvor seien Etronax, Saroten und Stilnox eingesetzt gewesen) bei. Zudem veranlasste sie eine erneute Begutachtung durch den HNO-Arzt und Audiologen Dr. B, der nunmehr einen Hörverlust im Tonaudiogramm nach Röser (1980) rechts von 15 % und links von 10 % sowie im Sprachaudiogramm nach dem gewichteten Gesamtwortverstehen beidseits jeweils von 10 % feststellte. Auch wenn sich danach die Hörminderung etwas verschlechtert habe, ergebe sich insgesamt für die leichte Schallempfindungsschwerhörigkeit eine MdE von 0 v. H. und für den dekompensierten Tinnitus nach wie vor von 10 v. H., d. h. auf HNO-ärztlichem Gebiet insgesamt eine MdE von 10 v. H. (Gutachten vom 25. November 2003). Im Auftrage der Beklagten erstellte zudem der Arzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie R unter dem 19. Januar 2004 ein Zusammenhangsgutachten. Nach den Angaben des Klägers würden sich seit zwei Jahren Eheprobleme wegen Libidominderung ergeben, die Libidoprobleme hätten sich seit der Carbamazepineinnahme verstärkt. Dieses Medikament sei hierfür bekannt, könne jedoch durch gleichwertige Medikamente mit weniger Nebeneffekten ersetzt werden. Die depressive Störung habe an Chronizität und Schwere zugenommen. Es wäre jedoch nicht zutreffend, die Depression monokausal nur auf den Tinnitus zurückzuführen. Eine gewisse vorbestehende zwanghaft-depressive Persönlichkeitsstruktur mit perfektionistischen Tendenzen, hohem Kontrollbedürfnis und hoher Verantwortungsbereitschaft begünstige eine solche Symptomfixierung und Aufmerksamkeitsbesetzung der Tinnitussymptomatik. Dadurch würden depressiv-psychoreaktive Störungen aufrechterhalten. Zudem spreche die Depressionsausprägung gegen eine reine Anpassungsstörung, sondern für eine deutliche, rezidivierende Depression bei einer möglicherweise vorbestehenden depressiven Disposition. Insgesamt sei eine Verschlechterungstendenz festzustellen, die jedoch noch nicht zu einer Erhöhung der Gesamt-MdE von 20 v. H. führe.
Mit Bescheid vom 02. März 2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 11. August 2004, lehnte die Beklagte eine Erhöhung der Verletztenrente mit der Begründung ab, ausweislich der medizinischen Feststellungen hinsichtlich der Schwerhörigkeit mit Tinnitus und der psychischen Erkrankungsproblematik sei keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten.
Mit seiner vor dem SG Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die ärztlich verordneten Medikamente (Psychopharmaka) zur Behandlung seiner anerkannten BK würden als Nebenwirkungen u. a. sexuelle Störungen wie Libidostörungen bzw. Impotenz hervorrufen. Dies beeinträchtige sein Selbstwertgefühl erheblich, so dass er auch an Depressionen verbunden mit Panik- und Angstattacken leide. Derzeit nehme er die Medikamente Paroxetin (1 x 40 mg) und Mirtazapin (1 x 45 mg) ein. Trotz dem vom Gutachter R angeregten Medikamentenwechsel von Carbamazepin auf Mirtazapin bestünden die Störungen fort.
Die Beklagte hat hierzu eingewandt, eine physische/organische Unfähigkeit den Geschlechtsverkehr aufzuführen, bestehe beim Kläger nicht. Nur dies bzw. eine völlige Zeugungsunfähigkeit könne nach herrschender unfallmedizinischer Auffassung als eine die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigende seelische Störung angesehen und entsprechend bei der MdE-Bewertung berücksichtigt werden. Dagegen sei für die im psychisch-psychologischen Bereich anzusiedelnden Libidoeinschränkungen des Klägers auf dessen Symptomfixierung hinzuweisen. Hinzukomme, dass das Nachlassen der Libido und der Potenz eine typische Begleiterscheinung des Alters sei, von der auch der 53jährige Kläger nicht verschont bleiben dürfte. Altersbedingte Veränderungen seien bei der MdE-Bemessung generell nicht zu berücksichtigen.
Das SG hat zunächst den Entlassungsbericht des Evangelischen Krankenhaus K, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie vom 26. Mai 2004 über die tagesklinische Behandlung des Klägers in der Zeit vom 15. April bis zum 25. Mai 2004 beigezogen (Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, ggw. mittelgradige Episode, Tinnitus aurium. Die bei Aufnahme verabreichte Medikation (Paroxetin 40 mg, Trimipramin 25 mg und Olanzapin 5 mg) sei anfangs fortgeführt, wegen anhaltender Schlafstörungen und Erektionsstörungen sei vorübergehend das Trimipramin auf 50 mg erhöht und die antidepressive Medikation auf Mirtazapin umgestellt worden. Auch nach Absetzen von Olanzapin und Paroxetin seien die Erektionsstörungen und der Libidoverlust anhaltend. Wegen Kopfschmerzen und Stimmungsverschlechterung sei auf Wunsch des Klägers eine erneute Umstellung der antidepressiven Medikation auf Paroxetin vorgenommen worden.) Zudem hat es aus den Akten des beim SG geführten Rentenrechtsstreits (S 6 RA 4712/01) Kopien der dort angeforderten Gutachten der Ärztin für Psychiatrie G vom 06. August 2003 nebst ergänzender Stellungnahme vom 12. Dezember 2003 und des HNO-Arztes L vom 15. Mai 2004 gefertigt und in das Verfahren eingeführt. Die Sachverständige G hat eine rezidivierende depressive Störung, ggw. leichte Episode, einen Tinnitus beidseits und ein lumboischialgieformes Schmerzsyndrom diagnostiziert und den Kläger mit gewissen Einschränkungen noch als vollschichtig leistungsfähig beurteilt. Bei ihrer Untersuchung hatte der Kläger über zunehmende Libidoschwierigkeiten und innerliche Unruhe berichtet, das Vorhandensein von diffusen und spezifischen Ängsten sowie Panikattacken habe der Kläger auf ihre dezidierte Nachfrage verneint. Der Sachverständige L hat als Diagnosen einen kompensierten, zeitweise dekompensierten Tinnitus beidseits sowie eine geringgradige Schwerhörigkeit beidseits – umgangsprachlich relevant – gestellt. Im Einzelnen hat er ausgeführt, es bestehe eine pancochleäre Perzeptionsschwerhörigkeit beiderseits. In der Sprachaudiometrie ergebe sich ein Hörverlust rechts und links von jeweils 0 %, was einer MdE von 0 v. H. entspreche. Nach dem Reintonaudiogramm ergebe sich ein Hörverlust rechts von 20 % und links von 15 %, was einer MdE von 15 v. H. entspreche. Der Tinnitus werde rechts mit einem Ton zwischen 2 und 8 kHz und links eher zwischen 4 und 10 kHz verglichen. Er sei beidseits mit einem tonalen Rauschen von etwa 10 dB über der Hörschwelle verdeckbar, so dass es sich um einen Konvergenztyp handele. Der Sachverständige hat auf die Beeinflussung der Ausbildung und Chronifizierung des Tinnitus durch die biografische Entwicklung des Klägers bzw. die darin enthaltenen Brüche, wie den Wechsel in eine seit 1990 ungeliebte Tätigkeit im Objektschutz bzw. nunmehr in den Innendienst, und die erhöhte seelisch-körperliche Anspannung hingewiesen. Er hat den Kläger als vollschichtig leistungsfähig unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Einschränkungen beurteilt.
Im Auftrag des SG hat sodann der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H den Kläger am 03. Juni 2005 nervenärztlich exploriert und untersucht. In seinem Sachverständigengutachten vom 16. Juni 2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 13. Juni 2006 hat Dr. Hdie Diagnosen gestellt: - Dysthymia - Libidoverlust. Daneben bestehe noch eine Innenohrschwerhörigkeit sowie ein Tinnitus rechts (fraglich links). Unter konsequenter nervenärztlicher Mitbehandlung habe sich inzwischen offenbar eine Stabilisierung des psychischen Zustandes eingestellt. Störungen, die den Kriterien einer depressiven Störung oder einer depressiven Episode im Sinne des ICD 10 Nr. F 32 oder F 33 entsprechen würden, hätten bei der Untersuchung nicht festgestellt werden können. Der Intention des Klägers, seine Libidostörungen als Ausdruck einer unfallbedingten depressiven Störung oder als Nebenwirkung der Behandlung derselben zu betrachten, könne nicht gefolgt werden, da Libidostörungen u. a. auch als Folge physiologischer Veränderungen im Laufe des Lebens auftreten würden. Insbesondere ließen sich deswegen verminderte Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erkennen, so dass eine Erhöhung der MdE wegen des Auftretens der geschilderten Libidostörungen nicht festzusetzen sei. Unter Berücksichtigung der Hörminderung und der anhaltenden depressiven Verstimmung, für die eine Einzel-MdE von 10 v. H. jeweils anzusetzen sei, ergebe sich eine Gesamt-MdE von 20 v. H. Für einen Libidoverlust kämen vielfältige Ursachen in Frage. Von Bedeutung sei die Einnahme von Antidepressiva wie z. B. Paroxetin, wobei hier Libidostörungen nicht als dauerhafte Nebenwirkungen einzuschätzen seien, da eine Normalisierung der sexuellen Appetenz sich grundsätzlich wieder einstelle. Neben der medikamentösen Ursache für den Libidoverlust könnte dies auch eine depressive Störung selbst sein oder der physiologische Alterungsprozess. Hier kämen alle drei Ursachen in Betracht, ohne dass die beklagten Störungen zwangsläufig einer zugeordnet werden könnten. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die depressive Störung in der geschilderten und dokumentierten Form als rezidivierend auftretende leichte bis mittelschwere Episode in keinem kausalen Zusammenhang mit der bestehenden Tinnitusproblematik zu sehen sei. Auch könne der zeitliche Verlauf nicht als Ausdruck einer sogenannten Anpassungsstörung betrachtet werden. Zudem habe der Kläger bei der Untersuchung auch Phasen der Hyperaktivität geschildert, in denen er sich stark fühle. Diese Symptomatik lasse kurzzeitige maniforme Auslenkungen des Krankheitsbildes nicht ausschließen, so dass an eine bipolare affektive Störung (ICD-10-Nr. F 31) zu denken sei. Deren Ursache sei nicht im Rahmen einer erlebnisreaktiven Verarbeitung zu sehen, da es sich um eine endogene Störung handele.
Durch Gerichtsbescheid vom 14. Dezember 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Anerkennung seiner Libidostörungen als Folgen der BK Nr. 2301 der Anlage zur BKV und auf höhere Einstufung der MdE als 20 v. H ... So könne nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H ein kausaler Zusammenhang zwischen der Libidostörung und dem Tinnitusgeschehen als Folge einer jahrelangen Läsion des Gehörs nicht angenommen werden. Dies gelte auch hinsichtlich der Libidostörung und der Medikation. So kämen für einen Libidoverlust vielfältige Ursachen in Betracht, wie eine depressive Störung oder der physiologische Alterungsprozess. Vor dem Hintergrund der gutachterlichen Feststellungen sei der Zusammenhang zwischen dem Libidoverlust des Klägers und seiner Medikation nicht hinreichend wahrscheinlich, sondern allenfalls möglich, was für die Annahme des Verursachungszusammenhanges jedoch nicht ausreiche. Gegen einen Ursachenzusammenhang spreche zudem, dass Libidostörungen keine dauerhaften Nebenwirkungen einer Medikation mit Antidepressiva seien, sich eine Normalisierung des sexuellen Appetenz grundsätzlich wiedereinstelle. Der Kläger beschreibe seine Störungen jedoch als hartnäckig und anhaltend. Zwar habe sich nach seinen Angaben bei einem Auslassversuch der Antidepressiva die Geschlechtsfunktion wieder gebessert, in der Epikrise vom 26. Mai 2004 jedoch seien die Erektionsstörungen des Klägers und der Libidoverlust auch nach Absetzung von Olanzapin und Paroxetin als anhaltend geschildert worden, was gleichermaßen für eine medikationsferne Genese spreche. Dies gelte auch für den Umstand, dass nach der Absetzung von Carbamazepin und trizyklischen Antidepressiva die Libidoprobleme fortbestanden hätten. Die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers, seine Schwerhörigkeit und der Tinnitus würden keine höhere MdE als 20 v. H. bedingen. Nach den fachpsychiatrischen Feststellungen des Dr. H, des Gutachters R wie auch der Sachverständigen G habe sich die depressive Erkrankung chronifiziert. Das Leistungsvermögen sei dadurch qualitativ, jedoch nicht quantitativ eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund sei nicht davon auszugehen, dass die auf das psychische Leiden bezogene MdE mit 10 v. H. zu niedrig bemessen sei. Zumal eine gewisse Besserung laut dem Sachverständigen Dr. H eingetreten sei. Auf HNO-ärztlichem Gebiet stünden der von Dr. B im Rentengutachten vom 25. November 2003 vorgenommenen MdE-Einschätzung nicht die Feststellungen des HNO-Gutachters L entgegen. Schließlich liege der aus der Sprachaudiometrie gewonnene prozentuale Wert des Hörverlustes, der die wesentliche Grundlage der MdE-Bemessung bilde, auch nach dessen Bewertung beidseits bei 0 %. Unter Berücksichtigung des Königsteiner Merkblattes seien die von dem Gutachter L im Tonaudiogramm ermittelten Hörverluste von 20 % rechts und 15 % links nur mit einer MdE von 0 v. H. zu bewerten. Es sei daher nicht erkennbar, dass die auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehende MdE mit einem höheren Wert als 10 v. H. einzustufen sei. Auch hier seien nur gewisse qualitative Einschränkungen bei der allgemeinen Erwerbsfähigkeit zu verzeichnen.
Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Berufung. Ihm sei eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 v. H. zu gewähren. Maßgeblich für die Bewertung der Innenohrschwerhörigkeit sei nach der unfallmedizinischen Literatur und den Kriterien des Schwerbehindertenrechts das Tonaudiogramm, so dass auf die zuletzt vom Gutachter L festgestellten Ergebnisse abzustellen und unter Einbeziehung des Tinnitus eine MdE von mindestens 20 bzw. 25 v. H. hierfür zu Grunde zu legen sei. Nach der Literatur sei ein länger als drei Monate andauernder Tinnitus als dekompensiert zu bezeichnen. Die Tinnitusproblematik sei oft verbunden mit Hörproblemen, Geräuschüberempfindlichkeit, Stress, Angst, Fixierung auf das akustische Phänomen Tinnitus, Konzentrationsmängeln, Nervosität, Unruhe und Unrast bis hin zu Schlafstörungen sowie depressiven Entwicklungen bis hin zur Gefährdung der Arbeitsfähigkeit. Dies treffe auch für ihn zu und könne den vielfältigen ärztlichen Berichten und Gutachten entnommen werden. Die seit 2001 verstärkt vorhandenen Libidostörungen seien allein der antidepressiven Medikation geschuldet, die wiederum notwendiger Teil der BK-bedingten und von der Beklagten gewährten medizinischen Behandlung sei. Sie müssten daher MdE-erhöhend berücksichtigt werden. Der Kläger hat zur Stützung seiner Auffassung u. a. Auszüge aus der Schrift "Neurologie und Psychosomatik des Tinnitus" von Wolfgang Hausotter sowie den Artikel "Medikamente als Verursacher sexueller Dysfunktionen" aus dem Dt. Ärzteblatt Heft 46, 2002 zur Akte gereicht.
Am 13. Januar 2008 hat der Kläger bei der Beklagten einen Verschlimmerungsantrag gestellt und ausgeführt, er leide nunmehr unter Schwindelerscheinungen mit Gehunsicherheit. Diese seien auf eine Schädigung des Hörnervens zurückzuführen. Die Beklagte hat nach Vorlage eines Berichts des behandelnden Nervenarztes Dr. M vom 09. Februar 2008 (Nachweis einer deutlichen allgemeinen funktionellen Störung mit Hinweisen auf subkortikale Störungen, die Verursachung könne multiform sein, HNO-ärztliche Begutachtung werde empfohlen) und eines MRT-Befundes des Schädels vom 28. November 2007 den Facharzt für HNO-Krankheiten Dr. B mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. In seinem Gutachten vom 26. August 2008 hat Dr. B nach Untersuchung des Klägers das Bestehen einer leichten Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits mit einem dekompensierten Tinnitus, unverändert zum Untersuchungsergebnis 2003, festgestellt. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen den angegebenen Schwindelerscheinungen und der anerkannten BK. Die MdE auf HNO-ärztlichem Gebiet betrage unverändert 10 v. H ... Die Beklagte hat mit Bescheid vom 30. September 2008 den Antrag des Klägers vom 13. Januar 2008 auf Erhöhung der Rente und Neufeststellung der Folgen der anerkannten BK abgelehnt, da nach den medizinischen Ermittlungen die Schwindelerscheinungen in keinem Zusammenhang mit der Lärmschädigung stünden und auch sonst keine wesentliche Änderung in den Folgen der BK eingetreten sei. Der Bescheid werde nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Gerichtsverfahrens.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2006 und den Bescheid vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2004 sowie den Bescheid vom 30. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01. Mai 2004 eine höhere Verletztenrente ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 30. Sep-tember 2008 abzuweisen.
Vorliegend sei ein Zusammenhang der vom Kläger geschilderten Libidostörungen und Schwindelerscheinungen mit der anerkannten Anpassungsstörung bzw. dem Tinnitus nicht überwiegend wahrscheinlich.
Der Senat hat die Verwaltungsakte des Schwerbehindertenverfahrens des Klägers beigezogen und hieraus u. a. Kopien des Gutachtens des Internisten Dr. T vom 11. November 2002 (Therapie: Euplix, Carbamazepin neuraxpharm 400 retard 1 x 1, Flunitrazepam ratio 1 x 1, Loxin Liquidum bei Bedarf) sowie des Befundberichts des behandelnden Nervenarztes Dr. M vom 30. Juni 2004 (Ursache der depressiven Erkrankung wahrscheinlich endogen) in das Verfahren eingeführt.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten (5 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist zum einen der Bescheid vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2004, über den das SG C mit Gerichtsbescheid vom 14. Dezember 2006 entschieden hat (§§ 157, 95 SGG) und in dem die Beklagte eine Neufeststellung der Verletztenrente wegen Verschlechterung der Folgen der anerkannten BK Nr. 2301 und unter Berücksichtigung von Libidostörungen als weitere BK-Folgen abgelehnt hatte. Zum anderen ist der Bescheid vom 30. September 2008 nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG – zumindest in analoger Anwendung - Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, da die Beklagte darin nochmals eine vom Kläger begehrte Neufeststellung der Verletztenrente wegen weiterer Verschlechterung der BK-Folgen bzw. unter Berücksichtigung von Schwindelerscheinungen als Folgen der Lärmschädigung abgelehnt hat.
Die frist– und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch ebenso wie die Klage gegen den Bescheid vom 30. September 2008 unbegründet. Der Bescheid vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2004 wie auch der Bescheid vom 30. September 2008 erweisen sich als rechtmäßig, denn der Kläger hat aufgrund der anerkannten BK Nr. 2301 keinen Anspruch auf Feststellung einer höheren MdE unter Berücksichtigung weiterer Gesundheitsstörungen als BK-Folgen und dementsprechend keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Verletztenrente.
Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung ist im Hinblick auf den in Ausführung des Urteils vom 14. Juni 2002 ergangenen Verwaltungsakt vom 04. Februar 2003 über die Gewährung einer Verletztenrente ausgehend von einer MdE i. H. v. 20 v. H. wegen der festgestellten Folgen der BK Nr. 2301 in Form einer Hörminderung, eines rechtsseitigen Tinnitus und einer depressiven Anpassungsstörung vorliegend nicht eingetreten.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf eine höhere Verletztenrente ist § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Nach Abs. 1 S. 1 dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 SGB VII).
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehört nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV die Lärmschwerhörigkeit. Die Feststellung dieser BK setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen (haftungsbegründenden) Voraussetzungen in Form einer adäquaten Lärmexposition gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK, d.h. eine Innenohrschwerhörigkeit bzw. ein Tinnitus, vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsausfüllende Kausalität). Danach müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit, ausreicht (ständige Rspr. des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. Urteile vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urteil vom 29. November 1956 - 2 RU 121/56 - in BSGE 4, 147, 149; Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 14/99 R - in SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; Urteil vom 02. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R - in SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (vgl. BSG, Urteil vom 02. Mai 2001 - B 2 U 24/00 – in SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Wie weit die Unfallfolgen bzw. die Folgen der anerkannten Berufskrankheit die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 in SozR 2200 § 581 Nr. 23; Urteil vom 26. November 1987 - 2 RU 22/87 - in SozR 2200 § 581 Nr. 27; Urteil vom 30. Juni 1998 - B 2 U 41/97 R – in SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII Rn. 10.3). Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R - in HVBG-INFO 2001, 499, 500 ff.).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann wegen der Folgen der beim Kläger anerkannten BK Nr. 2301 nach wie vor eine höhere MdE als 20 v. H. nicht festgestellt werden.
So bedingen die auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehenden Folgen der BK Nr. 2301, d. h. die Hörminderung und der Tinnitus, nach den den Senat überzeugenden Ausführungen des HNO-Arztes und Audiologen Dr. B in seinen Gutachten vom 25. November 2003 und 26. August 2008 und unter Berücksichtigung der Ergebnisse des im Rentenrechtsstreit eingeholten Gutachtens des HNO-Arztes L vom 15. Mai 2004 nach wie vor keine höhere MdE als 10 v. H ...
Die Bewertung von Hörverlusten richtet sich im Wesentlichen nach den "Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit" – "Königsteiner Merkblatt" – 4. Aufl. 1995, abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301 S. 6b ff. (BSG, Urteile vom 15. Dezember 1982 - 2 RU 55/81- in Meso B 40/24 und vom 02. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R - in SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; vgl. auch Keller, Erfahrungen mit antizipierten Sachverständigengutachten im Berufskrankheitenrecht, MED SACH 2006, 128, 130). Danach ist zur quantitativen Bewertung der Hörstörung aus den Daten der Hörprüfungen der prozentuale Hörverlust getrennt für jedes Ohr zu berechnen, Vorrang hat hierbei das Sprachaudiogramm (Ziffer 4.2 des "Königsteiner Merkblatts"). Der prozentuale Hörverlust wird nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser (1973) aus dem Gesamtwortverstehen ermittelt (Ziffer 4.2.1 des "Königsteiner Merkblatts"). Bei seiner Begutachtung im November 2003 ermittelte Dr. B einen Hörverlust aus dem Sprachaudiogramm von beidseits jeweils von 10 % und aus dem Tonaudiogramm nach Röser (1980) rechts von 15 % und links von 10 %. Nach den Feststellungen im Gutachten des HNO-Arztes L vom 15. Mai 2004 ergab sich im Sprachaudiogramm für das Gesamtwortverstehen beidseits ein maximaler Wert von 300, so dass danach der Hörverlust beidseits 0 % betrug. Den Hörverlust nach dem Reintonaudiogramm (Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980) ermittelte der Gutachter L mit rechts 20 % und links 15 %. In seinem Gutachten vom 26. August 2008 hat der Gutachter Dr. B einen Hörverlust nach dem Reintonaudiogramm (Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980) von rechts 20 % und links 5 % festgestellt. Das Gesamtwortverstehen konnte nicht bestimmt werden, da dem Kläger die Prüfung des Hörvermögens bei 100 dB zu laut war. Unter Berücksichtigung dieser zu unterschiedlichen Zeitpunkten ermittelten Hörverlustwerte bestehen keine Bedenken, hinsichtlich der Einstufung der MdE für den lärmbedingten Hörverlust mit 0 v. H. der Beurteilung des Gutachters Dr. Bzu folgen, der die Kriterien der unfallmedizinischen Literatur, u. a. niedergelegt im "Königsteiner Merkblatt", beachtet hat. Ausgehend von der bei geringer Schwerhörigkeit für den Versicherten günstigeren MdE-Ermittlung nach dem Tonaudiogramm (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 7.3.3.3.1 und Abbildung 11; Ziffer 4.2.2 des "Königsteiner Merkblatts") ergibt sich bei einem beiderseitigen Hörverlust im Bereich von 0 - 20 % nach wie vor nur eine MdE von 0 v. H. Eine höhere MdE ergäbe sich erst, wenn beidseits im Tonaudiogramm ein Hörverlust im Bereich von 20 - 40 % feststellbar wäre. Dies ist hier nicht der Fall. Zudem müsste eine Zunahme des Hörverlustes weit nach dem Ende der Lärmexposition von einer altersbedingten Abnahme der Hörfähigkeit abgegrenzt werden, die bei der MdE-Bewertung nicht zu berücksichtigen ist.
Hinsichtlich des beim Kläger als BK-Folge anerkannten Tinnitus kann ebenfalls keine MdE-relevante Verschlimmerung festgestellt werden. Der Gutachter Dr. B weist in seinem Gutachten vom 26. August 2008 ausdrücklich daraufhin, dass der Tinnitus in seiner Frequenz und Verdeckungslautstärke seit 2003 im unverändert gleichen Messbereich geblieben ist. Der Tinnitus ist rechts bei 3 kHz mit 80 dB (2003 70 dB) und links bei 2 kHz mit 35 dB (2003 45-50 dB) verdeckbar gewesen. Der Tinnituskurve im Gutachten des HNO-Arztes PD Dr. A vom 18. Februar 2001 ist eine Verdeckung rechts bei 3 kHz mit 60 dB und links bei 2 kHz mit 40-45 dB zu entnehmen. Die Auswirkungen eines – dekompensierten – Tinnitus auf HNO-ärztlichem Gebiet werden von Dr. B zutreffend mit einer MdE von 10 v. H. bewertet (vgl. Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 7.3.3.3.5).
Soweit Dr. B in seinem Gutachten vom 28. August 2008 noch darauf hinweist, dass beim Kläger die Empfindlichkeit gegen laute Töne stärker geworden sei, ist dem gegenüber zu stellen, dass dafür das Zahlenverstehen und Einsilberverstehen etwas besser geworden ist. Die sich im höheren Frequenzbereich ab 1 kHz zeigende geringe Verschlechterung der Hörschwelle, die in der Größe mit dem mittleren altersabhängigen Hörverlust nach DIN ISO 7029 übereinstimmt, kann bei der MdE-Bewertung – da nach dem Ende der Lärmbelastung aufgetreten und dem Alterungsprozess geschuldet - nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen ist hervorzuheben, dass bei der Untersuchung durch den HNO-Arzt L im Jahre 2004 das einfache Gesamtwortverstehenden höchst möglichen Wert ergeben hatte, d. h. ein Hörverlust danach nicht festzustellen war. Hinsichtlich der geklagten Schwindelerscheinungen hat sich auf Grund der von Dr. B durchgeführten Untersuchungen, insbesondere des Ohres und des Gleichgewichtsorganes, eine Ursache auf HNO-ärztlichem Gebiet ausschließen lassen. Vielmehr spricht der beim Kläger zu beobachtende leichte richtungswechselnde Nystagmus in Rechts- und Linkslage sowie nach schnellem Aufrichten nach Auffassung des Gutachters Dr. B eher für eine vertebragene oder zentrale Ursache. Von daher ist die auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehende MdE nach wie vor mit 10 v. H. festzustellen.
Die auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet liegenden Folgen der der Lärmschwerhörigkeit zugeordneten Tinnituserkrankung in Form einer depressiven Anpassungsstörung bedingen nach dem den Senat ebenfalls überzeugenden nervenärztlichen Gutachten des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. Hkeine höhere MdE als 10 v. H ... Eine stärkere Ausprägung der beim Kläger bestehenden psychischen Störungen konnte von Dr. Hnicht festgestellt werden.
Grundlage der Anerkennung einer depressiven Anpassungsstörung als BK-Folge war das Gutachten von Prof. Dr. G vom 01. Oktober 2001 nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. April 2002, in dem nur geringe Beeinträchtigungen und Veränderungen in Form von mäßig dysphorisch-depressiven Einengungen des affektiven Erlebens, berichteten bemerkten Verhaltensbeeinträchtigungen sowie Einengungen der Aktivität und Spontanität festgestellt wurden. Soweit der von der Beklagten gehörte nervenärztliche Gutachter R bei seiner Begutachtung im Januar 2004 eher eine deutlich rezidivierende Depression bei einer möglicherweise vorbestehenden depressiven Disposition als eine depressive Anpassungsstörung sah, deckt sich dies mit der Einschätzung des behandelnden Nervenarztes Dr. M in seinem für das Schwerbehindertenverfahren erstellten Befundbericht vom 30. Juni 2004 zur wahrscheinlich endogenen Genese der rezidivierenden depressiven Erkrankung. Auch der Sachverständige Dr. H äußert in seinem Gutachten vom 16. Juni 2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 13. Juni 2006 Zweifel an einer beruflichen (durch die Lärmschwerhörigkeit mit Tinnitus hervorgerufenen) Verursachung der in früheren Begutachtungen bzw. von den behandelnden Ärzten festgestellten depressiven Störungen bzw. Episoden im Sinne der ICD-10 Nrn. F 32 oder F 33. Eine neben der leicht ausgeprägten depressiven Anpassungsstörung bestehende bzw. diese jetzt überlagernde endogene depressive Erkrankung kann, da nicht als beruflich bedingt anzusehen, nicht in die MdE-Bewertung einfließen. Abgesehen davon, hat auch der Gutachter R keine derartige Zunahme der Ausprägung der depressiven Anpassungsstörung gesehen, dass dies Anlass zur Bildung einer höheren Gesamt-MdE als 20. v. H. geben könnte. Der von dem Sachverständigen Dr. H erhobene pyschiatrische Befund rechtfertigt nur noch die Feststellung einer Dysthymia, d. h. einer affektiven Störung im Sinne des ICD-10 Nr. F 34.1. Deren Ausprägung kann nach den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen allenfalls eine MdE von 10 v. H. bedingen. Dies entspricht auch den Bewertungen in der unfallmedizinischen Literatur, wonach für anhaltende affektive Störungen (ICD-10 Nrn. F 34 und F 38.8) mit psychisch-emotionaler Beeinträchtigung in leichter Ausprägung eine MdE bis 10 v. H. empfohlen wird (vgl. K. Foerster et. al., "Vorschläge zur MdE-Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung", MED SACH 2007, 52, 55).
Im Übrigen gilt es zu bedenken, dass Störungen der Libido bzw. der Geschlechtsfunktionen, wenn sie wie hier nicht unmittelbar organisch bedingt sind, hinsichtlich Vorhandensein und Ausmaß kaum objektivierbar sind. Soweit sie mit Wahrscheinlichkeit durch einen Arbeitsunfall bzw. eine BK verursacht worden sind, können sie in die MdE-Bewertung nur einfließen, wenn sie sich nachhaltig in einer seelischen Störung niederschlagen, da sie als solche nicht die Leistungsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben beeinträchtigen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 5.13). Abgesehen von der hier bestehenden Problematik betreffend die Feststellung des ursächlichen Zusammenhanges zwischen den vom Kläger geltend gemachten Libido-/Potenzstörungen und der Tinnituserkrankung, hinsichtlich der der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in dem Gerichtsbescheid des SG vom 14. Dezember 2006 (S. 5 und 6) verweist und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht (§ 153 Abs. 2 SGG), fehlt es hier schon am Nachweis einer - daraus resultierenden - stärkeren Ausprägung der depressiven Anpassungsstörung bzw. der beim Kläger feststellbaren psychischen Störung.
Soweit der Kläger vorträgt, seine seit Sommer/Herbst 2007 auftretenden Schwindelerscheinungen könnten ihre Ursache auch im Tinnitus oder der depressiven Erkrankung haben, fehlt es hierfür an belastbaren medizinischen Nachweisen. Allein die Beschreibung des Vorkommens von Schwindel (Gleichgewichtsstörungen) als Begleiterscheinungen bzw. mögliche Symptome einer Tinnituserkrankung oder einer depressiven Erkrankung in der Literatur reicht für den in der gesetzlichen Unfallversicherung für den Ursachenzusammenhang geltenden Beweismaßstab nicht aus. Hinsichtlich der Tinnituserkrankung vermochte der HNO-Gutachter Dr. B keinen Zusammenhang mit den beklagten Schwindelerscheinungen herzustellen. Ebenso wenig sah sich der behandelnde Nervenarzt Dr. M in der Lage, eine Verursachung durch die depressive Erkrankung positiv zu befürworten (s. Bericht vom 09. Februar 2008). Vielmehr wies er darauf hin, dass zum einen eine nutritiv-toxische Verursachung (Alkohol?) durch den Befund der FAEP-Untersuchung vom 23. November 2007 (FAEP = Frühe akustisch evozierte Potentiale; Untersuchung der Hörbahn vom Ohr bis zum Hirnstamm) nicht ausgeschlossen sei und zum anderen es multiple Ursachen für die Funktionsstörungen gebe. Bei dieser Sachlage sieht der Senat keinen Anlass, so zu sagen ins Blaue hinein Ursachenermittlung für die vom Kläger vorgetragenen Schwindelerscheinungen/Gleichgewichtsstörungen zu betreiben.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 30. September 2008 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der dem Kläger wegen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Lärmschwerhörigkeit - gewährten Verletztenrente.
Der 1949 geborene Kläger war von Mai 1969 bis April 1974 Soldat bei der Nationalen Volksarmee, anschließend war er bis April 1984 bei der Zivilverteidigung der DDR und von August 1985 bis Oktober 1990 bei der Transportpolizei der DDR beschäftigt. Seit dem 03. Oktober 1990 ist er im Polizeivollzugsdienst des Landes Berlin tätig, und zwar zunächst in Wechselschicht im Objektschutz und seit 1999 im Innendienst. Im Rahmen dieser Tätigkeiten wurde er an Schusswaffen ausgebildet, und zwar nach seinen Angaben bis 1990 überwiegend ohne Gehörschutz. Aufgrund des im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung vom 10. Oktober 1995 festgestellten Hörverlusts wurde ein Verbot der Teilnahme am Schießtraining unter Lärmeinwirkung ausgesprochen, welches im April 1997 erneuert wurde.
In ihrer ärztlichen Anzeige vom Januar 1997 äußerte die behandelnde Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO) T gegenüber der Beklagten den Verdacht auf Vorliegen einer BK Nr. 2301. Bei dem Kläger liege rechts eine verminderte Hörleistung sowie ein Tinnitus vor, letzterer sei erstmals 1996 aufgetreten. Beigefügt waren Tonaudiogramme vom 11. Oktober 1996. Die Beklagte holte u. a. Stellungnahmen zur beruflichen Belastung vom Polizeipräsidenten in Berlin vom 06. und 12. März 1997 sowie ihres Präventionsdienstes vom 22. Januar 1999 ein und zog die arbeitsmedizinischen Untersuchungsprotokolle aus den Jahren 1985 (Einstellung) sowie 1995 bis 1998 bei. Der HNO-Arzt und Audiologe Dr. med. B erstellte am 08. März 1999 ein Gutachten, in dem er einen Hörverlust nach den Empfehlungen des Königsteiner Merkblattes aus dem Sprachaudiogramm von rechts und links jeweils 0 % und nach der Tabelle von Röser (1980) aus dem Tonaudiogramm rechts von 5 % und links von 0 % ermittelte. Der Tinnitus sei als dekompensiert zu bezeichnen, so dass sich insgesamt eine MdE v. 10 v. H. ergebe. Nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme stellte die Beklagte mit Bescheid vom 05. Juli 1999 das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit als BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV fest, die Gewährung einer Verletztenrente lehnte sie jedoch ab. Im folgenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger unter Bezugnahme auf eine ärztliche Stellungnahme des Universitätsklinikums C, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie vom 01. Oktober 1999, bei der er sich in tagesstationärer Behandlung wegen eines belastungsinduzierten depressiven Syndroms befand, geltend, auch der Tinnitus sei lärmbedingt und belaste ihn psychisch stark. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, der im Oktober 1996 aufgetretene Tinnitus könne nicht auf die berufliche Lärmexposition zurückgeführt werden, da er erst nach dem Ende der beruflichen Belastung aufgetreten sei (Widerspruchsbescheid vom 09. März 2000). Das Sozialgericht (SG) Berlin zog in dem sich anschließenden Klageverfahren zum Aktenzeichen S 69 U 159/00 die für den Rentenversicherungsträger erstellten Gutachten des HNO-Arztes Dr. S vom 17. April 2000 und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 16. August 2000 sowie die Entlassungsberichte der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie der C vom 02. Dezember 1999 (tagesstationäre Behandlung vom 06. September bis zum 07. Oktober 1999, Diagnose: depressive Episode,. "Die Belastung auf Arbeit hat in jüngster Zeit zu einer Zunahme der Ohrgeräusche sowie zum Entstehen von Grübelzwängen und Schlafstörungen geführt" ...) und der H Klinik vom 09. April 2001 über die medizinische Rehabilitationsmaßnahme 08. Februar bis zum 22. März 2001 (Diagnosen: Dekompensierter Tinnitus aurium mit Hyp- und Hyperakusis, Dysthymia und gemischte Hyperlipidämie; Entlassung als arbeitsfähig) bei. Zudem veranlasste es eine Zusammenhangsbegutachtung durch den HNO-Arzt PD Dr. A sowie den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. In seinem Gutachten vom 18. Februar 2001 ermittelte PD Dr. A einen Hörverlust anhand der Sprachaudiometrie von beiderseits 0 % und aus dem Tonaudiogramm nach Röser (1980) rechts von 5 % und links von 0 %. Der rechtsseitige Tinnitus weise einen Konvergenztyp auf und sei als beruflich verursacht anzusehen, hinsichtlich des linksseitigen Tinnitus bestünden Zweifel an der beruflichen Verursachung, da er erst nach Beendigung der Lärmbelastung aufgetreten und in der Frequenz untypisch für eine Lärmschädigung sei. Die MdE betrage unter Berücksichtigung des Tinnitus 10 v. H ... Prof. Dr. G stellte in seinem Gutachten vom 01. Oktober 2001 nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. April 2002 eine beginnende hypertensive Encephalopathie mit cerebrovaskulärer Insuffizienz und psychischer Veränderung als Ausdruck einer Gefäßkomplikation, eine depressive Anpassungsstörung sowie eine Polyneuropathie ohne motorisches Defizit fest. Die depressive Anpassungsstörung sei durch den berufsbedingten Tinnitus veranlasst, jedoch hätten sich bei der Begutachtung nur mäßige Veränderungen in Form einer dysphorisch-depressiven Einengung des affektiven Erlebens, berichteten bemerkten Verhaltensbeeinträchtigungen sowie Einengungen der Aktivität und Spontanität gezeigt. Daraus resultiere eine MdE von unter 10 v. H. Durch Urteil vom 14. Juni 2002 verurteilte des SG die Beklagte, als weitere Folgen der BK Nr. 2301 einen "Tinnitus am rechten Ohr" und eine "depressive Anpassungsstörung" anzuerkennen und dem Kläger deswegen eine Verletztenteilrente nach einer MdE von 20 v. H. ab dem 06. September 1999 sowie medizinische Heilbehandlung zu gewähren. Mit Bescheid vom 04. Februar 2003 führte die Beklagte das Urteil hinsichtlich der Feststellung weiterer Folgen der BK und der Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v. H. aus.
Mit Schreiben vom 13. April 2003 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer höheren Verletztenrente wegen Verschlimmerung der BK-Folgen. Durch die wegen der Tinnituserkrankung bedingte medikamentöse Therapie hätten sich Libidoprobleme eingestellt, was zu vermehrten seelischen Störungen wie der Depression geführt habe. Die Beklagte forderte eine Stellungnahme des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M vom 08. Juli 2003 an, der über eine Behandlung des Klägers seit Juli 1998 berichtete. Seit Mai 2001 werde verstärkt eine medikamentöse Einstellung versucht, die jedoch noch nicht zu einer wesentlichen Stabilisierung geführt habe. Des Weiteren zog sie den Entlassungsbericht des Evangelischen Krankenhauses Königin E H vom 20. Juni 2003 über die teilstationäre Behandlung des Klägers vom 07. April bis zum 12. Juni 2003 (Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, ggw. mittelgradige Episode, Tinnitus; Entlassungsmedikation: Paroxetin, Carbamazepin und Trimipramin, zuvor seien Etronax, Saroten und Stilnox eingesetzt gewesen) bei. Zudem veranlasste sie eine erneute Begutachtung durch den HNO-Arzt und Audiologen Dr. B, der nunmehr einen Hörverlust im Tonaudiogramm nach Röser (1980) rechts von 15 % und links von 10 % sowie im Sprachaudiogramm nach dem gewichteten Gesamtwortverstehen beidseits jeweils von 10 % feststellte. Auch wenn sich danach die Hörminderung etwas verschlechtert habe, ergebe sich insgesamt für die leichte Schallempfindungsschwerhörigkeit eine MdE von 0 v. H. und für den dekompensierten Tinnitus nach wie vor von 10 v. H., d. h. auf HNO-ärztlichem Gebiet insgesamt eine MdE von 10 v. H. (Gutachten vom 25. November 2003). Im Auftrage der Beklagten erstellte zudem der Arzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie R unter dem 19. Januar 2004 ein Zusammenhangsgutachten. Nach den Angaben des Klägers würden sich seit zwei Jahren Eheprobleme wegen Libidominderung ergeben, die Libidoprobleme hätten sich seit der Carbamazepineinnahme verstärkt. Dieses Medikament sei hierfür bekannt, könne jedoch durch gleichwertige Medikamente mit weniger Nebeneffekten ersetzt werden. Die depressive Störung habe an Chronizität und Schwere zugenommen. Es wäre jedoch nicht zutreffend, die Depression monokausal nur auf den Tinnitus zurückzuführen. Eine gewisse vorbestehende zwanghaft-depressive Persönlichkeitsstruktur mit perfektionistischen Tendenzen, hohem Kontrollbedürfnis und hoher Verantwortungsbereitschaft begünstige eine solche Symptomfixierung und Aufmerksamkeitsbesetzung der Tinnitussymptomatik. Dadurch würden depressiv-psychoreaktive Störungen aufrechterhalten. Zudem spreche die Depressionsausprägung gegen eine reine Anpassungsstörung, sondern für eine deutliche, rezidivierende Depression bei einer möglicherweise vorbestehenden depressiven Disposition. Insgesamt sei eine Verschlechterungstendenz festzustellen, die jedoch noch nicht zu einer Erhöhung der Gesamt-MdE von 20 v. H. führe.
Mit Bescheid vom 02. März 2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 11. August 2004, lehnte die Beklagte eine Erhöhung der Verletztenrente mit der Begründung ab, ausweislich der medizinischen Feststellungen hinsichtlich der Schwerhörigkeit mit Tinnitus und der psychischen Erkrankungsproblematik sei keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten.
Mit seiner vor dem SG Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die ärztlich verordneten Medikamente (Psychopharmaka) zur Behandlung seiner anerkannten BK würden als Nebenwirkungen u. a. sexuelle Störungen wie Libidostörungen bzw. Impotenz hervorrufen. Dies beeinträchtige sein Selbstwertgefühl erheblich, so dass er auch an Depressionen verbunden mit Panik- und Angstattacken leide. Derzeit nehme er die Medikamente Paroxetin (1 x 40 mg) und Mirtazapin (1 x 45 mg) ein. Trotz dem vom Gutachter R angeregten Medikamentenwechsel von Carbamazepin auf Mirtazapin bestünden die Störungen fort.
Die Beklagte hat hierzu eingewandt, eine physische/organische Unfähigkeit den Geschlechtsverkehr aufzuführen, bestehe beim Kläger nicht. Nur dies bzw. eine völlige Zeugungsunfähigkeit könne nach herrschender unfallmedizinischer Auffassung als eine die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigende seelische Störung angesehen und entsprechend bei der MdE-Bewertung berücksichtigt werden. Dagegen sei für die im psychisch-psychologischen Bereich anzusiedelnden Libidoeinschränkungen des Klägers auf dessen Symptomfixierung hinzuweisen. Hinzukomme, dass das Nachlassen der Libido und der Potenz eine typische Begleiterscheinung des Alters sei, von der auch der 53jährige Kläger nicht verschont bleiben dürfte. Altersbedingte Veränderungen seien bei der MdE-Bemessung generell nicht zu berücksichtigen.
Das SG hat zunächst den Entlassungsbericht des Evangelischen Krankenhaus K, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie vom 26. Mai 2004 über die tagesklinische Behandlung des Klägers in der Zeit vom 15. April bis zum 25. Mai 2004 beigezogen (Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, ggw. mittelgradige Episode, Tinnitus aurium. Die bei Aufnahme verabreichte Medikation (Paroxetin 40 mg, Trimipramin 25 mg und Olanzapin 5 mg) sei anfangs fortgeführt, wegen anhaltender Schlafstörungen und Erektionsstörungen sei vorübergehend das Trimipramin auf 50 mg erhöht und die antidepressive Medikation auf Mirtazapin umgestellt worden. Auch nach Absetzen von Olanzapin und Paroxetin seien die Erektionsstörungen und der Libidoverlust anhaltend. Wegen Kopfschmerzen und Stimmungsverschlechterung sei auf Wunsch des Klägers eine erneute Umstellung der antidepressiven Medikation auf Paroxetin vorgenommen worden.) Zudem hat es aus den Akten des beim SG geführten Rentenrechtsstreits (S 6 RA 4712/01) Kopien der dort angeforderten Gutachten der Ärztin für Psychiatrie G vom 06. August 2003 nebst ergänzender Stellungnahme vom 12. Dezember 2003 und des HNO-Arztes L vom 15. Mai 2004 gefertigt und in das Verfahren eingeführt. Die Sachverständige G hat eine rezidivierende depressive Störung, ggw. leichte Episode, einen Tinnitus beidseits und ein lumboischialgieformes Schmerzsyndrom diagnostiziert und den Kläger mit gewissen Einschränkungen noch als vollschichtig leistungsfähig beurteilt. Bei ihrer Untersuchung hatte der Kläger über zunehmende Libidoschwierigkeiten und innerliche Unruhe berichtet, das Vorhandensein von diffusen und spezifischen Ängsten sowie Panikattacken habe der Kläger auf ihre dezidierte Nachfrage verneint. Der Sachverständige L hat als Diagnosen einen kompensierten, zeitweise dekompensierten Tinnitus beidseits sowie eine geringgradige Schwerhörigkeit beidseits – umgangsprachlich relevant – gestellt. Im Einzelnen hat er ausgeführt, es bestehe eine pancochleäre Perzeptionsschwerhörigkeit beiderseits. In der Sprachaudiometrie ergebe sich ein Hörverlust rechts und links von jeweils 0 %, was einer MdE von 0 v. H. entspreche. Nach dem Reintonaudiogramm ergebe sich ein Hörverlust rechts von 20 % und links von 15 %, was einer MdE von 15 v. H. entspreche. Der Tinnitus werde rechts mit einem Ton zwischen 2 und 8 kHz und links eher zwischen 4 und 10 kHz verglichen. Er sei beidseits mit einem tonalen Rauschen von etwa 10 dB über der Hörschwelle verdeckbar, so dass es sich um einen Konvergenztyp handele. Der Sachverständige hat auf die Beeinflussung der Ausbildung und Chronifizierung des Tinnitus durch die biografische Entwicklung des Klägers bzw. die darin enthaltenen Brüche, wie den Wechsel in eine seit 1990 ungeliebte Tätigkeit im Objektschutz bzw. nunmehr in den Innendienst, und die erhöhte seelisch-körperliche Anspannung hingewiesen. Er hat den Kläger als vollschichtig leistungsfähig unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Einschränkungen beurteilt.
Im Auftrag des SG hat sodann der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H den Kläger am 03. Juni 2005 nervenärztlich exploriert und untersucht. In seinem Sachverständigengutachten vom 16. Juni 2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 13. Juni 2006 hat Dr. Hdie Diagnosen gestellt: - Dysthymia - Libidoverlust. Daneben bestehe noch eine Innenohrschwerhörigkeit sowie ein Tinnitus rechts (fraglich links). Unter konsequenter nervenärztlicher Mitbehandlung habe sich inzwischen offenbar eine Stabilisierung des psychischen Zustandes eingestellt. Störungen, die den Kriterien einer depressiven Störung oder einer depressiven Episode im Sinne des ICD 10 Nr. F 32 oder F 33 entsprechen würden, hätten bei der Untersuchung nicht festgestellt werden können. Der Intention des Klägers, seine Libidostörungen als Ausdruck einer unfallbedingten depressiven Störung oder als Nebenwirkung der Behandlung derselben zu betrachten, könne nicht gefolgt werden, da Libidostörungen u. a. auch als Folge physiologischer Veränderungen im Laufe des Lebens auftreten würden. Insbesondere ließen sich deswegen verminderte Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erkennen, so dass eine Erhöhung der MdE wegen des Auftretens der geschilderten Libidostörungen nicht festzusetzen sei. Unter Berücksichtigung der Hörminderung und der anhaltenden depressiven Verstimmung, für die eine Einzel-MdE von 10 v. H. jeweils anzusetzen sei, ergebe sich eine Gesamt-MdE von 20 v. H. Für einen Libidoverlust kämen vielfältige Ursachen in Frage. Von Bedeutung sei die Einnahme von Antidepressiva wie z. B. Paroxetin, wobei hier Libidostörungen nicht als dauerhafte Nebenwirkungen einzuschätzen seien, da eine Normalisierung der sexuellen Appetenz sich grundsätzlich wieder einstelle. Neben der medikamentösen Ursache für den Libidoverlust könnte dies auch eine depressive Störung selbst sein oder der physiologische Alterungsprozess. Hier kämen alle drei Ursachen in Betracht, ohne dass die beklagten Störungen zwangsläufig einer zugeordnet werden könnten. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die depressive Störung in der geschilderten und dokumentierten Form als rezidivierend auftretende leichte bis mittelschwere Episode in keinem kausalen Zusammenhang mit der bestehenden Tinnitusproblematik zu sehen sei. Auch könne der zeitliche Verlauf nicht als Ausdruck einer sogenannten Anpassungsstörung betrachtet werden. Zudem habe der Kläger bei der Untersuchung auch Phasen der Hyperaktivität geschildert, in denen er sich stark fühle. Diese Symptomatik lasse kurzzeitige maniforme Auslenkungen des Krankheitsbildes nicht ausschließen, so dass an eine bipolare affektive Störung (ICD-10-Nr. F 31) zu denken sei. Deren Ursache sei nicht im Rahmen einer erlebnisreaktiven Verarbeitung zu sehen, da es sich um eine endogene Störung handele.
Durch Gerichtsbescheid vom 14. Dezember 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Anerkennung seiner Libidostörungen als Folgen der BK Nr. 2301 der Anlage zur BKV und auf höhere Einstufung der MdE als 20 v. H ... So könne nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H ein kausaler Zusammenhang zwischen der Libidostörung und dem Tinnitusgeschehen als Folge einer jahrelangen Läsion des Gehörs nicht angenommen werden. Dies gelte auch hinsichtlich der Libidostörung und der Medikation. So kämen für einen Libidoverlust vielfältige Ursachen in Betracht, wie eine depressive Störung oder der physiologische Alterungsprozess. Vor dem Hintergrund der gutachterlichen Feststellungen sei der Zusammenhang zwischen dem Libidoverlust des Klägers und seiner Medikation nicht hinreichend wahrscheinlich, sondern allenfalls möglich, was für die Annahme des Verursachungszusammenhanges jedoch nicht ausreiche. Gegen einen Ursachenzusammenhang spreche zudem, dass Libidostörungen keine dauerhaften Nebenwirkungen einer Medikation mit Antidepressiva seien, sich eine Normalisierung des sexuellen Appetenz grundsätzlich wiedereinstelle. Der Kläger beschreibe seine Störungen jedoch als hartnäckig und anhaltend. Zwar habe sich nach seinen Angaben bei einem Auslassversuch der Antidepressiva die Geschlechtsfunktion wieder gebessert, in der Epikrise vom 26. Mai 2004 jedoch seien die Erektionsstörungen des Klägers und der Libidoverlust auch nach Absetzung von Olanzapin und Paroxetin als anhaltend geschildert worden, was gleichermaßen für eine medikationsferne Genese spreche. Dies gelte auch für den Umstand, dass nach der Absetzung von Carbamazepin und trizyklischen Antidepressiva die Libidoprobleme fortbestanden hätten. Die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers, seine Schwerhörigkeit und der Tinnitus würden keine höhere MdE als 20 v. H. bedingen. Nach den fachpsychiatrischen Feststellungen des Dr. H, des Gutachters R wie auch der Sachverständigen G habe sich die depressive Erkrankung chronifiziert. Das Leistungsvermögen sei dadurch qualitativ, jedoch nicht quantitativ eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund sei nicht davon auszugehen, dass die auf das psychische Leiden bezogene MdE mit 10 v. H. zu niedrig bemessen sei. Zumal eine gewisse Besserung laut dem Sachverständigen Dr. H eingetreten sei. Auf HNO-ärztlichem Gebiet stünden der von Dr. B im Rentengutachten vom 25. November 2003 vorgenommenen MdE-Einschätzung nicht die Feststellungen des HNO-Gutachters L entgegen. Schließlich liege der aus der Sprachaudiometrie gewonnene prozentuale Wert des Hörverlustes, der die wesentliche Grundlage der MdE-Bemessung bilde, auch nach dessen Bewertung beidseits bei 0 %. Unter Berücksichtigung des Königsteiner Merkblattes seien die von dem Gutachter L im Tonaudiogramm ermittelten Hörverluste von 20 % rechts und 15 % links nur mit einer MdE von 0 v. H. zu bewerten. Es sei daher nicht erkennbar, dass die auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehende MdE mit einem höheren Wert als 10 v. H. einzustufen sei. Auch hier seien nur gewisse qualitative Einschränkungen bei der allgemeinen Erwerbsfähigkeit zu verzeichnen.
Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Berufung. Ihm sei eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 v. H. zu gewähren. Maßgeblich für die Bewertung der Innenohrschwerhörigkeit sei nach der unfallmedizinischen Literatur und den Kriterien des Schwerbehindertenrechts das Tonaudiogramm, so dass auf die zuletzt vom Gutachter L festgestellten Ergebnisse abzustellen und unter Einbeziehung des Tinnitus eine MdE von mindestens 20 bzw. 25 v. H. hierfür zu Grunde zu legen sei. Nach der Literatur sei ein länger als drei Monate andauernder Tinnitus als dekompensiert zu bezeichnen. Die Tinnitusproblematik sei oft verbunden mit Hörproblemen, Geräuschüberempfindlichkeit, Stress, Angst, Fixierung auf das akustische Phänomen Tinnitus, Konzentrationsmängeln, Nervosität, Unruhe und Unrast bis hin zu Schlafstörungen sowie depressiven Entwicklungen bis hin zur Gefährdung der Arbeitsfähigkeit. Dies treffe auch für ihn zu und könne den vielfältigen ärztlichen Berichten und Gutachten entnommen werden. Die seit 2001 verstärkt vorhandenen Libidostörungen seien allein der antidepressiven Medikation geschuldet, die wiederum notwendiger Teil der BK-bedingten und von der Beklagten gewährten medizinischen Behandlung sei. Sie müssten daher MdE-erhöhend berücksichtigt werden. Der Kläger hat zur Stützung seiner Auffassung u. a. Auszüge aus der Schrift "Neurologie und Psychosomatik des Tinnitus" von Wolfgang Hausotter sowie den Artikel "Medikamente als Verursacher sexueller Dysfunktionen" aus dem Dt. Ärzteblatt Heft 46, 2002 zur Akte gereicht.
Am 13. Januar 2008 hat der Kläger bei der Beklagten einen Verschlimmerungsantrag gestellt und ausgeführt, er leide nunmehr unter Schwindelerscheinungen mit Gehunsicherheit. Diese seien auf eine Schädigung des Hörnervens zurückzuführen. Die Beklagte hat nach Vorlage eines Berichts des behandelnden Nervenarztes Dr. M vom 09. Februar 2008 (Nachweis einer deutlichen allgemeinen funktionellen Störung mit Hinweisen auf subkortikale Störungen, die Verursachung könne multiform sein, HNO-ärztliche Begutachtung werde empfohlen) und eines MRT-Befundes des Schädels vom 28. November 2007 den Facharzt für HNO-Krankheiten Dr. B mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. In seinem Gutachten vom 26. August 2008 hat Dr. B nach Untersuchung des Klägers das Bestehen einer leichten Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits mit einem dekompensierten Tinnitus, unverändert zum Untersuchungsergebnis 2003, festgestellt. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen den angegebenen Schwindelerscheinungen und der anerkannten BK. Die MdE auf HNO-ärztlichem Gebiet betrage unverändert 10 v. H ... Die Beklagte hat mit Bescheid vom 30. September 2008 den Antrag des Klägers vom 13. Januar 2008 auf Erhöhung der Rente und Neufeststellung der Folgen der anerkannten BK abgelehnt, da nach den medizinischen Ermittlungen die Schwindelerscheinungen in keinem Zusammenhang mit der Lärmschädigung stünden und auch sonst keine wesentliche Änderung in den Folgen der BK eingetreten sei. Der Bescheid werde nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Gerichtsverfahrens.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2006 und den Bescheid vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2004 sowie den Bescheid vom 30. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01. Mai 2004 eine höhere Verletztenrente ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 30. Sep-tember 2008 abzuweisen.
Vorliegend sei ein Zusammenhang der vom Kläger geschilderten Libidostörungen und Schwindelerscheinungen mit der anerkannten Anpassungsstörung bzw. dem Tinnitus nicht überwiegend wahrscheinlich.
Der Senat hat die Verwaltungsakte des Schwerbehindertenverfahrens des Klägers beigezogen und hieraus u. a. Kopien des Gutachtens des Internisten Dr. T vom 11. November 2002 (Therapie: Euplix, Carbamazepin neuraxpharm 400 retard 1 x 1, Flunitrazepam ratio 1 x 1, Loxin Liquidum bei Bedarf) sowie des Befundberichts des behandelnden Nervenarztes Dr. M vom 30. Juni 2004 (Ursache der depressiven Erkrankung wahrscheinlich endogen) in das Verfahren eingeführt.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten (5 Bände), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist zum einen der Bescheid vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2004, über den das SG C mit Gerichtsbescheid vom 14. Dezember 2006 entschieden hat (§§ 157, 95 SGG) und in dem die Beklagte eine Neufeststellung der Verletztenrente wegen Verschlechterung der Folgen der anerkannten BK Nr. 2301 und unter Berücksichtigung von Libidostörungen als weitere BK-Folgen abgelehnt hatte. Zum anderen ist der Bescheid vom 30. September 2008 nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG – zumindest in analoger Anwendung - Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, da die Beklagte darin nochmals eine vom Kläger begehrte Neufeststellung der Verletztenrente wegen weiterer Verschlechterung der BK-Folgen bzw. unter Berücksichtigung von Schwindelerscheinungen als Folgen der Lärmschädigung abgelehnt hat.
Die frist– und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch ebenso wie die Klage gegen den Bescheid vom 30. September 2008 unbegründet. Der Bescheid vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2004 wie auch der Bescheid vom 30. September 2008 erweisen sich als rechtmäßig, denn der Kläger hat aufgrund der anerkannten BK Nr. 2301 keinen Anspruch auf Feststellung einer höheren MdE unter Berücksichtigung weiterer Gesundheitsstörungen als BK-Folgen und dementsprechend keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Verletztenrente.
Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung ist im Hinblick auf den in Ausführung des Urteils vom 14. Juni 2002 ergangenen Verwaltungsakt vom 04. Februar 2003 über die Gewährung einer Verletztenrente ausgehend von einer MdE i. H. v. 20 v. H. wegen der festgestellten Folgen der BK Nr. 2301 in Form einer Hörminderung, eines rechtsseitigen Tinnitus und einer depressiven Anpassungsstörung vorliegend nicht eingetreten.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf eine höhere Verletztenrente ist § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Nach Abs. 1 S. 1 dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 SGB VII).
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehört nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV die Lärmschwerhörigkeit. Die Feststellung dieser BK setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen (haftungsbegründenden) Voraussetzungen in Form einer adäquaten Lärmexposition gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK, d.h. eine Innenohrschwerhörigkeit bzw. ein Tinnitus, vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsausfüllende Kausalität). Danach müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit, ausreicht (ständige Rspr. des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. Urteile vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urteil vom 29. November 1956 - 2 RU 121/56 - in BSGE 4, 147, 149; Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 14/99 R - in SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; Urteil vom 02. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R - in SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (vgl. BSG, Urteil vom 02. Mai 2001 - B 2 U 24/00 – in SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Wie weit die Unfallfolgen bzw. die Folgen der anerkannten Berufskrankheit die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 in SozR 2200 § 581 Nr. 23; Urteil vom 26. November 1987 - 2 RU 22/87 - in SozR 2200 § 581 Nr. 27; Urteil vom 30. Juni 1998 - B 2 U 41/97 R – in SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII Rn. 10.3). Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R - in HVBG-INFO 2001, 499, 500 ff.).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann wegen der Folgen der beim Kläger anerkannten BK Nr. 2301 nach wie vor eine höhere MdE als 20 v. H. nicht festgestellt werden.
So bedingen die auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehenden Folgen der BK Nr. 2301, d. h. die Hörminderung und der Tinnitus, nach den den Senat überzeugenden Ausführungen des HNO-Arztes und Audiologen Dr. B in seinen Gutachten vom 25. November 2003 und 26. August 2008 und unter Berücksichtigung der Ergebnisse des im Rentenrechtsstreit eingeholten Gutachtens des HNO-Arztes L vom 15. Mai 2004 nach wie vor keine höhere MdE als 10 v. H ...
Die Bewertung von Hörverlusten richtet sich im Wesentlichen nach den "Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit" – "Königsteiner Merkblatt" – 4. Aufl. 1995, abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301 S. 6b ff. (BSG, Urteile vom 15. Dezember 1982 - 2 RU 55/81- in Meso B 40/24 und vom 02. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R - in SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; vgl. auch Keller, Erfahrungen mit antizipierten Sachverständigengutachten im Berufskrankheitenrecht, MED SACH 2006, 128, 130). Danach ist zur quantitativen Bewertung der Hörstörung aus den Daten der Hörprüfungen der prozentuale Hörverlust getrennt für jedes Ohr zu berechnen, Vorrang hat hierbei das Sprachaudiogramm (Ziffer 4.2 des "Königsteiner Merkblatts"). Der prozentuale Hörverlust wird nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser (1973) aus dem Gesamtwortverstehen ermittelt (Ziffer 4.2.1 des "Königsteiner Merkblatts"). Bei seiner Begutachtung im November 2003 ermittelte Dr. B einen Hörverlust aus dem Sprachaudiogramm von beidseits jeweils von 10 % und aus dem Tonaudiogramm nach Röser (1980) rechts von 15 % und links von 10 %. Nach den Feststellungen im Gutachten des HNO-Arztes L vom 15. Mai 2004 ergab sich im Sprachaudiogramm für das Gesamtwortverstehen beidseits ein maximaler Wert von 300, so dass danach der Hörverlust beidseits 0 % betrug. Den Hörverlust nach dem Reintonaudiogramm (Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980) ermittelte der Gutachter L mit rechts 20 % und links 15 %. In seinem Gutachten vom 26. August 2008 hat der Gutachter Dr. B einen Hörverlust nach dem Reintonaudiogramm (Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980) von rechts 20 % und links 5 % festgestellt. Das Gesamtwortverstehen konnte nicht bestimmt werden, da dem Kläger die Prüfung des Hörvermögens bei 100 dB zu laut war. Unter Berücksichtigung dieser zu unterschiedlichen Zeitpunkten ermittelten Hörverlustwerte bestehen keine Bedenken, hinsichtlich der Einstufung der MdE für den lärmbedingten Hörverlust mit 0 v. H. der Beurteilung des Gutachters Dr. Bzu folgen, der die Kriterien der unfallmedizinischen Literatur, u. a. niedergelegt im "Königsteiner Merkblatt", beachtet hat. Ausgehend von der bei geringer Schwerhörigkeit für den Versicherten günstigeren MdE-Ermittlung nach dem Tonaudiogramm (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 7.3.3.3.1 und Abbildung 11; Ziffer 4.2.2 des "Königsteiner Merkblatts") ergibt sich bei einem beiderseitigen Hörverlust im Bereich von 0 - 20 % nach wie vor nur eine MdE von 0 v. H. Eine höhere MdE ergäbe sich erst, wenn beidseits im Tonaudiogramm ein Hörverlust im Bereich von 20 - 40 % feststellbar wäre. Dies ist hier nicht der Fall. Zudem müsste eine Zunahme des Hörverlustes weit nach dem Ende der Lärmexposition von einer altersbedingten Abnahme der Hörfähigkeit abgegrenzt werden, die bei der MdE-Bewertung nicht zu berücksichtigen ist.
Hinsichtlich des beim Kläger als BK-Folge anerkannten Tinnitus kann ebenfalls keine MdE-relevante Verschlimmerung festgestellt werden. Der Gutachter Dr. B weist in seinem Gutachten vom 26. August 2008 ausdrücklich daraufhin, dass der Tinnitus in seiner Frequenz und Verdeckungslautstärke seit 2003 im unverändert gleichen Messbereich geblieben ist. Der Tinnitus ist rechts bei 3 kHz mit 80 dB (2003 70 dB) und links bei 2 kHz mit 35 dB (2003 45-50 dB) verdeckbar gewesen. Der Tinnituskurve im Gutachten des HNO-Arztes PD Dr. A vom 18. Februar 2001 ist eine Verdeckung rechts bei 3 kHz mit 60 dB und links bei 2 kHz mit 40-45 dB zu entnehmen. Die Auswirkungen eines – dekompensierten – Tinnitus auf HNO-ärztlichem Gebiet werden von Dr. B zutreffend mit einer MdE von 10 v. H. bewertet (vgl. Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 7.3.3.3.5).
Soweit Dr. B in seinem Gutachten vom 28. August 2008 noch darauf hinweist, dass beim Kläger die Empfindlichkeit gegen laute Töne stärker geworden sei, ist dem gegenüber zu stellen, dass dafür das Zahlenverstehen und Einsilberverstehen etwas besser geworden ist. Die sich im höheren Frequenzbereich ab 1 kHz zeigende geringe Verschlechterung der Hörschwelle, die in der Größe mit dem mittleren altersabhängigen Hörverlust nach DIN ISO 7029 übereinstimmt, kann bei der MdE-Bewertung – da nach dem Ende der Lärmbelastung aufgetreten und dem Alterungsprozess geschuldet - nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen ist hervorzuheben, dass bei der Untersuchung durch den HNO-Arzt L im Jahre 2004 das einfache Gesamtwortverstehenden höchst möglichen Wert ergeben hatte, d. h. ein Hörverlust danach nicht festzustellen war. Hinsichtlich der geklagten Schwindelerscheinungen hat sich auf Grund der von Dr. B durchgeführten Untersuchungen, insbesondere des Ohres und des Gleichgewichtsorganes, eine Ursache auf HNO-ärztlichem Gebiet ausschließen lassen. Vielmehr spricht der beim Kläger zu beobachtende leichte richtungswechselnde Nystagmus in Rechts- und Linkslage sowie nach schnellem Aufrichten nach Auffassung des Gutachters Dr. B eher für eine vertebragene oder zentrale Ursache. Von daher ist die auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehende MdE nach wie vor mit 10 v. H. festzustellen.
Die auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet liegenden Folgen der der Lärmschwerhörigkeit zugeordneten Tinnituserkrankung in Form einer depressiven Anpassungsstörung bedingen nach dem den Senat ebenfalls überzeugenden nervenärztlichen Gutachten des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. Hkeine höhere MdE als 10 v. H ... Eine stärkere Ausprägung der beim Kläger bestehenden psychischen Störungen konnte von Dr. Hnicht festgestellt werden.
Grundlage der Anerkennung einer depressiven Anpassungsstörung als BK-Folge war das Gutachten von Prof. Dr. G vom 01. Oktober 2001 nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. April 2002, in dem nur geringe Beeinträchtigungen und Veränderungen in Form von mäßig dysphorisch-depressiven Einengungen des affektiven Erlebens, berichteten bemerkten Verhaltensbeeinträchtigungen sowie Einengungen der Aktivität und Spontanität festgestellt wurden. Soweit der von der Beklagten gehörte nervenärztliche Gutachter R bei seiner Begutachtung im Januar 2004 eher eine deutlich rezidivierende Depression bei einer möglicherweise vorbestehenden depressiven Disposition als eine depressive Anpassungsstörung sah, deckt sich dies mit der Einschätzung des behandelnden Nervenarztes Dr. M in seinem für das Schwerbehindertenverfahren erstellten Befundbericht vom 30. Juni 2004 zur wahrscheinlich endogenen Genese der rezidivierenden depressiven Erkrankung. Auch der Sachverständige Dr. H äußert in seinem Gutachten vom 16. Juni 2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 13. Juni 2006 Zweifel an einer beruflichen (durch die Lärmschwerhörigkeit mit Tinnitus hervorgerufenen) Verursachung der in früheren Begutachtungen bzw. von den behandelnden Ärzten festgestellten depressiven Störungen bzw. Episoden im Sinne der ICD-10 Nrn. F 32 oder F 33. Eine neben der leicht ausgeprägten depressiven Anpassungsstörung bestehende bzw. diese jetzt überlagernde endogene depressive Erkrankung kann, da nicht als beruflich bedingt anzusehen, nicht in die MdE-Bewertung einfließen. Abgesehen davon, hat auch der Gutachter R keine derartige Zunahme der Ausprägung der depressiven Anpassungsstörung gesehen, dass dies Anlass zur Bildung einer höheren Gesamt-MdE als 20. v. H. geben könnte. Der von dem Sachverständigen Dr. H erhobene pyschiatrische Befund rechtfertigt nur noch die Feststellung einer Dysthymia, d. h. einer affektiven Störung im Sinne des ICD-10 Nr. F 34.1. Deren Ausprägung kann nach den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen allenfalls eine MdE von 10 v. H. bedingen. Dies entspricht auch den Bewertungen in der unfallmedizinischen Literatur, wonach für anhaltende affektive Störungen (ICD-10 Nrn. F 34 und F 38.8) mit psychisch-emotionaler Beeinträchtigung in leichter Ausprägung eine MdE bis 10 v. H. empfohlen wird (vgl. K. Foerster et. al., "Vorschläge zur MdE-Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung", MED SACH 2007, 52, 55).
Im Übrigen gilt es zu bedenken, dass Störungen der Libido bzw. der Geschlechtsfunktionen, wenn sie wie hier nicht unmittelbar organisch bedingt sind, hinsichtlich Vorhandensein und Ausmaß kaum objektivierbar sind. Soweit sie mit Wahrscheinlichkeit durch einen Arbeitsunfall bzw. eine BK verursacht worden sind, können sie in die MdE-Bewertung nur einfließen, wenn sie sich nachhaltig in einer seelischen Störung niederschlagen, da sie als solche nicht die Leistungsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben beeinträchtigen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 5.13). Abgesehen von der hier bestehenden Problematik betreffend die Feststellung des ursächlichen Zusammenhanges zwischen den vom Kläger geltend gemachten Libido-/Potenzstörungen und der Tinnituserkrankung, hinsichtlich der der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in dem Gerichtsbescheid des SG vom 14. Dezember 2006 (S. 5 und 6) verweist und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht (§ 153 Abs. 2 SGG), fehlt es hier schon am Nachweis einer - daraus resultierenden - stärkeren Ausprägung der depressiven Anpassungsstörung bzw. der beim Kläger feststellbaren psychischen Störung.
Soweit der Kläger vorträgt, seine seit Sommer/Herbst 2007 auftretenden Schwindelerscheinungen könnten ihre Ursache auch im Tinnitus oder der depressiven Erkrankung haben, fehlt es hierfür an belastbaren medizinischen Nachweisen. Allein die Beschreibung des Vorkommens von Schwindel (Gleichgewichtsstörungen) als Begleiterscheinungen bzw. mögliche Symptome einer Tinnituserkrankung oder einer depressiven Erkrankung in der Literatur reicht für den in der gesetzlichen Unfallversicherung für den Ursachenzusammenhang geltenden Beweismaßstab nicht aus. Hinsichtlich der Tinnituserkrankung vermochte der HNO-Gutachter Dr. B keinen Zusammenhang mit den beklagten Schwindelerscheinungen herzustellen. Ebenso wenig sah sich der behandelnde Nervenarzt Dr. M in der Lage, eine Verursachung durch die depressive Erkrankung positiv zu befürworten (s. Bericht vom 09. Februar 2008). Vielmehr wies er darauf hin, dass zum einen eine nutritiv-toxische Verursachung (Alkohol?) durch den Befund der FAEP-Untersuchung vom 23. November 2007 (FAEP = Frühe akustisch evozierte Potentiale; Untersuchung der Hörbahn vom Ohr bis zum Hirnstamm) nicht ausgeschlossen sei und zum anderen es multiple Ursachen für die Funktionsstörungen gebe. Bei dieser Sachlage sieht der Senat keinen Anlass, so zu sagen ins Blaue hinein Ursachenermittlung für die vom Kläger vorgetragenen Schwindelerscheinungen/Gleichgewichtsstörungen zu betreiben.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 30. September 2008 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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