L 10 R 1438/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 R 6664/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1438/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.02.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am 1963 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Nach dem Zuzug aus ihrem Herkunftsland, der T. , im Jahr 1978 war sie - unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Erziehung ihrer acht Kinder - als Putzfrau, zuletzt im Jahr 1996 beschäftigt. Seitdem ist sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Zur Feststellung der Einzelheiten wird auf den dem Bescheid der Beklagten vom 20.01.2003 beigefügten Versicherungsverlauf Bezug genommen.

Auf den Antrag der Klägerin vom November 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin, nachdem ein Rentenanspruch zunächst mit Bescheid vom 20.01.2003 abgelehnt worden war, mit Teilabhilfebescheid vom 14.08.2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.05.2003 bis 30.04.2004. Der Rentenbewilligung lag das Gutachten des Nervenarztes Dr. W. auf Grund einer Untersuchung der Klägerin im Juli 2003 zu Grunde. Dieser beschrieb eine mittelgradige depressive Störung, eine Anosmie unklarer Ursache und ein lokales LWS-Syndrom mit Rückenschmerzen und ging - bei weiter abklärungsbedürftigem Krankheitsbild - von einem auf unter drei Stunden täglich abgesunkenen Leistungsvermögen aus. In einem gegen die Befristung geführten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (Aktenzeichen S 5 RJ 7253/03) anerkannte die Beklagte auf der Grundlage eines im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Nervenarztes Dr. M. , Zentrum für Psychiatrie W. (chronifizierte, schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom; die Klägerin sei als nicht mehr erwerbsfähig einzustufen) einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 30.04.2006. Das Klageverfahren wurde durch Annahme des Anerkenntnisses erledigt.

Auf den Antrag der Klägerin auf Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente vom Januar 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf der Grundlage des Gutachtens des Dr. W. nach erneuter Untersuchung der Klägerin im März 2006 (neurotische Störung mit depressiven Symptomen, dissoziativen Störungen und Anpassungsstörungen, Persönlichkeitsstörung mit histrionischen Zügen, Bandscheibenprotrusion C5/6 links ohne sichere objektivierbare Reiz- oder Ausfallserscheinungen; Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt; bei erheblichem sekundären Krankheitsgewinn sei eine objektive Einschätzung der Leistungsfähigkeit nur im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme und unter genauer Beobachtung möglich) mit Bescheid vom 24.08.2006 die Rente wegen voller Erwerbsminderung weiter bis 31.10.2007. Die gegen die erneute Befristung vor dem Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage (Aktenzeichen S 22 R 9671/06) nahm die Klägerin zurück.

Vom 01.06.2006 bis 13.07.2006 wurde die Klägerin in einem von der Beklagten gewährten Heilverfahren in der Klinik A. S. , Bad N. , stationär behandelt. Im Entlassungsbericht beschrieb der Leitende Arzt, Internist Prof. Dr. Wü. , eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, eine Somatisierungsstörung, eine Agoraphobie mit Panikstörung, einen Bandscheibenvorfall C5/6 links und ein Cervical-/Lendenwirbelsäulensyndrom. Nach erfolgreicher ambulanter Psychotherapie (Zeitdauer neun bis zwölf Monate) sei ein positives Leistungsbild von drei bis sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten in wechselnder Haltung sowie in Tagesschicht ohne Akkord, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne Anforderungen an Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie Umstellungs- und Anpassungsvermögen zu erwarten.

Am 10.07.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung. In dem im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten auf Grund Untersuchung der Klägerin am 01.10.2007 diagnostizierte der Internist Dr. Si. ein chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom mit intermittierenden Cervicobrachialgien beidseits und Cervicocephalgien und Funktionseinschränkung, eine Bandscheibenvorwölbung C5/6 links ohne belangvolle Nervenwurzelreizsymptomatik, ein chronisch rezidivierendes Dorsolumbalsyndrom bei Statikfehlhaltung und muskulärer Insuffizienz mit intermittierenden Lumboischialgien beidseits und endgradiger Funktionseinschränkung ohne belangvolle Nervenwurzelreizsymptomatik und ein muskulotendinöses Schmerzsyndrom. Auf Grund der bei seiner Untersuchung erhobenen Befunde könne die Klägerin leichte bis gelegentlich mittelschwere Wechseltätigkeiten ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule und ohne Heben und Tragen schwerer Lasten vollschichtig verrichten. Der auf nervenärztlichem Fachgebiet gehörte Gutachter Dr. H. diagnostizierte eine Dysthymie, Spannungskopfschmerzen und klinisch ein Carpaltunnelsyndrom beidseits. Eine wesentliche leistungsmindernde depressive Symptomatik bestehe nicht, im Rahmen einer Serumspiegelbestimmung habe keine der angegebenen sechs verschiedenen psychotroph wirkenden Substanzen nachgewiesen werden können. Im Vergleich zu den Vorgutachten habe sich der Befund deutlich verbessert, die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Wechseltätigkeiten ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne erheblichen Zeitdruck und ohne Nachtschicht vollschichtig verrichten. Mit Bescheid vom 20.12.2007 und Widerspruchsbescheid vom 19.09.2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung ab.

Hiergegen hat die Klägerin am 06.10.2008 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben und u.a. ein Attest der behandelnden Allgemeinärztin S.-K. (die Klägerin sei auf Grund einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des rechten Armes im Rahmen einer Verschlechterung des HWS-NPP derzeit nicht in der Lage, die im Haushalt erforderlichen Tätigkeiten auszuführen) vorgelegt. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte Dr. S.-K. , Dr. v. F. und Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt und ein Gutachten von der Orthopädin Dr. B. und von Prof. Dr. T. , Leiter des Instituts für Psychiatrische Begutachtung, S. , eingeholt. Dr. S.-K. hat über Behandlungen der Klägerin wegen Depressionen, Panikattacken mit Atemnot, Schmerzen durch ein Wirbelsäulensyndrom, des Verdachts auf eine Fibromyalgie an HWS, LWS und einer Cephalgie, Gelenkschmerzen, des Verdachts auf Hyperventilation, einer chronischen Gastritis, Oberbauchbeschwerden, Sodbrennen, einem Schulter-Armsyndrom rechts und einem seit Januar 2007 bekannten, diätetisch eingestellten Diabetes mellitus berichtet. Die Klägerin könne nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Die behandelnde Neurologin Dr. v. F. hat eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome und eine Dysthymie beschrieben. Die Klägerin erhalte seit Juni 2007 wöchentlich Imap gespritzt, worunter sich die psychische Situation wesentlich gebessert habe. Sie stimme mit der Beurteilung des im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachters Dr. H. überein, die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Stehen und Gehen und im Sitzen in Tages-, Früh- und Spätschicht und auch Putztätigkeiten sechs Stunden täglich ausüben. Der Orthopäde Dr. K. hat angegeben, die Klägerin leide an einem chronisch rezidivierenden HWS-Syndrom mit intermittierenden Cervicobrachialgien beidseits und Cervicozephalgien und Funktionseinschränkung, einem chronisch rezidivierenden Dorsolumbalsyndrom bei Statikfehlhaltung und muskulärer Insuffizienz mit intermittierenden Lumboischialgien beidseits, einer Rotatorenmanschettendegeneration beider Schultergelenke und einer Präarthrose beider Hüftgelenke sowie einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode, einer Somatisierungsstörung und einer Agoraphobie mit Panikstörung. Die Klägerin sei für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei bis sechs Stunden täglich leistungsfähig. Für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit liege das maßgebliche Leiden überwiegend im neurologisch-psychiatrischen Bereich, daneben auch im orthopädischen. Dr. B. hat auf orthopädischem Fachgebiet Schmerzen im Bereich der HWS bei freier Beweglichkeit mit gelegentlicher Ausstrahlung in beide Arme ohne motorische Ausfallserscheinungen bei radiologisch geringen degenerativen Veränderungen und kernspintomographisch nachgewiesenem Bandscheibenvorfall C5/C6, eine deutliche Bewegungseinschränkung und Schmerzen im Bereich der rechten Schulter bei degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette und beginnender AC-Gelenksarthrose, Schmerzen im Bereich der linken Schulter, des rechten Handgelenks und Daumens, beider Kniegelenke, der Hüftgelenke und der Sprunggelenke bei freier Beweglichkeit und radiologisch unauffälligem Befund, Schmerzen im Bereich der LWS ohne Funktionseinschränkung, ohne Nervenwurzelreizsymptome und bei radiologisch altersentsprechendem Befund sowie Schmerzen im Bereich beider Fersen bei radiologisch nachgewiesenem Fersensporn beschrieben. Auf Grund der orthopädischen Beschwerden seien qualitative Einschränkungen (keine mittelschweren und schweren körperlichen Tätigkeiten, Vermeiden von Überkopfarbeiten und reinen Bildschirmtätigkeiten, kein Heben und Bewegen von Lasten, kein Anheben von Gegenständen in Schulterhöhe, keine Akkordarbeiten, Vermeiden einseitiger und wirbelsäulenverdrehter Haltungen, keine häufig nach vorne übergebeugten Haltungen, keine rein gehenden und stehenden Tätigkeiten, kein häufiges Treppensteigen) zu berücksichtigen, bei Beachtung dieser Einschränkung könne die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten weiterhin mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Prof. Dr. T. hat deutliche Anpassungs- und Somatisierungsstörungen sowie eine Dysthymie beschrieben, eine Depression habe nicht festgestellt werden können. Insgesamt bestehe eine leichte Verstimmung, die sicherlich mit der unguten Lebenssituation der Klägerin zu tun haben dürfte, sie bedürfe der Stützung und Hilfe, dies habe aber keinen Einfluss auf ihre Erwerbsfähigkeit aus nervenärztlicher Sicht. Die Klägerin sei imstande, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten.

Mit Urteil vom 22.02.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin erfülle weder die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), noch diejenigen für einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI. Auf Grund der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet seien, wie Dr. B. nachvollziehbar dargelegt habe, bei einer beruflichen Tätigkeit die von Dr. B. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen, was sich auch aus den Gutachten von Dr. H. und Dr. Si. ergebe. Eine rentenrelevante quantitative Minderung der Leistungsfähigkeit folge hieraus, wie Dr. B. überzeugend dargelegt habe, hingegen nicht. Auf nervenärztlichem Fachgebiet leide die Klägerin, wie Prof. Dr. T. beschrieben habe, an Somatisierungs- und Anpassungsstörungen, einer Dysthymie in Gestalt einer leichten Verstimmung sowie an Spannungskopfschmerzen. Eine darüber hinausgehende signifikante seelische Erkrankung in Gestalt einer schweren depressiven Episode bzw. einem psychovegetativen Erschöpfungssyndrom oder einer Agoraphobie mit Panikstörung bestehe in dem streitgegenständlichen Zeitraum, wie Prof. Dr. T. und Dr. H. dargelegt hätten, jedoch nicht mehr. Dies ergebe sich aus dem von Dr. H. und Dr. T. erhobenen psychischen Befund. So sei die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. H. bewusstseinsklar, zeitlich, örtlich und zur Person voll orientiert gewesen, ihr Gedankengang sei formal und inhaltlich unauffällig erschienen und es hätten sich keinerlei Anhaltspunkte für eine Psychose aus dem schizophrenen bzw. zyklothymen Formenkreis bzw. für ein höhergradiges hirnorganisches Psychosyndrom gefunden. Die mnestischen und intellektuellen Funktionen seien ausreichend gewesen, die Grundstimmung nicht wesentlich depressiv, die affektive Schwingungsfähigkeit und Psychomotorik sowie der Antrieb unauffällig. Auch bei der Untersuchung durch Prof. Dr. T. sei die Klägerin bei ordentlichem Antrieb psychomotorisch lebhaft, jederzeit bewusstseinsklar und voll orientiert gewesen. Das Denken sei formal intakt gewesen, die Klägerin habe sich um ein angepasstes, zugewandtes Verhalten bemüht. Wenngleich die Stimmungslage auch herabgesetzt gewesen sei, habe - so Prof. Dr. T. - eine depressive Verstimmung gleichwohl nicht vorgelegen. Auch der gegenüber Dr. B. geschilderte Tagesablauf (gegen 07.00 Uhr aufstehen, Frühstück für sich und die Kinder machen, bisweilen mit dem Mann spazieren gehen, zusammen mit dem Ehemann kochen, Fernsehen, Abendessen zubereiten, regelmäßig Besuche der Krankengymnastik und dreimal die Woche Nutzung eines Heimtrainers) biete keinen Anhalt für eine schwere seelische Erkrankung. Auch aus dem Entlassungsbericht über das stationäre Heilverfahren in der Klinik A. S. Bad N. ergebe sich nichts anderes. Prof. Dr. Wü. sei davon ausgegangen, dass eine Verbesserung der seelischen Leiden nach psychiatrischer Behandlung möglich sei. Eine solche Behandlung habe ausweislich der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. v. F. stattgefunden und zu einer wesentlichen Verbesserung der psychischen Situation geführt. Die Aussage des Orthopäden Dr. K. überzeuge bereits deshalb nicht, da er fachfremd das nervenärztliche Fachgebiet beurteilt habe und darüber hinaus auch keine objektiven Befunde mitgeteilt habe. Von der Klägerin beschriebene Ohnmachtsanfälle seien durch keinerlei objektiv-klinischen Befund belegt. Auch der seit dem Jahr 2007 bestehende Diabetes mellitus führe zu keiner Funktionsbeeinträchtigung oder Leistungseinschränkung, da er diätetisch eingestellt und die Stoffwechsellage stabil sei. Die Einschätzung eines weiterhin geminderten Leistungsvermögens von Seiten der behandelnden Allgemeinärztin Dr. S.-K. und des Orthopäden Dr. K. überzeuge nicht, da die angenommene zeitliche Leistungseinschränkung nicht mehr begründet werde. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin nach dem 02.01.1961 geboren sei.

Gegen das am 25.02.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.03.2010 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Feststellungen des Sozialgerichts hinsichtlich der gesundheitlichen Beeinträchtigungen aus orthopädischer und nervenärztlicher Sicht seien zu beanstanden, fehlsam sei vor allem, dass sich das Gericht auf eine Bewertung der vorgenannten Bereiche jeweils für sich alleine beschränke und eine Gesamtschau versäumt habe. Hinsichtlich der Feststellungen des Sozialgerichts zu den Problemen aus dem Bereich der Orthopädie verkenne das Sozialgericht, dass sich ihr Gesundheitszustand im streitgegenständlichen Zeitraum deutlich verschlechtert habe, was die Gegenüberstellung der leistungsmindernden Umstände im Gutachten von Dr. B. und den vorher erstellten ärztlichen Gutachten zeige. Völlig nebensächlich behandelt habe das Sozialgericht die Folgen des nachgewiesenen Bandscheibenvorfalls im Bereich der rechten und linken Schulter. Auch die Folgen des beiderseitigen Fersensporns seien nicht gebührend berücksichtigt worden. Auf nervenärztlichem Gebiet habe sich das Sozialgericht weitestgehend auf das Gutachten des Dr. T. gestützt. Dieses bestehe im Wesentlichen aus der Wiedergabe ihrer dem gerichtlichen Sachverständigen geschilderten persönlichen Situation und der Wiederholung von früheren ärztlichen Stellungnahmen. Letztere seien zum Teil auch noch unrichtig zitiert, z.B. habe Dr. v. F. als Diagnose eine schwere depressive Episode angesprochen, auf die weder der Sachverständige Prof. Dr. T. noch das Sozialgericht eingegangen seien. Da körperliche und psychische Beschwerden sehr häufig miteinander korrespondierten, hätte außerdem ein Gutachten eingeholt werden müssen, in welchem ihre Beeinträchtigungen als Gesamtschau dargestellt seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.02.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 20.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 31.10.2007 hinaus Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer, hilfsweise auf Zeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren Folgendes auszuführen:

Soweit sich die Klägerin unter Verweis auf das Gutachten von Dr. B. auf eine deutliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes beruft, verkennt sie, dass Dr. B. trotz des von ihr geltend gemachten verschlechterten Gesundheitszustandes gerade keine Anhaltspunkte für ein rentenrelevant quantitativ gemindertes Leistungsvermögen gesehen hat. Die von der Klägerin in Bezug genommenen Beschwerden von Seiten der Schultern und des Fersensporns können, wie Dr. B. überzeugend dargelegt hat, durch Beachtung qualitativer Einschränkungen hinreichend berücksichtigt werden. So hat Dr. B. hinsichtlich der rechten Schulter bei Bewegungseinschränkung infolge degenerativer Veränderungen der Rotatorenmanschette und einer geringen Acromioclavicular-Gelenksarthrose dargelegt, dass deswegen in qualitativer Hinsicht keine mittelschweren und schweren körperlichen Tätigkeiten mehr zumutbar sind, außerdem das Anheben von Lasten über 5 kg nicht mehr möglich ist und das Anheben des Armes auf über 90° und Überkopfarbeiten nicht mehr zumutbar sind. Hinsichtlich der linken Schulter hat sich - so Dr. B. - bei auch insoweit von der Klägerin beklagten Schmerzen eine völlig freie Beweglichkeit ergeben, auch hat kein Druckschmerz ausgelöst werden können, radiologisch hat sich im Bereich der linken Schulter keine Auffälligkeit gezeigt. Damit hat Dr. B. insgesamt schlüssig dargelegt, dass von Seiten der linken Schulter keine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit zu sehen ist. Auf Grund des von der Klägerin außerdem in Bezug genommenen Bandscheibenvorfalls im Bereich der Halswirbelsäule (C5/C6) sind, wie Dr. B. dargelegt hat, qualitative Einschränkungen insoweit zu berücksichtigen, als nur noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Bewegen von Lasten über 5 kg, ohne Überkopfarbeiten und ohne reine Bildschirmarbeit zumutbar sind. Eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens rechtfertigen hingegen auch die Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule nicht. Hierfür ergeben sich auch auf Grund des von Dr. B. erhobenen klinischen Befundes keine Hinweise. So ist die Halswirbelsäule bei der Untersuchung durch Dr. B. frei beweglich gewesen mit Angabe von Schmerzen bei den endgradigen Bewegungsausmaßen. Die Muskulatur im Nacken ist beidseits verspannt gewesen und die Klägerin hat über ausstrahlende Beschwerden im linken Arm geklagt und ein Kribbeln im Bereich beider Hände angegeben, welches jedoch nur kurzfristig vorhanden sei. Eine Parästhesie hat bei der Untersuchung - so Dr. B. - hingegen nicht vorgelegen, auch haben sich keine motorischen und sensiblen Ausfälle gefunden.

Auch soweit die Klägerin ihre Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet durch das Sozialgericht nicht hinreichend gewürdigt sieht, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Soweit die Klägerin geltend macht, das Sozialgericht habe seine Auffassung zu Unrecht weitestgehend auf die Feststellungen des Prof. Dr. T. gestützt, vermag auch der Senat keine Zweifel an der Schlüssigkeit der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. T. zu erkennen. Soweit die Klägerin hinsichtlich des Gutachtens von Prof. Dr. T. geltend macht, dieses bestehe im Wesentlichen aus der Wiedergabe der von ihr geschilderten persönlichen Situation, verkennt sie, dass gerade diese persönlichen Umstände und auch der vom Sozialgericht in Bezug genommene Tagesablauf einen wesentlichen Gesichtspunkt im Rahmen der Begutachtung der Leistungsfähigkeit von psychiatrischer Seite darstellen. Darüber hinaus verkennt die Klägerin, dass Prof. Dr. T. den für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht maßgeblichen psychischen Befund erhoben und dargelegt hat. Insoweit hat Prof. Dr. T. die Klägerin als jederzeit bewusstseinsklar und voll orientiert beschrieben, auch ist die Kontaktaufnahme zu ihr leicht gelungen. Prof. Dr. T. hat darüber hinaus einen ordentlichen Antrieb, eine zwar herabgesetzte Stimmungslage, aber keine depressive Verstimmung beschrieben, außerdem eine ausreichende Kontaktfähigkeit und eine mögliche emotionale Instabilität, wobei sich allerdings ein deutlich demonstratives und tendenzielles Gepräge gezeigt hat. Die Psychomotorik ist - so Prof. Dr. T. - lebhaft gewesen, das Denken durchaus intakt und die Intelligenz im Normbereich. Insgesamt hat Prof. Dr. T. damit nachvollziehbar das Vorliegen von Anpassungs- und Somatisierungsstörungen sowie einer Dysthymie, hingegen keinen Anhalt für eine Depression beschrieben. Darüber hinaus verkennt die Klägerin, dass auch die auf nervenärztlichem Fachgebiet gehörte Gutachterin im Verwaltungsverfahren, Dr. H. , keine wesentliche leistungsmindernde depressive Symptomatik feststellte und übereinstimmend mit Prof. Dr. T. eine Dysthymie, differenzialdiagnostisch wiederholte Anpassungsstörungen diagnostizierte. Übereinstimmend mit Prof. Dr. T. beschrieb auch Dr. H. ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Wechseltätigkeiten ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule und ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne erheblichen Zeitdruck und ohne Nachtschicht. Soweit sich die Klägerin für ihr Begehren auf die schriftliche sachverständige Zeugenaussage der behandelnden Neurologin Dr. v. F. , in der unter Diagnosen auch eine schwere depressive Episode aufgeführt wird, bezogen hat, verkennt sie, dass Dr. v. F. über eine wesentliche Besserung der psychischen Situation seit der wöchentlichen Behandlung mit Imap seit Juni 2007 berichtet und ihr Leistungsvermögen übereinstimmend mit Dr. H. mit sechs Stunden täglich beurteilt hat. Damit ergibt sich auch unter Zugrundelegung der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. v. F. kein rentenrelevant gemindertes Leistungsvermögen für den streitgegenständlichen Zeitraum ab November 2007.

Soweit die Klägerin außerdem meint, das Sozialgericht habe eine "Gesamtschau" versäumt und hierfür ein weiteres Gutachten einholen müssen, ist dies nicht nachvollziehbar. Das Sozialgericht hat die Gesundheitsstörungen der Klägerin sowohl auf orthopädischem als auch auf psychiatrischem und internistischem Fachgebiet umfassend gewürdigt und somit gerade die von der Klägerin in Bezug genommene "Gesamtschau" vorgenommen. Der Einholung eines weiteren Gutachtens bedurfte es daher nicht, zumal Prof. Dr. T. das Leistungsvermögen gerade auch unter Einbeziehung des orthopädischen Gutachtens von Dr. B. vorgenommen hat.

Die Klägerin kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von dem Sozialgericht genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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