L 10 R 5651/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 4484/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5651/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.12.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in P. zurückgelegte und nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannte Versicherungszeiten des Klägers einer höheren Qualifikationsgruppe zuzuordnen sind.

Der am 1960 geborene, als Vertriebener anerkannte Kläger (Vertriebenenausweis A 08315/1326 vom 29.08.1989, ausgestellt durch das Landratsamt B.-H.), schloss am 03.04.1980 die Ausbildung mit der fünfjährigen Lehrdauer auf der Basis der achtklassigen Grundschule im Schulenkomplex für Mechanik und Hüttenkunde, Hüttentechnikum in G. mit dem Titel "Techniker-Gießer" in der Fachrichtung "Gießerei" ab. Der Abschluss stellt - so das Reifezeugnis des Berufstechnikums - eine Oberschulbildung und mittlere Berufsqualifikation dar. Vom 01.09.1980 bis 15.11.1980 war der Kläger als Hütten-Techniker-Praktikant im Institut für Nichteisen-Metalle, G. , vom 17.11.1980 bis 20.12.1982 als Dreher im Kombinat für mechanische Einrichtungen "B." Untersuchungs-Entwicklungszentrum für Mechanische Einrichtungen G. , vom 31.12.1982 bis 30.09.1983 als Handwerkerspezialist (Fachhandwerker) bei der p. Staatseisenbahn, Bahnbetriebswagenwerk G. , vom 04.10.1983 bis 31.05.1986 als Gießer bei dem T "E. ", Unternehmen für den Markt und die Exportproduktion, G. , vom 04.06.1986 bis 30.06.1987 als selbstständig arbeitender Referent für Versorgungsangelegenheiten in den Mechanischen Betrieben der Papier-Industrie, K. , und vom 01.07.1987 bis zu seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland am 13.05.1989 im Unternehmen der Kommunalen und Wohnungswirtschaft, K. , zunächst bis 31.12.1988 als Inspektor für Material-Versorgungsangelegenheiten und ab 01.01.1989 als Kraftfahrer beschäftigt. Vom 12.01.1981 bis 16.12.1982 leistete der Kläger in P. den Wehrdienst ab.

Am 01.02.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Klärung seines Versicherungskontos und reichte hierzu betreffend der in P. zurückgelegten Zeiten den Wehrpass, das polnische Legitimationsbuch (Nr. 0088287 vom 17.09.1980), eine Arbeitsbescheinigung des Unternehmens der Kommunal- und Wohnungswirtschaft K. vom 31.05.1989 und das Reifezeugnis des Berufstechnikums G. ein. In diesen Unterlagen werden die oben dargelegten Ausbildungs- und Beschäftigungszeiten des Klägers bestätigt. Auf Anfrage der Beklagten gab der Kläger an, als Referent für Versorgungsangelegenheiten sei er für die Beschaffung aller für die Produktion notwendigen Materialien anhand der Materialanforderungen aus den einzelnen Abteilungen, für Bestellungen, die Überwachung der Lieferfristen für bestellte Waren und die Bearbeitung von Reklamationen zuständig gewesen. Während der Tätigkeit als Inspektor sei er mit denselben Tätigkeiten wie als Referent für Versorgungsangelegenheiten, nur als selbstständiger Mitarbeiter, außerdem mit der Prüfung der Rechnungen von gelieferten Waren und der Ausstellung von Rechnungen für verkaufte Waren befasst gewesen. Die Ausbildung zum Techniker-Gießer sei keine Voraussetzung für diesen Beruf gewesen.

Mit Bescheid vom 02.01.2006 stellte die Beklagte nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die von dem Kläger bis 31.12.1999 zurückgelegten Versicherungszeiten als für die Beteiligten verbindlich fest. Dabei berücksichtigte sie die in P. zurückgelegten Zeiten nach dem FRG auf der Grundlage des deutsch-polnischen Rentenabkommens vom 09.10.1975 (DPRA) und legte u.a. für die Zeiten vom 31.12.1982 bis 30.09.1983, 04.06.1986 bis 30.06.1987 und 01.07.1987 bis 31.12.1988 die Qualifikationsgruppe 5 zu Grunde. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2006 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 30.11.2006 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und geltend gemacht, bereits auf Grund seiner Berufsausbildung sei er in die Qualifikationsgruppe 4 einzuordnen. Im Übrigen weiche die Beklagte ohne hinreichende Begründung von der Rechtsprechung des BSG ab. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, soweit sie im angefochtenen Widerspruchsbescheid ausgeführt habe, dass eine Zuordnung einer bestimmten Qualifikationsgruppe nach Satz 2 der Anl. 13 zum SGB VI nur dann erfolgen könne, wenn es die jeweilige Berufsqualifikation in dem jeweiligen Berufsbild im jeweiligen Herkunftsland oder in der früheren DDR gegeben habe und insoweit den Ausführungen im BSG-Urteil vom 24.07.2003 (B 4 RA 61/02 R) nicht gefolgt werde, beruhe dies auf dem Ergebnis einer Sitzung der Projektgruppe FRG des Verbandes deutscher Rentenversicherungsträger vom September 2003. Nicht zu erkennen sei, dass der Kläger in den streitigen Zeiträumen Tätigkeiten ausgeübt habe, die mindestens eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 rechtfertigen könnten, insbesondere sei nicht nachvollziehbar, warum die Qualifikation "Techniker-Gießer" in der Fachrichtung Gießerei in irgendeiner Weise artverwandt mit den Tätigkeiten als "Handwerkerspezialist" bzw. "Referent" sein sollten.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.11.2008, dem Kläger am 03.12.2008 zugestellt, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 04.12.2008 Berufung eingelegt. Er macht geltend, es sei abwegig, wenn das Sozialgericht aus den Bezeichnungen "Handwerkerspezialist", "selbstständig arbeitender Referent für Versorgungsangelegenheiten" und "Inspektor für Material-Versorgungsangelegenheiten" auf angelernte Tätigkeiten schließe. Um sich ein Bild über die tatsächlichen Tätigkeiten des Klägers zu verschaffen, hätte das Sozialgericht den Kläger persönlich anhören müssen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.12.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 02.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2006 abzuändern und für die Zeiten vom 31.12.1982 bis 30.09.1983, 04.06.1986 bis 30.06.1987 und 01.07.1987 bis 31.12.1988 die Quali-fikationsgruppe 4 der Anl. 13 zum SGB VI zu Grunde zu legen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hat den Inhalt seiner Tätigkeit in den streitgegenständlichen Zeiträumen gegenüber dem Senat schriftlich und mündlich in einem Erörterungstermin vor der Berichterstatterin erläutert. Dabei hat der Kläger angegeben, als Handwerkerspezialist seien die Vorarbeiter bei der p. Bahn bezeichnet worden. Er habe dort Leiter eine Abteilung werden sollen, in der Maschinen zur Überholung von Waggonrädern angeschafft werden sollten. Dazu sei er in eine andere Firma zu einem sechsmonatigen Kurs geschickt worden, wo er in der Bedienung der Maschinen angelernt worden sei. Als sich herausgestellt habe, dass die Maschinen nicht vorhanden seien bzw. nicht angeschafft werden konnten, habe er gekündigt. Bis zum Ende der Beschäftigung habe er eine Kolonne geführt, die Reparaturarbeiten an Waggons durchgeführt habe, hierbei habe es sich überwiegend um Schweißer bzw. Schreiner gehandelt.

In der Zeit vom 04.06.1986 bis 30.06.1987 sei er in einer Firma, die die Reparatur und Überholung von Maschinen in der Papierbranche als Aufgabengebiet gehabt habe, für die Materialbeschaffung und den Einkauf zuständig gewesen. Er habe auf Grund der Bestellungen der hausinternen Gruppen das Material zu besorgen gehabt, wobei hierfür Beziehungen und ein Geschick, zu Handeln erforderlich gewesen sei. Auch seien Kenntnisse von den einzusetzenden Stahlmaterialien erforderlich gewesen. Außerdem habe er die Rechnungen zu prüfen gehabt.

In die Tätigkeit von Juli 1987 bis 31.12.1988 habe er gewechselt, weil er ein renovierungsbedürftiges Haus gekauft habe und er über seine neue Tätigkeit die Möglichkeit gehabt habe, Flaschengas und Baumaterialien für seinen Eigengebrauch zu beschaffen, woran er sonst nicht gekommen wäre. Bei dieser Tätigkeit habe er teilweise noch eine Verbindung zu Stahl, z.B. Baustahl gehabt, habe aber auch andere Materialien einkaufen müssen, nebenher sei er auch selbst mit dem LKW zur Materialbeschaffung gefahren. Anschließend sei er in eine Kraftfahrertätigkeit gewechselt, weil diese besser bezahlt gewesen sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die von dem Kläger in P. zurückgelegten Versicherungszeiten sind in den angefochtenen Bescheiden zutreffend bewertet.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 149 Abs. 5 SGB VI. Die Bestimmung findet gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI Anwendung und zwar unabhängig davon, ob der Sachverhalt, auf den sich der Anspruch gründet, bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes vorgelegen hat (BSG, Urteil vom 17.11.1992, 4 RA 15/91 in SozR 3-2600 § 56 Nr. 4).

Nach § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (so genannter Vormerkungsbescheid). Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird hingegen erst bei Feststellung einer Leistung entschieden (Satz 2 der Vorschrift). Zweck dieses Verfahrens und insbesondere des Vormerkungsbescheides ist eine Beweissicherung hinsichtlich derjenigen Tatsachen, die in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können, was sich nach der im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültigen materiell-rechtlichen Regelung beurteilt (BSG, Urteil vom 24.10.1996, 4 RA 108/95 in SozR 3-2600 § 58 Nr. 9).

Die Ansprüche des Klägers beurteilen sich (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.1998, B 4 RA 91/97 R) nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik P. über Renten- und Unfallversicherung vom 09.10.1975 (BGBl. II 1976 S. 396), das auf Grund des Zustimmungsgesetzes vom 12.03.1976 (BGBl. II S. 393) in innerstaatliches Recht transformiert und am 01.05.1976 in Kraft getreten ist (BGBl. II S. 463). Das Abkommen vom 09.10.1975 (nachfolgend DPSVA 1975) wurde nicht durch das spätere Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik P. über soziale Sicherheit vom 08.12.1990 (BGBl. II 1991 S. 743) verdrängt bzw. ersetzt, das durch das Gesetz vom 18.06.1991 (BGBl. II S. 741) in innerstaatliches Recht transformiert worden und am 01.10.1991 in Kraft getreten ist (BGBl. II S. 1072). Nach den Übergangs- und Schlussbestimmungen des Abkommens vom 08.12.1990 (nachfolgend DPSVA 1990) findet das DPSVA 1975 weiterhin u.a. auf Personen Anwendung, die vor dem 01.01.1991 in einem Vertragsstaat auf Grund des Abkommens von 1975 Ansprüche und Anwartschaften erworben und die auch nach dem 31.12.1990 ihren Wohnort im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaates beibehalten haben (Art. 27 Abs. 2 Satz 1 und 2 DPSVA 1990). Dies trifft auf den Kläger zu. Eine andere Rechtsgrundlage ergibt sich auch nicht durch den Beitritt von P. zur Europäischen Gemeinschaft am 01.05.2004 und auch nicht durch das Inkrafttreten der die EWG-Verordnung Nr. 1408/71 ablösenden Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (VO 883/2004) zum 01.05.2010.

Nach Art. 6 der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 traten zwar grundsätzlich die Regelungen des Gemeinschaftsrechts an die Stelle von zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen über soziale Sicherheit. Dies galt jedoch nur, soweit die Art. 7, 8 und 46 Abs. 4 der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 nichts anderes bestimmten. Nach Art. 7 Abs. 2 Buchstabe c dieser Verordnung blieben die in Anlage III aufgeführten Bestimmungen der Abkommen über soziale Sicherheit anwendbar. Unter A Nr. 16 a) der Anlage III der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 ist das Abkommen vom 09.10.1975 über Renten- und Unfallversicherung, unter den in Art. 27 Absätze 2 bis 4 des Abkommens vom 08.12.1990 über soziale Sicherheit festgelegten Bedingungen aufgeführt. Der Geltungsbereich der Abkommen über soziale Sicherheit, die auf Grund von Art. 7 Abs. 2 Buchstabe c) weiterhin anwendbar sind, wurde auf alle von dieser Verordnung erfassten Personen erstreckt, soweit Anhang II nicht anderes bestimmt (Art. 3 Abs. 3 der EWG-Verordnung Nr. 1408/71). Letzteres ist hier nicht der Fall.

Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der zum 01.05.2010 in Kraft getretenen VO 883/2004 tritt diese an die Stelle aller zwischen den Mitgliedsstaaten geltenden Abkommen über soziale Sicherheit. Einzelne Bestimmungen von Abkommen über soziale Sicherheit, die von den Mitgliedsstaaten vor dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung geschlossen wurden, gelten jedoch fort, sofern sie für die Berechtigten günstiger sind oder sich aus besonderen historischen Umständen ergeben und ihre Geltung zeitlich begrenzt ist (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO 883/2004). Um weiterhin Anwendung zu finden, müssen diese Bestimmungen in Anhang II der Verordnung aufgeführt sein (Art. 8 Abs. 1 Satz 3 VO 883/2004). Nach dem durch Verordnung (EG) Nr. 988/2009 vom 16.09.2009 zur Änderung der VO 883/2004 geänderten Anhang II bleibt das DPSVA 1975 über Renten- und Unfallversicherung unter den in Art. 27 Abs. 2 bis 4 des Abkommens über soziale Sicherheit vom 08.12.1990 festgelegten Bedingungen (Beibehaltung des Rechtsstatus auf der Grundlage des Abkommens von 1975 der Personen, die vor dem 01.01.1991 ihren Wohnsitz auf dem Hoheitsgebiet Deutschlands oder P. s genommen hatten und weiterhin dort ansässig sind) weiterhin in Kraft. So liegt der Fall hier.

Nach Art. 4 Abs. 2 DPSVA 1975 berücksichtigt der Versicherungsträger des Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt (Wohnstaat), bei der Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so, als ob sie im Gebiet des Wohnstaates zurückgelegt worden wären, wobei dies auch für vor Inkrafttreten des DPSVA zurückgelegte Zeiten gilt (Art. 15 Abs. 2 DPSVA 1975). Dementsprechend legte die Beklagte der Rentenberechnung die vom Kläger in P. zurückgelegten Versicherungszeiten zu Grunde.

Nach Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes vom 12.03.1976 in der Fassung durch Art. 20 Nr. 2 des Rentenreformgesetzes vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2375) und des Gesetzes vom 18.06.1991 (a.a.O.) sind Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, bei der Feststellung einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG) und des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) zu berücksichtigen, solange der Berechtigte - was hier der Fall ist - im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 02.10.1990 wohnt.

Nach Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 3 FANG in der Fassung des Rentenreformgesetzes ist das FRG uneingeschränkt anzuwenden, wenn der Berechtigte bis zum 30.06.1990 einen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet genommen hat, ohne in ein Herkunftsgebiet zurückgekehrt zu sein und wenn ein Anspruch auf Zahlung einer Rente erstmals für einen Zeitraum nach dem 31.12.1995 besteht.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn der Kläger übersiedelte im Mai 1989 in das Gebiet der alten Bundesrepublik Deutschland, ein Rentenanspruch steht ihm bislang nicht zu. Damit kommt der Vertriebeneneigenschaft des Klägers für die Anwendung des FRG keine gesonderte Bedeutung zu.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG werden für Zeiten der in §§ 15 und 16 FRG genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs.1 Satz 1 1. Halbsatz und Satz 8 SGB VI ermittelt. Hierzu werden als Beitragsbemessungsgrundlage für ein Kalenderjahr einer Vollzeitbeschäftigung die Durchschnittsverdienste berücksichtigt, die sich nach der Einstufung der Beschäftigten in eine der in Anl. 13 genannten Qualifikationsgruppen (§ 256b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) und nach - hier nicht streitiger - Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anl. 14 genannten Bereiche (§ 256b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) für dieses Kalenderjahr ergeben.

Zu der die Facharbeiter erfassenden Qualifikationsgruppe 4 gehören Personen, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen auf Grund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufs entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind.

Hingegen zählen zu der den Personenkreis der angelernten und ungelernten Tätigkeiten erfassenden Qualifikationsgruppe 5 Personen, die in der Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes abgeschlossen haben und im Besitz eines entsprechenden Zeugnisses sind (Nr.1), Personen, die in einer produktionstechnischen oder anderen speziellen Schulung für eine bestimmte Tätigkeit angelernt worden sind (Nr. 2) und Personen ohne Ausbildung oder spezielle Schulung für die ausgeübte Tätigkeit (Nr. 3).

Kommen nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Qualifikationsgruppen in Betracht, ist die Qualifikationsgruppe mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich; ist die Zuordnung zu einer oder mehreren Qualifikationsgruppen nicht möglich, erfolgt die Zuordnung zu der niedrigsten, also zu Qualifikationsgruppe 5 (§ 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 5, 6 FRG).

Nach dem der Definition der fünf Qualifikationsgruppen der Anl. 13 zum SGB VI vorangestellten Satz 1 sind Versicherte in eine der nachstehenden Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Nach Satz 2 erfolgt die Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe auch dann, wenn Versicherte auf Grund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben haben, die üblicherweise denen von Versicherten einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen. Beide vorangestellten Sätze sind, ebenso wie die folgenden Merkmale der fünf Qualifikationsgruppen, Tatbestandsmerkmale des § 22 Abs. 1 FRG (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.2003, B 4 RA 26/02 R in SozR 4-2600 § 256b Nr.1 und vom 24.07.2003, B 4 RA 61/02 R SozR 4-2600 § 256b Nr. 2).

Das gesetzliche Erfordernis der gleichzeitigen Ausübung einer der jeweiligen Qualifikationsgruppe "entsprechenden Tätigkeit" steht nicht in einem Vorrang-/Nachrangverhältnis zur erworbenen Qualifikation, sondern ist gleichwertig zu lesen und gleichermaßen im Streitfall vom Gericht festzustellen. Das Tatbestandsmerkmal dient nicht nur dazu, Fällen eines "augenscheinlichen Missverhältnisses" zwischen erworbener Qualifikation und tatsächlicher Beschäftigung zu begegnen und es genügt auch nicht, dass die tatsächliche Beschäftigung mit den Ausbildungsinhalten lediglich "in etwa" übereinstimmt. Ausreichend ist dagegen eine Übereinstimmung "im Wesentlichen" (BSG, a.a.O.).

Die Qualifikationsgruppen spiegeln in direkter Anwendung die Berufswelt in der DDR wider (BT-Drucks. 12/405, S. 137). Auf Grund der in § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG angeordneten Anwendung des § 256b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI auch auf alle Beschäftigten in den verschiedenen Vertreibungsgebieten, die nur eine sinngemäße sein kann, sind die Tatbestandsmerkmale der Qualifikationsgruppen in dem Sinn zu lesen, dass anstelle der DDR das jeweilige Vertreibungsgebiet einsetzt wird (BSG, Urteil vom 24.07.2003, a.a.O.).

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Kläger, für die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 eine einem Facharbeiter entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausüben und die für diese Tätigkeit erforderliche Qualifikation entweder über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf oder auf Grund langjähriger Berufserfahrung unter Zugrundelegung der Berufswelt seines Herkunftslandes, P. , erworben haben musste. Dies ist für die streitigen Zeiträume nicht der Fall.

Der Kläger hat auf Grund der Ablegung der Reifeprüfung am 3. April 1980 die Qualifikation eines "Techniker-Gießers" in der Fachrichtung "Gießerei" erlangt. Diese Ausbildung entspricht - so die Ausführungen im Reifezeugnis des Berufstechnikums vom 30.05.1980 - einer Oberschulbildung und mittleren Berufsqualifikation und stellt damit eine Facharbeiterqualifikation dar (vgl. Müller, DAngVers 1995, 354 ff.). Entgegen der Auffassung des Klägers ist allerdings diese Facharbeiterqualifikation nicht ausreichend für die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4. Voraussetzung ist vielmehr - wie oben dargelegt - auch, dass er eine dieser Ausbildung entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat. Dies ist in den streitgegenständlichen Zeiträumen nicht der Fall. Denn der Kläger war vom 31.12.1982 bis 30.09.1983, 04.06.1986 bis 30.06.1987 und 01.07.1987 bis 31.12.1988 nicht als "Techniker-Gießer", sondern als "Handwerker-Spezialist", "Referent für Versorgungsangelegenheiten" und "Inspektor für Material-Versorgungsangelegenheiten" tätig.

Der Senat vermag sich auch nicht davon zu überzeugen, dass es sich bei diesen Tätigkeiten um eine im Wesentlichen mit den Ausbildungsinhalten eines Techniker-Gießers übereinstimmende Tätigkeit handelte.

Bei der Tätigkeit als "Handwerkerspezialist" handelte es sich nach den Angaben des Klägers um eine Beschäftigung als Vorarbeiter bei der Bahn in einer Abteilung, in der Maschinen zur Überholung von Waggonrädern angeschafft werden sollten. Eine derartige Tätigkeit übte der Kläger jedoch nach seinen eigenen Angaben tatsächlich nie aus, denn er wurde zunächst in eine andere Firma zu einem sechsmonatigen Kurs geschickt, wo er in der Bedienung der Maschinen angelernt wurde. Nach seiner Rückkehr ins Werk übte er dann allerdings nicht diese angelernten Tätigkeiten aus, da die Maschinen tatsächlich nicht angeschafft wurden. Bis zu seiner Kündigung verblieb der Kläger noch zwei Monate im Betrieb, wobei er nach seinen Angaben eine Kolonne führte, die Reparaturarbeiten an Waggons durchführte, wobei die Arbeiten überwiegend von Schweißern und Schreinern ausgeübt wurden. Ausgehend von den eigenen Angaben des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich insoweit um eine einer Qualifikation als Gießer entsprechende Tätigkeit handelte. Dies ergibt sich für die ersten sechs Monate seiner Tätigkeit als "Handwerkerspezialist" bereits daraus, dass der Kläger während dieser Zeit einen Kurs zur Anlernung in der Bedienung der Maschinen absolvieren musste, sodass insoweit nicht auf erhebliche Vorkenntnisse des Klägers aufgrund seiner Berufsausbildung geschlossen werden kann. Auch hinsichtlich der letzten beiden Monate der Beschäftigung als "Handwerkerspezialist" ist eine wesentliche Übereinstimmung mit der erlernten Tätigkeit als Gießer nicht ersichtlich, da es sich bei dieser Tätigkeit, ausgehend davon, dass überwiegend Schweißer und Schreiner eingesetzt wurden, nicht um Gießereiarbeiten, sondern um Schweißer- bzw. Schreinertätigkeiten handelte.

Hinsichtlich der Tätigkeiten als "Referent für Versorgungsangelegenheiten" und "Inspektor für Material-Versorgungsangelegenheiten" hat die Beklagte zu Recht geltend gemacht, dass der Kläger insoweit von einer Tätigkeit als Arbeiter in eine Angestelltentätigkeit wechselte. Denn nach seinen Angaben hatte er als Referent für Versorgungsangelegenheiten in einer Firma, die Reparatur- und Überholungsarbeiten von Maschinen der Papierbranche ausführte, das Aufgabengebiet der Materialbeschaffung und des Einkaufs. Zwar hat der Kläger angegeben, dass für diese Tätigkeit jemand aus der Metallbranche bzw. Stahlbranche gesucht wurde, allerdings ergibt sich im Hinblick auf die von dem Kläger geschilderten Aufgabengebiete (auf Grund von Bestellungen der hausinternen Gruppen Material besorgen) keine der erlernten handwerklichen Tätigkeit als Gießer entsprechende Tätigkeit, vielmehr handelte es sich um kaufmännische Tätigkeiten. Auch wenn für die Ausführung der Bestellungen Kenntnisse im Bereich der einzusetzenden Stahlmaterialien erforderlich waren, handelt es sich insoweit nur um ein Teilgebiet, auf dem der Kläger gegebenenfalls auch während seiner Berufsausbildung erworbene Kenntnisse einsetzen konnte. Über eine dem wesentlichen Teil der Tätigkeit entsprechende kaufmännische Qualifikation verfügte der Kläger hingegen nicht. Kenntnisse nur auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufs genügen nach der oben dargelegten Definition der Qualifikationsgruppe 4 aber gerade nicht, um die Tätigkeit des Klägers dieser Qualifikationsgruppe zuzuordnen.

Bei der Tätigkeit als "Inspektor für Material-Versorgungsangelegenheiten" gehörte zum Aufgabengebiet des Klägers - so seine Angaben - zwar zum Teil auch der Einkauf von Baustahl, allerdings musste er auch andere Materialien einkaufen und fuhr teilweise selbst mit dem LKW zur Materialbeschaffung. Auch insoweit ist allenfalls in einem kleinen Teilbereich eine Überschneidung mit den während der Ausbildung zum Gießer erworbenen Kenntnissen ersichtlich, sodass auch insoweit entsprechend den o.a. Grundsätzen eine Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 4 nicht in Betracht kommt. Im Übrigen war nach dem Angeben des Klägers für den Wechsel in die Tätigkeit als "Inspektor für Material-Versorgungsangelegenheiten" auch nicht wesentlich, dass dies seinem ursprünglichen Ausbildungsberuf entsprach, sondern dass er über den Bauhof, in dem er beschäftigt war, Material für das von ihm gekaufte, renovierungsbedürftige Haus (z.B. Flaschengas, Baumaterialien) besorgen konnte.

Letztlich kommt eine Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 4 auch nicht auf Grund langjähriger Berufserfahrung in den während des streitgegenständlichen Zeitraums ausgeübten Tätigkeiten in Betracht. Die Tätigkeit als "Handwerkerspezialist" übte der Kläger nur neun Monate aus, auch die dem kaufmännischen Bereich zuzuordnenden Tätigkeiten als "Referent für Versorgungsangelegenheiten" bzw. "Inspektors für Material-Versorgungsangelegenheiten" übte er nur für einen relativ kurzen Zeitraum von Juni 1986 bis Mai 1989, also insgesamt etwa drei Jahre aus. Die Dauer der tatsächlichen Berufsausübung überstieg damit nicht die für eine entsprechende Berufsausbildung erforderliche Zeit, weshalb nicht von einer langjährigen Berufserfahrung ausgegangen werden kann.

Insgesamt kann sich der Senat damit nicht davon überzeugen, dass der Kläger während der streitgegenständlichen Zeiträume eine einem Facharbeiter entsprechende und damit in die Qualifikationsgruppe 4 einzuordnende Tätigkeit ausgeübt hat, weshalb nur eine Zuordnung zur niedrigsten Qualifikationsgruppe, also zu Qualifikationsgruppe 5 in Betracht kommt. Die Frage ob - so die Auffassung der Beklagten - entgegen der Entscheidung des BSG vom 24.07.2003 (a.a.O.) eine Zuordnung einer bestimmten Qualifikationsgruppe nach Satz 2 der Anl. 13 zum SGB VI nur dann erfolgen kann, wenn es die jeweilige Berufsqualifikation in dem jeweiligen Berufsbild im jeweiligen Herkunftsland oder in der früheren DDR gegeben hat, ist vorliegend somit nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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