L 13 AS 1926/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 12 AS 4212/06
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1926/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klagen gegen die Bescheide der Beklagten vom 26. Mai 2009 werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 9. Dezember 2005 bis zum 23. August 2006 höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß § 19 SGB II ohne Berücksichtigung des dem Kläger bis zum 31. Juli 2006 gezahlten Kindergeld sowie des bis 31. Juli 2006 gezahlten Existenzgründungszuschusses zu zahlen hat.

Der 1964 geborene, verheiratete Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und als Antiquitätenhändler selbständig. Er bezog vom 1. August 2005 bis zum 31. Juli 2006 von der Bundesagentur für Arbeit einen Existenzgründungszuschuss gem. § 421l SGB II in Höhe von monatlich 240,00 Euro; im Jahr 2005 und 2006 hatte er gemäß den Gewinnfeststellungsbescheiden des Finanzamtes F. (jeweils vom 24. Mai 2007) kein sonstiges Einkommen. Im Jahr 2004 hatte der Kläger noch ein Gesamteinkommen aus Gewerbebetrieb von 18.265 Euro. Dem Kläger wurde bis 31. Juli 2006 Kindergeld für seine beiden am 30. November 1992 und 28. Februar 1994 geborenen, jedoch im I. lebenden Kinder in Höhe von monatlich 308 Euro gezahlt.

Der Kläger lebt in einem gemieteten, 22m2 großen Zimmer für das er bis 31. Dezember 2005 eine Warmmiete von 250,00 Euro, ab 1. Januar 2006 eine Warmmiete in Höhe von 280,00 Euro zu zahlen hatte. Der Kläger ist von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung befreit; er hat für eine private Krankenversicherung bei der G. Ersatzkasse 175,09 Euro sowie für die freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung 78,37 Euro monatlich zu bezahlen.

Der Kläger besitzt eine kapitalbildende Lebensversicherung bei der R. V ... (Versicherungsnummer:) mit einem Rückkaufswert von 692,00 Euro zum 31. Dezember 2005 (Stand 1. Oktober 2006: 1.120,10 Euro) sowie einen Bausparvertrag bei der L.B.S mit einem Bausparguthaben von 1.212,88 Euro (Stand 31. Dezember 2004).

Die Ehefrau des Klägers und die beiden Kinder leben im I., wo die Kinder von der Familie der Ehefrau versorgt und unterhalten werden sowie eine Privatschule besuchen. Ehefrau und Kinder hielten sich in der Zeit vom 20. Mai 2006 bis zum 28. September 2006 "beim Kläger" in Deutschland auf.

Den Antrag des Klägers vom 9. Dezember 2005 auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2006 ab; der Kläger erziele anzurechnendes monatliches Einkommen in Höhe von (372,14 Euro, die sich aus einer Aufteilung des im Jahr 2004 erzielten Gewinns in Höhe von 4.465,78 auf 12 Monate ergäben abzüglich 175,09 Euro für die Krankenversicherung sowie 79,37 Euro für die Rentenversicherung, zuzüglich 240,00 Euro Existenzgründungszuschuss sowie 308,00 Euro Kindergeld) 666,68 Euro, das auch unter Abzug einer Pauschale von 30,00 Euro seinen Bedarf in Höhe von (345,00 Euro zuzüglich Kaltmiete 220,00 Euro, Heizkosten 9,77 Euro und Mietnebenkosten 29,49 Euro) 604,26 Euro monatlich übersteige. Hilfebedürftigkeit bestehe damit nicht. Ab dem 24. August 2006 hat die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag vom selben Tag hin mit Bescheid vom 13. September 2006 Leistungen bewilligt.

Der Kläger hat gegen die Leistungsablehnung ab dem 9. Dezember 2005 am 24. August 2006 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Er habe sich Geld leihen müssen, so z.B. mit Quittung vom 24. August 2006 einen Betrag von 4.000,00 Euro von Herrn H. B., um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Bis Ende Juni habe er Kindergeld in Höhe von 308,00 Euro erhalten, das er an seine getrennt lebende Ehefrau habe weiterleiten müssen. Er habe monatlich Beträge zwischen 400,00 und 500,00 Euro über Mittelsmänner in bar an seine Kinder weitergegeben. Die Berücksichtigung des bezogenen Kindergeldes und des Existenzgründungszuschusses als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II sei fehlerhaft. Seien die Kinder Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, dann sei das Kindergeld im Regelfall wegen § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Einkommen des Kindes zu verstehen. Weder liege ein solcher Fall vor, noch der des § 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG-II-VO, nach dem Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen nicht als Einkommen anzurechnen sei, wenn es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet werde. Ganz offensichtlich handele es sich um eine Regelungslücke. Diese sei durch eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II oder des § 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG-II-VO zu schließen. Im Übrigen käme eine Berücksichtigung des Kindergeldes auch deswegen nicht in Betracht, weil es bei dem Kindergeld bereits an einer bedarfsbezogenen Verwendungsmöglichkeit fehle. Der Kläger sei seinen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig; die Unterhaltspflicht entfalle nicht wegen eines vorübergehenden Aufenthalts der Kinder im Ausland.

Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2007 hat die Beklagte gegenüber dem SG erklärt: "Die Beklagte ist nach erneuter Prüfung der Rechtslage zu dem Ergebnis gekommen, dass der Existenzgründungszuschuss nicht als Einkommen anzurechnen ist. Insoweit kann dem klägerischen Begehren Rechnung getragen werden." Der Kläger hat erklärt, dieses "Teilanerkenntnis" anzunehmen.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 23. März 2009 den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 1. August 2006 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 9. Dezember 2005 bis einschließlich 23. August 2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in gesetzlicher Höhe zu gewähren, jedoch im Zeitraum vom 9. Dezember 2005 bis einschließlich 31. Juli 2006 unter Anrechnung des monatlichen Kindergeldes in Höhe von 308,00 Euro als Einkommen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat ausgeführt, über die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses nicht mehr entscheiden zu müssen. Zwar liege kein Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG vor, denn bei der Frage der Anrechnung von Einkommen handele es sich um einen Faktor bei der Hilfebedürftigkeitsprüfung, nicht um den Hilfeanspruch selbst. Jedoch sei die hierüber zwischen den Beteiligten erzielte Einigung prozessual zu berücksichtigen als über die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses keine Entscheidung mehr getroffen werden solle. Aufgrund der Einigung habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausdrücklich eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Frage der Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen vorgenommen, woran das Gericht nach § 123 SGG gebunden sei. Das dem Kläger vom 9. Dezember 2005 bis zum 31. Juli 2006 für seine im Ausland lebenden Kinder zugeflossene Kindergeld in Höhe von 308,00 Euro sei sowohl für den Zeitraum, in dem sich die Kinder im I., als auch für den Zeitraum, in dem sich die Kinder beim Kläger aufgehalten hätten, als Einkommen anzurechnen. Auch wenn § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der bis 30. Juni 2006 anzuwendenden Fassung das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft nicht voraussetze, folge die Notwendigkeit des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft auch für den Zeitraum vor dem 1. Juli 2006 daraus, dass das Kindergeld als Einkommen nur dann dem Kind zuzurechnen sei, wenn es einem Elternteil als Kindergeldberechtigtem gezahlt werde, das Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei. Dies habe der Gesetzgeber mit der Einfügung der "Bedarfsgemeinschaft" in den Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558) klargestellt. Eine Bedarfsgemeinschaft setze gem. § 7 Abs. 3 SGB II das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft voraus, die während der Zeit in der die Kinder des Klägers im I. verweilten nicht vorgelegen habe. Aber auch in der Zeit in der sich die Kinder in Deutschland aufgehalten hatten, liege eine solche Haushaltsgemeinschaft nicht vor. Seine Frau und die Kinder hätten während des Aufenthalts in Deutschland nicht beim Kläger gewohnt, Vereinbarungen über die regelmäßige Ausübung des Umgangsrechts hätten nicht bestanden und es sei nicht zu erkennen, dass sich die Kinder regelmäßig beim Kläger aufgehalten und der Kläger sie versorgt hätte. Eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II oder des § 1 Abs. 1 Nr. 8 ALG-II-VO sei nicht möglich, denn es fehle an der Vergleichbarkeit der vorliegenden mit den gesetzlich geregelten Fallkonstellationen. Im Übrigen sei die Berücksichtigung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit des Klägers rechtswidrig, da dieser ausweislich der Gewinnfeststellungsbescheide des Finanzamtes Freiburg-Stadt vom 24. Mai 2007 für die Jahre 2005 und 2006 kein zu versteuerndes Einkommen gehabt habe. Ebenso seien die dem Kläger gewährten Darlehen nicht anzurechnen, denn bei einer rechtswidrigen Leistungsverweigerung könne sich der Grundsicherungsträger nicht darauf berufen, dass der Leistungsempfänger nunmehr seinen Lebensunterhalt anderweitig sicherstelle.

Die Beklagte hat mit zwei Bescheiden vom 26. Mai 2009 das Urteil des SG umgesetzt und dem Kläger für die Zeit vom 9. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2005 Leistungen in Höhe von 159,67 Euro, ab dem 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 sowie vom 1. Juli 2006 bis 31. Juli 2006 jeweils Leistungen in Höhe von (Regelleistung: 67,00 Euro; Kosten der Unterkunft und Heizung: 259,26 Euro) 326,26 Euro und vom 1. August 2006 bis zum 23. August 2006 in Höhe von (Regelleistung: 264,50 Euro; Kosten der Unterkunft und Heizung: 198,77 Euro) 463,27 Euro bewilligt. Dabei wurde lediglich Kindergeld bis Juli 2006 in Höhe von monatlich 308,00 Euro und im Dezember 2005 Wohngeld in Höhe von 90,47 Euro als Einkommen berücksichtigt.

Gegen den Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 27. April 2009 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass es für die Berücksichtigung von Kindergeld nach dem bis zum 30. Juni 2006 anzuwendenden Recht (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II) nicht darauf angekommen sei, ob das Kind mit der kindergeldberechtigten Person in Haushaltsgemeinschaft gelebt habe. Maßgeblich sei alleine gewesen, ob das Kindergeld zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Kindes benötigt wurde, was vorliegend der Fall gewesen sei. Die Entscheidung des SG beruhe darauf, dass dieses meine, die Änderung des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II zum 1. Juli 2006 wirke gleichsam zurück und stelle klar, dass der Gesetzgeber von Anfang an gemeint habe, dass das Kindergeld nur dann als Einkommen der Kinder zu betrachten sei, wenn diese mit dem kindergeldberechtigten Elternteil in Haushaltsgemeinschaft lebten. Diese Rechtsauffassung treffe nicht zu, denn zunächst sei die Änderung von § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II keineswegs dem Wunsch nach einer "Klarstellung" geschuldet gewesen. Grund für die Umformulierung sei schlicht gewesen, dass die Bedarfsgemeinschaft seit 1. Juli 2006 auch die dem Haushalt angehörigen Kinder bis zu einem Alter von 24 Jahren umfasse. Dem habe die Regelung für die Zurechnung des Kindergeldes in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II angepasst werden müssen, denn der Gesetzgeber habe erreichen wollen, dass das Kindergeld auch nach Eintritt der Volljährigkeit dem der Bedarfsgemeinschaft angehörigen Kind zugerechnet werde. Zuvor habe es einer solchen Formulierung nicht bedurft, da nur minderjährige Kinder der Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern angehört hätten. Es handele sich also nicht um eine "Klarstellung", sondern um eine Regelung, die im Kontext der Einbeziehung der 18 bis 24-jährigen Kinder in die Bedarfsgemeinschaft zu sehen sei. Auch sei es dem Gesetzgeber nicht gegeben, rückwirkend "klarzustellen", wie er etwas verstanden wissen wollte. Denn Normen seien stets normativ auszulegen. § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der seit 1. Juli 2006 in Kraft befindlichen Fassung könne deshalb nicht herangezogen werden, um § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der zuvor geltenden Fassung auszulegen. Während dieses Zeitraumes sei das Kindergeld deshalb grundsätzlich als Einkommen des Kindes, das den Kindergeldanspruch auslöse, zu betrachten. Bereits die Auffassung, dass das Kindergeld nur dann als Einkommen des Kindes zu betrachten sei, wenn es tatsächlich an das Kind weitergeleitet werde, sei nicht zwingend, aber wohl zutreffend. Da das Kindergeld im vorliegenden Fall tatsächlich an die Kinder weitergeleitet worden sei, komme es darauf nicht an. Weil die Kinder im Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Juli 2006 tatsächlich bei dem Kläger gelebt und mit ihm eine Bedarfsgemeinschaft gebildet hätten, sei auch während dieses Zeitraums das Kindergeld nicht anspruchsmindernd zulasten des Klägers zu berücksichtigen. Auch der dem Kläger gezahlte Existenzgründungszuschuss sei nicht leistungsmindernd zu berücksichtigen. Denn insoweit habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Februar 2007 ein Anerkenntnis abgegeben. Diese Prozesserklärung korrespondiere mit dem Klageantrag und stelle den Kläger hinsichtlich der Frage; ob Einkommen aus Existenzgründungsschuss anspruchsmindernd zu berücksichtigen sei, klaglos. Eine Prozesserklärung könne dann als Anerkenntnis ausgelegt werden, wenn mit ihr hinreichend eindeutig erklärt werde, dass ein bestimmter Anspruch oder Teilanspruch, der im Verfahren geltend gemacht wurde, anerkannt werde. Ein Anerkenntnis liege in jedem Fall dann vor, wenn die diesbezügliche Prozesserklärung so gehalten sei, dass das Gericht auch entsprechend tenorieren könnte. Die Beklagte habe ausdrücklich klargestellt, dass insoweit dem klägerischen Begehren entsprochen werden könne. Die Mitteilung dessen, was der Beklagten möglich sei, ergebe keinen Sinn. Folglich sei die Erklärung dahingehend auszulegen, dass die Beklagte dem klägerischen Begehren nicht nur entsprechen gekonnt sondern dies auch gewollt habe. Der Kläger habe dieses Anerkenntnis angenommen, sodass diesbezüglich Erledigung der Hauptsache eingetreten sei (§ 101 Abs. 2 SGG). Die vom SG vertretene Auffassung, es handle sich bei der Anrechnung von Einnahmen lediglich um einen Faktor bei der Hilfebedürftigkeitsprüfung, nicht um den Hilfeanspruch selbst, weshalb damit eine Anspruchsanerkennung nicht verbunden sei, treffe nicht zu und habe weitreichende und fatale Konsequenzen. Denn dann könnten sich die Gerichte in der Tenorierung nicht auf den Streitgegenstand beschränken, der häufig nur in einem Aspekt der Leistungsberechnung liege sondern müssten vielmehr auch in Fällen, in denen nur Teile der Leistungsberechtigung streitig seien, den Anspruch jedes einzelnen Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft Monat für Monat exakt beziffert tenorieren. Da nunmehr streitig sei, ob ein angenommenes Anerkenntnis vorliege und ob aus dem Anerkenntnis nach Vorliegen des angefochtenen Gerichtsbescheides noch ohne Weiteres vollstreckt werden könne, bestehe die Möglichkeit des Erlasses eines Anerkenntnisurteils gem. § 202 SGG in Verbindung mit § 307 ZPO.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 26. Mai 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vom 9. Dezember 2005 bis 23. August 2006 höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des LSG sowie auf die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Berufung und Klagen des Klägers haben keinen Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht § 151 Abs. 1 SGG eingelegt.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage sind - nachdem die Beklagte die Vorgaben des SG umgesetzt hat - die Bescheide der Beklagten vom 26. Mai 2009, mit denen die Beklagte dem Kläger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II bewilligt hat. Diese Bescheide sind gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden; sie ersetzen den ursprünglich mit Klage angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2006 vollständig. Insoweit hat das LSG nunmehr über diese Bescheide vom 26. Mai 2009 auf Klage hin zu entscheiden; diese Klagen sind unbegründet. Über die Berufung war nicht mehr zu entscheiden. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist dagegen der Bescheid der Beklagten vom 13. September 2006 mit dem die Beklagte dem Kläger ab dem 24. August 2006 Leistungen bewilligt hat.

Der Kläger hat in der Zeit vom 9. Dezember 2005 bis zum 23. August 2006 keinen Anspruch auf die Gewährung höherer als der mit den Bescheiden vom 26. Mai 2009 festgesetzten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nach §§ 19 ff SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese Leistungen sind in § 20 (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts), § 21 (Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt) und § 22 (Leistungen für Unterkunft und Heizung) näher ausgestaltet.

Voraussetzung einer solchen Leistungsgewährung ist, dass die Person erwerbsfähig und hilfebedürftig ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Der Kläger ist zwar i.S.d. § 8 SGB II erwerbsfähig, er ist jedoch nur teilweise hilfebedürftig, weil sein Einkommen in Form des ihm bis 31. Juli 2006 gezahlten Kindergeldes in Höhe von monatlich 308,00 Euro (außer im August 2006) sowie im Dezember 2005 auch in Form des ihm gezahlten Wohngeldes seine Bedürftigkeit mindert.

Gem. § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Entsprechend der Rechtsprechung des BSG wäre auch der Existenzgründungszuschuss bedürftigkeitsmindernd zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240-248 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 8 = juris Rdnr. 12 ff). Das SG hat zutreffend festgestellt, dass ein prozesssteuerndes Anerkenntnis über ein einzelnes Berechnungselement einer einheitlichen Leistung nicht möglich ist (zum Streitgegenstand, insbesondere zum Einkommen, sei hier auf die Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186-196 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 10 = juris Rdnr 21 verwiesen). Insoweit waren die Beteiligten auch nicht in der Lage, hierüber einen wirksamen, prozesssteuernden Vergleich zu schließen. Insoweit hätte der Senat auch ohne an eine Erklärung der Beteiligten gebunden zu sein, über die Berücksichtigung des dem Kläger gezahlten Existenzgründungszuschusses zu entscheiden gehabt. Die Beklagte hat somit durch die Nichtberücksichtigung des bis zum 31. Juli 2006 gezahlten Existenzgründungszuschusses monatlich um 240,00 Euro zu hohe Leistungen gewährt. Für den Monat Dezember 2005 hätte sich damit kein Leistungsanspruch ergeben. Jedoch hat die Beklagte in den nunmehr allein streitgegenständlichen Bescheiden vom 26. Mai 2009 eine Berücksichtigung des aus dem Existenzgründungzuschuss vereinnahmten Einkommens des Klägers unterlassen. Hinter diese Verwaltungsentscheidung kann der Senat im Rahmen der Prüfung der Klagen nicht

Hilfebedürftigkeit fehlt vorliegend insoweit als der Kläger bis 31. Juli 2006 monatliches Kindergeld in Höhe von 308,00 Euro, Existenzgründungszuschuss in Höhe von 240,00 Euro monatlich sowie im Dezember 2005 Wohngeld in Höhe von 90,47 Euro als Einkommen bezogen hat. Gemäß § 11 SGB II sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II sowie den weiteren in § 11 Abs. 1 Satz. 1 SGB II aufgeführten, vorliegend nicht einschlägigen Leistungen, als Einkommen zu berücksichtigen.

Das dem Kläger im Dezember 2005 gezahlte Wohngeld stellt zu berücksichtigendes Einkommen dar. Sein Bedarf in Höhe von (23/30 der Regelleistung: 264,50 Euro; 23/30 der Kosten der Unterkunft und Heizung: 198,77 Euro) 463,27 Euro ist, weil die Beklagte dies getan hat, unter Berücksichtigung der anteiligen (23/30) Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro (dazu siehe BSG, Urteil vom 19. März 2008 - B 11b AS 7/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 10 - juris) sowie des Wohngeldes in Höhe von 90,47 Euro und des anteiligen Kindergeldes in Höhe von 236,13 Euro teilweise gedeckt. Es verbliebe insoweit lediglich eine Restbedürftigkeit in Höhe von 159,67 Euro. Diesen Betrag hat die Beklagte dem Kläger bewilligt. Unter Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses ergäbe sich kein Leistungsanspruch.

Das Kindergeld kann nicht unberücksichtigt bleiben. § 11 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB II enthalten Regelungen, die bestimmtes Einkommen anderen als den Personen zuweisen, die das Einkommen tatsächlich erzielen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist der Kinderzuschlag nach § 6a BKGG als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Schließlich bestimmt § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der bis 30. Juni 2006 geltenden Fassung, dass dies auch für das Kindergeld für minderjährige Kinder gilt, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II entspricht § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, der in Umsetzung der Rechtsprechung des BVerwG nun ebenfalls klarstellt, dass das Kindergeld als Einkommen dem Minderjährigen zugerechnet wird, soweit es bei diesem zur Deckung des Lebensbedarfs benötigt wird (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254-265 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 = juris Rdnr. 25). § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II und § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII stellen insofern Ausnahmen von dem kindergeldrechtlichen Grundsatz dar, dass Kindergeldberechtigter im Sinne des § 62 EStG eigentlich die Eltern sind und das Kindergeld grundsätzlich dem Kindergeldberechtigten als Einkommen zuzurechnen wäre (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1980 - 5 C 73/79 - BVerwGE 60, 6 m.w.N., 122, 128). Dies gilt im SGB II jedoch nur so weit, wie das Kindergeld zur Sicherung des Lebensunterhalts des betroffenen Kindes auch benötigt wird (BSG a.a.O.). Hieraus folgt, dass Kindergeld erst dann - ggf. auch anteilig - als Einkommen der Eltern bzw. des Kindergeldberechtigten zu berücksichtigen ist, wenn der Bedarf des Kindes gedeckt ist (BSG a.a.O. unter Hinweis auf Mecke, a.a.O.; Söhngen in Juris PK-SGB II, § 11 Rdnr. 76; Hengelhaupt in Hauck/Voelzke, SGB II, § 11 Rdnr. 122). Damit verdeutlicht die Zurechnungsregelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II den Grundsatz des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II, als Kindergeld - ohne die Zurechnungsregel des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II - ohnehin Einkommen des Klägers als Kindergeldberechtigtem wäre. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Auslegung sieht der Senat nicht (so auch das BSG a.a.O.).

Vorliegend konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass das dem Kläger gezahlte Kindergeld tatsächlich zur Sicherung des Lebensbedarfs der beiden Kinder benötigt wurde. Beide Kinder lebten im Ausland, somit also nicht in häuslicher Gemeinschaft mit dem Kläger, und wurden dort über die ebenfalls dort lebende Mutter der Kinder und deren Familie versorgt. Daran, dass der Kläger seinen im I. lebenden Kindern tatsächlich Geld zukommen lassen hatte, hat der Senat erhebliche Zweifel. Der Kläger hatte schlichtweg kein Geld um den von ihm behaupteten Betrag monatlich an seine Kinder zu geben. Er hatte damals - so auch seine eigenen Angaben - außer dem Kindergeld keinerlei Einkommen, seine Selbständigkeit warf auch keinen Gewinn ab. Zwar hat der Kläger die Aufnahme von Darlehen behauptet, jedoch konnte insoweit nicht der Nachweis geführt werden, dass dieses Geld für die Kinder im I. verbraucht wurde. Auch genügt es "zur Sicherung des Lebensunterhalts" seiner Kinder im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht, dass der Kläger Geld an seine Frau geschickt hat; hinzukommen muss, dass das Kindergeld gerade zur "zur Sicherung des Lebensunterhalts" seiner Kinder benötigt wurde. Leben die Kinder nicht beim Kläger und werden diese von der Familie im I. versorgt, so wird das Kindergeld nicht "zur Sicherung des Lebensunterhalts" der Kinder benötigt. Auch soweit der Kläger seinen Kinder tatsächlich keine Gelder hat zukommen lassen, kann er sich auch nicht darauf berufen, dass das Kindergeld "zur Sicherung des Lebensunterhalts" benötigt worden war. Insoweit kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob der Kläger seinen Kindern Geld geschickt hat; diese haben es für ihren Lebensunterhalt nicht benötigt. Damit war das Kindergeld als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen. Die vom Kläger behauptete Regelungslücke besteht nicht.

Auch für die Monate Januar 2006 bis Juli 2006 gilt dasselbe. Der Bedarf des Klägers in Höhe von monatlich (Regelleistung: 345,00 Euro; Kosten der Unterkunft und Heizung [von der beklagten anerkannt:] 259,26 Euro) 604,26 Euro ist auch unter Berücksichtigung der Versicherungspauschale (30,00 Euro) durch das Einkommen von monatlich 308,00 Euro teilweise gedeckt. Die so ohne Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses errechnete Bedürftigkeit in Höhe von 326,26 Euro hat die Beklagte mit ihrer entsprechenden Leistungsgewährung (vgl. die Bescheide vom 26. Mai 2009) gedeckt.

Soweit die Kinder und auch die Ehefrau des Klägers in der Zeit vom 20. Mai 2006 bis zum 28. September 2006 "beim Kläger" waren, ergibt sich nichts anderes. Denn auch insoweit konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Kläger das Kindergeld zur "zur Sicherung des Lebensunterhalts" seiner Kinder benötigt hatte. Diese lebten auch während ihres Aufenthalts in Deutschland nicht beim Kläger. Sie bildeten mit diesem weder eine häusliche Gemeinschaft noch eine Bedarfsgemeinschaft. Angesichts der Größe des vom Kläger gemieteten Zimmers ist es - auch unter Berücksichtigung dessen, dass der I.ische Kulturkreis engere Wohnverhältnisse akzeptiert - schlicht ausgeschlossen, dass die Kinder beim Kläger wohnten. Der Senat konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass der Kläger das Kindergeld für den Unterhalt seiner Kinder benötigt oder auch nur tatsächlich eingesetzt hätte. Dafür spricht auch, dass der Kläger die Einstellung des Kindergeldes unter Hinweis auf den ausländischen Aufenthalt der Kinder akzeptierte und gerade nicht eingewandt hat, seine Kinder seien in der Bundesrepublik Deutschland. Daher bewirkt die Änderung des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II zum 1. Juli 2006 vorliegend keine Auswirkungen; da seine Kinder mit dem Kläger keine Bedarfsgemeinschaft bildeten und der Kläger das Kindergeld auch nicht zur Sicherung deren Lebensunterhalts benötigte, führt die Neuregelung nicht zu einer Zurechnung des Kindergelds an die Kinder.

Auch für 1. August 2006 bis 23. August 2006 ergibt sich kein höherer Leistungsbetrag. Zwar war dem Kläger Kindergeld lediglich bis 31. Juli 2006 gezahlt worden, doch hatte die Beklagte dies im Bescheid vom 26. Mai 2009 berücksichtigt und dem Kläger Leistungen in Höhe seines vollen anteiligen Bedarfs bewilligt (23/30 der Regelleistung: 264,50 Euro; 23/30 der Kosten der Unterkunft und Heizung: 198,77 Euro).

Der Kläger hat damit keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen, als mit den Bescheiden vom 26. Mai 2009 bewilligt. Die Klagen waren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; dabei wurde Unterliegen des Klägers in der Berufungsinstanz als Wesentlich angesehen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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