S 27 (6) R 94/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 (6) R 94/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.04.2007 wird aufgehoben, soweit hiermit Säumniszuschläge in Höhe von 9.584,35 EUR in den Nachversicherungsfällen der Fallgestaltung 1 aus dem Schriftsatz des klagenden Landes vom 12.03.2007 gefordert werden. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Säumniszuschlägen auf Nachversicherungsbeiträge streitig.

Das klagende Land beschäftigt in der Zeit von 1999 bis 2002 unter anderem 19 Rechtsreferendare. Für diese wurden zunächst keine Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt. Kurz vor oder nach dem Ausscheiden aus dem Dienst erklärten die Rechtsreferendare die Absicht, innerhalb von 2 Jahren erneut eine wegen Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft versicherungsfreie Beschäftigung aufzunehmen. Deswegen wurde die nach dem Ausscheiden aus dem Dienst an sich sofort fällige Nachversicherung in der Rentenversicherung zunächst aufgeschoben. Die 19 Rechtsreferendare gaben indes ihre Absicht der erneuten Aufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung innerhalb der zwei Jahre auf, teilten dies aber dem klagenden Land erst verspätet innerhalb der Zweijahresfrist mit. Im unmittelbaren Anschluss an diese Mitteilung versicherte das klagende Land die ehemaligen Rechtsreferendare bei der Beklagten nach. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Nachversicherungsfälle:

- C1, B1: Ende der Beschäftigung: 10.12.2001, Erklärung der Absicht, erneut eine versicherungsfreie Beschäftigung aufzunehmen, unter dem 09.11.2001, Aufgabe der Absicht am 18.08.2003, Mitteilung an das klagende Land am 09.12.2003, Nachversicherung durchgeführt am 12.12.2003;

- C2, I: Ende der Beschäftigung: 06.12.2001, Absichtserklärung unter dem 02.01.2002, Aufgabe der Absicht am 15.04.2003, Mitteilung an das klagende Land am 09.12.2003, Nachversicherung durchgeführt am 15.12.2003;

- C3, B2: Ende der Beschäftigung: 18.10.2001, Absichtserklärung unter dem 09.11.2001, Aufgabe der Absicht am 01.07.2003, Mitteilung an das klagende Land am 13.11.2003, Nachversicherung durchgeführt am 27.11.2003;

- E1, T1: Ende der Beschäftigung: 06.09.2001, Absichtserklärung unter dem 11.08.2001, Aufgabe der Absicht am 01.03.2002, Mitteilung an das klagende Land am 20.08.2003, Nachversicherung durchgeführt am 26.08.2003;

- E2, N1: Ende der Beschäftigung: 15.02.2002, Absichtserklärung unter dem 20.02.2002, Aufgabe der Absicht am 01.07.2002, Mitteilung an das klagende Land am 13.02.2004, Nachversicherung durchgeführt am 16.02.2004;

- G1, N2: Ende der Beschäftigung: 28.09.2001, Absichtserklärung unter dem 03.09.2001, Aufgabe der Absicht am 11.08.2002, Mitteilung an das klagende Land am 09.10.2003, Nachversicherung durchgeführt am 16.10.2003;

- G2, F1: Ende der Beschäftigung: 23.04.2002, Absichtserklärung unter dem 17.06.2002, Aufgabe der Absicht am 15.08.2003, Mitteilung an das klagende Land am 01.04.2004, Nachversicherung durchgeführt am 02.04.2004;

- H, D1: Ende der Beschäftigung: 12.06.2002, Absichtserklärung unter dem 18.05.2002, Aufgabe der Absicht am 02.05.2003, Mitteilung an das klagende Land am 08.06.2004, Nachversicherung durchgeführt am 23.06.2004;

- C4, L1: Ende der Beschäftigung: 26.10.2001, Absichtserklärung unter dem 18.10.2001, Aufgabe der Absicht am 04.02.2003, Mitteilung an das klagende Land am 11.11.2003, Nachversicherung durchgeführt am 18.11.2003;

- K1, K2: Ende der Beschäftigung: 07.08.2001, Absichtserklärung unter dem 08.07.2001, Aufgabe der Absicht am 01.04.2002, Mitteilung an das klagende Land am 07.09.2003, Nachversicherung durchgeführt am 18.09.2003;

- J, Q1: Ende der Beschäftigung: 11.09.2002, Absichtserklärung unter dem 19.08.2002, Aufgabe der Absicht am 01.03.2003, Mitteilung an das klagende Land am 30.06.2003, Nachversicherung durchgeführt am 02.07.2003;

- L2, D2: Ende der Beschäftigung: 06.12.2001, Absichtserklärung unter dem 15.11.2001, Aufgabe der Absicht am 25.11.2002, Mitteilung an das klagende Land am 11.12.2003, Nachversicherung durchgeführt am 27.12.2003;

- M1, K3: Ende der Beschäftigung: 30.04.2002, Absichtserklärung unter dem 08.04.2002, Aufgabe der Absicht am 01.12.2002, Mitteilung an das klagende Land am 14.06.2004, Nachversicherung durchgeführt am 21.06.2004;

- M2, U: Ende der Beschäftigung: 26.09.2002, Absichtserklärung unter dem 14.08.2002, Aufgabe der Absicht am 07.10.2002, Mitteilung an das klagende Land am 23.09.2004, Nachversicherung durchgeführt am 05.10.2004;

- S, Q2: Ende der Beschäftigung: 14.01.2002, Absichtserklärung unter dem 21.02.2002, Aufgabe der Absicht am 01.08.2003, Mitteilung an das klagende Land am 13.01.2004, Nachversicherung durchgeführt am 30.01.2004;

- T2, Q3: Ende der Beschäftigung: 03.08.2001, Absichtserklärung unter dem 13.07.2001, Aufgabe der Absicht am 01.10.2001, Mitteilung an das klagende Land am 07.07.2003, Nachversicherung durchgeführt am 13.01.2004;

- T3, B3: Ende der Beschäftigung: 25.09.2001, Absichtserklärung unter dem 17.10.2001, Aufgabe der Absicht am 01.09.2002, Mitteilung an das klagende Land am 28.10.2003, Nachversicherung durchgeführt am 12.11.2003;

- X1, N3: Ende der Beschäftigung: 28.09.2001, Absichtserklärung unter dem 14.08.2001, Aufgabe der Absicht im November 2002, Mitteilung an das klagende Land am 27.08.2003, Nachversicherung durchgeführt am 28.08.2003;

- X2, F2: Ende der Beschäftigung: 20.11.2001, Absichtserklärung unter dem 26.11.2001, Aufgabe der Absicht am 15.04.2003, Mitteilung an das klagende Land am 07.10.2003, Nachversicherung durchgeführt am 15.10.2003.

In der Zeit vom 13.03.2006 bis 30.03.2006 führte die Beklagte beim klagenden Land eine Prüfung der Beitragszahlungen nach §§ 212, 212 a Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) für den Prüfzeitraum 01.01.2002 bis 31.12.2005 durch und forderte mit Bescheid vom 20.12.2006 Säumniszuschläge in Höhe von 135.837,76 EUR wegen verspätet entrichteter Nachversicherungsbeiträge. Hiervon entfallen auf die vorgenannten 19 Nachversicherungsfälle 9.584,35 EUR; die Beklagte nahm insoweit eine Säumnis des klagenden Landes in der Zeit der objektiven Aufgabe der Absicht der Nachzuversichernden, erneut eine versicherungsfreie Beschäftigung aufzunehmen, und dem Zeitpunkt der Nachversicherung an, allerdings unter Berücksichtigung einer Bearbeitungszeit von 3 Monaten.

Dagegen hat das klagende Land am 18.01.2007 Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 6 R 8/07 anhängig geworden ist. Mit Beschluss vom 16.06.2008 hat die seinerzeit zuständig gewesene 6. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf das Verfahren abgetrennt, soweit mit dem angefochtenen Bescheid Säumniszuschläge für die vorgenannten 19 Nachversicherungsfälle in Höhe von 9.584,35 EUR gefordert werden; diese 19 Nachversicherungsfälle hatte das klagende Land zuvor mit Schriftsatz vom 12.03.2007 in der Fallgestaltung 1 zusammengefasst. Ferner hat die Beklagte die Säumniszuschläge mit Bescheid vom 12.04.2007 auf 133.664,62 EUR reduziert; diese Änderung betrifft nicht die vorgenannten 19 Nachversicherungsfälle.

Das klagende Land ist der Auffassung, die Beklagte erhebe die Säumniszuschläge in Bezug auf die 19 Nachversicherungsfälle (der Fallgestaltung 1) zu Unrecht. Die Beklagte könne keine Säumniszuschläge erheben. Nach § 24 Abs. 2 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei ein Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Regelung sei auch auf verspätet gezahlte Nachversicherungsbeiträge anzuwenden. Ein Säumniszuschlag sei weiterhin nicht zu erheben, wenn die Nachversicherungsbeiträge innerhalb von 3 Monaten nach Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung gezahlt werden. Hier sei ein Grund für den Aufschub der Nachversicherung gegeben gewesen. Das klagende Land habe als Beitragsschuldner frühestens nach Eingang der Erklärung der Betroffenen über ihre Aufgabe der Absicht, erneute eine wegen Versorgungsanwartschaft versicherungsfreie Beschäftigung aufzunehmen, Kenntnis von der Zahlungsverpflichtung erhalten. Als Fälligkeitstag der Nachversicherung müsse der Tag nach dem Eingang der Mitteilung über die Absichtsaufgabe gelten. Ein Säumniszuschlag komme also nur insoweit in Betracht für Nachversicherungsbeiträge, die nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit (hier Kenntnis des Beitragsschuldners) entrichtet worden seien. Damit scheide in Bezug auf die vorgenannten 19 Nachversicherungsfälle die Erhebung von Säumniszuschlägen mit Ausnahme der Säumnis für den nachzuversichernden Q3 T2 in der Zeit vom 08.10.2003 bis 13.01.2004 aus; insoweit fordere die Beklagte also Säumniszuschläge in Höhe von 9.584,35 EUR zu Unrecht. Ferner habe die Deutsche Rentenversicherung Bund Säumniszuschläge für die verspätete Nachversicherung im Falle des Q3 T2 im Zeitraum 08.10.2003 bis 13.01.2004 in Höhe von 154,50 EUR erhoben; insoweit hat sich die Beklagte im Verhandlungstermin vom 08.07.2010 bereit erklärt, dem klagenden Land 154,50 EUR zu erstatten, soweit es nachweisen kann, dass für den nachzuversichernden Q3 T2 bereits Säumniszuschläge in vorgenannter Höhe an die Deutsche Rentenversicherung Bund gezahlt worden sind.

Das klagende Land beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20.12.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.11.2007 aufzuheben, soweit hiermit Säumniszuschläge in Höhe von 9.584,35 EUR in den Nachversicherungsfällen der Fallgestaltung 1 zu deren Schriftsatz vom 12.03.2007 gefordert werden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die getroffene Entscheidung in Bezug auf die vorbeschriebenen 19 Nachversicherungsfälle weiterhin für zutreffend. Sie ist der Auffassung, es läge kein Fall der unverschuldeten Unkenntnis von der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV vor. Das klagende Land habe es in der Hand, durch turnusmäßige Nachfrage beim Nachzuversichernden zu klären, ob seine Absicht der Aufnahme einer erneuten versicherungsfreien Beschäftigung weiter besteht.

Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte des parallelen Klageverfahrens S 6 R 8/07 sowie die vom klagenden Land und der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, sie ist als Anfechtungsklage statthaft und bedarf nach § 78 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu ihrer Zulässigkeit nicht der Durchführung eines Vorverfahrens.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.04.2007 beschwert das klagende Land nach § 54 Abs. 2 SGG, soweit die Beklagte in den vorgenannten 19 Nachversicherungsfällen der Fallgestaltung 1 aus dem Schriftsatz des klagenden Landes vom 12.03.2007 Säumniszuschläge in Höhe von 9.584,35 EUR fordert.

Die von der Beklagten durchgeführte Beitragsüberwachung und die angefochtenen Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage zunächst in §§ 212, 212a SGB VI i.V.m. §§ 181 ff. SGB VI. Danach prüfen die Rentenversicherungsträger u.a., ob Nachversicherungsbeiträge vollständig und rechtzeitig gezahlt wurden. Stellt der Rentenversicherungsträger fest, dass die Nachversicherungsbeiträge erst nach Ablauf der Fälligkeit gezahlt wurden, so hat er nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB IV grundsätzlich für jeden angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 EUR abgerundeten Betrages zu erheben. Dies entfällt ausnahmsweise nach § 24 Abs. 2 SGB IV, wenn der Beitragspflichgtige unverschuldet keine Kenntnis von seiner Zahlungspflicht hatte; das gilt sinngemäß auch für die Kenntnis der Fälligkeit von Nachversicherungsbeiträgen (Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 20.12.2001 – B 4 RA 38/01 R –; Urteil vom 12.02.2004 – B 12 RJ 28/03 R –). Für die streitbefangenne 19 Nachversicherungsfälle bedeutet dies, dass keine Säumniszuschläge zu erheben sind. Die Nachversicherungsbeiträge sind zwar zunächst mit objektiver Aufgabe der Absicht, erneut eine wegen Versorgungsanwartschaft versicherungsfreie Beschäftigung aufzunehmen, fällig geworden. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge nach § 184 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI aufgeschoben. Danach wird die Beitragszahlung aufgeschoben, wenn eine andere Beschäftigung sofort oder voraussichtlich innerhalb von zwei Jahren nach dem Ausscheiden aufgenommen wird, in der wegen Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft Versicherungsfreiheit besteht oder eine Befreiung von der Versicherungspflicht erfolgt, sofern der Nachversicherungszeitraum bei der Versorgungsanwartschaft aus der anderen Beschäftigung berücksichtigt wird. Nach der Gesetzesbegründung muss zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung eine hinreichend sichere, auf objektiven Merkmalen beruhende Erwartung bestehen, dass der Beschäftigung innerhalb der Zweijahresfrist erneut eine Beschäftigung aufnimmt, in der er wegen Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft versicherungsfrei ist oder von der Versicherungspflicht befreit wird (BT-Drucks. 11/4124, Seite 187 f.). Diese Prognose ist bereits gerechtfertigt, wenn der Nachzuversichernde – wie hier – kurz vor oder nach seinem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung seinem Dienstherrn schriftlich die Absicht mitteilt, innerhalb der nächsten zwei Jahre erneut eine versicherungsfreie Beschäftigung im Sinne von § 184 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI aufzunehmen. Dagegen bedarf es grundsätzlich nicht der Prüfung der objektiven Realisierbarkeit dieser Absicht ("objektive Voraussicht"). Soweit dies in der Kommentarliteratur (Hauck/Haines-Finke, SGB VI, § 184, Rdnr. 49) unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 20.04.1972 – 1 R A 233/70 – gefordert wird, hält dies die Kammer grundsätzlich nicht für geboten. So soll keine objektive Voraussicht gegeben sein, wenn ein Rechtsreferendar wegen voraussichtlichen Mangels an Planstellen objektiv daran gehindert ist, innerhalb der Zweijahresfrist nach dem Ausscheiden eine versicherungsfreie Beschäftigung als Richter aufzunehmen (Hauck/Haines, a. a. O.). Ein derartig eklatanter Mangel an Planstellen für voraussichtlich zwei Jahre ist bis auf ganz wenige eng umgrenzte Ausnahmefälle (vor allem außergewöhnliche Haushaltslage o. ä.) in großen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen nicht gegeben. Hier sind selbst bei angespannter Haushaltslage ausreichend Planstellen vorhanden und auch "schwächere" Kandidaten haben eine realistische Chance auf Einstellung, insbesondere, wenn sie über Zusatzqualifikationen (Sprachen oder entsprechende Fachkenntnisse) verfügen. Ferner ist hier die Planstellensituation vielgestaltig und unübersichtlich. So stellen auch die für den Dienstherrn für die vorgenannte Prognose vom Bundesministerium des Inneren erlassenen Hinweise aus dem Rundschreiben vom 27.04.1999 (zitiert nach Kuklok in: GK-SGB VI, § 184, Rdnr. 34) allein auf die weiteren Berufsabsichten des zu befragenden Nachzuversichernden ab. Ausgehend hiervon war die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge nach § 184 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI in den vorbeschriebenen 19 Nachversicherungsfällen jeweils bis zur objektiven Aufgabe der Absicht, erneut eine versicherungsfreie Beschäftigung aufzunehmen, aufgeschoben; die Nachversicherungsbeiträge wurden mit anderen Worten am Folgetag fällig.

Gleichwohl scheidet die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 Abs. 2 SGB IV wegen unverschuldeter Unkenntnis von der Zahlungspflicht aus. Das klagende Land hatte keine Kenntnis von der Zahlungspflicht, weil die Nachzuversichernden ihm die Aufgabe der Absicht, erneut eine versicherungsfreie Beschäftigung aufzunehmen, erst später mitgeteilt haben. Hieran trifft das klagende Land auch kein Verschulden, also weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit. Schuldlose Unkenntnis liegt vor, wenn der Nachversicherungspflichtige durch ihm nicht zurechenbare Umstände an einer alsbaldigen Entscheidung gehindert wird, weil z. B. objektiv ein Nachversicherungsfall vorliegt, der Versorgungsträger aber unter Umständen noch nicht feststellen kann, ob etwaige Aufschubgründe gegeben sind, weil etwa der Nachzuversichernde noch keine hinreichend sicheren Angaben über seine weitere Beschäftigung machen kann und seitens des Versorgungsträgers eine unverzügliche Abklärung erfolgt ist, ob ein Aufschubgrund vorliegt (Landessozialgericht – LSG – Hamburg, Urteil vom 23.07.2008 – L 6 R 64/06, bestätigt durch BSG, Urteil vom 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R –). Unverschuldete Unkenntnis kann auch bestehen, wenn sie durch unzutreffende Informationen oder Angaben Dritter verursacht wird (BSG, Urteil vom 12.02.2004 – B 13 RJ 28/03 R –). Entscheidendes Gewicht kommt der Überlegung zu, ob der Nachversicherungspflichtige ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen hat, um Kenntnis von der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge zu erhalten (BSG, Urteil vom 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R). Ausgehend hiervon trifft das klagende Land kein Verschulden an der Unkenntnis von der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge. Das klagende Land hatte insbesondere ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen, indem es die Nachzuversichernden angeschrieben und um Erklärung ihrer Berufsabsichten gebeten hatte. Dies erfolgte vor dem Ausscheiden der Nachzuversichernden aus dem Dienst, dem klagenden Land lagen auch unmittelbar vor oder kurz nach dem Ausscheiden aus dem Dienst die entsprechenden Absichtserklärungen vor. Ferner war das klagende Land hinsichtlich der Aufgabe dieser Berufsabsicht - zumindest soweit dies wie hier innerhalb von zwei Jahren nach Ausscheiden aus dem Dienst erfolgt - auf die entsprechende Mitwirkung der Nachzuversichernden angewiesen,. Verletzen die Nachzuversichernden diese Mitwirkungspflicht, so ist dies dem klagenden Land nicht anzulasten. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehen dem klagenden Land keine organisatorischen Möglichkeiten zur Verfügung, den Weiterbestand der einmal erklärten Absicht fortwährend zu überprüfen. Insbesondere scheidet es aus, dem klagenden Land die Verpflichtung aufzuerlegen, beim Nachzuversichernden wegen des Fortbestandes der erklärten Berufsabsicht nachzufragen. Hierdurch könnte eine verspätete Nachversicherung nur wirksam verhindert werden, wenn eine Kontrollabfrage in sehr kurzen Zeitabständen erfolgt. Bei der Vielzahl der Nachversicherungsfälle und der auch der Kammer in ähnlich gelagerten Fällen bekannt gewordenen mangelnden Mitwirkungsbereitschaft der Nachzuversichernden lässt sich das in der Praxis nicht umsetzen. Man würde hier vom klagenden Land Unmögliches verlangen.

Schließlich scheidet auch die Zahlung von Säumniszuschlägen aus, soweit das klagende Land nach Kenntniserlangung von der Aufgabe der Absicht die Nachversicherung innerhalb weniger Wochen durchgeführt hat. So gesteht auch die Beklagte dem klagenden Land eine Bearbeitungszeit von drei Monaten zu. Auch in der Rechtsprechung sind Bearbeitungszeiten von bis zu sechs Wochen – die hier nicht in Anspruch genommen wurden – anerkannt (BSG, Urteil vom 29.11.2007 – B 13 R 48/06 R –).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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