L 18 AS 172/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AS 2148/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 172/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 15. Dezember 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren einen geänderten Berechnungsmodus für die Ermittlung der ihnen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Die 1957 und 1958 geborenen Kläger sind verheiratet und leben in einem gemeinsamen Haushalt. Der Kläger zu 1) ist selbstständig erwerbstätig, die Klägerin zu 2) arbeitslos. Als Bezieher von SGB II-Leistungen stellte der Kläger zu 1) im Juli 2008 u.a. einen "Antrag auf Einzelberechnung bei der Bewilligung von Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts" für die Klägerin zu 2) mit der Begründung, dass sein Einkommen für seinen eigenen Lebensunterhalt vollkommen ausreiche. Wenn er – der Kläger zu 1) – durch das SGB II zum "Sozialfall" gemacht werde, verstoße dies gegen das Grundgesetz.

Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 1. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2008 ab.

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die "auf Einzelberechnung" bei der Bewilligung von SGB II-Leistungen gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 15. Dezember 2009 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Kläger bildeten eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II, so dass nach § 9 Abs. 2 SGB II Einkommen und Vermögen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft "untereinander" zu berücksichtigen seien. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestünden hiergegen nicht.

Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie tragen ergänzend vor: Zwar solle Einkommen und Vermögen des Klägers zu 1) für die Berechnung der der Klägerin zu 2) zustehenden Leistungen berücksichtigt werden, allerdings nur beschränkt auf den Teil, der den Eigenbedarf des Klägers zu 1) übersteige. Es könne nicht sein, dass der Kläger zu 1) durch die Einkommensanrechnung trotz eigener Bedarfsdeckung zum Hilfebedürftigen werde.

Die Kläger beantragen nach ihrem Vorbringen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 15. Dezember 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 1. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Einkommen des Klägers zu 1) nur insoweit bei der Klägerin zu 2) bedarfsmindernd zu berücksichtigen, als dieses den Eigenbedarf des Klägers zu 1) übersteigt, hilfsweise festzustellen, dass Einkommen des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 2) nur insoweit bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist, als dieses den Eigenbedarf des Klägers zu 1) übersteigt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist nicht begründet.

Soweit die Kläger mit ihrer Klage bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage die Verurteilung des Beklagten erstreben, bei der Berechnung von Leistungen nach dem SGB II Einkommen des Klägers zu 1) nur insoweit bei der Berechnung der der Klägerin zu 2) zustehenden Leistungen zu berücksichtigen, als dieses den Eigenbedarf des Klägers zu 1) übersteigt, ist die Klage bereits mangels Vorliegens einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung unzulässig. Bei der Mitteilung des Beklagten vom 1. August 2008 handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt iSv § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Denn das genannte Schreiben verlautbart keine konkrete Einzelfallregelung, sondern erschöpft sich in einer allgemeinen Darlegung der bei der Berechnung von Ansprüchen nach dem SGB II anwendbaren Rechtslage. Der Beklagte hat darin weder eine Einzelfallentscheidung zu konkreten Leistungsansprüchen des Klägers zu 1) und/oder der Klägerin zu 2) noch im Übrigen Regelungen über einzelne Rechtsbeziehungen oder Berechtigungen bzw. Verpflichtungen der Kläger getroffen.

Soweit das Klagebegehren als Feststellungsklage iSv § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG aufzufassen ist, ist diese ebenfalls nicht statthaft. Nach der genannten Vorschrift kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG umfasst dabei auch die Feststellung einzelner Rechtsbeziehungen oder Berechtigungen aus dem Rechtsverhältnis (vgl. zur Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen eines SGB II-Leistungsbeziehers: BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 10/08 R – juris – mwN). Unzulässig ist allerdings eine Feststellungsklage, die – wie hier – auf die Feststellung einzelner Elemente eines Leistungsanspruchs gerichtet ist (sog. Elementenfeststellungsklage), nämlich die Feststellung einer bestimmten Methode der Leistungsberechnung nach dem SGB II. Zwar fehlt es insoweit – wie bereits dargelegt - an der Möglichkeit einer Leistungsklage. Die Frage der Art und Weise der Leistungsberechnung wird aber im Rahmen einer Klage auf höhere Leistungen inzident beantwortet. Für eine zusätzliche formelle Feststellung der anzuwendenden Methode der Leistungsberechnung fehlt schon daher das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 13. März 2001 – B 3 P 10/00 R = SozR 3-3300 § 38 Nr 2). Die Kläger sind insoweit auch vorrangig auf die von ihnen gegen die einzelnen Bewilligungsentscheidungen des Beklagten erhobenen und noch anhängigen Anfechtungs- und Leistungsklagen zu verweisen, wie sie sich der Berufungsschrift vom 19. Januar 2010 für die streitigen Leistungszeiträume von Januar 2005 bis Dezember 2007 im Einzelnen entnehmen lassen.

Über das Sachbegehren der Kläger war somit nicht zu entscheiden. Indes weist das Gericht darauf hin, dass nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig gilt, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist. Im Einzelfall führt diese Regelung dazu, dass in einer Bedarfsgemeinschaft selbst derjenige, dessen individueller Bedarf – wie der Kläger zu 1) hier vorträgt - durch Einkommen gedeckt ist, wie ein Hilfebedürftiger behandelt wird und ihm auf diese Weise, ohne dass individuelle Hilfebedürftigkeit vorliegt, ein anteiliger individueller Anspruch gleichwohl zugestanden werden muss. Ob dies sinnvoll ist, kann dahinstehen. Es entspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers, ohne dass hiergegen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen würden (vgl. schon BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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