L 18 AL 205/10 B

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 35 AL 1624/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 205/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juni 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Auferlegung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 150,- EUR gegenüber der Klägerin wegen unentschuldigten Ausbleibens im Termin ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für das vom Sozialgericht (SG) Berlin auferlegte Ordnungsgeld ist § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm §§ 141 Abs. 3, 380, 381 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Hiernach kann das Gericht gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, ein Ordnungsgeld festsetzen, wenn er ohne genügende Entschuldigung zu dem Termin nicht erschienen ist. Die Anordnung einer Ordnungshaft ist - anders als bei einem unentschuldigt ausgebliebenen Zeugen - unzulässig (vgl. LSG Berlin, Beschluss vom 10. Juni 2004 - L 3 B 14/04 U – mwN, juris).

Hieran gemessen ist der Beschluss des SG vom 23. Juni 2010 nicht zu beanstanden. Das persönliche Erscheinen der Klägerin zu dem Termin am 23. Juni 2010 war ausdrücklich angeordnet. Die mit einem Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens versehene Ladung wurde ausweislich der hierüber vom Zusteller der J GMH gefertigten Zustellungsurkunde der Klägerin am 28. Mai 2010 durch Einlegen in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung zugestellt, weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung nicht möglich war. Diese Ladung entspricht den Vorschriften des § 63 SGG i.V.m. §§ 176 ff. ZPO. § 178 ZPO regelt die Ersatzzustellung, wenn der Zustelladressat in seiner Wohnung oder in seinen Geschäftsräumen nicht angetroffen wird. Dann kann das Schriftstück gemäß § 180 ZPO in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung – wozu auch der von der Klägerin bereitgehaltene Briefschlitz (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 31. März 2009 – 10 U 185/08 -; juris) zählt - eingelegt werden. Die Zustellung wird mit dem Zeitpunkt des Einlegens fingiert. Die fehlende Kenntnis des Adressaten ist unerheblich. Die Postzustellungsurkunde stellt eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 ZPO dar. In ihr werden Ort und Zeitpunkt der Zustellung bezeugt. Der Gegenbeweis ist zwar zulässig, erfordert jedoch, dass die in der Zustellungsurkunde beurkundeten Tatsachen unrichtig sind. Die bloße Behauptung eines anderen Geschehens oder das bloße Bestreiten genügen nicht (BayLSG, Beschluss vom 6. April 2009 – L 2 B 608/08 AS -, juris). Es ist ein Geschehensablauf zu beweisen, der ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung belegt (vgl. BFH, Beschluss vom 25. Juni 2009 – VIII B 92/08 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 21. November 2006 – BVerwG 1 B 162.06 -, juris). Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen kommt der Senat zum Ergebnis, dass die bloße Behauptung der Klägerin, es sei unmöglich, dass eine Ladung in einem auffälligen Briefumschlag bei ihr "verschwunden" sein könnte, nicht genügt, um zu beweisen, sie habe das Schriftstück nicht in ihrer Wohnung vorfinden können. Eine derartige Behauptung ist angesichts des Umstandes, dass die Klägerin die Wohnung gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren Kindern bewohnt und mithin die Ladung nicht nur von der Klägerin zur Kenntnis und in Verwahrung genommen worden sein kann, zu unsubstantiiert. Weiterhin ergibt sich die Unrichtigkeit der beurkundeten Unmöglichkeit der Übergabe der Ladung nicht aus der Behauptung der Klägerin, dass ihre Familie "stets gegen 18.00 Uhr Abendbrot" esse. Wenn mit der Klägerin davon auszugehen sein sollte, dass der Übergabeversuch am 28. Mai 2010 um 17.55 Uhr (vgl. Beschwerdebegründung vom 21. Juli 2010) bzw. um 17.57 Uhr (vgl. die "Tracking Daten" in der eingereichte "Sendungsverfolgung") stattfand, so lassen die sich im Ungefähren erschöpfenden Angaben der Klägerin zur abendlichen Anwesenheit gerade offen, ob die Klägerin oder ihre Familienangehörigen am fraglichen Tag sich bereits vor 18.00 Uhr in der Wohnung aufgehalten hatten. Soweit die Klägerin weiterhin Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Zustellungsurkunde damit begründet, dass der Zustellungszeitpunkt außerhalb der "allgemeinen Geschäftszeiten" liege und die Sendung laut Sendungsverfolgung " mitten in der Nacht" um 2.26 Uhr dem Zusteller übergeben worden sein soll, kann der Senat dem nicht folgen. Es ist sowohl allgemein bekannt, dass die Tätigkeit von Zustellern nicht an "allgemeine Geschäftszeiten" gebunden ist und bestimmte Tätigkeiten – wie z.B. der Umschlag und das Befördern von Briefen – von Postdienstleistern auch und sogar vorzugsweise zur Nachtzeit vorgenommen werden. Im Übrigen belegt die von der Klägerin eingereichte "Sendungsverfolgung" keineswegs, dass die zugestellte Sendung um 2.45 Uhr an den Zusteller übergeben worden ist, sondern enthält lediglich einen Hinweis auf den Zeitpunkt der "Beladung" durch die J GmbH. Dementsprechend kann der Senat keine Anhaltspunkte für die Annahme eines Fehlverhaltens und einer Falschbeurkundung durch den Zusteller erkennen und sieht sich deshalb nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst.

Die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin durch das SG erfolgte auch zur Aufklärung des Sachverhalts. So war in dem Klageverfahren die allfällige Abmeldung der Klägerin aus der Arbeitsvermittlung vom 29. Januar 2010 bis 24. Februar 2010 streitig. Durch das unentschuldigte und auch nicht nachträglich hinreichend entschuldigte Ausbleiben der Klägerin ist eine Verzögerung des Rechtsstreits eingetreten, denn das SG hat keine die Instanz abschließende Entscheidung getroffen und die Klägerin in einem weiteren Erörterungstermin am 7. Juli 2010 zur Frage der Abmeldung angehört. Das SG hat auch seine Ermessensentscheidung zur Höhe des Ordnungsgeldes hinreichend begründet. Der Betrag von 150, - EUR liegt im unteren Bereich des nach Art. 6 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch zulässigen Rahmens (5,- EUR bis 1.000,- EUR). Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen hat die Klägerin in der Beschwerde nichts vorgetragen.

Die Kostenentscheidung (vgl. zur Notwendigkeit und Rechtsgrundlage LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. März 2010 – L 5 AS 1114/09 B – mwN, juris) beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten iVm § 467 Abs. 1 Strafprozessordnung.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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