L 21 SF 38/10 Verg

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
21
1. Instanz
-
Aktenzeichen
VK 1 - 227/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 SF 38/10 Verg
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Beschwerdeführers, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 15.01.2010 (VK 1-227/09) über den 12.02.2010 hinaus bis zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag des Antragstellers und Beschwerdeführers (AS) auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes (VK) vom 15.01.2010, mit dem der Nachprüfungsantrag des AS (als unzulässig bzw. unbegründet) zurückgewiesen worden ist, ist nicht begründet und deshalb abzulehnen.

Bei der Entscheidung über den Antrag gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB hat das Beschwerdegericht im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung (auch) die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 Satz 1 GWB idF d Art 1 Nr. 19 des Gesetzes vom 20.04.2009). Verspricht die Beschwerde auf der Grundlage des der Entscheidung zugrunde zu legenden Sach- und Streitstandes keine Aussicht auf Erfolg, ist der Antrag abzulehnen, ohne dass es einer (weiteren) Interessenabwägung bedarf (vgl. zu § 118 Abs.2 GWB aF Senatsbeschluss vom 09.04.2009, L 21 KR 28/09 SFB; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.03.2007 - VII-Verg 5/07, VergabeR 2007, 662). Hieran hält der Senat auch im Hinblick auf die Neufassung des § 118 Abs. 2 GWB grundsätzlich fest. Sind die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde zu verneinen, können die möglicherweise geschädigten Interessen des Bieters im Rahmen der Interessenabwägung nicht das Ergebnis einer Verlängerung des Zuschlagsverbots zeitigen (so im Ergebnis auch OLG Düsseldorf - Vergabesenat -Beschluss vom 14.10.2009 VII-Verg 40/09; Beschluss vom 30.11.2009, VII-Verg 43/09). Es erfolgt insoweit - wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung - eine nur summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde (vgl. Otting in: Bechtold, GWB, Kommentar, 5. Aufl, § 118 Rdnr 6 mit weiteren Nachweisen (mwN)).

Danach bietet die sofortige Beschwerde des AS keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Nachprüfungsantrag ist, wovon auch bereits die VK zu Recht ausgegangen ist, unzulässig, soweit die Rügen des AS die Regelungen der Nrn. 3.1 bis 3.3 sowie 7.1 der Bewerbungsbedingungen betreffen. Insoweit hat der AS auch nicht im Ansatz im Sinne von § 107 Abs. 2 GWB darzulegen vermocht, dass ihm bei - hier unterstellter - Rechtswidrigkeit dieser Bestimmungen der Eintritt eines Schadens droht. Ganz offensichtlich haben diese Bestimmungen weder für den AS noch den Beigeladenen (Bg) im Rahmen der Ausschreibung irgendeine Rechtswirkung entfaltet, so dass diese Rügen des AS auf eine - unzulässige - allgemeine Rechtmäßigkeitsprüfung der Ausschreibung hinauslaufen. Auch soweit der AS rügt, die AG seien im Rahmen der Wertung seines Angebots zu Unrecht davon ausgegangen, er habe gar nicht die Abgabe eines ernsthaften Angebots beabsichtigt, vermag der Senat die Möglichkeit eines Schadenseintritts nicht zu erkennen: Die Bewertung des Angebots erfolgte anhand der feststehenden Bewertungskriterien; was sich die AG darüber hinaus "gedacht" oder (überflüssigerweise) auch schriftlich mitgeteilt haben, ist unerheblich.

Im Übrigen stellt sich der Nachprüfungsantrag des AS als unbegründet dar:

Entgegen der Auffassung des AS verstößt die Ausschreibung der AG nicht gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL /A, denn ein außergewöhnliches Wagnis im Sinne dieser Vorschrift wird den Bietern nicht aufgebürdet.

Die AG haben den Abschluss einer Rahmenvereinbarung im Sinne des § 3a Nr. 4 VOL/A ausgeschrieben. Derartige Rahmenvereinbarungen bergen - was sich aus der Natur der Sache ergibt - in erhöhtem Maße Ungewissheiten mit sich. Diese beziehen sich - jedenfalls bei der hier zu beurteilenden Konstellation (Abgabe von Arzneimitteln durch den Apotheker auf ärztliche Verordnung) - vor allem darauf, in welchem Umfang diese Einzelaufträge abgerufen werden. Die AG haben den Bietern detaillierte Informationen über die gegenüber den AG jeweils in den letzten drei "Grippesaisons" abgerechneten Impfdosen, die Anzahl der ärztlichen Verordnungen, die Anzahl der (zu beliefernden) Ärzte und die zu Lasten der AG realisierten Umsätze mitgeteilt. Dies ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

Der Senat ist in seiner Rechtsprechung zu den Arzneimittelrabattverträgen gemäß § 130a Abs. 8 SGB V durchgehend davon ausgegangen, dass kein ungewöhnliches Wagnis angenommen werden kann, wenn dem pharmazeutischen Unternehmer zur Kalkulation der von ihm zu gewährenden Rabatte die Anzahl der verordneten Arzneimittel eines Wirkstoffs (unterteilt nach Packungsgrößen, Darreichungsformen usw.) bezogen auf einen in der Vergangenheit liegenden Referenzzeitraum zur Verfügung gestellt werden (vgl. z.B. Beschluss vom 26.03.2009, L 21 KR 26/09 SFB; Beschluss vom 03.09.2009, L 21 KR 51/09 SFB). Erforderlich ist grundsätzlich nur, dass den Bietern möglichst präzise Daten aus der Vergangenheit an die Hand gegeben werden, um den Umfang der in der Zukunft erfolgenden Einzelaufträge hinreichend sicher prognostizieren zu können. Die AG haben den Bietern hier detaillierte Daten aus drei Referenzzeiträumen mitgeteilt. Es ist nicht ersichtlich, was die AG den Bietern an weiteren Rechengrößen weiter hätten vorlegen können, um ihnen eine (noch) präzisere Kalkulation zu ermöglichen. Auch dem Vorbringen des AS ist insoweit nichts zu entnehmen. Bei derartigen Rahmenverträgen ist grundsätzlich immer der Eintritt zukünftiger Ereignisse denkbar, die auch geeignet sein mögen, die Kalkulation des Unternehmers zu beeinflussen. Sie stellen jedoch grundsätzlich keine außergewöhnlichen Wagnisse dar, sondern sind vielmehr dem Bereich des unternehmerischen Risikos zuzurechnen. Dieses aber ist aufgrund der Datenlage berechenbar. Dies gilt auch insoweit, als der AS geltend macht, die Preise für die Impfstoffe gebe der Hersteller erst kurz vor der Auslieferung bekannt. Insoweit hat der AS jedenfalls nicht substantiiert dargelegt, dass die jeweiligen Preise für Grippeimpfstoffe in der Vergangenheit erheblich unterschiedlich gewesen sind oder aber zukünftig erheblich von denen in der Vergangenheit abweichen werden.

An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass hier - anders als in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen (vergl. oben aaO) - der Bieter davon ausgehen muss, dass die von ihm erwartete Umsatzsteigerung hinsichtlich der Impfstoffe maßgeblich darauf beruht, dass die entsprechenden ärztlichen Verordnungen zu ihm gelangen. Dies wiederum hängt vom Verhalten der Ärzte ab, die - was der zu schließende Vertrag vorsieht - über das Bestehen der Rahmenvereinbarung schriftlich informiert werden. Diese "Umsetzungsquote" bedarf der Kalkulation durch den Bieter, erscheint jedoch aufgrund der Kenntnis der Anzahl der teilnehmenden Ärzte, des zu erwartenden Aufwandes für die Ärzte sowie der "Branchenkenntnisse" der Bieter als beherrschbar.

Der Senat vermag im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung auch nicht davon auszugehen, dass der hier beabsichtigte Vertragsschluss gegen sozialrechtliche Vorschriften verstößt.

Der Auffassung des AS, die Ausschreibung verstoße gegen Vereinbarungen (§ 1 Absatz 2 ) der mit den AG auf der Grundlage von § 129 Abs.2 SGB V geschlossenen Arzneimittellieferverträge (ALV) sowie gegen § 2 Abs. 3 SGB V ist entgegen zu halten, dass die sich daraus ergebenden Rechte der Apotheker nicht tangiert werden, da ihnen die Teilnahme am Bieterwettbewerb offen steht. Ein generelles Verbot von Ausschreibungen, die die Lieferung von Arzneimitteln zum Gegenstand haben, lässt sich diesen Regelungen nicht entnehmen.

Ferner hat die VK auch das Zuschlagskriterium des niedrigsten Preises zutreffend für rechtmäßig erachtet. Auf die entsprechen Ausführungen wird Bezug genommen. Dem Vorbringen des AS im Beschwerdeverfahren sind neue Gesichtspunkte insoweit nicht zu entnehmen.

Schließlich ist der Nachprüfungsantrag auch insoweit unbegründet, als der AS eine Verletzung des "Prinzips der Gleichbehandlung von Versand- und Nichtversandapotheken" rügt. Der AS (ohne Versandhandelserlaubnis) und der Bg (mit Versandhandelserlaubnis) werden im Rahmen der Ausschreibung gleich behandelt; es mag lediglich Folge der vorliegenden Versandhandelserlaubnis für den Bg sein, dass dieser sein Angebot kostengünstiger zu kalulieren vermag. Darin liegt aber keine unzulässige Ungleichbehandlung im Sinne des § 97 Abs. 2 GWB.

Im Übrigen wird auf die zutreffenden Gründe des Beschlusses der VK vom 15.01.2010 verwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Beschwerdeentscheidung vorbehalten.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 142a, 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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