S 5 P 19/10 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 5 P 19/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Veröffentlichung des Transparenzberichts für die von der Antragstellerin betriebene Einrichtung in der am 17. Februar 2010 übermittelten Fassung – im Internet oder in sonstiger Form – und die Freigabe desselben an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung zu unterlassen, bis über den zugrundeliegenden vorbeugenden Unterlassungsanspruch bestands- oder rechtskräftig entschieden ist, längstens bis zum 31. Oktober 2010. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Der Streitwert wird auf EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Veröffentlichung des Transparenzberichtes.

Sie betreibt eine Einrichtung der ambulanten Pflege in ... und betreut derzeit 60 Kunden. Es handelt sich um eine durch Versorgungsvertrag zugelassene Pflegeeinrichtung. Am 16. Dezember 2009 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) eine Regelprüfung der Einrichtung durch. Dabei prüften drei Pflegefachkräfte als Gutachter des MDK Leistungen für 5 Patienten. Sie erstellten einen Qualitätsprüfbericht, der mehrere Empfehlungen zur Beseitigung von Qualitätsdefiziten enthielt. Diesen erhielt die Antragstellerin am 30. Dezember 2009 zur Kenntnis. Hierzu nahm sie mit Schreiben vom 7. Januar 2010 Stellung. Sie führte aus, man habe die erste Auswertung bereits durchgeführt und viele Empfehlungen des MDK aufgenommen und in der Zwischenzeit bereits umgesetzt. Die Antragstellerin nahm zudem zu den einzelnen Prüfungspunkten Stellung und reichte weitere Unterlagen zum Beleg ein. Den vorläufigen Transparenzbericht konnte sie am 17. Februar 2010 auf elektronischem Wege einsehen. Im Qualitätsbereich "Pflegerische Leistung" erhielt die Einrichtung die Note 3,8 (ausreichend); im Bereich " Ärztlich verordnete pflegerische Leistung" wurde die Einrichtung mit 3,7 (ausreichend) benotet. In den Bereichen "Dienstleistung und Organisation" und "Befragung der Kunden" erhielt die Einrichtung jeweils die Note 1,0 (sehr gut). Das rechnerische Gesamtergebnis betrug 2,6 (befriedigend). In der E-Mail der DCS Pflege (Datenclearing-Stelle Pflege) hieß es, der Transparenzbericht werde spätestens 28 Tage nach dem ersten Entwurf veröffentlicht. Zudem erhielt die Antragstellerin die Gelegenheit zur Stellungnahme, zur Einreichung von Unterlagen und zur Einstellung eines Kommentars in den Transparenzbericht. Am 17. März 2010 machte die Antragstellerin Einwendungen geltend.

Die Antragstellerin hat am 18. März 2010 beim Sozialgericht Magdeburg um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie ist der Ansicht, die Veröffentlichung sei ein Realakt. Solle ein Verwaltungsakt vorliegen, sei das Schreiben vom 17. März 2010 als Widerspruch auszufassen. Die PTVA seien verfassungswidrig, da der Gesetzgeber wegen des Wesentlichkeitsprinzips die Regelungen der Transparenzprüfung nicht delegieren dürfe. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich jedenfalls aus der fehlerhaften Anwendung der PTVA selbst. Die übersteigerten Anforderungen des MDK an die Dokumentation entsprächen nicht dem gesetzgeberischen Willen nach der Feststellung der Ergebnisqualität. Nachweise seien auch in anderer Form als durch Dokumentationen möglich. Außerdem liege eine Vielzahl von fehlerhaften Wertungen des MDK vor. Unterlagen seien nicht zur Kenntnis genommen worden. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf richtige Darstellung in der Öffentlichkeit. Einwendungen der Antragstellerin seien auf die Qualitätsbereiche 1 und 2 beschränkt. Zudem stelle die Bewertungssystematik einen unzulässigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit und in das Recht am Gewerbebetrieb dar. Dies sei daran erkennbar, dass bei acht Fragen die Patienten 1 bis 4 nicht haben bewertet werden können und die Bewertung für Patient 5 sich rechnerisch so durchschlage, dass die Gesamtnote für die jeweilige Frage die Note 5 ergebe. Es komme dadurch zu einer verzerrten Wahrnehmung der Qualität der Antragstellerin. Der Transparenzbericht bilde aufgrund des geringen statistischen Prozentsatzes kein hinlänglich aussagekräftiges Bild der Leistungsfähigkeit der Einrichtung. Die Noten der Qualitätsbereiche seien zudem fehlerhaft berechnet. Bereits eine Note innerhalb einer einzelnen Frage eines Qualitätsbereiches könne einen potentiellen Bewohner abschrecken. Der Verbraucher nehme nicht den Weg sondern nur das Ergebnis zur Kenntnis. Der Durchschnittsverbraucher werde sich lediglich die Noten ansehen und bei einer Schlechtbewertung kaum weiterlesen. Die Gefahr der Rufschädigung der Einrichtung sei sehr hoch. Trete eine Einrichtung mit schlechtem Ergebnis an die Öffentlichkeit, sei der Leumund geschädigt, unabhängig davon, ob aufgrund geänderter Ansichten des MDK die Noten später abgeändert würden. Sobald ein potentieller Bewohner die schlechten Ergebnisse wahrgenommen habe, würde er die Einrichtung nicht erneut nach wenigen Wochen auf geänderte Ergebnisse ansehen. Die Möglichkeit einer Gegendarstellung im Internetauftritt sei auf 3000 Zeichen beschränkt. Ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren sei der Antragstellerin retrospektiv nicht nützlich.

Die Antragstellerin beantragt,

Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verpflichtet, die Veröffentlichung – im Internet oder in sonstiger Weise – der Ergebnisse der Qualitätsprüfung (Transparenzbericht) vom 16. Dezember 2009 über die Einrichtung der ambulanten Pflege der Antragstellerin und dessen Freigabe an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung zu unterlassen.

Es wird beantragt, die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Abschluss des Eilverfahrens zu verpflichten, die Veröffentlichung des vorläufigen Transparenzberichts über die Einrichtung der Antragstellerin und dessen Freigabe an Dritte zum Zwecke der Veröffentlichung zu unterlassen.

hilfsweise, festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 17. März 2010 gegen die Veröffentlichung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 16. Dezember 2009 aufschiebende Wirkung hat.

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Sie sind der Ansicht, es fehle sowohl am Anordnungsgrund als auch am Anordnungsanspruch. Es sei nicht substantiiert dargelegt, weshalb der Antragstellerin durch die Veröffentlichung des Transparenzberichts mit der Benotung erhebliche Nachteile entstehen sollten. Eine konkrete Existenzgefährdung sei weder behauptet noch angesichts der Möglichkeit einer kurzfristigen Wiederholungsprüfung zu unterstellen. Der alte Transparenzbericht würde dann überschrieben und erscheine nicht mehr im Internet. Die Einrichtungen hätten zudem die Möglichkeit, selbst Bewertungen im Transparenzbericht vorzunehmen. Die Bewertung der Einrichtung sei als nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit verstoßender möglicher Wettbewerbsnachteil hinzunehmen. Das öffentliche Interesse an der alsbaldigen Veröffentlichung überwiege den denkbaren wirtschaftlichen Schaden der Antragstellerin. Die Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung des Transparenzberichts begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Eingriff in die Berufsfreiheit der Träger von Einrichtungen sei gerechtfertigt, da der legitime Zweck verfolgt werde, auf schnelle Art und Weise mehr Transparenz im Bereich der Pflege herzustellen. Hierzu sei die Veröffentlichung von Prüfungsergebnissen geeignet und erforderlich. Die Benotung beruhe auf der Pflegetransparenz-Vereinbarung Ambulant (PTVA). Die Prüfbewertung sei nicht offensichtlich unzutreffend. Den Prüfern käme bei prüfungsspezifischen Bewertungen ein Beurteilungsspielraum zu. Dies bedeute, dass die Qualität eines Pflegedienstes von unterschiedlichen Prüfern durchaus auch unterschiedlich bewertet werden könne, ohne dass deshalb eine der Bewertungen rechtswidrig sei.

Die Antragsgegner haben zugesagt, die Veröffentlichung des vorläufigen Transparenzberichtes bis zum 17. April 2010 auszusetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte und die Gerichtsakte ergänzend verwiesen.

II.

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eröffnet. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 86b, 8 und 57 SGG).

Der Antrag ist zulässig. Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Nach § 86b Abs. 3 SGG ist der Antrag schon vor Klageerhebung zulässig. Einstweiliger Rechtsschutz kommt nicht nach § 86b Abs. 1 SGG durch die Feststellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs in Betracht. Die Veröffentlichung des Transparenzberichts ist kein Verwaltungsakt gemäß § 31 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren (SGB X). Es fehlt ihr der Regelungscharakter (siehe mit weiteren Ausführungen: LSG Sachsen, Beschluss vom 24. Februar 2010 – L 1 P 1/10 B ER). Es handelt sich um einen Realakt, so dass die Sicherungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG der statthafte Rechtsbehelf ist. Eine solche Anordnung soll der Veränderung des bestehenden Zustandes vorbeugen. Sie dient der Bewahrung des Status quo mit einem Unterlassungsgebot (§ 54 Abs. 5 SGG) an den zu Verpflichtenden.

Der Antrag ist überwiegend begründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen hier vor. Eine Regelungsanordnung kann das Gericht erlassen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht (§ 920 Zivilprozessordnung – ZPO, § 86b Abs. 2 S. 4 SGG), dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht und dass der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde. Voraussetzung für die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz ist damit das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und Anordnungsgrundes, wobei der Anordnungsanspruch den materiellen Anspruch auf die Regelung an sich beinhaltet und der Anordnungsgrund ein besonderes Eilbedürfnis, also die Dringlichkeit der begehrten Regelung für den Antragsteller voraussetzt (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, Rn. 175). Dabei sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund umso höher, je geringer die Erfolgsaussichten sind; sie sind umso niedriger, je größer die Erfolgsaussichten sind. Ist unklar, ob ein Anordnungsanspruch besteht, hat eine Folgenabwägung zu erfolgen. Eine solche verlangt, die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, gegenüber den nachteilen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte. Dabei sind insbesondere die möglichen Folgen für die Grundrechte des jeweiligen Antragstellers zu bedenken.

Ein Anordnungsanspruch ist zu bejahen. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten vorbeugenden Unterlassungsanspruch ist § 115 Abs. 1a Sozialgesetzbuch – Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) iVm Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 1428/91) beeinträchtigen marktbezogene Informationen des Staates den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der betroffenen Wettbewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt. Verfassungsrechtlich von Bedeutung sind dabei das Vorliegen einer staatlichen Aufgabe und die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung sowie die Beachtung der Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit von Informationen. Ein am Markt tätiges Unternehmen setzt sich der Kommunikation und damit auch der Kritik der Qualität seiner Produkte oder seines Verhaltens aus. Art. 12 Abs. 1 GG vermittelt kein Recht des Unternehmens, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie es gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selber sieht. Art. 12 Abs. 1 GG schützt Marktteilnehmer nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt. Die Rechtsordnung zielt auf Markttransparenz. Die inhaltliche Richtigkeit einer wettbewerbsrechtlichen Information ist grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass sie die Transparenz am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördert (BVerfG, a.a.O.).

Der Antrag ist schon deshalb begründet, da wesentliche Vorgaben der Pflege-Transparenzvereinbarung Ambulant (PTVA) verletzt sind. Es kann insofern die Diskussion in Rechtsprechung und Literatur über die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen (vgl. SG M., Beschluss vom 13. Januar 2010 – S 19 P 6/10 ER; LSG Sachsen, Beschluss vom 24. Februar 2010 – L 1 P 1/10 B ER) und die Anwendbarkeit der PTV (vgl. SG Münster, Beschluss vom 18. Januar 2010 – S 6 P 202/09 ER; LSG Berlin-Brandenburg; Beschluss vom 29. März 2010 – L 27 P 14/10 B ER) und zur Gewichtung der Dokumentationen in der Pflege im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes noch dahinstehen.

Gemäß § 115 Abs. 1a Satz 1 SGB XI stellen die Landesverbände der Pflegekassen sicher, dass die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form kostenfrei veröffentlicht werden. Hierbei sind die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen des MDK sowie gleichwertige Prüfergebnisse zugrunde zu legen (Satz 2). Gemäß § 114 Abs. 2 Satz 3 SGB XI erfasst die Ergebnisqualität wesentliche Aspekte des Pflegezustandes und die Wirksamkeit der Pflege- und Betreuungsmaßnahmen. Die Qualitätsprüfung erfolgt gemäß § 114a SGB XI an Ort und Stelle ohne vorherige Anmeldung. Bei der ambulanten Pflege ist der MDK berechtigt, die Qualität der Leistungen des Pflegedienstes mit Einwilligung des Pflegebedürftigen auch in dessen Wohnung zu überprüfen. Die Teilnahme an Inaugenscheinnahme und Befragungen ist freiwillig.

Die Regelungen dienen der externen Vergleichbarkeit der Einrichtungen unter Verbraucherschutzaspekten. Dabei soll die Darstellung auf überschaubare Parameter beschränkt sein. Die Kriterien der Veröffentlichung einschließlich der Bewertungssystematik sind gemäß § 115 Abs. 1a SGB XI zu vereinbaren (§ 115 Abs. 1a Satz 6).

Die Datengrundlage der Bewertung wurde jedoch nicht nach den Vorgaben der PTVA erhoben. Gemäß § 2 Satz 2 PTVA werden 10 Prozent, jedoch mindestens 5, höchstens 15 pflegebedürftige Menschen in die Prüfung einbezogen. Vom MDK wurde jedoch keine Prüfung bei 10 Prozent der Kunden des Pflegedienstes vorgenommen. Nach dem Prüfbericht wurden "im Rahmen der Überprüfung der Ergebnisqualität insgesamt 5 Pflegebedürftige (im Prüfbericht P1 bis P 5 genannt) mit den Pflegestufen I bis III ausgewählt, um ein Gespräch zur Zufriedenheit und eine Überprüfung des Pflegezustandes durchzuführen". Die Einrichtung betreute 60 Kunden. In die Prüfung waren mithin nach der Vereinbarung 6 Personen einzubeziehen. Insbesondere ist die Regelung nicht derart zu verstehen, dass in jeder Einrichtung – unabhängig von deren Größe – nur wenigstens 5 Personen einzubeziehen seien. Denn dann machte die Prozentangabe in § 2 Satz 2 PTVA keinen Sinn. Vielmehr ist erst in einem zweiten Schritt die Mindestanzahl auf 5 Personen zu erhöhen oder auf 15 Personen zu verringern. Die Daten für eine weitere pflegebedürftige Person können erheblichen Einfluss auf die Skalenwerte und entsprechend auch die Benotung haben. Die Einhaltung der quantitativen Vorgabe des § 2 PTVA ist besonders auch deshalb wichtig, weil die Bewertungen der Einzelkriterien über die Punkteskala eine besondere Bewertungswirksamkeit von Pflegefehlern begründet und bei willkürlicher Festlegung der Prüfpersonenzahl die vom Gesetz geforderte Vergleichbarkeit und Verfahrensfairness nicht mehr gewahrt werden würde (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).

Die Notenbildung selbst für die Qualitätsbereiche und die Gesamtbewertung ist wohl nach den Vorgaben der PTVA erfolgt. Wie der Erläuterung im Transparenzbericht zu entnehmen ist, erfolgte die Benotung der Bereiche aus den Mittelwerten der Punktewerte der Einzelkriterien. Das LSG Berlin-Brandenburg (a.a.O.) ist der Ansicht, die Bereichs- und Gesamtbenotung sei aus dem Mittelwert der Einzelnoten zu berechnen. Dies ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts jedoch nicht notwendig aus den PTVA. Nach der Anlage 2 zu den PTVA (über § 3 PTVA anzuwenden) Nr. 2.1 erhält jedes einzelne Kriterium eine Einzelbewertung anhand einer Skala von 0 bis 10. Die Skalenwerte sind in Noten umzurechnen. Für jeden der vier Qualitätsbereiche wird als Bereichsbewertung das arithmetische Mittel der Bewertungen der einzelnen Kriterien des jeweiligen Qualitätsbereichs ausgewiesen (Nr. 2.2). Als Gesamtbewertung wird das arithmetische Mittel der Bewertungen der Kriterien 1 bis 37 ausgewiesen (Nr. 2.3). Die einheitliche Qualifizierung als "Bewertung" stützt die Berechnung von Bereichs- und Gesamtbenotung zunächst nach den Skalenwerten und in Folge durch Umrechnung auf die Noten nach dem Tabellenanhang (siehe auch LSG Sachsen, a.a.O.). Die Bildung des arithmetischen Mittels aus den Skalenwerten der Bereiche oder aller Bereiche zur Bereichs- oder Gesamtnotenbildung, macht die Bewertung mangels Darstellung der Skalenwerte jedoch für den Nutzer eher weniger transparent.

Darüber hinaus ist Folgendes aufzuführen: Bei Kriterium Nr. 11 zu Patient 5 ist durch Anlagen 6 und 7 zur Antragsschrift glaubhaft gemacht, dass das Dekubitusrisiko berücksichtigt wurde. Nach Anlage 3 zur PTVA ist Kriterium 11 erfüllt, wenn ein pflegebedürftiger Mensch Leistungen der Grundpflege erhält, ein Dekubitusrisiko erkennbar ist und dieses in der Pflegedokumentation berücksichtigt wurde. Wenn ein Dekubitusrisiko erkennbar ist, erfolgt die Risikoeinschätzung mit dem Leistungsbeginn der Grundpflege. Danach soll in individuell festgelegten Abständen oder bei Veränderungen im zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit den erbrachten Leistungen ein Eintrag in der Pflegedokumentation erfolgen. Die Nachweise belegen ein Abheilen des erfassten Dekubitus zum 9. Dezember 2009, ebenso wie eine Checkliste Dekubitus.

Ob ein Dekubitus zum 16. Dezember 2009 (ggf. erneut) vorgelegen hat, lässt sich im Rahmen des Eilverfahrens hingegen nicht klären.

Zum Kriterium Nr. 27 hat die Antragstellerin durch Vorlage der Unterlagen (Anlagen 1, 2 und 3 zum Schreiben vom 7. Januar 2010) die Kontaktaufnahme zum behandelnden Hausarzt auch bei Patient 5 glaubhaft gemacht. Nach Anlage 3 zur PTVA ist Kriterium 27 erfüllt, wenn eine ärztlich verordnete Leistung durchgeführt wird und nachweislich bei den in Augenschein genommenen Patienten über Einträge in der Pflegedokumentation oder durch Vorlage der ärztlich verordneten Leistungen oder anderer geeigneter Nachweise eine Kommunikation des ambulanten Pflegedienstes mit dem Arzt erfolgt. Relevante Normwertabweichungen, Notfallsituationen oder andere unmittelbar mit der verordneten Leistung zeitlich oder inhaltlich zusammenhängende relevante Gesundheitszustandsveränderungen mit Auswirkungen auf Umfang, Inhalt, Dauer und Art der ärztlich verordneten Leistungen müssen grundsätzlich eine Kommunikation mit dem Arzt zur Folge haben. Es ist zum 25. Oktober 2009 notiert, dass der Hausarzt über eine Schmerzverstärkung informiert wird. Eine regelmäßige schriftliche Kommunikation lässt sich den Unterlagen entnehmen. Dem Patienten wurde ab 14. Oktober 2009 Diclo 50, ab 20. November 2009 Tramal verschrieben. Das Kriterium Nr. 27 wurde nach bisherigen Erkenntnissen fehlerhaft bewertet.

Im Übrigen bedürften die streitigen Punkte hinsichtlich der einzelnen Bewertung der Kriterien in der Einrichtung der Antragstellerin einer weiteren Sachverhaltsaufklärung. Dem steht jedoch die besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens entgegen. Ein Anordnungsgrund ist jedenfalls zu bejahen. Hierbei sind die schwer zu korrigierenden Folgen einer Veröffentlichung fehlerhafter Bewertungen für die Berufsausübung der Antragstellerin im Rahmen des Wettbewerbs der Pflegeeinrichtungen zu berücksichtigen. Die Veröffentlichung der Bewertungen im Qualitätsbereich "Pflegerische Leistung" mit der Note 3,8 (ausreichend); im Bereich " Ärztlich verordnete pflegerische Leistung" mit 3,7 (ausreichend) sollen der Orientierung der Pflegebedürftigen und der Angehörigen dienen. Sie wären geeignet Nachfrager von Pflegedienstleistungen abzuschrecken. Ein solches mit amtlicher Autorität ausgestattetes, auf konkrete Pflegedienstleistungen bezogenes und veröffentlichtes Werturteil beeinflusst die Marktchancen des Anbieters und berührt den Ruf seiner Firma (LSG Sachsen, a.a.O.). Wesentliche Nachteile drohen auch dann, wenn eigene Kommentare der Antragstellerin zur Bewertung durch die Antragsgegner in die Veröffentlichung aufgenommen würden, weil solche gegen die hoheitliche Bewertung nur begrenzt Marktwirksamkeit erlangen kann (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).

Die zeitliche Dauer der Untersagung ist nach dem Ermessen des Gerichts bis zum 31. Oktober 2010 zu beschränken. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte eine Klärung erfolgt bzw. ein Klageverfahren anhängig gemacht sein. Ein Antrag auf Wiederholungsprüfung ist möglich. Ergebnisse wären zeitnah zu berücksichtigen.

Der Antrag zu 2. der Antragstellerin ist wegen der Erklärung der Antragsgegner, die Veröffentlichung bis zum 17. April 2010 auszusetzen, erledigt. Ein Rechtsschutzinteresse bestand insofern nicht mehr.

Aus oben genannten Gründen zur Verwaltungsaktqualität war dem Hilfsantrag im Übrigen nicht statt zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Unterliegen der Antragstellerin ist ihrem Begehren nach unwesentlich.

Der Streitwert war gemäß § 197a SGG in Verbindung mit §§ 53 Abs. 3 Nr. 4 und 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen. Da der bisherige Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, war der Auffangwert anzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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