Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
17
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 SB 59/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 60.
Beim derzeit 47 Jahre alten Kläger wurde zuletzt mit Bescheid vom 06.12.2006 ein GdB von 50 festgestellt. Basis war eine seelische Beeinträchtigung mit einem GdB von 30, eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30, eine Funktionsbeeinträchtigung der Verdauungsorgane mit einem GdB von 10 und eine chronische Schmerzkrankheit mit einem GdB von 20.
Am 15.05.2008 stellte der Kläger einen Änderungsantrag wegen eines schmerzhaften Rückenleidens, eines nervösen Magenleidens, starker Depressionen und Schlafstörungen. Die Beklagte holte einen Reha-Bericht und Befundberichte ein, blieb jedoch bei der bisherigen Bewertung und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.06.2008 ab. Hiergegen legte der Kläger über seinen Bevollmächtigten am 08.07.2008 Widerspruch ein. Die psychische Erkrankung sei mit einem GdB von 50 zu bewerten, was sich auch daraus ergebe, dass der Kläger aus psychischen Gründen auch nach der Reha weiterhin arbeitsunfähig gewesen sei. Ferner sei das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 40 zu bewerten. Insgesamt bestünde ein GdB von 80. Der Beklagte hielt die bisherige Bewertung der Leiden angesichts der anzunehmenden Überschneidung eher für großzügig und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 05.02.2009 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 19.02.2009 Klage erhoben. Der Kläger sei als Verwaltungsangestellter bei der Bundesagentur für Arbeit bereits seit zwei Jahren krank geschrieben und leide daher an einer psychischen Erkankung, die mit einem GdB von mehr als 30 bewertet werden müsse. Hierzu solle ein Befundbericht des behandelnden Psychiaters Dr. C. angefordert werden. Auch sei zusätzlich zu den bereits bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden im Dezember 2008 eine Halswirbelsäulenerkrankung hinzugekommen, die zu einer Höherbewertung führen müsse.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2009 zu verurteilen, beim Kläger ab Antragstellung einen GdB von 60 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat Befundberichte von der behandelnden Orthopädin Dr. E. und vom behandelnden Psychiater Dr. C. eingeholt. Dr. C. bewertet die Funktionsstörung der Psyche als "stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis und Gestaltungsfähigkeit mit einem Einzel-GdB von 40. Unter den Diagnosen führt er unter anderem aus, dass sich "psychische Faktoren die körperliche Störungen bewirken". Dr. E. bewertet die Funktionsstörung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 bei "schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt". Dr. E. hat hierbei unter anderem einen Bericht von Dr. T. aus Februar 2009 übermittelt, dem zu entnehmen ist, dass die geklagten Schmerzen mit dem Befund nicht kongruent seien. Es bestünde eine sehr gut ausgeprägte Rückenmuskulatur ("Bodybuilding??"), obwohl bei den Beschwerden eher eine Atrophie zu erwarten gewesen wäre. Das Gericht hat nach Durchführung eines Termins die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass das psychischen Leiden mit einem GdB von 40 und die Funktionsstörung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 zu bewerten sei. Aufgrund einer erheblichen Überschneidung der beiden Leiden sei der Gesamt-GdB mit 50 zu bewerten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und der Kläger daher nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 50.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung in diesem Sinne ist unter anderem gegeben, wenn der veränderte Gesundheitszustand eine Änderung des GdB von 10 bedingt und/oder zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Nachteilsausgleichs führt (Teil A, Ziffer 7 a der Versorgungsmedizinischen Grundsätze). Dabei ist der GdB für die Zeit ab Antragstellung bis zum 31.12.2008 unter Heranziehung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht festzustellen (zur Anwendung der jeweils für einen Zeitraum geltenden Anhaltspunkte/Grundsätze: BSG, Urteil vom 30.09.2009, B 9 SB 4/08 R). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kam den Anhaltspunkten zwar keine Normqualität zu, es handelte sich aber um antizipierte Sachverständigengutachten, die aus Gründen der Gleichbehandlung normähnlichen Charakter hatten und von den Sozialgerichten wie untergesetzliche Normen anzuwenden waren (BSG, Urteil vom 18.09.2003, B 9 SB 6/02 R; BSG, Urteil vom 18.09.2003, B 9 SB 6/02 R, BSG, Urteil vom 12.06.2003, B 9 VG 1/02 R). Für die Zeit ab 01.01.2009 ist die Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 Grundlage für die Feststellung des GdB. Aus diesem Wechsel ergeben sich hier keine Abweichungen, da der Wortlaut der maßgebenden Abschnitte der "Anhaltspunkte" sowie der Anlage zu § 2 VersMedV ("Versorgungsmedizinische Grundsätze") identisch ist.
Im Funktionsbereich "Gehirn einschließlich Psyche" (vgl. zu den einzelnen Funktionssystemen Teil A, Ziffer 2 e der Versorgungsmedizinischen Grundsätze) leidet der Kläger nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. M. an einer rezidivierenden Depression, gegenwärtig remittiert, bei dualer Depression im Sinne einer Dysthymia und einer Persönlichkeitsakzentuierung mit narzistischen Zügen, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und es besteht ein schädlicher Gebrauch von Alkohol und Kokain. Die Kammer folgt der Einschätzung der Sachverständigen, dass es sich hierbei um eine stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit handelt, die nach Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zusammen mit einem GdB von 40 zu bewerten sind. Insbesondere aufgrund des strukturierten Tagesablaufs und der erhaltenen sozialen Kontakte gab es keinen Grund, einen höheren Einzel-GdB anzunehmen. Diese Bewertung deckt sich im Übrigen auch mit dem Wert, den der behandelnde Psychiater Dr. C. für einschlägig hielt.
Im Funktionsbereich "Rumpf" leidet der Kläger an einem chronischen Schmerzsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenprolaps L5/S1 links 8/98 und 05/06 mit Nukleotomie 6/06 ohne derzeit nachweisbare sensomotorische Defizite und ohne erkennbare Funktionseinschränkungen sowie einem HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen ohne sensomotorische Defizite und ohne Funktionsstörungen. Die Kammer folgt der Einschätzung der Sachverständigen, dass die Beschwerden nach Ziffer 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem GdB von 30 bewertet werden können, geht jedoch davon aus, dass sich dieser Wert nur wegen der geklagten Schmerzen rechtfertigen lässt. Nach den rein objektiv vorliegenden Funktionsstörungen wäre angesichts fehlender sensomotorischer Defizite und fehlender erheblicher Funktionseinschränkung ein GdB von 30 zu hoch. Die Bewertung deckt sich mit der Einschätzung von Dr. E., die auch für das Gericht als Gutachterin tätig ist und ebenfalls einen GdB von 30 angenommen hat.
Im Funktionsbereich "Verdauung" leidet der Kläger an einem chronischen Ulcusleiden und einem Reizmagen. Die Kammer folgt der Einschätzung der Sachverständigen, dass hierfür weiterhin ein GdB von 10 angemessen ist.
Der Gesamt-GdB ist mit 50 zu bewerten. Die Bildung des Gesamt-GdB bemisst sich nach Teil A, Ziffer 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB dürfen die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nach Ziffer 3a nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Für die Bildung des Gesamt-GdB ist insbesondere von Bedeutung, ob einzelne Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig sind und damit verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, sich überschneiden, sich aufeinander nachteilig auswirken oder sich die Funktionsbeeinträchtigung eines Leidens durch das Hinzutreten eines anderen Leidens nicht verstärkt (Ziffer 3 d aa, bb, cc und dd). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hält die Kammer einen Gesamt-GdB von 50 für angemessen. Führendes Leiden ist die Funktionsstörung der Psyche mit einem GdB von 40. Daneben besteht eine Funktionsstörung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30. Da verschiedene Bereiche betroffen sind, hält die Kammer es für gerechtfertigt, den GdB auf 50 zu erhöhen. Eine weitere Erhöhung kommt jedoch nicht in Betracht. Soweit der Kläger-Bevollmächtigte weiterhin der Auffassung ist, dass keine derartige Überschneidung anzunehmen sei, dass der GdB von 50 angemessen sei, ist festzuhalten, dass nicht nur die Sachverständige diese Überschneidung ausdrücklich sogar als "erheblich" beschrieben hat, sondern auch der behandelnde Psychiater eine Überschneidung durch die Diagnose "psychische Faktoren die körperliche Störungen bewirken" bestätigt hat. Bei der Frage, ob die Schwerbehinderteneigenschaft anzuerkennen ist, hält die Kammer es auch für die Zeit nach Geltung der Anhaltspunkte für erforderlich, eine Vergleichsbetrachtung mit Personen vorzunehmen, die aufgrund eines Leidens nach den Anhaltspunkten bzw. den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen einen GdB von 50 erhalten (vgl. Ziffer 19 Abs. 2 der Anhaltspunkte, Stand 2008; so auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.06.2009, L 10 SB 26/08). Im Fall des Klägers bieten sich Personen an, die wegen einer psychischen Erkrankung einen GdB von 50 bekämen. Solche Personen leiden unter einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Die Kammer hielt es trotz der bestehenden Sozialkontakte des Klägers und seines strukturierten Tagesablaufs insbesondere aufgrund der Schwierigkeiten im beruflichen Bereich für gerechtfertigt, den Kläger mit solchen Personen gleichzusetzen. Eine noch weitere Anhebung des Gesamt-GdB von 50 auf 60 war jedoch nicht begründbar. Auch unter Berücksichtigung der Funktionsstörung im Bereich "Verdauung" mit einem GdB von 10 war der Gesamt-GdB nicht weiter anzuheben. Denn von Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Es lagen keine Anhaltspunkte vor, die einen Ausnahmefall begründet hätten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Da weder eine Dienst-, noch eine Sach- oder Geldleistung, sondern die Feststellung einer Behinderung Streitgegenstand ist, kommt es auf den Wert des Streitgegenstandes nicht an (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 60.
Beim derzeit 47 Jahre alten Kläger wurde zuletzt mit Bescheid vom 06.12.2006 ein GdB von 50 festgestellt. Basis war eine seelische Beeinträchtigung mit einem GdB von 30, eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30, eine Funktionsbeeinträchtigung der Verdauungsorgane mit einem GdB von 10 und eine chronische Schmerzkrankheit mit einem GdB von 20.
Am 15.05.2008 stellte der Kläger einen Änderungsantrag wegen eines schmerzhaften Rückenleidens, eines nervösen Magenleidens, starker Depressionen und Schlafstörungen. Die Beklagte holte einen Reha-Bericht und Befundberichte ein, blieb jedoch bei der bisherigen Bewertung und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.06.2008 ab. Hiergegen legte der Kläger über seinen Bevollmächtigten am 08.07.2008 Widerspruch ein. Die psychische Erkrankung sei mit einem GdB von 50 zu bewerten, was sich auch daraus ergebe, dass der Kläger aus psychischen Gründen auch nach der Reha weiterhin arbeitsunfähig gewesen sei. Ferner sei das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 40 zu bewerten. Insgesamt bestünde ein GdB von 80. Der Beklagte hielt die bisherige Bewertung der Leiden angesichts der anzunehmenden Überschneidung eher für großzügig und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 05.02.2009 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 19.02.2009 Klage erhoben. Der Kläger sei als Verwaltungsangestellter bei der Bundesagentur für Arbeit bereits seit zwei Jahren krank geschrieben und leide daher an einer psychischen Erkankung, die mit einem GdB von mehr als 30 bewertet werden müsse. Hierzu solle ein Befundbericht des behandelnden Psychiaters Dr. C. angefordert werden. Auch sei zusätzlich zu den bereits bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden im Dezember 2008 eine Halswirbelsäulenerkrankung hinzugekommen, die zu einer Höherbewertung führen müsse.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2009 zu verurteilen, beim Kläger ab Antragstellung einen GdB von 60 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat Befundberichte von der behandelnden Orthopädin Dr. E. und vom behandelnden Psychiater Dr. C. eingeholt. Dr. C. bewertet die Funktionsstörung der Psyche als "stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis und Gestaltungsfähigkeit mit einem Einzel-GdB von 40. Unter den Diagnosen führt er unter anderem aus, dass sich "psychische Faktoren die körperliche Störungen bewirken". Dr. E. bewertet die Funktionsstörung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 bei "schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt". Dr. E. hat hierbei unter anderem einen Bericht von Dr. T. aus Februar 2009 übermittelt, dem zu entnehmen ist, dass die geklagten Schmerzen mit dem Befund nicht kongruent seien. Es bestünde eine sehr gut ausgeprägte Rückenmuskulatur ("Bodybuilding??"), obwohl bei den Beschwerden eher eine Atrophie zu erwarten gewesen wäre. Das Gericht hat nach Durchführung eines Termins die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass das psychischen Leiden mit einem GdB von 40 und die Funktionsstörung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 zu bewerten sei. Aufgrund einer erheblichen Überschneidung der beiden Leiden sei der Gesamt-GdB mit 50 zu bewerten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und der Kläger daher nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 50.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung in diesem Sinne ist unter anderem gegeben, wenn der veränderte Gesundheitszustand eine Änderung des GdB von 10 bedingt und/oder zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Nachteilsausgleichs führt (Teil A, Ziffer 7 a der Versorgungsmedizinischen Grundsätze). Dabei ist der GdB für die Zeit ab Antragstellung bis zum 31.12.2008 unter Heranziehung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht festzustellen (zur Anwendung der jeweils für einen Zeitraum geltenden Anhaltspunkte/Grundsätze: BSG, Urteil vom 30.09.2009, B 9 SB 4/08 R). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kam den Anhaltspunkten zwar keine Normqualität zu, es handelte sich aber um antizipierte Sachverständigengutachten, die aus Gründen der Gleichbehandlung normähnlichen Charakter hatten und von den Sozialgerichten wie untergesetzliche Normen anzuwenden waren (BSG, Urteil vom 18.09.2003, B 9 SB 6/02 R; BSG, Urteil vom 18.09.2003, B 9 SB 6/02 R, BSG, Urteil vom 12.06.2003, B 9 VG 1/02 R). Für die Zeit ab 01.01.2009 ist die Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 Grundlage für die Feststellung des GdB. Aus diesem Wechsel ergeben sich hier keine Abweichungen, da der Wortlaut der maßgebenden Abschnitte der "Anhaltspunkte" sowie der Anlage zu § 2 VersMedV ("Versorgungsmedizinische Grundsätze") identisch ist.
Im Funktionsbereich "Gehirn einschließlich Psyche" (vgl. zu den einzelnen Funktionssystemen Teil A, Ziffer 2 e der Versorgungsmedizinischen Grundsätze) leidet der Kläger nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. M. an einer rezidivierenden Depression, gegenwärtig remittiert, bei dualer Depression im Sinne einer Dysthymia und einer Persönlichkeitsakzentuierung mit narzistischen Zügen, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und es besteht ein schädlicher Gebrauch von Alkohol und Kokain. Die Kammer folgt der Einschätzung der Sachverständigen, dass es sich hierbei um eine stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit handelt, die nach Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zusammen mit einem GdB von 40 zu bewerten sind. Insbesondere aufgrund des strukturierten Tagesablaufs und der erhaltenen sozialen Kontakte gab es keinen Grund, einen höheren Einzel-GdB anzunehmen. Diese Bewertung deckt sich im Übrigen auch mit dem Wert, den der behandelnde Psychiater Dr. C. für einschlägig hielt.
Im Funktionsbereich "Rumpf" leidet der Kläger an einem chronischen Schmerzsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenprolaps L5/S1 links 8/98 und 05/06 mit Nukleotomie 6/06 ohne derzeit nachweisbare sensomotorische Defizite und ohne erkennbare Funktionseinschränkungen sowie einem HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen ohne sensomotorische Defizite und ohne Funktionsstörungen. Die Kammer folgt der Einschätzung der Sachverständigen, dass die Beschwerden nach Ziffer 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem GdB von 30 bewertet werden können, geht jedoch davon aus, dass sich dieser Wert nur wegen der geklagten Schmerzen rechtfertigen lässt. Nach den rein objektiv vorliegenden Funktionsstörungen wäre angesichts fehlender sensomotorischer Defizite und fehlender erheblicher Funktionseinschränkung ein GdB von 30 zu hoch. Die Bewertung deckt sich mit der Einschätzung von Dr. E., die auch für das Gericht als Gutachterin tätig ist und ebenfalls einen GdB von 30 angenommen hat.
Im Funktionsbereich "Verdauung" leidet der Kläger an einem chronischen Ulcusleiden und einem Reizmagen. Die Kammer folgt der Einschätzung der Sachverständigen, dass hierfür weiterhin ein GdB von 10 angemessen ist.
Der Gesamt-GdB ist mit 50 zu bewerten. Die Bildung des Gesamt-GdB bemisst sich nach Teil A, Ziffer 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB dürfen die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nach Ziffer 3a nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Für die Bildung des Gesamt-GdB ist insbesondere von Bedeutung, ob einzelne Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig sind und damit verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, sich überschneiden, sich aufeinander nachteilig auswirken oder sich die Funktionsbeeinträchtigung eines Leidens durch das Hinzutreten eines anderen Leidens nicht verstärkt (Ziffer 3 d aa, bb, cc und dd). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hält die Kammer einen Gesamt-GdB von 50 für angemessen. Führendes Leiden ist die Funktionsstörung der Psyche mit einem GdB von 40. Daneben besteht eine Funktionsstörung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30. Da verschiedene Bereiche betroffen sind, hält die Kammer es für gerechtfertigt, den GdB auf 50 zu erhöhen. Eine weitere Erhöhung kommt jedoch nicht in Betracht. Soweit der Kläger-Bevollmächtigte weiterhin der Auffassung ist, dass keine derartige Überschneidung anzunehmen sei, dass der GdB von 50 angemessen sei, ist festzuhalten, dass nicht nur die Sachverständige diese Überschneidung ausdrücklich sogar als "erheblich" beschrieben hat, sondern auch der behandelnde Psychiater eine Überschneidung durch die Diagnose "psychische Faktoren die körperliche Störungen bewirken" bestätigt hat. Bei der Frage, ob die Schwerbehinderteneigenschaft anzuerkennen ist, hält die Kammer es auch für die Zeit nach Geltung der Anhaltspunkte für erforderlich, eine Vergleichsbetrachtung mit Personen vorzunehmen, die aufgrund eines Leidens nach den Anhaltspunkten bzw. den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen einen GdB von 50 erhalten (vgl. Ziffer 19 Abs. 2 der Anhaltspunkte, Stand 2008; so auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.06.2009, L 10 SB 26/08). Im Fall des Klägers bieten sich Personen an, die wegen einer psychischen Erkrankung einen GdB von 50 bekämen. Solche Personen leiden unter einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Die Kammer hielt es trotz der bestehenden Sozialkontakte des Klägers und seines strukturierten Tagesablaufs insbesondere aufgrund der Schwierigkeiten im beruflichen Bereich für gerechtfertigt, den Kläger mit solchen Personen gleichzusetzen. Eine noch weitere Anhebung des Gesamt-GdB von 50 auf 60 war jedoch nicht begründbar. Auch unter Berücksichtigung der Funktionsstörung im Bereich "Verdauung" mit einem GdB von 10 war der Gesamt-GdB nicht weiter anzuheben. Denn von Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Es lagen keine Anhaltspunkte vor, die einen Ausnahmefall begründet hätten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Da weder eine Dienst-, noch eine Sach- oder Geldleistung, sondern die Feststellung einer Behinderung Streitgegenstand ist, kommt es auf den Wert des Streitgegenstandes nicht an (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved