Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 3406/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 633/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 3. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine höhere Verletztenrente zusteht.
Der 1964 geborene Kläger war am 03.07.2005 an seinem Arbeitsplatz auf eine Ablage gestiegen, um einen abgefallenen Spannbacken einer Beschneidemaschine zu bergen (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 07.07.2005). Dabei stürzte er aus 3 m Höhe nach hinten und fiel auf den Rücken.
Am Unfalltag diagnostizierte der Durchgangsarzt Prof. Dr. U., Klinik E., eine Prellung der Lendenwirbelsäule (LWS). Der Röntgenbefund habe keine Fraktur ergeben, neurologische Störungen lägen nicht vor, sämtliche Extremitäten seien frei beweglich gewesen (Durchgangsarztbericht vom 05.07.2005). Nach fortbestehenden Beschwerden und Arbeitsunfähigkeit wurde eine Kernspintomographie am 06.07.2005 veranlasst, bei der sich eine frische Deckplattenimpressionsfraktur am Lendenwirbelkörper (LWK) 1 ergab. Ein dorsaler Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelkörpersegment L 5/S 1 und eine Protrusion im Segment L 4/5 wurde als unfallvorbestehend eingestuft (Arztbrief des Radiologen Dr. H. vom 06.07.2005). Der Kläger wurde zunächst ambulant und in der Zeit vom 27.09.2005 bis 02.11.2005 stationär in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik) behandelt (Entlassungsbericht der BG-Klinik vom 14.11.2005). Nach Arbeits- und Belastungserprobung ab 21.11.2005 trat vollschichtige Arbeitsfähigkeit ab 09.01.2006 ein (Zwischenbericht der BG-Klinik vom 11.01.2006, Angabe des Arbeitgebers vom 21.02.2006). Nach Urlaub (vom 10. Januar bis 20.02.2006) wurde erneut Arbeitsunfähigkeit ab 19.03.2006 durch M. bescheinigt, zuletzt bis voraussichtlich 02.05.2006 (Bescheinigung von M. vom 19.03.2006 und 10.04.2006).
Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK - die Gesundheitskasse für den Kreis Göppingen vom 14.02.2006 bei, darin sind von 20.03. bis 18.04.1997 und 24.07. bis 18.08.1995 Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen eines Lumbalsyndroms bzw. Lumboischialgie verzeichnet.
Gestützt auf das radiologische Gutachten von Prof. Dr. D., Klinik E., vom 17.10.2006 beurteilte Prof. Dr. U. in seinem Gutachten vom 27.10.2006 eine LWK 1-Fraktur mit geringgradiger keilförmiger Verformung um 15° ohne Hinterkantenbeteiligung als Unfallfolge. Die Auswertung der MRT-Aufnahmen vom 06.07.2005 ergebe ausschließlich eine Ödembildung des LWK 1, Verletzungszeichen im Sinne eines traumatischen Bandscheibenschadens an den Segmenten L 5/S 1 und L 4/5 zeigten sich nicht, weshalb die Bandscheibenveränderungen als vorbestehend zu bezeichnen seien. Eine Nachuntersuchung in einem Jahr werde empfohlen. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 20 v.H.
Wegen geklagter Erektionsprobleme wurde das urologische Gutachten vom 28.02.2007 eingeholt. Darin diagnostizierte Prof. Dr. H. eine erektile Dysfunktion, am ehesten neurogener Genese, als Unfallfolge. Bei der klinisch-körperlichen, sonographischen und duplexsonographischen Untersuchung habe sich kein pathologischer Befund ergeben. Die für eine erektile Dysfunktion verantwortlichen Laborwerte zeigten ebenfalls keine Auffälligkeiten. Es liege ein kompletter Erektionsverlust vor, weshalb die unfallbedingte MdE auf urologischem Fachgebiet mit 20 v.H. einzuschätzen sei.
In seiner ergänzenden gutachterlichen Äußerung vom 17.04.2007 schätzte Prof. Dr. U. die Gesamt-MdE auf 30 v.H. Vorliegend zeige sich keine Instabilität im Übergang zwischen Brustwirbelsäule (BWS) und LWS, jedoch liege eine kleine Keildeformierung des LWK 1 und eine geringgradige Verschmälerung des Wirbelzwischenraums zwischen BWK 12 und LWK 1 vor, was zu statischen Veränderungen der gesamten Wirbelsäule führe und auch die vorbestehenden Veränderungen der Wirbelsäule besonders belaste. Die MdE um 20 v.H. auf seinem Fachgebiet berücksichtige diese Mehrbelastung.
Mit Bescheid vom 29.10.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Verletztenrente ab 05.05.2006 nach einer MdE um 30 v.H. als vorläufige Entschädigung. Als Unfallfolgen wurden anerkannt: schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit beiderseitigem Muskelhartspann im Übergangsbereich der Brust- zur Lendenwirbelsäule sowie erektile Dysfunktion nach unter Keildeformierung verheiltem Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers.
Im Rahmen der Nachbegutachtung wurde das neurologische Gutachten vom 18.01.2008 erstellt. Der Gutachter Prof. Dr. S. fand keine wesentlichen, auf seinem Fachgebiet zu beurteilende Unfallfolgen. Objektive Befunde und Ausfälle, die durch die LWK-1-Fraktur begründet sind, hätten sich nicht ergeben, sämtliche neurologische Befunde seien normal. Eine leichte Polyneuropathie mit grenzwertig verzögerten sensiblen und motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten sei dem Unfall nicht zuzuordnen. Eine wesentliche Wurzelläsion bestehe nicht, allenfalls eine diskrete Großzehen- und Fußheberschwäche und leichte Abschwächung des Achillessehnenreflexes rechts, was fraglich mit dem Unfall zu erklären sei, da die Fraktur im Bereich des LWK 1 kaum geeignet sei, eine Wurzelläsion bei L 5 und S 1 herbeizuführen. Eine schwere Spinalkanalstenose bei LWK 1 sei nicht erkennbar. Ob die erektile Dysfunktion tatsächlich Unfallfolge sei, bleibe unklar. Immerhin habe sich eine belangvolle Enge des Wirbelkanals oder eine Schädigung der Nervenwurzeln, die für die Steuerung der Erektion wichtig seien, nicht ergeben. Sämtliche Reflexe, die für die urogenitale Funktion belangvoll seien, seien normal gewesen.
Im urologischem Gutachten vom 10.04.2008 hielt Prof. Dr. H. an seiner Zusammenhangsbeurteilung fest. Auf urologischem Fachgebiet habe kein pathologischer Befund bei der erneuten körperlichen Untersuchung des Klägers erhoben werden können. Die Diagnose einer erektilen Dysfunktion neurogener Genese begründe sich aus den glaubhaften Angaben des Klägers, dem Fehlen anderweitiger Risikofaktoren und des intakten sozialen Umfelds. Nach der Literatur entsprängen psychogene Erektionen dem thorakolumbal lokalisiertem, psychogenen, sympathischen Erektionszentrum.
Das radiologische Gutachten von Prof. Dr. D. vom 30.04.2008 beschrieb eine gegenüber dem Vorgutachten unveränderte Keilwirbelbildung des LWK 1, mit gleich gebliebener Wirbelkörperhöhe von 3 cm ventral und 4,3 cm dorsal.
Im unfallchirurgischen Gutachten von Prof. Dr. U. vom 07.05.2008 wurden als Unfallfolgen eine gering- bis mittelgradige Bewegungseinschränkung des BWS/LWS-Überganges und ein paravertebraler Muskelhartspann in Höhe des BWS/LWS-Überganges, eine gering- bis mittelgradige Keilwirbelbildung des LWK 1 und eine Höhenminderung des Bandscheibenfaches BWK 12/LWK 1 beschrieben. Die unfallbedingte MdE betrage 10 v.H. auf unfallchirurgischem Fachgebiet. Die Gesamt-MdE werde auf 20 v.H. eingeschätzt unter zusätzlicher Berücksichtigung der MdE auf urologischem Gebiet.
Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 21.05.2008) gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19.06.2008 anstelle der bisherigen vorläufigen Entschädigung Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. ab 01.07.2008. Die MdE berücksichtige als Folgen des Arbeitsunfalls: "Bewegungseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit beidseitigem Muskelhartspann im Übergangsbereich der Brust- zur Lendenwirbelsäule sowie erektile Dysfunktion"
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2008 zurückgewiesen wurde.
Der Kläger erhob am 30.09.2008 Klage beim Sozialgericht Ulm, das von Amts wegen das chirurgische Gutachten von Prof. Dr. W. vom 25.09.2009 einholte. Der Sachverständige schloss sich der gutachtlichen Einschätzung von Prof. Dr. U. vom 17.04.2007 an, wonach der beim Kläger erhobene Befund bei LWK 1 bei einer gesunden Wirbelsäule eine MdE um 10 v.H. rechtfertige, aber unter Berücksichtigung der vorbestehenden Schäden an der Wirbelsäule eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt erscheine. Die Gesamt-MdE betrage 20 v.H., vorbehaltlich einer weiteren urologischen Abklärung.
Mit Urteil vom 03.12.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf das Gutachten von Prof. Dr. W., wonach unfallchirurgisch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. vorliege. Eine erektile Dysfunktion liege nicht vor. Prof. Dr. H. habe eine solche bei seinen Untersuchungen nicht objektivieren können und stützte sich für seine Diagnose nur auf die Angaben des Klägers. Darüber hinaus fehle es für die erektile Dysfunktion am Kausalzusammenhang. Das Gericht sei auch nicht an die Anerkennung der erektilen Dysfunktion als Unfallfolge durch die Beklagte gebunden, denn ein etwaiger Begründungsmangel des Verwaltungsaktes wirke sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der Regelung aus. Durch die Begründung des Verwaltungsaktes werde keine verbindliche Feststellung von Unfallfolgen getroffen, außerdem bestehe keine Feststellungswirkung mit der Folge der Bindung des Gerichts, da eine solche für die Unfallfolgen im Gesetz ausdrücklich angeordnet sein muss oder sich aus der Auslegung der Vorschrift ergeben müsse.
Gegen das dem Kläger am 15.01.2010 zugestellte Urteil hat er am 08.02.2010 Berufung eingelegt und macht zur Begründung geltend, Prof. Dr. H. gehe in seinem Gutachten vom 10.04.2008 von einer erektilen Dysfunktion mit einer MdE von 20 v.H. aus. Für die Kausalität reiche hinreichende Wahrscheinlichkeit aus. Hierbei sei anzumerken, dass er aus 3 m Höhe gestürzt sei, bei ausbleibender Atmung habe beatmet werden müssen, er ein Korsett getragen habe und starke Schmerzmittel habe nehmen müssen. Aus den urologischem Gutachten ergebe sich, dass er wegen der erektilen Dysfunktion psychisch stark belastet sei. Auf den Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. von 04.05.2009 werde verwiesen. Die Beklagte sei der Einschätzung einer MdE um 20 v.H. für die erektile Dysfunktion gefolgt. Auch Prof. Dr. U. habe diese Einschätzung bei seiner Gesamt-MdE-Bildung von 30 v.H. übernommen. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. W. aus unfallchirurgischer Sicht eine MdE um 20 v.H. begründe sehe, sei die Ausgangssituation wie im Bescheid vom 29.10.2007 gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 03.12.2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 19.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2008 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v.H. ab 01.07.2008 zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der vorgelegten Akten, ihren Vortrag in der ersten Instanz und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils.
Mit richterlichen Verfügungen vom 14.06. und 28.06.2010 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) jeweils unter Einräumung einer Äußerungsfrist hingewiesen worden.
Der Senat hat die Gerichtsakte des Sozialgerichts Ulm und die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Diese sind zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und die beim Senat angefallene Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind auf diese beabsichtigte Vorgehensweise mit richterlichen Verfügungen vom 14.06. und 28.06.2010 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Verletztenrente auf unbestimmte Zeit. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden.
Gesetzlich Unfallversicherte - wie der Kläger -, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).
Grundlage für die Bemessung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung ist § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Erwerbslebens. Bei der Bemessung des Grades der MdE handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 S. 36). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (vgl.BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, die aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind (BSG Urteil vom 18.03.2003 - B 2 U 31/02 R -; BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - veröffentlicht in juris m.H. auf BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; Urteil vom 18.03.2003 a.a.O.).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat ebenso wie das SG die unfallbedingten Beeinträchtigungen des Klägers in einem Umfang für nachgewiesen erachtet, der nur eine MdE um 20 v.H. rechtfertigt.
Auf unfallchirurgischem Gebiet liegt nach den beiden unfallchirurgischen/chirurgischen Gutachten von Prof. Dr. U. und Prof. Dr. W. als Unfallfolge eine Deckplattenimpressionsfraktur des LWK 1 vor, die zu einer geringgradigen keilförmigen Verformung des Wirbelkörpers von 15° geführt hat. Eine Instabilität liegt nicht vor. Der Zwischenwirbelraum des Segments BWK 12/LWK 1 ist gemindert. Eine Bedrängung von Nervenwurzeln des Segments ist den Röntgen- und MRT-Aufnahmen nicht zu entnehmen. Auch das neurologische Gutachten von Prof. Dr. S. ergab keine dem Dermatom LWK 1 zuzuschreibende Nervenläsionen. Die Beurteilung der Sachverständigen stimmt insoweit auch mit den Befunderhebungen der BG-Klinik und der Auswertung seines radiologischen Befundes vom 06.07.2005 durch Dr. H. überein. Letzterer schloss ausdrücklich eine instabile Fraktur aus und fand noch keinen Nachweis für raumfordernde Bandscheibenveränderungen. Aufgrund der radiologischen Gutachten von Prof. Dr. D. steht eine Bandscheibenschädigung durch Verringerung des Wirbelzwischenraums fest (zuletzt Gutachten vom 30.04.2008). Eine Hinterkantenbeteiligung, durch die abgehende Nervenwurzeln tangiert werden könnten, wurde nach radiologischer Beurteilung ausgeschlossen (vgl. u.a. auch BG-Klinik vom 26.09.2005), was mit dem unauffälligen neurologischen Befund übereinstimmt. Danach ist die Teil-MdE auf unfallchirurgischem Gebiet mit einer MdE um 10 v.H. rechtlich nicht zu beanstanden.
Von diesem medizinischen Befund gehen sowohl Prof. Dr. U. als auch Prof. Dr. W. aus, wobei Letzterer ebenfalls den Befund grundsätzlich mit einer MdE um 10 v.H., wie sie Prof. Dr. U. in seinem Gutachten vom 07.05.2008 unter "Dauerrentengesichtspunkten" vorgenommen hat, bewertet im Falle einer "gesunden Wirbelsäule". Die Bewertung dieses Schadensbilds durch Prof. Dr. U. entspricht den allgemeinen Grundsätzen der unfallmedizinischen Literatur zur MdE-Bewertung von Wirbelkörperbrüchen und ist für den Senat deshalb überzeugend. Danach ist ein isolierter Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung mit einer MdE von unter 10 v.H. einzustufen. Ein Wirbelkörperbruch mit Bandscheibenbeteiligung, aber weit gehendem Erhalt der Bandscheibenmasse und stabiler Ausheilung (Fallgruppe 1) rechtfertigt ebenfalls keine MdE (MdE unter 10 v.H.), bei statisch wirksamen Achsenknick ergibt sich in dieser Fallgruppe eine MdE von 10-20 v.H. Erst bei Wirbelkörperbrüchen mit aufgesprengter Bandscheibenmasse (Fallgruppe 2) ist mindestens von einer MdE um 20 v.H. auszugehen (vgl. insgesamt Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 442). Eine Bandscheibenbeteiligung ist hinsichtlich der LWK-1-Fraktur durch die Verringerung des Zwischenwirbelraums mittelbar nachgewiesen. Strukturelle Veränderungen der Bandscheibenmasse sind jedoch nicht festzustellen, weshalb ein Anwendungsfall der Fallgruppe 2 nicht vorliegt. Demnach erlaubt die unfallbedingte LWK-Fraktur des Klägers allenfalls eine Zuordnung zur Fallgruppe 1 bei stabiler Ausheilung (MdE unter 10 v.H.) bzw. zur Fallgruppe 1 bei einem statisch wirksamen Achsenknick, von dem bei einem Knickwinkel von (mindestens) 15-20° auszugehen ist (vgl. Schönberger u.a., a.a.O.), mit einer MdE um 10 bis 20 v.H. Geht man von der zuletzt erwähnten Fallgruppe aus, liegt die Achsenabknickung mit 15° (nach dem radiologischen Gutachten von Prof. Dr. D. vom 17.10.2006 beträgt der Kyphosewinkel von Oberkante BWK 12 zur Unterkante LWK 2 8°) am untersten Rand der medizinisch-funktionell bedeutsamen Abweichung. Unabhängig davon ist auch unter Berücksichtigung des nicht dislozierte Wirbelkörpers, was im Übrigen ein stabiles Gefüge belegt, und fehlenden neurologischen Ausfallerscheinungen die volle Ausschöpfung des Beurteilungsrahmens von 10-20 v.H. nicht gerechtfertigt.
Die Beurteilung mit einer MdE um 20 v.H. von Prof. Dr. W., der hierbei auf die Ausführungen von Prof. Dr. U. zur Rente als vorläufige Entschädigung zurückgreift, überzeugt den Senat dagegen nicht. Er hat die hierbei vorzunehmenden rechtlichen Bewertungen nicht berücksichtigt. Die nach den dargelegten Bewertungskriterien nahe zur Fallgruppe 1 bei stabiler Ausheilung (mit der Folge einer MdE unter 10 v.H.) liegende LWK-Fraktur wirkt sich aufgrund ihrer geringen statischen Ausprägung nach der nachvollziehbaren Beurteilung von Prof. Dr. U. auf die vorbestehenden degenerativen Veränderungen des Klägers in der Brust- und Lendenwirbelsäule nicht (mehr) gravierend aus. Für den Zeitraum der Anpassung und Gewöhnung war es nach Prof. Dr. U. gerechtfertigt, die mangelnde vorübergehende Ausgleichsfunktion des Bewegungssegments BWK 12/LWK 1 zu berücksichtigen, weshalb für die vorläufige Entschädigung die Teil-MdE mit 20 v.H. auf unfallchirurgischem Gebiet angesetzt worden ist. Ausweislich der von Prof. Dr. U. dokumentierten Bewegungsmaße bei seiner Untersuchung des Klägers am 13.09.2006 und bei der Nachuntersuchung am 22.04.2008 ist in der Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule eine deutliche Besserung eingetreten. Der Finger-Bodenabstand betrug 45 cm gegenüber 30 cm später bei der Nachuntersuchung, die Seitneigung 10/0/20° gegenüber später 20/0/15°, Drehen im Sitzen 20/0/30° gegenüber später 20/0/35°und das aktive Aufrichten aus der Rücklage 5 cm und bei der Nachuntersuchung 6 Zentimeter. Die Verschlechterung des Liegen/Jugulum-Abstands von 10 cm auf später 7 cm bei der Nachuntersuchung ist vor diesem Hintergrund nicht erklärlich. Bei der Nachuntersuchung fanden sich darüber hinaus nur noch ein diskreter Muskelhartspann beidseits und der Fersen- und Zehengang waren dem Kläger gut möglich, anders als bei der Voruntersuchung, bei der ein Muskelhartspann beidseits bestand und diese Gangarten noch unter geringster Unsicherheit durchgeführt wurden sowie das Gangbild sich insgesamt etwas verzögert darstellte. Demnach kann von einer hinreichend kompensierten LWK-1-Fraktur und abgeschlossener Phase der Anpassung und Gewöhnung ausgegangen werden, die die Einbeziehung einer ungünstigen Auswirkung auf unfallvorbestehende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule nicht mehr weiter erfordert.
Die beim Kläger als Unfallfolge im angefochtenen Bescheid angeführte erektile Dysfunktion rechtfertigt entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. H. keine Teil-MdE um mehr als 10 v.H. Diese Gesundheitsstörung ist von der Beklagten im angefochtenen Bescheid als Unfallfolge festgestellt, wie dies auch bereits im Bescheid vom 29.10.2007 über die Gewährung einer Rente als vorläufige Entschädigung der Fall war. Die Feststellung als Unfallfolge trifft der Unfallversicherungsträger zur Wahrnehmung seiner ihm nach § 26 SGB VII übertragenen Aufgaben, mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Der Umfang der in § 26 SGB VII statuierten Entschädigungspflicht des Unfallversicherungsträgers erfordert die Abgrenzung unfallbedingter/berufskrankheitenbedingter Gesundheitsschäden gegenüber nicht versicherter Gesundheitsstörungen, weshalb die Feststellung von Unfallfolgen oder Berufskrankheitenfolgen zur Rechtsklarheit für den Versicherten und für den Versicherungsträger beiträgt. Insbesondere die Gewährung der Heilbehandlung als Sachleistung widerspräche der Zielsetzung des Grundsatzes in § 26 SGB VII "möglichst frühzeitig" Versicherungsleistungen zu gewähren, wenn vor jeder einzelnen Maßnahme jeweils ein Bewilligungsbescheid ergehen müsste.
Die im Bescheid getroffene Feststellung der Unfallfolge "erektile Dysfunktion" bindet daher den Senat so lange, als diese Feststellung nicht nach den Grundsätzen von §§ 45 und 48 SGB X zurückgenommen bzw. zumindest hinsichtlich der Auswirkungen ein Abschmelzungsbescheid nach § 48 Abs. 3 SGB X erlassen worden ist. Diese Unfallfolge bedingt aber keine MdE um mehr als 10 v.H. Nach der unfallmedizinischen Literatur bedingt die Schwäche der Gliedsteife (erektile Dysfunktion) eine MdE im Rahmen von 10-20 v.H. (Schönberger u.a., a.a.O., Seite 268). Maßgebend für die MdE-Einstufung ist das Ausmaß der Beeinträchtigung einer grundsätzlich im Arbeitsmarkt oder im Erwerbsleben nicht erforderte, sondern dem privaten Bereich zugeordnete Organfunktion, weshalb die Erwerbsfähigkeit mittelbar beeinträchtigende Auswirkungen dieser Gesundheitsstörung zu berücksichtigen sind.
Im Beschwerdevorbringen des Klägers während der Reha-Maßnahme (Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. vom 04.05.2009) dominiert die Beeinträchtigung durch die Rückenschmerzen, denen der Kläger im wesentlichen sämtliche weitere psychische Beschwerden, wie Durchschlafstörungen, Konzentrationsmangel, innere Unruhe, sexuelle Schwierigkeiten, rasche Ermüdbarkeit usw. zuordnet. Demzufolge wird als Rehabilitationsdiagnose unter anderem auch eine reaktive Depression bei chronischem Schmerzsyndrom gestellt. Dies wird vom Kläger auf den Arbeitsunfall bezogen, den der Kläger als Auslöser dieser Beschwerden ansieht. Die geklagten sexuellen Schwierigkeiten sind somit Teil der gesamten empfundenen psychischen Beeinträchtigung, worauf auch Prof. Dr. H. mit der von ihm angenommenen neurogenen Genese hinweist. Damit sind die psychischen Beeinträchtigungen nicht oder nur zu einem unwesentlichen Anteil Folge der erektilen Dysfunktion, weshalb bereits deshalb psychische Folgewirkungen nicht MdE-erhöhend berücksichtigt werden können. Soweit die Potenzstörung durch die allgemein geklagten Rückenschmerzen bedingt wären, ist zu berücksichtigen, dass nach dem chirurgischen Befund die unfallvorbestehenden degenerativen Veränderungen in der gesamten Wirbelsäule des Klägers, die in der Vergangenheit bereits zu den im Vorerkrankungsverzeichnis vom 14.02.2006 dokumentierten Arbeitsunfähigkeitszeiten 1995 und 1997 geführt haben, maßgebend an der Behandlungsbedürftigkeit des Rückenleidens beteiligt sind und die unfallbedingte LWK-1-Fraktur hierzu nicht mehr wesentlich beiträgt. Die vom Kläger zur Aufklärung der Depression usw. als Folge der erektilen Dysfunktion angeregten weiteren Ermittlungen sind daher nicht geboten
Hinzu kommt, dass das Ausmaß der Beeinträchtigung durch die erektile Dysfunktion nicht hinreichend nachgewiesen ist. Eine organische Störung als Ursache der erektilen Dysfunktion wurde weder bei der neurologischen Untersuchung durch Professor Dr. S. noch bei der urologische Untersuchung durch Professor Dr. H. festgestellt; vielmehr konnte bei der urologischen Untersuchung durch Injektion von Alprostadil eine gute Erektion erreicht werden. Im vorgelegten Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. vom 04.05.2009 werden dagegen Angstgefühle, Schlafstörungen, Herzklopfen, Schwindel, Hyperventilation, Potenzstörung sowie Schmerzen als Beschwerdevorbringen des Klägers wiedergegeben, wobei auf ein klar demonstratives Verhalten mit in seinem Bezug teilweise wissentlich oder unwissentlich fehlinterpretierten Symptomen hingewiesen wird. Dies korreliert mit den Ausführungen des neurologischen Gutachters Prof. Dr. S. im Gutachten vom 18.01.2008, wonach schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen in der Untersuchungssituation demonstriert wurden, aber unter Ablenkung oder in nicht beobachtet geglaubten Situationen hiervon abweichende normale Beweglichkeit vorlag. Außerdem konnte Professor Dr. S. auch einige geklagte oder auch demonstrierte Beschwerden (mit z.T. schwerer Einschränkung, wie z.B. ein plötzlicher Zusammenbruch wegen Beinschwäche) keinem objektiven Befund zuordnen. Das Ausmaß der vom Kläger beklagten psychischen (und urologischen), auf die Potenzstörung beziehbaren Beeinträchtigungen ist anhand seiner wenig glaubhaften Angaben nicht festzustellen. Es ist deshalb rechtens, mangels MdE-erhöhender Umstände den unteren Wert des Einschätzungsrahmens als maßgebend für die als Unfallfolge anerkannte erektile Dysfunktion heranzuziehen. Die von Prof. Dr. H. angenommene MdE um 20 v.H. trägt den genannten rechtlichen Gesichtspunkten nicht hinreichend Rechnung.
Soweit im Reha-Entlassungsbericht vom 04.05.2009 im unmittelbaren Zusammenhang mit der aggravierten Beschwerdebeschreibung des Klägers Angstgefühle und vegetative Symptome, wie Schwindel, Herzklopfen und Hyperventilationsneigung, als mögliche Erscheinungen einer traumatischen Unfallfehlverarbeitung angesprochen werden, ist dies nur als Möglichkeit angeführt, und nach Auffassung des Senats im Hinblick auf das von mehreren ärztlichen Untersuchern berichtete Demonstrationsverhalten (vgl. auch die Einschätzung im Entlassungsbericht der Klinik Ü. vom 04.05.2009 als mögliche "Gratifikationsbestrebungen") wenig wahrscheinlich. Weder das Unfallgeschehen als solches noch die Unfallabwicklung lässt nach Aktenlage Anhaltspunkte erkennen, die wesentlich zu einer Fehlverarbeitung hätten beitragen können. Eine entsprechende psychiatrische Diagnose findet sich bei keiner der durchgeführten Untersuchungen. Außerdem spricht mehr dafür als dagegen, dass - sollte gleichwohl ein Unfallfehlverarbeitung vorliegen - hierfür allein die Persönlichkeitsstruktur des Klägers ursächlich ist, der Arbeitsunfall lediglich Auslöser und Anknüpfungspunkt der unfallunabhängigen - unterstellten - psychischen Entwicklung wäre, was keine wesentliche Bedingung nach der im Sozialrecht anzuwendenden Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung wäre (st. Rspr., vgl. BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R., veröffentlicht in juris). Der Senat sieht sich daher nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt. Auch hat der Kläger den Entlassungsbericht vom 04.05.2009 ohne diesbezügliche weitere Beweisanregung vorgelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine höhere Verletztenrente zusteht.
Der 1964 geborene Kläger war am 03.07.2005 an seinem Arbeitsplatz auf eine Ablage gestiegen, um einen abgefallenen Spannbacken einer Beschneidemaschine zu bergen (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 07.07.2005). Dabei stürzte er aus 3 m Höhe nach hinten und fiel auf den Rücken.
Am Unfalltag diagnostizierte der Durchgangsarzt Prof. Dr. U., Klinik E., eine Prellung der Lendenwirbelsäule (LWS). Der Röntgenbefund habe keine Fraktur ergeben, neurologische Störungen lägen nicht vor, sämtliche Extremitäten seien frei beweglich gewesen (Durchgangsarztbericht vom 05.07.2005). Nach fortbestehenden Beschwerden und Arbeitsunfähigkeit wurde eine Kernspintomographie am 06.07.2005 veranlasst, bei der sich eine frische Deckplattenimpressionsfraktur am Lendenwirbelkörper (LWK) 1 ergab. Ein dorsaler Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelkörpersegment L 5/S 1 und eine Protrusion im Segment L 4/5 wurde als unfallvorbestehend eingestuft (Arztbrief des Radiologen Dr. H. vom 06.07.2005). Der Kläger wurde zunächst ambulant und in der Zeit vom 27.09.2005 bis 02.11.2005 stationär in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik) behandelt (Entlassungsbericht der BG-Klinik vom 14.11.2005). Nach Arbeits- und Belastungserprobung ab 21.11.2005 trat vollschichtige Arbeitsfähigkeit ab 09.01.2006 ein (Zwischenbericht der BG-Klinik vom 11.01.2006, Angabe des Arbeitgebers vom 21.02.2006). Nach Urlaub (vom 10. Januar bis 20.02.2006) wurde erneut Arbeitsunfähigkeit ab 19.03.2006 durch M. bescheinigt, zuletzt bis voraussichtlich 02.05.2006 (Bescheinigung von M. vom 19.03.2006 und 10.04.2006).
Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK - die Gesundheitskasse für den Kreis Göppingen vom 14.02.2006 bei, darin sind von 20.03. bis 18.04.1997 und 24.07. bis 18.08.1995 Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen eines Lumbalsyndroms bzw. Lumboischialgie verzeichnet.
Gestützt auf das radiologische Gutachten von Prof. Dr. D., Klinik E., vom 17.10.2006 beurteilte Prof. Dr. U. in seinem Gutachten vom 27.10.2006 eine LWK 1-Fraktur mit geringgradiger keilförmiger Verformung um 15° ohne Hinterkantenbeteiligung als Unfallfolge. Die Auswertung der MRT-Aufnahmen vom 06.07.2005 ergebe ausschließlich eine Ödembildung des LWK 1, Verletzungszeichen im Sinne eines traumatischen Bandscheibenschadens an den Segmenten L 5/S 1 und L 4/5 zeigten sich nicht, weshalb die Bandscheibenveränderungen als vorbestehend zu bezeichnen seien. Eine Nachuntersuchung in einem Jahr werde empfohlen. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 20 v.H.
Wegen geklagter Erektionsprobleme wurde das urologische Gutachten vom 28.02.2007 eingeholt. Darin diagnostizierte Prof. Dr. H. eine erektile Dysfunktion, am ehesten neurogener Genese, als Unfallfolge. Bei der klinisch-körperlichen, sonographischen und duplexsonographischen Untersuchung habe sich kein pathologischer Befund ergeben. Die für eine erektile Dysfunktion verantwortlichen Laborwerte zeigten ebenfalls keine Auffälligkeiten. Es liege ein kompletter Erektionsverlust vor, weshalb die unfallbedingte MdE auf urologischem Fachgebiet mit 20 v.H. einzuschätzen sei.
In seiner ergänzenden gutachterlichen Äußerung vom 17.04.2007 schätzte Prof. Dr. U. die Gesamt-MdE auf 30 v.H. Vorliegend zeige sich keine Instabilität im Übergang zwischen Brustwirbelsäule (BWS) und LWS, jedoch liege eine kleine Keildeformierung des LWK 1 und eine geringgradige Verschmälerung des Wirbelzwischenraums zwischen BWK 12 und LWK 1 vor, was zu statischen Veränderungen der gesamten Wirbelsäule führe und auch die vorbestehenden Veränderungen der Wirbelsäule besonders belaste. Die MdE um 20 v.H. auf seinem Fachgebiet berücksichtige diese Mehrbelastung.
Mit Bescheid vom 29.10.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Verletztenrente ab 05.05.2006 nach einer MdE um 30 v.H. als vorläufige Entschädigung. Als Unfallfolgen wurden anerkannt: schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit beiderseitigem Muskelhartspann im Übergangsbereich der Brust- zur Lendenwirbelsäule sowie erektile Dysfunktion nach unter Keildeformierung verheiltem Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers.
Im Rahmen der Nachbegutachtung wurde das neurologische Gutachten vom 18.01.2008 erstellt. Der Gutachter Prof. Dr. S. fand keine wesentlichen, auf seinem Fachgebiet zu beurteilende Unfallfolgen. Objektive Befunde und Ausfälle, die durch die LWK-1-Fraktur begründet sind, hätten sich nicht ergeben, sämtliche neurologische Befunde seien normal. Eine leichte Polyneuropathie mit grenzwertig verzögerten sensiblen und motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten sei dem Unfall nicht zuzuordnen. Eine wesentliche Wurzelläsion bestehe nicht, allenfalls eine diskrete Großzehen- und Fußheberschwäche und leichte Abschwächung des Achillessehnenreflexes rechts, was fraglich mit dem Unfall zu erklären sei, da die Fraktur im Bereich des LWK 1 kaum geeignet sei, eine Wurzelläsion bei L 5 und S 1 herbeizuführen. Eine schwere Spinalkanalstenose bei LWK 1 sei nicht erkennbar. Ob die erektile Dysfunktion tatsächlich Unfallfolge sei, bleibe unklar. Immerhin habe sich eine belangvolle Enge des Wirbelkanals oder eine Schädigung der Nervenwurzeln, die für die Steuerung der Erektion wichtig seien, nicht ergeben. Sämtliche Reflexe, die für die urogenitale Funktion belangvoll seien, seien normal gewesen.
Im urologischem Gutachten vom 10.04.2008 hielt Prof. Dr. H. an seiner Zusammenhangsbeurteilung fest. Auf urologischem Fachgebiet habe kein pathologischer Befund bei der erneuten körperlichen Untersuchung des Klägers erhoben werden können. Die Diagnose einer erektilen Dysfunktion neurogener Genese begründe sich aus den glaubhaften Angaben des Klägers, dem Fehlen anderweitiger Risikofaktoren und des intakten sozialen Umfelds. Nach der Literatur entsprängen psychogene Erektionen dem thorakolumbal lokalisiertem, psychogenen, sympathischen Erektionszentrum.
Das radiologische Gutachten von Prof. Dr. D. vom 30.04.2008 beschrieb eine gegenüber dem Vorgutachten unveränderte Keilwirbelbildung des LWK 1, mit gleich gebliebener Wirbelkörperhöhe von 3 cm ventral und 4,3 cm dorsal.
Im unfallchirurgischen Gutachten von Prof. Dr. U. vom 07.05.2008 wurden als Unfallfolgen eine gering- bis mittelgradige Bewegungseinschränkung des BWS/LWS-Überganges und ein paravertebraler Muskelhartspann in Höhe des BWS/LWS-Überganges, eine gering- bis mittelgradige Keilwirbelbildung des LWK 1 und eine Höhenminderung des Bandscheibenfaches BWK 12/LWK 1 beschrieben. Die unfallbedingte MdE betrage 10 v.H. auf unfallchirurgischem Fachgebiet. Die Gesamt-MdE werde auf 20 v.H. eingeschätzt unter zusätzlicher Berücksichtigung der MdE auf urologischem Gebiet.
Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 21.05.2008) gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19.06.2008 anstelle der bisherigen vorläufigen Entschädigung Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. ab 01.07.2008. Die MdE berücksichtige als Folgen des Arbeitsunfalls: "Bewegungseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit beidseitigem Muskelhartspann im Übergangsbereich der Brust- zur Lendenwirbelsäule sowie erektile Dysfunktion"
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2008 zurückgewiesen wurde.
Der Kläger erhob am 30.09.2008 Klage beim Sozialgericht Ulm, das von Amts wegen das chirurgische Gutachten von Prof. Dr. W. vom 25.09.2009 einholte. Der Sachverständige schloss sich der gutachtlichen Einschätzung von Prof. Dr. U. vom 17.04.2007 an, wonach der beim Kläger erhobene Befund bei LWK 1 bei einer gesunden Wirbelsäule eine MdE um 10 v.H. rechtfertige, aber unter Berücksichtigung der vorbestehenden Schäden an der Wirbelsäule eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt erscheine. Die Gesamt-MdE betrage 20 v.H., vorbehaltlich einer weiteren urologischen Abklärung.
Mit Urteil vom 03.12.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf das Gutachten von Prof. Dr. W., wonach unfallchirurgisch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. vorliege. Eine erektile Dysfunktion liege nicht vor. Prof. Dr. H. habe eine solche bei seinen Untersuchungen nicht objektivieren können und stützte sich für seine Diagnose nur auf die Angaben des Klägers. Darüber hinaus fehle es für die erektile Dysfunktion am Kausalzusammenhang. Das Gericht sei auch nicht an die Anerkennung der erektilen Dysfunktion als Unfallfolge durch die Beklagte gebunden, denn ein etwaiger Begründungsmangel des Verwaltungsaktes wirke sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der Regelung aus. Durch die Begründung des Verwaltungsaktes werde keine verbindliche Feststellung von Unfallfolgen getroffen, außerdem bestehe keine Feststellungswirkung mit der Folge der Bindung des Gerichts, da eine solche für die Unfallfolgen im Gesetz ausdrücklich angeordnet sein muss oder sich aus der Auslegung der Vorschrift ergeben müsse.
Gegen das dem Kläger am 15.01.2010 zugestellte Urteil hat er am 08.02.2010 Berufung eingelegt und macht zur Begründung geltend, Prof. Dr. H. gehe in seinem Gutachten vom 10.04.2008 von einer erektilen Dysfunktion mit einer MdE von 20 v.H. aus. Für die Kausalität reiche hinreichende Wahrscheinlichkeit aus. Hierbei sei anzumerken, dass er aus 3 m Höhe gestürzt sei, bei ausbleibender Atmung habe beatmet werden müssen, er ein Korsett getragen habe und starke Schmerzmittel habe nehmen müssen. Aus den urologischem Gutachten ergebe sich, dass er wegen der erektilen Dysfunktion psychisch stark belastet sei. Auf den Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. von 04.05.2009 werde verwiesen. Die Beklagte sei der Einschätzung einer MdE um 20 v.H. für die erektile Dysfunktion gefolgt. Auch Prof. Dr. U. habe diese Einschätzung bei seiner Gesamt-MdE-Bildung von 30 v.H. übernommen. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. W. aus unfallchirurgischer Sicht eine MdE um 20 v.H. begründe sehe, sei die Ausgangssituation wie im Bescheid vom 29.10.2007 gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 03.12.2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 19.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.08.2008 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v.H. ab 01.07.2008 zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der vorgelegten Akten, ihren Vortrag in der ersten Instanz und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils.
Mit richterlichen Verfügungen vom 14.06. und 28.06.2010 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) jeweils unter Einräumung einer Äußerungsfrist hingewiesen worden.
Der Senat hat die Gerichtsakte des Sozialgerichts Ulm und die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Diese sind zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und die beim Senat angefallene Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind auf diese beabsichtigte Vorgehensweise mit richterlichen Verfügungen vom 14.06. und 28.06.2010 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Verletztenrente auf unbestimmte Zeit. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden.
Gesetzlich Unfallversicherte - wie der Kläger -, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).
Grundlage für die Bemessung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung ist § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Erwerbslebens. Bei der Bemessung des Grades der MdE handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8 S. 36). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (vgl.BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, die aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind (BSG Urteil vom 18.03.2003 - B 2 U 31/02 R -; BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - veröffentlicht in juris m.H. auf BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; Urteil vom 18.03.2003 a.a.O.).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat ebenso wie das SG die unfallbedingten Beeinträchtigungen des Klägers in einem Umfang für nachgewiesen erachtet, der nur eine MdE um 20 v.H. rechtfertigt.
Auf unfallchirurgischem Gebiet liegt nach den beiden unfallchirurgischen/chirurgischen Gutachten von Prof. Dr. U. und Prof. Dr. W. als Unfallfolge eine Deckplattenimpressionsfraktur des LWK 1 vor, die zu einer geringgradigen keilförmigen Verformung des Wirbelkörpers von 15° geführt hat. Eine Instabilität liegt nicht vor. Der Zwischenwirbelraum des Segments BWK 12/LWK 1 ist gemindert. Eine Bedrängung von Nervenwurzeln des Segments ist den Röntgen- und MRT-Aufnahmen nicht zu entnehmen. Auch das neurologische Gutachten von Prof. Dr. S. ergab keine dem Dermatom LWK 1 zuzuschreibende Nervenläsionen. Die Beurteilung der Sachverständigen stimmt insoweit auch mit den Befunderhebungen der BG-Klinik und der Auswertung seines radiologischen Befundes vom 06.07.2005 durch Dr. H. überein. Letzterer schloss ausdrücklich eine instabile Fraktur aus und fand noch keinen Nachweis für raumfordernde Bandscheibenveränderungen. Aufgrund der radiologischen Gutachten von Prof. Dr. D. steht eine Bandscheibenschädigung durch Verringerung des Wirbelzwischenraums fest (zuletzt Gutachten vom 30.04.2008). Eine Hinterkantenbeteiligung, durch die abgehende Nervenwurzeln tangiert werden könnten, wurde nach radiologischer Beurteilung ausgeschlossen (vgl. u.a. auch BG-Klinik vom 26.09.2005), was mit dem unauffälligen neurologischen Befund übereinstimmt. Danach ist die Teil-MdE auf unfallchirurgischem Gebiet mit einer MdE um 10 v.H. rechtlich nicht zu beanstanden.
Von diesem medizinischen Befund gehen sowohl Prof. Dr. U. als auch Prof. Dr. W. aus, wobei Letzterer ebenfalls den Befund grundsätzlich mit einer MdE um 10 v.H., wie sie Prof. Dr. U. in seinem Gutachten vom 07.05.2008 unter "Dauerrentengesichtspunkten" vorgenommen hat, bewertet im Falle einer "gesunden Wirbelsäule". Die Bewertung dieses Schadensbilds durch Prof. Dr. U. entspricht den allgemeinen Grundsätzen der unfallmedizinischen Literatur zur MdE-Bewertung von Wirbelkörperbrüchen und ist für den Senat deshalb überzeugend. Danach ist ein isolierter Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung mit einer MdE von unter 10 v.H. einzustufen. Ein Wirbelkörperbruch mit Bandscheibenbeteiligung, aber weit gehendem Erhalt der Bandscheibenmasse und stabiler Ausheilung (Fallgruppe 1) rechtfertigt ebenfalls keine MdE (MdE unter 10 v.H.), bei statisch wirksamen Achsenknick ergibt sich in dieser Fallgruppe eine MdE von 10-20 v.H. Erst bei Wirbelkörperbrüchen mit aufgesprengter Bandscheibenmasse (Fallgruppe 2) ist mindestens von einer MdE um 20 v.H. auszugehen (vgl. insgesamt Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 442). Eine Bandscheibenbeteiligung ist hinsichtlich der LWK-1-Fraktur durch die Verringerung des Zwischenwirbelraums mittelbar nachgewiesen. Strukturelle Veränderungen der Bandscheibenmasse sind jedoch nicht festzustellen, weshalb ein Anwendungsfall der Fallgruppe 2 nicht vorliegt. Demnach erlaubt die unfallbedingte LWK-Fraktur des Klägers allenfalls eine Zuordnung zur Fallgruppe 1 bei stabiler Ausheilung (MdE unter 10 v.H.) bzw. zur Fallgruppe 1 bei einem statisch wirksamen Achsenknick, von dem bei einem Knickwinkel von (mindestens) 15-20° auszugehen ist (vgl. Schönberger u.a., a.a.O.), mit einer MdE um 10 bis 20 v.H. Geht man von der zuletzt erwähnten Fallgruppe aus, liegt die Achsenabknickung mit 15° (nach dem radiologischen Gutachten von Prof. Dr. D. vom 17.10.2006 beträgt der Kyphosewinkel von Oberkante BWK 12 zur Unterkante LWK 2 8°) am untersten Rand der medizinisch-funktionell bedeutsamen Abweichung. Unabhängig davon ist auch unter Berücksichtigung des nicht dislozierte Wirbelkörpers, was im Übrigen ein stabiles Gefüge belegt, und fehlenden neurologischen Ausfallerscheinungen die volle Ausschöpfung des Beurteilungsrahmens von 10-20 v.H. nicht gerechtfertigt.
Die Beurteilung mit einer MdE um 20 v.H. von Prof. Dr. W., der hierbei auf die Ausführungen von Prof. Dr. U. zur Rente als vorläufige Entschädigung zurückgreift, überzeugt den Senat dagegen nicht. Er hat die hierbei vorzunehmenden rechtlichen Bewertungen nicht berücksichtigt. Die nach den dargelegten Bewertungskriterien nahe zur Fallgruppe 1 bei stabiler Ausheilung (mit der Folge einer MdE unter 10 v.H.) liegende LWK-Fraktur wirkt sich aufgrund ihrer geringen statischen Ausprägung nach der nachvollziehbaren Beurteilung von Prof. Dr. U. auf die vorbestehenden degenerativen Veränderungen des Klägers in der Brust- und Lendenwirbelsäule nicht (mehr) gravierend aus. Für den Zeitraum der Anpassung und Gewöhnung war es nach Prof. Dr. U. gerechtfertigt, die mangelnde vorübergehende Ausgleichsfunktion des Bewegungssegments BWK 12/LWK 1 zu berücksichtigen, weshalb für die vorläufige Entschädigung die Teil-MdE mit 20 v.H. auf unfallchirurgischem Gebiet angesetzt worden ist. Ausweislich der von Prof. Dr. U. dokumentierten Bewegungsmaße bei seiner Untersuchung des Klägers am 13.09.2006 und bei der Nachuntersuchung am 22.04.2008 ist in der Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule eine deutliche Besserung eingetreten. Der Finger-Bodenabstand betrug 45 cm gegenüber 30 cm später bei der Nachuntersuchung, die Seitneigung 10/0/20° gegenüber später 20/0/15°, Drehen im Sitzen 20/0/30° gegenüber später 20/0/35°und das aktive Aufrichten aus der Rücklage 5 cm und bei der Nachuntersuchung 6 Zentimeter. Die Verschlechterung des Liegen/Jugulum-Abstands von 10 cm auf später 7 cm bei der Nachuntersuchung ist vor diesem Hintergrund nicht erklärlich. Bei der Nachuntersuchung fanden sich darüber hinaus nur noch ein diskreter Muskelhartspann beidseits und der Fersen- und Zehengang waren dem Kläger gut möglich, anders als bei der Voruntersuchung, bei der ein Muskelhartspann beidseits bestand und diese Gangarten noch unter geringster Unsicherheit durchgeführt wurden sowie das Gangbild sich insgesamt etwas verzögert darstellte. Demnach kann von einer hinreichend kompensierten LWK-1-Fraktur und abgeschlossener Phase der Anpassung und Gewöhnung ausgegangen werden, die die Einbeziehung einer ungünstigen Auswirkung auf unfallvorbestehende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule nicht mehr weiter erfordert.
Die beim Kläger als Unfallfolge im angefochtenen Bescheid angeführte erektile Dysfunktion rechtfertigt entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. H. keine Teil-MdE um mehr als 10 v.H. Diese Gesundheitsstörung ist von der Beklagten im angefochtenen Bescheid als Unfallfolge festgestellt, wie dies auch bereits im Bescheid vom 29.10.2007 über die Gewährung einer Rente als vorläufige Entschädigung der Fall war. Die Feststellung als Unfallfolge trifft der Unfallversicherungsträger zur Wahrnehmung seiner ihm nach § 26 SGB VII übertragenen Aufgaben, mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Der Umfang der in § 26 SGB VII statuierten Entschädigungspflicht des Unfallversicherungsträgers erfordert die Abgrenzung unfallbedingter/berufskrankheitenbedingter Gesundheitsschäden gegenüber nicht versicherter Gesundheitsstörungen, weshalb die Feststellung von Unfallfolgen oder Berufskrankheitenfolgen zur Rechtsklarheit für den Versicherten und für den Versicherungsträger beiträgt. Insbesondere die Gewährung der Heilbehandlung als Sachleistung widerspräche der Zielsetzung des Grundsatzes in § 26 SGB VII "möglichst frühzeitig" Versicherungsleistungen zu gewähren, wenn vor jeder einzelnen Maßnahme jeweils ein Bewilligungsbescheid ergehen müsste.
Die im Bescheid getroffene Feststellung der Unfallfolge "erektile Dysfunktion" bindet daher den Senat so lange, als diese Feststellung nicht nach den Grundsätzen von §§ 45 und 48 SGB X zurückgenommen bzw. zumindest hinsichtlich der Auswirkungen ein Abschmelzungsbescheid nach § 48 Abs. 3 SGB X erlassen worden ist. Diese Unfallfolge bedingt aber keine MdE um mehr als 10 v.H. Nach der unfallmedizinischen Literatur bedingt die Schwäche der Gliedsteife (erektile Dysfunktion) eine MdE im Rahmen von 10-20 v.H. (Schönberger u.a., a.a.O., Seite 268). Maßgebend für die MdE-Einstufung ist das Ausmaß der Beeinträchtigung einer grundsätzlich im Arbeitsmarkt oder im Erwerbsleben nicht erforderte, sondern dem privaten Bereich zugeordnete Organfunktion, weshalb die Erwerbsfähigkeit mittelbar beeinträchtigende Auswirkungen dieser Gesundheitsstörung zu berücksichtigen sind.
Im Beschwerdevorbringen des Klägers während der Reha-Maßnahme (Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. vom 04.05.2009) dominiert die Beeinträchtigung durch die Rückenschmerzen, denen der Kläger im wesentlichen sämtliche weitere psychische Beschwerden, wie Durchschlafstörungen, Konzentrationsmangel, innere Unruhe, sexuelle Schwierigkeiten, rasche Ermüdbarkeit usw. zuordnet. Demzufolge wird als Rehabilitationsdiagnose unter anderem auch eine reaktive Depression bei chronischem Schmerzsyndrom gestellt. Dies wird vom Kläger auf den Arbeitsunfall bezogen, den der Kläger als Auslöser dieser Beschwerden ansieht. Die geklagten sexuellen Schwierigkeiten sind somit Teil der gesamten empfundenen psychischen Beeinträchtigung, worauf auch Prof. Dr. H. mit der von ihm angenommenen neurogenen Genese hinweist. Damit sind die psychischen Beeinträchtigungen nicht oder nur zu einem unwesentlichen Anteil Folge der erektilen Dysfunktion, weshalb bereits deshalb psychische Folgewirkungen nicht MdE-erhöhend berücksichtigt werden können. Soweit die Potenzstörung durch die allgemein geklagten Rückenschmerzen bedingt wären, ist zu berücksichtigen, dass nach dem chirurgischen Befund die unfallvorbestehenden degenerativen Veränderungen in der gesamten Wirbelsäule des Klägers, die in der Vergangenheit bereits zu den im Vorerkrankungsverzeichnis vom 14.02.2006 dokumentierten Arbeitsunfähigkeitszeiten 1995 und 1997 geführt haben, maßgebend an der Behandlungsbedürftigkeit des Rückenleidens beteiligt sind und die unfallbedingte LWK-1-Fraktur hierzu nicht mehr wesentlich beiträgt. Die vom Kläger zur Aufklärung der Depression usw. als Folge der erektilen Dysfunktion angeregten weiteren Ermittlungen sind daher nicht geboten
Hinzu kommt, dass das Ausmaß der Beeinträchtigung durch die erektile Dysfunktion nicht hinreichend nachgewiesen ist. Eine organische Störung als Ursache der erektilen Dysfunktion wurde weder bei der neurologischen Untersuchung durch Professor Dr. S. noch bei der urologische Untersuchung durch Professor Dr. H. festgestellt; vielmehr konnte bei der urologischen Untersuchung durch Injektion von Alprostadil eine gute Erektion erreicht werden. Im vorgelegten Entlassungsbericht der Reha-Klinik Ü. vom 04.05.2009 werden dagegen Angstgefühle, Schlafstörungen, Herzklopfen, Schwindel, Hyperventilation, Potenzstörung sowie Schmerzen als Beschwerdevorbringen des Klägers wiedergegeben, wobei auf ein klar demonstratives Verhalten mit in seinem Bezug teilweise wissentlich oder unwissentlich fehlinterpretierten Symptomen hingewiesen wird. Dies korreliert mit den Ausführungen des neurologischen Gutachters Prof. Dr. S. im Gutachten vom 18.01.2008, wonach schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen in der Untersuchungssituation demonstriert wurden, aber unter Ablenkung oder in nicht beobachtet geglaubten Situationen hiervon abweichende normale Beweglichkeit vorlag. Außerdem konnte Professor Dr. S. auch einige geklagte oder auch demonstrierte Beschwerden (mit z.T. schwerer Einschränkung, wie z.B. ein plötzlicher Zusammenbruch wegen Beinschwäche) keinem objektiven Befund zuordnen. Das Ausmaß der vom Kläger beklagten psychischen (und urologischen), auf die Potenzstörung beziehbaren Beeinträchtigungen ist anhand seiner wenig glaubhaften Angaben nicht festzustellen. Es ist deshalb rechtens, mangels MdE-erhöhender Umstände den unteren Wert des Einschätzungsrahmens als maßgebend für die als Unfallfolge anerkannte erektile Dysfunktion heranzuziehen. Die von Prof. Dr. H. angenommene MdE um 20 v.H. trägt den genannten rechtlichen Gesichtspunkten nicht hinreichend Rechnung.
Soweit im Reha-Entlassungsbericht vom 04.05.2009 im unmittelbaren Zusammenhang mit der aggravierten Beschwerdebeschreibung des Klägers Angstgefühle und vegetative Symptome, wie Schwindel, Herzklopfen und Hyperventilationsneigung, als mögliche Erscheinungen einer traumatischen Unfallfehlverarbeitung angesprochen werden, ist dies nur als Möglichkeit angeführt, und nach Auffassung des Senats im Hinblick auf das von mehreren ärztlichen Untersuchern berichtete Demonstrationsverhalten (vgl. auch die Einschätzung im Entlassungsbericht der Klinik Ü. vom 04.05.2009 als mögliche "Gratifikationsbestrebungen") wenig wahrscheinlich. Weder das Unfallgeschehen als solches noch die Unfallabwicklung lässt nach Aktenlage Anhaltspunkte erkennen, die wesentlich zu einer Fehlverarbeitung hätten beitragen können. Eine entsprechende psychiatrische Diagnose findet sich bei keiner der durchgeführten Untersuchungen. Außerdem spricht mehr dafür als dagegen, dass - sollte gleichwohl ein Unfallfehlverarbeitung vorliegen - hierfür allein die Persönlichkeitsstruktur des Klägers ursächlich ist, der Arbeitsunfall lediglich Auslöser und Anknüpfungspunkt der unfallunabhängigen - unterstellten - psychischen Entwicklung wäre, was keine wesentliche Bedingung nach der im Sozialrecht anzuwendenden Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung wäre (st. Rspr., vgl. BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R., veröffentlicht in juris). Der Senat sieht sich daher nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt. Auch hat der Kläger den Entlassungsbericht vom 04.05.2009 ohne diesbezügliche weitere Beweisanregung vorgelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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