L 8 AL 1084/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 5583/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1084/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.08.2008 zu Recht erfolgt ist und ob die Beklagte zu Recht die Erstattung von Arbeitslosengeld in Höhe von 905,16 EUR für 2006, 921,36 EUR für 2007 und 620,72 EUR für 2008 verlangt hat.

Der 1944 geborene Kläger meldete sich am 28.11.2005 bei der Agentur für Arbeit Freiburg mit Wirkung ab 01.01.2006 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Er gab hierbei an, er habe am 10.11.2005 aus gesundheitlichen Gründen sein Arbeitsverhältnis zum 31.12.2005 gekündigt. Im Antragsformular zu Punkt 4 (Angaben zu anderen Leistungen, die beantragt wurden oder bezogen werden - siehe Merkblatt 1 für Arbeitslose - Abschnitt 7) erklärte der Kläger, andere Leistungen habe er nicht beantragt und beziehe sie auch nicht bereits. Weiter erklärte der Kläger, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von dessen Inhalt Kenntnis genommen zu haben.

Mit Bescheid vom 04.01.2006 gewährte die Beklagte dem Kläger Alg ab 01.01.2006 in Höhe von täglich 25,11 EUR.

Am 26.08.2008 erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger bereits seit Dezember 2004 eine französische Altersrente in Höhe von 75,43 EUR monatlich (2006), 76,78 EUR monatlich (2007) und 77,59 EUR monatlich (2008) beziehe.

Am 26.08.2008 hörte die Beklagte den Kläger hierzu an und gab ihm Gelegenheit, sich zu äußern.

Mit Schreiben vom 04.09.2008 (Eingang bei der Beklagten) teilte der Kläger der Beklagten schriftlich mit, er beziehe keine Vollrente aus Frankreich, sondern nur eine kleine Teilrente seit dem 01.12.2004. Die Ansprüche datierten aus den Jahren 1963 bis 1966. Nach französischem Recht hätte er diese bereits ab 01.05.2004 beziehen können. Laut Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte könne er diese beziehen und in Deutschland unbegrenzt dazu verdienen. Aufgrund dessen habe er gedacht, dass dies auch für das Arbeitslosengeld gelte, zumal es sich um einen kleinen Betrag handele. Für 2006 habe er monatlich 75,43 EUR, für 2007 monatlich 76,78 EUR und 2008 monatlich 77,59 EUR Rente erhalten. Der Kläger legte die Rentenbescheide vor.

Mit drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 16.09.2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld teilweise (in Höhe des täglichen Rentenbetrages) auf und verlangte Erstattung vom Kläger. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger sei nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet, der Beklagten alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich seien. Dieser Verpflichtung sei der Kläger grob fahrlässig nicht nachgekommen. Außerdem habe er Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt habe (§ 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X). Die überzahlten Beträge seien vom Kläger der Beklagten gem. § 50 SGB X zu erstatten.

Gegen die drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 16.09.2008 legte der Bevollmächtigte des Klägers am 06.10.2009 Widerspruch ein und machte geltend, soweit sich die Beklagte für die Aufhebung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X bzw. auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stütze, sei die zuletzt genannte Vorschrift schon deshalb nicht anwendbar, weil sich gegenüber dem Zeitpunkt, in dem Leistungen beantragt worden seien, nichts geändert habe. Der Kläger beziehe die französische Altersrente bereits seit Dezember 2004. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 SGB X lägen nicht vor, da dem Kläger nicht der Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens gemacht werden könne. Der Kläger habe am 04.12.2005 das Antragsformular ausgefüllt. In dem Antragsformular würden unter Ziff. 4 Angaben zu anderen Leistungen verlangt. Dort werde angegeben, was im Einzelnen insoweit erheblich sei. Altersrenten seien dort nicht aufgezählt. Das Formular werde von der Bundesagentur gestaltet. Dieser obliege es, die Anfragen abzufragen, die für rechtserheblich angesehen würden. Wenn von dort von den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur die Erwerbsminderungsrenten und die Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit angeführt seien, so lasse dies ohne den Vorwurf grober Fahrlässigkeit den Schluss darauf zu, dass Altersrenten in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung seien. Schließlich könne dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, die Hinweise im Merkblatt 1 auf S. 44 unbeachtet gelassen zu haben. Ein Arbeitsloser sei nicht verpflichtet, den Inhalt des Antragsformulars und den Inhalt des Merkblattes auf Abweichungen zu untersuchen. Er dürfe vielmehr davon ausgehen, dass das Antragsformular für Arbeitslosengeld das speziellere Formular sei, da sich das Merkblatt auch auf andere Dinge als Arbeitslosengeld erstrecke.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2008 wurden die Widersprüche gegen die drei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 16.09.2008 als unbegründet zurückgewiesen. Entgegen dem Vorbringen im Widerspruch könne der Widerspruchsführer kein Vertrauen für sich beanspruchen. Er habe im Leistungsantrag Angaben gemacht, die in wesentlicher Beziehung unrichtig seien und zu der rechtswidrigen Bewilligung geführt hätten, indem er die Frage nach dem Bezug einer anderen Leistung verneint habe. Dies zumindest in grob fahrlässiger Weise, d.h. durch Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße. Es sei zwar richtig, dass Altersrenten in der Erläuterung zu Frage 4 im Antragsvordruck nicht ausdrücklich genannt seien. Wie dem Kürzel "u.a." unschwer zu entnehmen sei, handele es sich dabei jedoch nicht um eine abschließende, sondern nur um eine beispielhafte Aufzählung. Vorangestellt und damit leicht erkennbar nicht nachrangig sei der Hinweis auf Abschnitt 7 des Merkblattes. Wenn der Widerspruchsführer - wie er im Antrag vom 04.12.2005 unterschriftlich erklärt habe - von den dortigen Informationen über Ruhenssachverhalte, insbesondere die dort genannte Altersrente i.V.m. der gleichartigen Auswirkung ausländischer Sozialleistungen tatsächlich Kenntnis genommen hätte, hätten sich zumindest Zweifel an einer eventuell angenommenen Unbeachtlichkeit der Rente aufdrängen und Anlass geben müssen, - wie ebenfalls dort ausdrücklich empfohlen - jedenfalls bei der Agentur für Arbeit Erkundigungen einzuholen. Weil der Widerspruchsführer dies unterlassen habe, liege grobe Fahrlässigkeit vor. Die Bewilligung des Arbeitslosengeldes habe deshalb von Anfang an teilweise in Höhe der bezogenen Rente zurückgenommen werden müssen und der Widerspruchsführer habe den Überzahlungsbetrag in Höhe von 2.447,24 EUR zu erstatten.

Dagegen erhob der Kläger am 10.11.2008 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und verfolgte sein Begehren weiter. Zur Begründung machte der Bevollmächtigte des Klägers geltend, dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, dass bei dem Leistungsantrag für Arbeitslosengeld die von ihm aus Frankreich bezogene Altersrente anzugeben sei. Wenn die Beklagte auf S. 3 unten des Widerspruchsbescheides ausführe, dem Kürzel "u.a." am Ende des Textes des Abschnittes 4 des Antragsformulares sei zu entnehmen, dass es sich um eine beispielhafte Aufzählung handele, so sei dem nicht zuzustimmen. Bei unbefangener Lektüre des Textes gelange man zu dem Ergebnis, dass das Kürzel "u.a." sich nicht auf Renten beziehe. Man könne die Ausführungen in dem Antragsformular so verstehen, dass die - anzugebenden - Renten erschöpfend aufgezählt seien und sich das Kürzel auf andere öffentliche Leistungen beziehe. Es verhalte sich im Übrigen offensichtlich auch so, dass der einschlägige Text im Antragsformular nicht übereinstimme mit den Ausführungen unter Ziff. 7.1 des Merkblattes 1. Im Merkblatt werde zwar die Altersrente angeführt, nicht jedoch die Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit. Während im Antrag darauf hingewiesen werde, dass Kindergeld und Wohngeld nicht anzugeben sei, werde im Merkblatt als nicht anzugebende Leistung das Erziehungsgeld erwähnt. Die Beklagte selbst produziere hier vermeidbare Unklarheiten. Dies könne sich im Ergebnis nicht zu Lasten der Leistungsberechtigten auswirken.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.01.2009 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, der Kläger habe im Leistungsantrag insofern falsche Angaben gemacht, als er die Frage nach dem Bezug anderer Leistungen verneint habe. Dies sei auch nach Auffassung des SG grob fahrlässig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Zwar sei festzustellen, dass im Antragsformular die Altersrente als eine anzugebende Leistung nicht ausdrücklich genannt werde. Wie der Aufzählung der verschiedenen Leistungsarten und dem Zusatz "u.a." am Ende dieser Aufzählung aber zu entnehmen sei, handele es sich bei dieser jedoch nur um einen nicht abschließenden Beispielskatalog. Allein dies hätte den Kläger zu der Überlegung veranlassen müssen, ob die französische Altersrente anzugeben sei und gegebenenfalls hätte sich der Kläger diesbezüglich Rat bei der Beklagten einholen müssen. Unabhängig davon verweise auch ein weiterer Hinweis im Antragsformular ausdrücklich auf Abschnitt 7 des Merkblattes 1 für Arbeitslose, in welchem sowohl die Altersrente als eine Leistung aufgeführt sei, die zum vollständigen oder teilweisen Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches führe, als auch der Umstand beschrieben sei, dass Gleiches für ausländische Sozialleistungen gelte. Hätte der Kläger das Merkblatt, wozu er verpflichtet gewesen sei und was er im Übrigen auch ausdrücklich bestätigt habe, aufmerksam gelesen, hätte er ohne Weiteres erkennen können, dass er den Bezug der französischen Altersrente im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld habe angeben müssen. Weiter sei dem Kläger grob fahrlässige Unkenntnis des teilweise fehlerhaften Bewilligungsbescheides vom 04.01.2006 vorzuhalten.

Gegen den - dem Bevollmächtigten des Klägers am 27.01.2009 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26.02.2009 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter. Ergänzend hat der Bevollmächtigte des Klägers geltend gemacht, die Besonderheit des Falles liege darin, dass in dem Antragsformular, das dem Kläger ausgehändigt worden sei, zum Teil Abweichendes von dem Inhalt des Merkblattes angegeben sei. Der Kläger habe ohne Annahme von grober Fahrlässigkeit die Hinweise im Antragsformular als die spezielleren und damit letztlich einschlägigen Vorschriften ansehen dürfen, die sich gezielt auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld bezögen, während das Merkblatt über diesen Anspruch hinausgehend Rechte und Pflichten von Arbeitslosen regele. Für jemanden, der Antrag und Merkblatt gleichsam parallel lese, ergebe sich eine verwirrende Situation. So werde unter Ziff. 2 des Antrages (Angaben zur Arbeitslosigkeit) auf Abschnitte 2 und 9 des Merkblattes verwiesen. Bei Frage 4 des Antrages seien Erläuterungen angegeben, die dem Kläger ohne Vorliegen grober Fahrlässigkeit zu der Annahme gelangen lassen konnten, dass Altersrenten nicht den dort anzugebenden Leistungen unterfielen. Es sei allein Sache der Beklagten, wie sie ihre Antragsformulare und Merkblätter gestalte. Unklarheiten, die die Beklagte insoweit hervorrufe, könnten sich nicht zu Lasten des Betroffenen auswirken.

Der Kläger ist in der nichtöffentlichen Sitzung vom 07.05.2010 gehört worden. Auf Frage des Berichterstatters hat der Kläger erklärt, den Antrag auf Arbeitslosengeld habe er ausgefüllt, mit Datum vom 04.12.2005 unterschrieben und das Merkblatt habe er gelesen. Zur Frage, ob er seine französische Sozialleistung angeben müsse, habe er sowohl den Antrag als auch das Merkblatt durchgelesen. Da die französische Rente nicht aufgeführt sei, habe er im Formular zu Punkt 4 das "nein" angekreuzt. Auf Frage des Bevollmächtigten des Klägers hat der Kläger erklärt, es sei richtig, dass er im Jahr 2008 zu ihm gekommen sei und zur Begründung, weshalb er die Frage 4 mit "nein" angekreuzt habe, dem Bevollmächtigten des Klägers gesagt habe, dass dort eine Altersrente nicht aufgeführt sei. Ob er das Merkblatt parallel zum Ausfüllen des Antrages gelesen habe oder nachher oder vorher, wisse er nicht mehr. Aber im Merkblatt sei auch keine Altersrente aufgeführt. Im Anschluss an den Termin am 07.05.2010 hat der Bevollmächtigte des Klägers ergänzend ausgeführt, der Kläger habe, ohne dass ihm insoweit der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden könne, davon ausgehen dürfen, dass das Antragsformular hinsichtlich der Frage, welche Renten anzugeben seien, das speziellere Formular darstelle. Dort seien u.a. die Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit genannt, die im Merkblatt nicht angeführt seien. Jedenfalls stelle sich die Lage als unklar dar. Grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit entfalle dann, wenn eine wesentliche Ursache der Unrichtigkeit im Verantwortungsbereich der Behörde liege (BSG-Urteil vom 07.07.1998 - B 5 RJ 58/97 R-SozR 3-1300 § 45 Nr. 38 S. 122). Für einen verständigen Adressaten sei bei der Lektüre von Antragsformular einerseits und Merkblatt andererseits in verschiedener Hinsicht nicht erkennbar, was nun gelten solle. Diese Situation habe die Beklagte zu verantworten. Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass einem Leistungsberechtigten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen unterschiedliche Rechtsfolgenbelehrungen zugegangen seien, habe das BSG in einer Entscheidung darauf abgestellt, ob für einen verständigen Adressaten aus dem Vorgehen des Leistungsträgers die Konsequenzen seines Handelns erkennbar gewesen seien (BSG-Urteil vom 01.06.2006 - B 7a AL 26/05 R -). Der Rechtsgedanke vorstehender Entscheidung - dass die Behörde und nicht der Leistungsberechtigte die Konsequenzen missverständlicher Hinweise zu tragen habe - sei auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Vorsorglich werde die Zulassung der Revision beantragt. Die Frage, ob (zumindest) grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit vorliege, wenn Diskrepanzen zwischen den Hinweisen im Antragsformular und denen im Merkblatt bestünden, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Januar 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2008 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, sowohl der Antrag - allgemein - als auch das Merkblatt enthielten Hinweise, die den Kläger in die Lage hätten versetzen müssen, bei Unklarheiten zumindest nachzufragen. Nach Lektüre des Antrages und des Merkblattes hätte dem Kläger klar sein müssen, dass er im Zweifel den Bezug der französischen Rente anzugeben habe. Wenn dieser Zweifel nicht aufgekommen sei, weil der Kläger weder den Antrag genau und das Merkblatt gar nicht gelesen habe, gehe dies zu seinen Lasten.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2008 ist rechtmäßig. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen durch die Beklagte ist § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III. Danach ist ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen. Dies ist der Fall, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Satz 3 Nr. 2), oder wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Satz 3 Nr. 3). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X).

Von der Regelung des § 45 SGB X werden Verwaltungsakte erfasst, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig waren. So verhält es sich vorliegend mit dem Bescheid vom 04.01.2006, mit dem die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 01.01.2006 in einer Höhe bewilligt hat, die rechtswidrig ist. Denn hierbei ist nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger eine französische Altersrente bezogen hat, die auf die Höhe des Arbeitslosengeldes anzurechnen ist. Nach §142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III ruht ein Anspruch auf Alg, wenn Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art zuerkannt ist. Nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b dieser Vorschrift ruht der Anspruch nur bis zur Höhe der zuerkannten Leistung, wenn die Leistung auch während einer Beschäftigung ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsentgeltes gewährt wird. Diese Voraussetzung ist für die vom Kläger im Erstattungszeitraum zuerkannte Teilrente aus Frankreich erfüllt, was im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Die Beklagte konnte die Teilrente aus Frankreich nicht berücksichtigen, da der Kläger im Antragsformular diese französische Altersrente nicht angegeben hat. Der Verwaltungsakt vom 04.01.2006, mit dem dem Kläger Arbeitslosengeld bewilligt worden ist, beruhte auf Angaben, die der Kläger zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X). Grobe Fahrlässigkeit setzt eine Sorgfaltspflichtverletzung voraus, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Anzulegen ist bei der Prüfung des Vorliegens der groben Fahrlässigkeit nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (BSG-Urteil vom 24.04.1997 - 11 RAr 89/96 -). Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Hierbei sind auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung dieser individuellen Gegebenheiten ist dem Kläger grobe Fahrlässigkeit zu Last zu legen. Die Überschrift zu Ziff. 4 des Antrages vom 04.12.2005 lautet: "Angaben zu anderen Leistungen, die beantragt wurden oder bezogen werden (siehe Merkblatt 1 für Arbeitslose - Abschnitt 7)". Hierzu hat der Kläger die Antwort "Ich habe noch (eine) andere Leistung (en) beantragt oder beziehe sie bereits" mit nein angekreuzt. Diese Antwort war unrichtig. Denn der Kläger bezog eine andere Leistung, nämlich eine französische Altersrente. Dass eine französische Altersrente anzugeben ist, hätte der Kläger aus Abschnitt 7 des Merkblattes 1 für Arbeitslose entnehmen können, in welchem sowohl die Altersrente als eine Leistung aufgeführt ist, die zum vollständigen oder teilweisen Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches führt, als auch aus den im Merkblatt gleichfalls aufgeführten Hinweis: "Ausländische Sozialleistungen wirken sich in gleicher Weise aus wie vergleichbare inländische Sozialleistungen".

Dass im Antragsformular zur Frage 4 als Erläuterung nicht sämtliche Leistungen aufgeführt sind, ergibt sich für einen Antragsteller schon aus dem Hinweis, dass nach der Aufzählung einzelner Leistungen der Zusatz "u.a." , was "und andere" bedeutet (vgl. Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Auflage, S.23), angebracht ist. Damit wird ausreichend deutlich gemacht, dass es sich um einen Beispielskatalog handelt, der keine abschließende Aufzählung von anzugebenden Sozialleistungen beinhaltet. Eine abschließende Aufzählung würde auch ein Antragsformular überfrachten, weshalb eine abschließende Aufzählung als Erläuterung eines einzigen Begriffes in einem Antragsformular auch nicht erwartet wird. Wenn zusätzlich auch noch ein Hinweis auf das Merkblatt erfolgt und dieses weitere Beispiele von anzugebenden Sozialleistungen aufführt, hat die Beklagte damit dem Antragsteller ausreichend Information über die im Formular anzugebenden Sozialleistungen bereitgestellt.

Soweit der Kläger geltend macht, er habe davon ausgehen können, dass das Antragsformular hinsichtlich der Frage, welche Renten anzugeben seien, das speziellere Formular darstelle, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Soweit der Kläger damit möglicherweise geltend machen will, neben dem Antragsformular sei er nicht verpflichtet gewesen, auch das Merkblatt für Arbeitslose zu lesen, stimmt dem der Senat nicht zu. Vom Antragsteller wird im Gegenteil erwartet, dass er vom Inhalt des Merkblattes 1 für Arbeitslose Kenntnis nimmt, was er im Antragsformular auch mit seiner Unterschrift zu bestätigen hat. Hinzu kommt, dass auch bei der Frage zu anderen Leistungen, die beantragt wurden oder bezogen werden (Frage 4), ausdrücklich auf das Merkblatt 1 für Arbeitslose Bezug genommen und dem Antragsteller sogar zur Erleichterung der Abschnitt 7 des Merkblattes hierfür genannt worden ist. Hätte der Kläger sowohl das Antragsformular als auch das Merkblatt 1 für Arbeitslose - Abschnitt 7 durchgelesen, hätte ihm der Satz ins Auge springen müssen: "Ausländische Sozialleistungen wirken sich in gleicher Weise aus wie vergleichbare inländische Sozialleistungen". Dass es sich bei der von ihm bezogenen französischen Altersrente um eine "ausländische Sozialleistung" gehandelt hat, muss dem Kläger bekannt gewesen sein und wird von ihm auch nicht bestritten. Falls der Kläger dann noch Zweifel gehabt haben sollte, mit welcher inländischen Sozialleistung seine französische Altersrente vergleichbar sei, hätte er sich zur Aufklärung seiner Zweifel an die Beklagte wenden und insofern um Aufklärung bitten müssen.

Soweit sich der Kläger auf das Urteil des BSG vom 07.07.1998 - B 5 RJ 58/97 R beruft und geltend macht, auch ihm könne insoweit der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht gemacht werden, stimmt der Senat dem nicht zu, da es sich bei dem vom BSG entschiedenen Fall um einen wesentlich anderen Sachverhalt gehandelt hat. Bei dem dem BSG-Urteil vom 07.07.1998 zugrunde liegenden Sachverhalt war ein marokkanischer Staatsangehöriger in polygamer Ehe mit zwei Frauen verheiratet und nach dem Tod der zweiten Ehefrau beantwortete der Kläger im Antrag auf Gewährung von Witwerrente alle Fragen des Vordrucks. Angaben zur Mehrehe machte der Kläger entsprechend den Vorgaben des Formantrages nicht, weil danach nicht gefragt war. Wie in diesem BSG-Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, hat der marokkanische Staatsangehörige die ihm insoweit im Formular gestellten Fragen vollständig und zutreffend beantwortet. Diese Sachlage ist jedoch mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. In dem hier betreffenden Antragsformular ist der Kläger nach dem Bezug einer anderen Sozialleistung gefragt worden und der Kläger hat die Frage 4 des Antragsformulars "Angaben zu anderen Leistungen, die beantragt wurden oder bezogen werden (siehe Merkblatt 1 für Arbeitslose - Abschnitt 7); ich habe noch (eine) andere Leistung (en) beantragt oder beziehe sie bereits" wahrheitswidrig mit nein beantwortet.

Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist eingehalten.

Die Beklagte hat die vom Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2006 in Höhe von 905,16 EUR, vom 01.01.2007 bis 31.12.2007 in Höhe von 921,36 EUR und vom 01.01.2008 bis 31.08.2008 in Höhe von 620,72 EUR zu erstattenden Überzahlungsbeträge von Alg zutreffend berechnet. Hiergegen hat der Kläger im Übrigen auch keine Einwände erhoben. Die Pflicht zur Erstattung der Überzahlungsbeträge ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Den für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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