Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1742/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Berufungsverfahren L 8 AL 4849/06 ist durch den vor dem Senat am 18. Juli 2008 geschlossenen Prozessvergleich vollständig erledigt.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens seit dem 18. Juli 2008 sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1974 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Leistung von Arbeitslosengeld (Alg). Streitig ist insbesondere, ob der Rechtsstreit in der öffentlichen Sitzung des Senats am 18.07.2008 durch Vergleich beendet wurde.
Die Klägerin war vom 01.04.1998 bis 30.06.2000 als Friseurmeisterin berufstätig. Anschließend befand sich die Klägerin wegen der Geburt von zwei Kindern in Mutterschutz bzw. Elternzeit. Seit 01.04.2000 ist die Klägerin Inhaberin eines Restaurants.
Die Klägerin meldete sich am 10.05.2004 mit Wirkung zum 24.08.2004 bei der Agentur für Arbeit Mannheim (AA) arbeitslos und beantragte Alg. Die AA berechnete ausgehend von einem Anspruchsbeginn am 23.04.2004 ein fiktives wöchentliches Bemessungsentgelt in Höhe von 367,17 EUR. Mit Bescheid vom 11.08.2004 lehnte die AA den Antrag der Klägerin auf Alg ab. Sie übe eine selbstständige Tätigkeit aus. Sie beschäftige mindestens einen Arbeitnehmer und fungiere damit als Arbeitgeber. Deshalb sei sie nicht arbeitslos und habe keinen Leistungsanspruch.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 16.08.2004 Widerspruch ein. Sie führte zur Begründung aus, sie habe Anspruch auf Alg. Die Vorversicherungszeit sei erfüllt. Sie sei kein Arbeitgeber im klassischen Sinne. Sie sei unter 10 Stunden in der Woche selbstständig tätig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2004 wies die Widerspruchsstelle der AA den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 22.11.2004 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Sie machte geltend, da ihre Tätigkeit als Inhaberin der Gaststätte auf die Ausführung von Büroarbeiten in geringem Umfang und gelegentliche Wareneinkäufe beschränkt sei, fülle die selbständige Tätigkeit deutlich weniger als 10 Wochenstunden aus. Die Klägerin legte ihre Tätigkeit als Gaststätteninhaberin dar. Es könne danach nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass sie Arbeitnehmerin sei. Die sonstigen Voraussetzungen für den Bezug von Alg lägen vor.
Das SG hörte in öffentlicher Sitzung am 20.07.2005 die Klägerin an und vernahm den Ehemann der Klägerin sowie Frau K. (K) als Zeugen.
Mit Urteil vom 20.07.2005 verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin ab 24.08.2004 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Es führte zur Begründung aus, die Klägerin gehöre trotz ihrer selbstständigen Tätigkeit weiterhin zu dem Personenkreis, der nach den Gesamtumständen des Einzelfalles dem Kreis der Arbeitnehmer zuzurechnen sei.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Sie machte geltend, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie trotz ihrer selbstständigen Tätigkeit arbeitslos sei.
Die Klägerin hielt das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.
Mit Urteil vom 17.03.2006 (L 8 AL 3572/05) hob der erkennende Senat das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20.07.2005 auf und wies die Klage der Klägerin ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg seien im streitigen Zeitraum vom 24.08.2004 bis 04.07.2005 bei der Klägerin nicht sämtlich erfüllt. Der Klägerin stehe deshalb kein Alg zu, weil ihre Beschäftigungslosigkeit nicht erwiesen sei.
Hiergegen legte die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) Nichtzulassungsbeschwerde ein (B 7a AL 78/06 B). Auf diese Beschwerde hob das BSG mit Beschluss vom 05.09.2006 das Urteil des Senats vom 17.03.2006 auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurück.
Der Rechtsstreit wurde anschließend durch den Berichterstatter in nichtöffentlicher Sitzung am 30.11.2007 erörtert. Die Beklagte trug auf Veranlassung des Berichterstatters zur Abklärung, ob der Klägerin wegen ihres Gewerbeeinkommens ein Anspruch auf Alg dem Grund nach zustehen kann und im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes im Nachgang zum Termin vom 30.11.2007 vor, nach ihren Berechnungen überstiegen die anzurechnenden Einkünfte der Klägerin den Alg-Anspruch in den Monaten September 2004 bis Juni 2005. Lediglich in den Monaten August 2004 und Juli 2005 ergäbe sich ein Anspruch auf Alg in Höhe von jeweils monatlich 106,52 EUR. Die Klägerin trug hierzu vor, die Auffassung der Beklagten sei unzutreffend. Sie beruhe auf der fehlerhaften Annahme, ihr stehe lediglich ein Freibetrag in Höhe von monatlich 165,00 EUR zu. Vielmehr sei gemäß § 141 Abs. 3 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung, die anzuwenden sei, ihr Nebeneinkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von monatlich 739,20 EUR anrechnungsfrei. Selbst bei einer unterstellten Anwendbarkeit des § 141 Abs. 3 SGB III neuer Fassung ergäbe sich ein Freibetrag von monatlich 729,66 EUR.
In der mündlichen Verhandlung am 18.07.2008, an der die Klägerin, ihr Prozessbevollmächtigter und ein Vertreter der Beklagten teilgenommen haben, schlossen die Beteiligten nach ausführlicher Anhörung der Klägerin einen Vergleich. Hierzu ist in der Sitzungsniederschrift vom 18.07.2008 festgehalten: "Nach kurzer Beratung des Senats schlägt der Senatsvorsitzende eine vergleichsweise Regelung des vorliegenden Verfahrens vor. Ausschlaggebend für den Vorschlag ist der Umstand, dass nach der Anhörung der Klägerin der Eindruck entsteht, dass zu Beginn der selbständigen Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin in der Gaststätte eine größere Mithilfe auch von Seiten der Klägerin notwendig war, dass aber diese notwendige Mithilfe mit zunehmender Dauer des Betriebes geringer geworden ist. Der Senat berücksichtigt auch den Umstand, dass ab Januar 2005 der Schwiegervater der Klägerin verstärkt in der Gaststätte mitgeholfen hat. Angesichts des glaubhaft vermittelten Eindrucks der Klägerin, dass ihre kleinen Kinder doch sehr stark der Betreuung bedurft haben, hält der Senat für angemessen davon auszugehen, dass die Klägerin zwar bis Dezember 2004 die maßgebliche 15-Stunden-Grenze an Mithilfe überschritten hat, dies ab Januar 2005 keinesfalls mehr der Fall gewesen ist.
Auf Vorschlag des Senats schließen die Beteiligten daraufhin folgenden
Vergleich:
1. Die Beklagte erklärt sich bereit, der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 4. Juli 2005 zu gewähren.
2. Die Klägerin macht für die Zeit ab 24. August 2004 bis 31. Dezember 2004 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr geltend und verzichtet insoweit auf die Rechte aus dem Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Juli 2005.
3. Die Beteiligten sind sich einig, dass mit diesem Vergleich der vorliegende Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
4. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klage-, Revisions- und Berufungsverfahren trägt die Beklagte die Hälfte.
Der Vergleich wird vom Tonträger vorgespielt und vom Klägervertreter, der Klägerin und dem Beklagtenvertreter genehmigt."
Die Niederschrift ist vom Senatsvorsitzenden unterzeichnet und die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit der Übertragung vom Tonträger bestätigt.
Zum Vollzug des geschlossenen Vergleichs bewilligte die AA der Klägerin mit Bescheid vom 13.10.2008 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 04.07.2005 unter Anrechnung von Nebeneinkommen aus Einkünften aus Gewerbebetrieb in monatlich wechselnder Höhe gemäß § 141 SGB III in der ab 01.01.2005 gültigen Fassung Alg in Höhe von insgesamt 362,90 EUR. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie die zusätzliche Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 141 Abs. 3 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung geltend machte. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2008 wurde der Bescheid vom 13.10.2008 dahin abgeändert, dass für den streitigen Zeitraum das Nebeneinkommen gleichbleibend in Höhe von monatlich 531,38 EUR angerechnet wird. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Mit Änderungsbescheid vom 26.11.2008 bewilligte die AA der Klägerin daraufhin für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 04.07.2005 Alg in Höhe von insgesamt 1.513,40 EUR. Hiergegen legte die Klägerin erneut Widerspruch ein, mit dem sie an ihrer Ansicht festhielt. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2008 wies die AA den Widerspruch der Klägerin zurück. Hiergegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage (S 8 AL 4111/08), die mit Urteil des SG vom 11.08.2009 zurückgewiesen wurde. Die dagegen beim Landessozialgericht eingelegte Berufung (L 3 AL 4109/09) nahm die Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung am 15.04.2010 zurück.
Am 15.04.2010 hat die Klägerin den im Verfahren L 8 AL 4849/06 "am 21.07.2008" geschlossenen Vergleich angefochten. Sie hat zur Begründung vorgetragen, eine Gesetzesänderung ab 01.01.2005 sei nicht beachtet worden, aufgrund derer der Vergleich nicht habe sinngemäß umgesetzt werden können. Als Laie sei sie darüber nicht aufgeklärt worden. Durch die Gesetzesänderung sei der Vergleich nicht sinngemäß ausgeführt, mit der Folge, dass das gewährte Alg um 2/3 niedriger als vereinbart ausgefallen sei. Anlass der Anfechtung des Vergleiches sei das Urteil des SG vom 11.08.2009 - Az.: S 8 AL 4111/08 - in Verbindung mit der nicht-öffentlichen Sitzung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg am 15.04.2010 im Verfahren L 3 AL 4109/09. Der Vergleich des Landessozialgerichts sei hinsichtlich einer rechtlichen Würdigung rechtsfehlerhaft, weshalb er angefochten werde. Der Vergleich entspreche nicht den sozialen Grundsätzen der Gerechtigkeit und den Prinzipien des Gleichheitsgrundsatzes, was erst bei der Umsetzung des Vergleiches festgestellt worden sei. Für einen eventuellen Fehler ihres damaligen Rechtsanwaltes könne sie nicht verantwortlich gemacht werden. Anhand der Auslegung des Vergleichstextes werde sie benachteiligt. Das Landessozialgericht habe zwischen den Parteien die streitigen Tatsachen unvollständig festgestellt, insbesondere fehlerhaft rechtlich gewürdigt. Der Wortlaut des Vergleiches lasse die Möglichkeit offen, den Vergleich dahingehend zu verstehen, dass der Anspruch auf Alg zwar im Jahre 2004 bereits bestanden habe, von ihr für den Zeitraum bis 31.12.2004 jedoch nicht mehr geltend gemacht werde. Die AA lege den Vergleich zu ihrem Nachteil dahingehend aus, dass der Anspruch auf Alg erst ab 01.01.2005 entstanden sei. Über die Konsequenzen bei der Anrechnung von Nebeneinkommen, die sich aus dem Vergleichsabschluss ergäben, sei nicht gesprochen worden. Das Alg sei auf der Grundlage des Urteils des SG S 9 AL 3538/04 zu berechnen. Sie habe bereits im Verfahren S 8 AL 4111/08 vorsorglich den Vergleich angefochten. Erst im Termin am 15.04.2010 im Verfahren L 3 AL 4109/09 habe sie erfahren, dass die Anfechtung beim 8. Senat zu erfolgen habe. Weiter sei im gerichtlichen Vergleich übersehen worden, dass bis Ende 2004 eine 18-Stunden-Grenze gegolten habe. Darauf sei in keinem Verfahren eingegangen worden. Zeitpunkt des Beginns der Arbeitslosigkeit sei der 24.08.2004. Im Vergleich sei die Frage offen gelassen, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch auf Alg entstanden sei. Ihre Angaben zum zeitlichen Ausmaß ihrer unselbstständigen Tätigkeit sei zu Unrecht vom Gericht angezweifelt worden. Der Vergleich benachteilige sie unverhältnismäßig hoch. Der Vergleich bestehe aus willkürlichen Behauptungen, die sich zu ihrem Nachteil ausgewirkt hätten. Wichtigen Kriterien würden im Vergleich keine Rechnung getragen. Sie sei auf die Folgen der Gesetzesänderung ab dem 01.01.2005 von keiner Seite aufmerksam gemacht worden. Sie haben nicht auf ihren gesamten Anspruch auf Alg verzichten wollen. Ihr bleibe deshalb keine andere Möglichkeit, als den Vergleich anzufechten. Sie beantrage, dass ihre nebenberufliche selbstständige Tätigkeit dahingehend anerkannt werde, dass im streitigen Zeitraum die 15-Stunden-Grenze nicht überschritten worden sei. Sie habe bei der AA einen Antrag nach § 44 SGB X gestellt. Die Voraussetzungen für eine Privilegierung nach § 141 Abs. 3 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung seien erfüllt. Der Vergleich sei wegen falscher Übermittlung anfechtbar gemäß § 120 BGB.
Die Klägerin beantragt,
das Berufungsverfahren L 8 AL 4849/06 fortzusetzen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 8 AL 4849/06 erledigt ist, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Juli 2005 aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.
Die Beklagte hat zur Begründung ausgeführt, das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, eine wirksame Anfechtung des am 18.07.2008 geschlossenen Vergleichs zu begründen. Zunächst sei zu beachten, dass die Klägerin von einem rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten worden sei. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass sich der rechtskundige Bevollmächtigte bei Vergleichsabschluss über die Folgen des Vergleichs geirrt hätte, berechtige dies nicht zur Anfechtung des Vergleichs. Es habe allenfalls einen unbeachtlicher Motivirrtum vorgelegen. Der Vergleich vom 18.07.2008 sei wirksam.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Senatsakten, die Akte L 3 AL 4109/09 und zwei Band Akten des SG sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsverfahren L 8 AL 4849/06 ist durch den vor dem Senat in öffentlicher Sitzung am 18.07.2008 geschlossenen Prozessvergleich vollständig erledigt (§ 101 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Bei einem Streit über die Unwirksamkeit eines Vergleichs wird der ursprüngliche Rechtsstreit fortgeführt. Macht ein Beteiligter geltend, es sei überhaupt kein Vergleich geschlossen worden, oder erhebt er Einwände gegen die Wirksamkeit eines Vergleiches, so lebt die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Verfahrens rückwirkend wieder auf. Das Gericht, vor dem der Vergleich geschlossen worden ist, entscheidet dann entweder dahin, dass die Beendigung des Rechtsstreits durch den Vergleich festgestellt wird oder, wenn die Beendigung verneint wird - etwa weil der Vergleich unwirksam ist - in der Sache selbst (BSG 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - juris). -
Der gerichtliche Vergleich hat nach herrschender Meinung eine Doppelnatur. Er ist sowohl öffentlich-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 1989 - 10 RKg 16/88 -, juris; BSG SozR 1500 § 101 Nr. 8), als auch Prozesshandlung der Beteiligten (Prozessvertrag), die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach Grundsätzen des Prozessrechts richtet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, RdNr 3 zu § 101 m.w.N.). Die Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs kann daher darauf beruhen, dass entweder der materiell-rechtliche Vertrag nicht wirksam zustande gekommen, nichtig oder wirksam angefochten worden ist oder die zum Abschluss des Vergleichs notwendigen Prozesshandlungen nicht wirksam vorgenommen worden sind.
Es liegen weder prozess- noch materiell-rechtliche Gründe vor, die den Vergleich vom 18.07.2008 unwirksam machen. Die Beteiligten haben in der öffentlichen Sitzung am 18.07.2008 einen zur Niederschrift erklärten Vergleichsvertrag i.S. der §§ 54 SGB X, 779 BGB geschlossen. Es liegen zwei sich in der Sache deckende Erklärungen der Beteiligten mit dem nach den bezeichneten Vorschriften notwendigen Inhalt vor. Eine entsprechende übereinstimmende Willenserklärung ist von dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin als ihrem Vertreter nach § 164 Absatz 1 Satz 1 BGB, wie auch von der Klägerin selbst, und der Beklagten durch ihren bevollmächtigten Vertreter abgegeben worden. Im Übrigen bestimmt § 164 Absatz 1 Satz 1 BGB, dass die Willenserklärung, die der Bevollmächtigte für den Vertretenen innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, unmittelbar für und gegen diesen wirkt. Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor. Der Vergleichsvertrag im Sinne von § 54 SGB X weist keine Nichtigkeitsgründe aus § 58 Absatz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X (Nichtigkeit oder materielle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes mit entsprechendem Inhalt, fehlende Voraussetzung zum Abschluss eines Vergleichsvertrages und materielle Rechtswidrigkeit eines entsprechenden Verwaltungsaktes oder unzulässige Gegenleistung an die Behörde) und aus Vorschriften des BGB (§ 58 Absatz 1 SGB X) auf. Ziffer 1 des Vergleichs ist ein gegenseitiges Nachgeben der Klägerin und Beklagten hinsichtlich der Frage der kurzzeitigen Beschäftigung/Beschäftigungslosigkeit, die einer vergleichsweisen Regelung zugänglich ist und nicht gegen materielles Recht verstößt. Entsprechendes gilt für Ziffer 2 des Vergleiches, der die sich aus dem angefochtenen Urteil ergebenden Folgen regelt. Die von der Klägerin gegen den Vergleich erhobenen Einwendungen stellen keine Nichtigkeitsgründe dar, sondern betreffen die nach Ansicht der Klägerin unzutreffende Umsetzung des Vergleichs, die Gegenstand der rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahren L 8 AL 411/08 und L 3 AL 4109/09 waren. Der Vergleich ist weiter in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2008 ordnungsgemäß auf einem Tonträger vorläufig aufgezeichnet, den Beteiligten vorgespielt und von diesen genehmigt worden (§ 122 SGG i.V.m. §§ 160a Absatz 1, 160 Absatz 3 Nr. 1, 162 Absatz 1 ZPO). Dies ist in der gefertigten Sitzungsniederschrift vom 18.07.2008, die vom Senatsvorsitzenden und der Urkundsbeamtin unterschrieben worden ist (§ 122 SGG i.V.m. § 163 Absatz 1 Satz 2 ZPO), beurkundet. Die Sitzungsniederschrift erbringt den vollen Beweis dafür, dass der Vergleich mit dem dort niedergelegten Inhalt zwischen den Beteiligten abgeschlossen worden ist. Dass der Vorgang unrichtig beurkundet worden ist, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Der (materiell-rechtliche) Vergleichsvertrag ist nicht nachträglich durch eine Anfechtung unwirksam geworden. Die mit dem beim LSG am 15.04.2010 eingegangenen Schreiben erklärte Anfechtung des Prozessvergleiches vom 18.07.2008 (nicht 21.07.2008) greift nicht durch. Der Klägerin steht kein Anfechtungsrecht bzw. Anfechtungsgrund zur Seite. Ein Willens- oder Erklärungsmangel im Sinne der §§ 116 bis 123 BGB zum Zeitpunkt der Abgabe der zum Vergleichsschluss führenden Willenserklärung liegt nicht vor.
Gegenstand des Rechtsstreites ist, ob der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Alg zusteht oder nicht. Dabei ist alleine streitig, ob die Klägerin wegen ihrer selbständigen Tätigkeit als Gastwirtin nicht beschäftigungslos ist. Dem entspricht ihr Klageantrag beim SG, die Beklagte zu verurteilen, ihr Alg "in gesetzlicher Höhe" zu gewähren. Allein diese streitige Frage ist Regelungsgegenstand des Vergleichs vom 18.07.2008 und der hierzu abgegebenen Willenserklärung. Dazu, in welcher Höhe der Klägerin Alg zusteht, enthält der Vergleich keine Regelung. Die Höhe des Alg-Anspruches ist auch nicht Geschäftsgrundlage des Vergleichs, wie die protokollierten Erwägungen zum Vergleichsvorschlag des Senats zeigen. Über die allein streitige Frage, die durch den Vergleich vom 18.07.2008 eine Regelung erfahren hat, muss unabhängig von der zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Änderung des § 141 Abs. 3 SGB III befunden werden, weshalb sie nicht Grundlage des Vergleiches sein kann. Soweit die Beteiligten auf Anlass des Berichterstatters im Berufungsverfahren zur Einkommensanrechnung Stellung genommen haben, erfolgte dies lediglich zur Klärung der Fragen, ob der Klägerin ein Anspruch auf Alg dem Grunde überhaupt zustehen kann und im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes.
Ein bei der Abgabe der Zustimmung zum Abschluss des Vergleichs zur Anfechtung berechtigenden Willensmangel der Klägerin und/oder ihres damaligen Prozessbevollmächtigten ist nicht ersichtlich. Bei dem Inhalt des Vergleichs hat es sich zunächst um einen Vorschlag des Senats gehandelt, dem die Beteiligten dann zugestimmt haben. Dass bei der Klägerin und/oder ihrem damaliger Prozessbevollmächtigter hinsichtlich des Inhalts des Vergleiches ein gemäß § 119 BGB zur Anfechtung berechtigender Inhalts- oder Erklärungsirrtum vorgelegen hat, wird von der Klägerin nicht geltend gemacht und ist im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Vergleiches auch fernliegend. Die Anfechtung des Vergleichs erfolgte nach dem ausführlichen Vorbringen der Klägerin vielmehr (allein) deswegen, weil aufgrund einer zum 01.01.2005 eingetretenen Gesetzesänderung des § 141 Abs. 3 SGB III das von der Klägerin aus ihrer Gewerbetätigkeit erzielte Gewerbeeinkommen auf ihren Alg-Anspruch angerechnet wird, womit die Klägerin bei Abschluss des Vergleichs nicht gerechnet hat. Dieser "Irrtum" betrifft den Beweggrund zur Vergleichsbereitschaft, der einen im Rahmen des § 119 BGB unbeachtlichen Motivirrtum darstellt, jedoch keinen Irrtum über den Inhalt der Willenserklärung oder den Erklärungsakt, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat. Auch § 120 BGB (Anfechtbarkeit wegen falscher Übermittlung), worauf sich die Klägerin berufen hat, scheidet aus. Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor, zumal auch ein Anfechtungsgrund nach § 119 BGB nicht besteht. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin (ohne Abschluss des Vergleichs bzw. bei einer Fortsetzung des Berufungsverfahrens) nicht sicher damit rechnen kann, auch im Berufungsverfahren zu obsiegen, wovon sie auszugehen scheint.
Der Vergleich ist auch nicht prozessrechtlich nachträglich unwirksam geworden. Auf Prozesshandlungen - wie die Zustimmung zu einem gerichtlichen Vergleich - finden die Anfechtungsgründe des BGB keine Anwendung (BSG SozR 1500 § 102 Nr. 2; Bundesverwaltungsgericht, NVwZ-RR 1999, 407, 408; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., RdNr. 12 zu Vor § 60). Sie können nur unter engen Voraussetzungen (also in extremen Ausnahmefällen) widerrufen werden, zum Beispiel beim Vorliegen eines Wiederaufnahmegrunds im Sinne von § 179 SGG i.V.m. §§ 578 ff ZPO. Eine solche extreme Ausnahmesituation liegt hier nicht vor, insbesondere liegt kein Wiederaufnahmegrund im Sinne von § 179 SGG i.V.m. §§ 578 ff ZPO vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens seit dem 18. Juli 2008 sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1974 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Leistung von Arbeitslosengeld (Alg). Streitig ist insbesondere, ob der Rechtsstreit in der öffentlichen Sitzung des Senats am 18.07.2008 durch Vergleich beendet wurde.
Die Klägerin war vom 01.04.1998 bis 30.06.2000 als Friseurmeisterin berufstätig. Anschließend befand sich die Klägerin wegen der Geburt von zwei Kindern in Mutterschutz bzw. Elternzeit. Seit 01.04.2000 ist die Klägerin Inhaberin eines Restaurants.
Die Klägerin meldete sich am 10.05.2004 mit Wirkung zum 24.08.2004 bei der Agentur für Arbeit Mannheim (AA) arbeitslos und beantragte Alg. Die AA berechnete ausgehend von einem Anspruchsbeginn am 23.04.2004 ein fiktives wöchentliches Bemessungsentgelt in Höhe von 367,17 EUR. Mit Bescheid vom 11.08.2004 lehnte die AA den Antrag der Klägerin auf Alg ab. Sie übe eine selbstständige Tätigkeit aus. Sie beschäftige mindestens einen Arbeitnehmer und fungiere damit als Arbeitgeber. Deshalb sei sie nicht arbeitslos und habe keinen Leistungsanspruch.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 16.08.2004 Widerspruch ein. Sie führte zur Begründung aus, sie habe Anspruch auf Alg. Die Vorversicherungszeit sei erfüllt. Sie sei kein Arbeitgeber im klassischen Sinne. Sie sei unter 10 Stunden in der Woche selbstständig tätig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2004 wies die Widerspruchsstelle der AA den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 22.11.2004 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Sie machte geltend, da ihre Tätigkeit als Inhaberin der Gaststätte auf die Ausführung von Büroarbeiten in geringem Umfang und gelegentliche Wareneinkäufe beschränkt sei, fülle die selbständige Tätigkeit deutlich weniger als 10 Wochenstunden aus. Die Klägerin legte ihre Tätigkeit als Gaststätteninhaberin dar. Es könne danach nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass sie Arbeitnehmerin sei. Die sonstigen Voraussetzungen für den Bezug von Alg lägen vor.
Das SG hörte in öffentlicher Sitzung am 20.07.2005 die Klägerin an und vernahm den Ehemann der Klägerin sowie Frau K. (K) als Zeugen.
Mit Urteil vom 20.07.2005 verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin ab 24.08.2004 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Es führte zur Begründung aus, die Klägerin gehöre trotz ihrer selbstständigen Tätigkeit weiterhin zu dem Personenkreis, der nach den Gesamtumständen des Einzelfalles dem Kreis der Arbeitnehmer zuzurechnen sei.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Sie machte geltend, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie trotz ihrer selbstständigen Tätigkeit arbeitslos sei.
Die Klägerin hielt das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.
Mit Urteil vom 17.03.2006 (L 8 AL 3572/05) hob der erkennende Senat das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20.07.2005 auf und wies die Klage der Klägerin ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg seien im streitigen Zeitraum vom 24.08.2004 bis 04.07.2005 bei der Klägerin nicht sämtlich erfüllt. Der Klägerin stehe deshalb kein Alg zu, weil ihre Beschäftigungslosigkeit nicht erwiesen sei.
Hiergegen legte die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) Nichtzulassungsbeschwerde ein (B 7a AL 78/06 B). Auf diese Beschwerde hob das BSG mit Beschluss vom 05.09.2006 das Urteil des Senats vom 17.03.2006 auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurück.
Der Rechtsstreit wurde anschließend durch den Berichterstatter in nichtöffentlicher Sitzung am 30.11.2007 erörtert. Die Beklagte trug auf Veranlassung des Berichterstatters zur Abklärung, ob der Klägerin wegen ihres Gewerbeeinkommens ein Anspruch auf Alg dem Grund nach zustehen kann und im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes im Nachgang zum Termin vom 30.11.2007 vor, nach ihren Berechnungen überstiegen die anzurechnenden Einkünfte der Klägerin den Alg-Anspruch in den Monaten September 2004 bis Juni 2005. Lediglich in den Monaten August 2004 und Juli 2005 ergäbe sich ein Anspruch auf Alg in Höhe von jeweils monatlich 106,52 EUR. Die Klägerin trug hierzu vor, die Auffassung der Beklagten sei unzutreffend. Sie beruhe auf der fehlerhaften Annahme, ihr stehe lediglich ein Freibetrag in Höhe von monatlich 165,00 EUR zu. Vielmehr sei gemäß § 141 Abs. 3 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung, die anzuwenden sei, ihr Nebeneinkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von monatlich 739,20 EUR anrechnungsfrei. Selbst bei einer unterstellten Anwendbarkeit des § 141 Abs. 3 SGB III neuer Fassung ergäbe sich ein Freibetrag von monatlich 729,66 EUR.
In der mündlichen Verhandlung am 18.07.2008, an der die Klägerin, ihr Prozessbevollmächtigter und ein Vertreter der Beklagten teilgenommen haben, schlossen die Beteiligten nach ausführlicher Anhörung der Klägerin einen Vergleich. Hierzu ist in der Sitzungsniederschrift vom 18.07.2008 festgehalten: "Nach kurzer Beratung des Senats schlägt der Senatsvorsitzende eine vergleichsweise Regelung des vorliegenden Verfahrens vor. Ausschlaggebend für den Vorschlag ist der Umstand, dass nach der Anhörung der Klägerin der Eindruck entsteht, dass zu Beginn der selbständigen Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin in der Gaststätte eine größere Mithilfe auch von Seiten der Klägerin notwendig war, dass aber diese notwendige Mithilfe mit zunehmender Dauer des Betriebes geringer geworden ist. Der Senat berücksichtigt auch den Umstand, dass ab Januar 2005 der Schwiegervater der Klägerin verstärkt in der Gaststätte mitgeholfen hat. Angesichts des glaubhaft vermittelten Eindrucks der Klägerin, dass ihre kleinen Kinder doch sehr stark der Betreuung bedurft haben, hält der Senat für angemessen davon auszugehen, dass die Klägerin zwar bis Dezember 2004 die maßgebliche 15-Stunden-Grenze an Mithilfe überschritten hat, dies ab Januar 2005 keinesfalls mehr der Fall gewesen ist.
Auf Vorschlag des Senats schließen die Beteiligten daraufhin folgenden
Vergleich:
1. Die Beklagte erklärt sich bereit, der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 4. Juli 2005 zu gewähren.
2. Die Klägerin macht für die Zeit ab 24. August 2004 bis 31. Dezember 2004 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr geltend und verzichtet insoweit auf die Rechte aus dem Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Juli 2005.
3. Die Beteiligten sind sich einig, dass mit diesem Vergleich der vorliegende Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
4. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klage-, Revisions- und Berufungsverfahren trägt die Beklagte die Hälfte.
Der Vergleich wird vom Tonträger vorgespielt und vom Klägervertreter, der Klägerin und dem Beklagtenvertreter genehmigt."
Die Niederschrift ist vom Senatsvorsitzenden unterzeichnet und die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit der Übertragung vom Tonträger bestätigt.
Zum Vollzug des geschlossenen Vergleichs bewilligte die AA der Klägerin mit Bescheid vom 13.10.2008 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 04.07.2005 unter Anrechnung von Nebeneinkommen aus Einkünften aus Gewerbebetrieb in monatlich wechselnder Höhe gemäß § 141 SGB III in der ab 01.01.2005 gültigen Fassung Alg in Höhe von insgesamt 362,90 EUR. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie die zusätzliche Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 141 Abs. 3 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung geltend machte. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2008 wurde der Bescheid vom 13.10.2008 dahin abgeändert, dass für den streitigen Zeitraum das Nebeneinkommen gleichbleibend in Höhe von monatlich 531,38 EUR angerechnet wird. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Mit Änderungsbescheid vom 26.11.2008 bewilligte die AA der Klägerin daraufhin für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 04.07.2005 Alg in Höhe von insgesamt 1.513,40 EUR. Hiergegen legte die Klägerin erneut Widerspruch ein, mit dem sie an ihrer Ansicht festhielt. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2008 wies die AA den Widerspruch der Klägerin zurück. Hiergegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage (S 8 AL 4111/08), die mit Urteil des SG vom 11.08.2009 zurückgewiesen wurde. Die dagegen beim Landessozialgericht eingelegte Berufung (L 3 AL 4109/09) nahm die Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung am 15.04.2010 zurück.
Am 15.04.2010 hat die Klägerin den im Verfahren L 8 AL 4849/06 "am 21.07.2008" geschlossenen Vergleich angefochten. Sie hat zur Begründung vorgetragen, eine Gesetzesänderung ab 01.01.2005 sei nicht beachtet worden, aufgrund derer der Vergleich nicht habe sinngemäß umgesetzt werden können. Als Laie sei sie darüber nicht aufgeklärt worden. Durch die Gesetzesänderung sei der Vergleich nicht sinngemäß ausgeführt, mit der Folge, dass das gewährte Alg um 2/3 niedriger als vereinbart ausgefallen sei. Anlass der Anfechtung des Vergleiches sei das Urteil des SG vom 11.08.2009 - Az.: S 8 AL 4111/08 - in Verbindung mit der nicht-öffentlichen Sitzung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg am 15.04.2010 im Verfahren L 3 AL 4109/09. Der Vergleich des Landessozialgerichts sei hinsichtlich einer rechtlichen Würdigung rechtsfehlerhaft, weshalb er angefochten werde. Der Vergleich entspreche nicht den sozialen Grundsätzen der Gerechtigkeit und den Prinzipien des Gleichheitsgrundsatzes, was erst bei der Umsetzung des Vergleiches festgestellt worden sei. Für einen eventuellen Fehler ihres damaligen Rechtsanwaltes könne sie nicht verantwortlich gemacht werden. Anhand der Auslegung des Vergleichstextes werde sie benachteiligt. Das Landessozialgericht habe zwischen den Parteien die streitigen Tatsachen unvollständig festgestellt, insbesondere fehlerhaft rechtlich gewürdigt. Der Wortlaut des Vergleiches lasse die Möglichkeit offen, den Vergleich dahingehend zu verstehen, dass der Anspruch auf Alg zwar im Jahre 2004 bereits bestanden habe, von ihr für den Zeitraum bis 31.12.2004 jedoch nicht mehr geltend gemacht werde. Die AA lege den Vergleich zu ihrem Nachteil dahingehend aus, dass der Anspruch auf Alg erst ab 01.01.2005 entstanden sei. Über die Konsequenzen bei der Anrechnung von Nebeneinkommen, die sich aus dem Vergleichsabschluss ergäben, sei nicht gesprochen worden. Das Alg sei auf der Grundlage des Urteils des SG S 9 AL 3538/04 zu berechnen. Sie habe bereits im Verfahren S 8 AL 4111/08 vorsorglich den Vergleich angefochten. Erst im Termin am 15.04.2010 im Verfahren L 3 AL 4109/09 habe sie erfahren, dass die Anfechtung beim 8. Senat zu erfolgen habe. Weiter sei im gerichtlichen Vergleich übersehen worden, dass bis Ende 2004 eine 18-Stunden-Grenze gegolten habe. Darauf sei in keinem Verfahren eingegangen worden. Zeitpunkt des Beginns der Arbeitslosigkeit sei der 24.08.2004. Im Vergleich sei die Frage offen gelassen, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch auf Alg entstanden sei. Ihre Angaben zum zeitlichen Ausmaß ihrer unselbstständigen Tätigkeit sei zu Unrecht vom Gericht angezweifelt worden. Der Vergleich benachteilige sie unverhältnismäßig hoch. Der Vergleich bestehe aus willkürlichen Behauptungen, die sich zu ihrem Nachteil ausgewirkt hätten. Wichtigen Kriterien würden im Vergleich keine Rechnung getragen. Sie sei auf die Folgen der Gesetzesänderung ab dem 01.01.2005 von keiner Seite aufmerksam gemacht worden. Sie haben nicht auf ihren gesamten Anspruch auf Alg verzichten wollen. Ihr bleibe deshalb keine andere Möglichkeit, als den Vergleich anzufechten. Sie beantrage, dass ihre nebenberufliche selbstständige Tätigkeit dahingehend anerkannt werde, dass im streitigen Zeitraum die 15-Stunden-Grenze nicht überschritten worden sei. Sie habe bei der AA einen Antrag nach § 44 SGB X gestellt. Die Voraussetzungen für eine Privilegierung nach § 141 Abs. 3 SGB III in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung seien erfüllt. Der Vergleich sei wegen falscher Übermittlung anfechtbar gemäß § 120 BGB.
Die Klägerin beantragt,
das Berufungsverfahren L 8 AL 4849/06 fortzusetzen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 8 AL 4849/06 erledigt ist, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Juli 2005 aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.
Die Beklagte hat zur Begründung ausgeführt, das Vorbringen der Klägerin sei nicht geeignet, eine wirksame Anfechtung des am 18.07.2008 geschlossenen Vergleichs zu begründen. Zunächst sei zu beachten, dass die Klägerin von einem rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten worden sei. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass sich der rechtskundige Bevollmächtigte bei Vergleichsabschluss über die Folgen des Vergleichs geirrt hätte, berechtige dies nicht zur Anfechtung des Vergleichs. Es habe allenfalls einen unbeachtlicher Motivirrtum vorgelegen. Der Vergleich vom 18.07.2008 sei wirksam.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Senatsakten, die Akte L 3 AL 4109/09 und zwei Band Akten des SG sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsverfahren L 8 AL 4849/06 ist durch den vor dem Senat in öffentlicher Sitzung am 18.07.2008 geschlossenen Prozessvergleich vollständig erledigt (§ 101 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Bei einem Streit über die Unwirksamkeit eines Vergleichs wird der ursprüngliche Rechtsstreit fortgeführt. Macht ein Beteiligter geltend, es sei überhaupt kein Vergleich geschlossen worden, oder erhebt er Einwände gegen die Wirksamkeit eines Vergleiches, so lebt die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Verfahrens rückwirkend wieder auf. Das Gericht, vor dem der Vergleich geschlossen worden ist, entscheidet dann entweder dahin, dass die Beendigung des Rechtsstreits durch den Vergleich festgestellt wird oder, wenn die Beendigung verneint wird - etwa weil der Vergleich unwirksam ist - in der Sache selbst (BSG 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - juris). -
Der gerichtliche Vergleich hat nach herrschender Meinung eine Doppelnatur. Er ist sowohl öffentlich-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 1989 - 10 RKg 16/88 -, juris; BSG SozR 1500 § 101 Nr. 8), als auch Prozesshandlung der Beteiligten (Prozessvertrag), die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach Grundsätzen des Prozessrechts richtet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, RdNr 3 zu § 101 m.w.N.). Die Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs kann daher darauf beruhen, dass entweder der materiell-rechtliche Vertrag nicht wirksam zustande gekommen, nichtig oder wirksam angefochten worden ist oder die zum Abschluss des Vergleichs notwendigen Prozesshandlungen nicht wirksam vorgenommen worden sind.
Es liegen weder prozess- noch materiell-rechtliche Gründe vor, die den Vergleich vom 18.07.2008 unwirksam machen. Die Beteiligten haben in der öffentlichen Sitzung am 18.07.2008 einen zur Niederschrift erklärten Vergleichsvertrag i.S. der §§ 54 SGB X, 779 BGB geschlossen. Es liegen zwei sich in der Sache deckende Erklärungen der Beteiligten mit dem nach den bezeichneten Vorschriften notwendigen Inhalt vor. Eine entsprechende übereinstimmende Willenserklärung ist von dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin als ihrem Vertreter nach § 164 Absatz 1 Satz 1 BGB, wie auch von der Klägerin selbst, und der Beklagten durch ihren bevollmächtigten Vertreter abgegeben worden. Im Übrigen bestimmt § 164 Absatz 1 Satz 1 BGB, dass die Willenserklärung, die der Bevollmächtigte für den Vertretenen innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, unmittelbar für und gegen diesen wirkt. Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor. Der Vergleichsvertrag im Sinne von § 54 SGB X weist keine Nichtigkeitsgründe aus § 58 Absatz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X (Nichtigkeit oder materielle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes mit entsprechendem Inhalt, fehlende Voraussetzung zum Abschluss eines Vergleichsvertrages und materielle Rechtswidrigkeit eines entsprechenden Verwaltungsaktes oder unzulässige Gegenleistung an die Behörde) und aus Vorschriften des BGB (§ 58 Absatz 1 SGB X) auf. Ziffer 1 des Vergleichs ist ein gegenseitiges Nachgeben der Klägerin und Beklagten hinsichtlich der Frage der kurzzeitigen Beschäftigung/Beschäftigungslosigkeit, die einer vergleichsweisen Regelung zugänglich ist und nicht gegen materielles Recht verstößt. Entsprechendes gilt für Ziffer 2 des Vergleiches, der die sich aus dem angefochtenen Urteil ergebenden Folgen regelt. Die von der Klägerin gegen den Vergleich erhobenen Einwendungen stellen keine Nichtigkeitsgründe dar, sondern betreffen die nach Ansicht der Klägerin unzutreffende Umsetzung des Vergleichs, die Gegenstand der rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahren L 8 AL 411/08 und L 3 AL 4109/09 waren. Der Vergleich ist weiter in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2008 ordnungsgemäß auf einem Tonträger vorläufig aufgezeichnet, den Beteiligten vorgespielt und von diesen genehmigt worden (§ 122 SGG i.V.m. §§ 160a Absatz 1, 160 Absatz 3 Nr. 1, 162 Absatz 1 ZPO). Dies ist in der gefertigten Sitzungsniederschrift vom 18.07.2008, die vom Senatsvorsitzenden und der Urkundsbeamtin unterschrieben worden ist (§ 122 SGG i.V.m. § 163 Absatz 1 Satz 2 ZPO), beurkundet. Die Sitzungsniederschrift erbringt den vollen Beweis dafür, dass der Vergleich mit dem dort niedergelegten Inhalt zwischen den Beteiligten abgeschlossen worden ist. Dass der Vorgang unrichtig beurkundet worden ist, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Der (materiell-rechtliche) Vergleichsvertrag ist nicht nachträglich durch eine Anfechtung unwirksam geworden. Die mit dem beim LSG am 15.04.2010 eingegangenen Schreiben erklärte Anfechtung des Prozessvergleiches vom 18.07.2008 (nicht 21.07.2008) greift nicht durch. Der Klägerin steht kein Anfechtungsrecht bzw. Anfechtungsgrund zur Seite. Ein Willens- oder Erklärungsmangel im Sinne der §§ 116 bis 123 BGB zum Zeitpunkt der Abgabe der zum Vergleichsschluss führenden Willenserklärung liegt nicht vor.
Gegenstand des Rechtsstreites ist, ob der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Alg zusteht oder nicht. Dabei ist alleine streitig, ob die Klägerin wegen ihrer selbständigen Tätigkeit als Gastwirtin nicht beschäftigungslos ist. Dem entspricht ihr Klageantrag beim SG, die Beklagte zu verurteilen, ihr Alg "in gesetzlicher Höhe" zu gewähren. Allein diese streitige Frage ist Regelungsgegenstand des Vergleichs vom 18.07.2008 und der hierzu abgegebenen Willenserklärung. Dazu, in welcher Höhe der Klägerin Alg zusteht, enthält der Vergleich keine Regelung. Die Höhe des Alg-Anspruches ist auch nicht Geschäftsgrundlage des Vergleichs, wie die protokollierten Erwägungen zum Vergleichsvorschlag des Senats zeigen. Über die allein streitige Frage, die durch den Vergleich vom 18.07.2008 eine Regelung erfahren hat, muss unabhängig von der zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Änderung des § 141 Abs. 3 SGB III befunden werden, weshalb sie nicht Grundlage des Vergleiches sein kann. Soweit die Beteiligten auf Anlass des Berichterstatters im Berufungsverfahren zur Einkommensanrechnung Stellung genommen haben, erfolgte dies lediglich zur Klärung der Fragen, ob der Klägerin ein Anspruch auf Alg dem Grunde überhaupt zustehen kann und im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes.
Ein bei der Abgabe der Zustimmung zum Abschluss des Vergleichs zur Anfechtung berechtigenden Willensmangel der Klägerin und/oder ihres damaligen Prozessbevollmächtigten ist nicht ersichtlich. Bei dem Inhalt des Vergleichs hat es sich zunächst um einen Vorschlag des Senats gehandelt, dem die Beteiligten dann zugestimmt haben. Dass bei der Klägerin und/oder ihrem damaliger Prozessbevollmächtigter hinsichtlich des Inhalts des Vergleiches ein gemäß § 119 BGB zur Anfechtung berechtigender Inhalts- oder Erklärungsirrtum vorgelegen hat, wird von der Klägerin nicht geltend gemacht und ist im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Vergleiches auch fernliegend. Die Anfechtung des Vergleichs erfolgte nach dem ausführlichen Vorbringen der Klägerin vielmehr (allein) deswegen, weil aufgrund einer zum 01.01.2005 eingetretenen Gesetzesänderung des § 141 Abs. 3 SGB III das von der Klägerin aus ihrer Gewerbetätigkeit erzielte Gewerbeeinkommen auf ihren Alg-Anspruch angerechnet wird, womit die Klägerin bei Abschluss des Vergleichs nicht gerechnet hat. Dieser "Irrtum" betrifft den Beweggrund zur Vergleichsbereitschaft, der einen im Rahmen des § 119 BGB unbeachtlichen Motivirrtum darstellt, jedoch keinen Irrtum über den Inhalt der Willenserklärung oder den Erklärungsakt, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat. Auch § 120 BGB (Anfechtbarkeit wegen falscher Übermittlung), worauf sich die Klägerin berufen hat, scheidet aus. Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor, zumal auch ein Anfechtungsgrund nach § 119 BGB nicht besteht. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin (ohne Abschluss des Vergleichs bzw. bei einer Fortsetzung des Berufungsverfahrens) nicht sicher damit rechnen kann, auch im Berufungsverfahren zu obsiegen, wovon sie auszugehen scheint.
Der Vergleich ist auch nicht prozessrechtlich nachträglich unwirksam geworden. Auf Prozesshandlungen - wie die Zustimmung zu einem gerichtlichen Vergleich - finden die Anfechtungsgründe des BGB keine Anwendung (BSG SozR 1500 § 102 Nr. 2; Bundesverwaltungsgericht, NVwZ-RR 1999, 407, 408; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., RdNr. 12 zu Vor § 60). Sie können nur unter engen Voraussetzungen (also in extremen Ausnahmefällen) widerrufen werden, zum Beispiel beim Vorliegen eines Wiederaufnahmegrunds im Sinne von § 179 SGG i.V.m. §§ 578 ff ZPO. Eine solche extreme Ausnahmesituation liegt hier nicht vor, insbesondere liegt kein Wiederaufnahmegrund im Sinne von § 179 SGG i.V.m. §§ 578 ff ZPO vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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