L 6 U 8/10 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 35/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 8/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 18. November 2009 wird aufgehoben. Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Stendal Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Ralf Stüdemann, Brandenburg, bewilligt.

Gründe:

I.

Der 1958 geborene Kläger begehrt mit seiner Beschwerde Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das erstinstanzliche Verfahren. In diesem erstrebt er die Aufhebung eines beitragsrechtlichen Veranlagungsbescheides.

Aufgrund eines Arbeitsunfalls eines Beschäftigten des Klägers vom 21. August 2006 erhielt die Beklagte Kenntnis von dessen Unternehmen. Bei diesem Unfall war der Beschäftigte bei der mittels Handbolzenschneiders vorgenommenen Durchtrennung 4 mm starker Rundstähle, die zwecks Demontage einer abgehängten Hallendecke erfolgte, aus einer Höhe von vier bis fünf Metern von einer Leiter gestürzt. Nach den Angaben des Klägers vom 19. Oktober 2006 sowie der Gewerbe-Anmeldung vom 9. Juni 2006 führt sein Unternehmen unter der Firma D. & A. die De- und Montage genormter Bauelemente durch. In der Gewerbeummeldung vom 23. November 2006 wurde mit Wirkung vom 1. November 2006 als weiterer Gewerbezweig die Entkernung von Objekten sowie Baustellenberäumung angemeldet. Aus Rechnungen vom 29. April, 9. November sowie 5. und 19. Dezember 2006 für Auftraggeber aus dem Abbruchgewerbe ging als Rechnungsgegenstand jeweils die Entkernung von Wohngebäuden hervor.

Mit Aufnahmebescheid vom 16. November 2006 erklärte die Beklagte mit Wirkung vom 14. Mai 2004 an ihre Zuständigkeit für das Unternehmen des Klägers und stufte es mit Veranlagungsbescheiden vom 16. November 2006 für die Zeit bis zum 31. Dezember 2005 in die Tarifstelle 01, laufende Nr. 03 mit dem Unternehmenszweig "Abbruch, Enttrümmerung, Entsorgung, Sprengungen" mit der Gefahrklasse 8,5 und ab dem 1. Januar 2006 mit dem Gewerbezweig "Abbruch, Entsorgung und Sprengungen" zur Tarifstelle 500 mit der Gefahrklasse 22,90 – vom 1. Januar 2007 an zur Gefahrklasse 27,30 – ein und erließ darauf gestützt am selben Tag einen Bescheid über den Beitragsvorschuss für das Geschäftsjahr 2006 sowie den ersten und zweiten Vorschussteilbetrag für das Geschäftsjahr 2007.

Am 8. Dezember 2006 erhob der Kläger gegen den Veranlagungsbescheid zur Tarifstelle 500 des Gefahrtarifs Widerspruch, da sein Unternehmen lediglich Objekte entkerne und Baustellen beräume.

Am 26. April 2007 führte die Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung durch und hielt hierzu fest: Das Unternehmen werde im Rahmen von Abrissarbeiten tätig. Der Kläger habe diese Tätigkeiten als vorbereitende Arbeiten wie Beräumung, Entmüllung und Entrümpelung von Gebäuden beschrieben, die entkernt und abgerissen würden. Dabei würden u.a. Müll und alte Einrichtungsgegenstände wie Möbel, Gardinen, Auslegware, Teppiche oder Fenster aus den Gebäuden entfernt und in Container verbracht. Als technische Hilfsmittel stünden ein Transporter für die Arbeiter und Handwerkszeug wie Nageleisen und Brechstangen zur Verfügung.

Ergänzend zu seinem Widerspruch führte der Kläger mit Schreiben vom 9. November 2007 aus, sein Unternehmen sei nicht im Gewerbezweig "Abbruch, Entsorgung und Sprengungen" tätig, sondern führe reine Entrümpelungsarbeiten durch. Damit werde auch kein Teilbereich des Gebietes "Abbruch" abgedeckt. Auch unter Berücksichtigung des am 21. August 2006 geschehenen Arbeitsunfalls ergebe sich nichts anderes.

Mit am 28. April 2008 ausgefertigtem und auf dem Postweg übersandtem Widerspruchsbescheid vom 25. April 2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In den Gefahrgemeinschaften (Tarifstellen) würden Gewerbezweige mit annähernd gleichen Unfallrisiken zusammengefasst. Dabei werde nicht das Risiko des einzelnen Unternehmens, sondern dasjenige aller in der jeweiligen Gefahrtarifstelle zusammengeführten Unternehmungen erfasst. Damit seien vom anzuwendenden Gefahrtarif auch alle Unternehmen abgedeckt, die nur Teilbereiche des jeweiligen Gewerbezweiges ausführten. Ausgehend hiervon sei das Unternehmen des Klägers nach den gelegten Rechnungen im Rahmen von Abrissarbeiten tätig geworden. Auch die bei der Erledigung der Aufträge eingesetzten Werkzeuge ließen nicht auf ein Unternehmen schließen, welches ausschließlich Entrümpelungstätigkeiten verrichte. Schließlich habe sich beim Arbeitsunfall vom 21. August 2006 eine konkrete Betriebsgefahr verwirklicht, die weit über das übliche Gefährdungsmaß von bloßen Entrümpelungsarbeiten und der gelegentlichen Demontage von Lampen auf Leitern hinausgehe.

Mit der am 30. Mai 2008 beim Sozialgericht (SG) Stendal erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt, zur Begründung sein bisheriges Vorbringen vertieft und am 19. Juni 2009 die Bewilligung von PKH beantragt. Anstatt der von der Beklagten vorgenommenen Einstufung komme etwa eine Veranlagung zur Tarifstelle 200 "Bauausbau" mit dem Teilbereich "Montagearbeiten" in umgekehrter Hinsicht (Demontage) in Betracht. Die von seinem Unternehmen durchgeführten Arbeiten beließen die Gebäude in ihrer Substanz. Sein Unternehmen verfüge auch nicht über schweres Abrissgerät wie Bagger, Raupen, Lkw oder Container. Auch ein Fensterbauer, der als Vorarbeit alte Fenster demontiere, falle nicht unter die Tarifstelle 500 des Gefahrtarifs der Beklagten.

Die Beklagte hat an ihrer Ansicht festgehalten und u.a. entgegnet, Hilfsarbeiten seien demjenigen Gewerk zuzurechnen, dem sie dienten. Beim Unternehmen des Klägers seien Demontagetätigkeiten jedoch keine Hilfsarbeiten, sondern stellten den Schwerpunkt der unternehmerischen Aktivität dar. Da die Demontage eben keine Montagearbeit im Sinne des Gewerbezweiges "Bauausbau", sondern ein Teilgebiet des Gewerbezweiges "Abbruch" sei, komme auch keine Veranlagung zur Tarifstelle 200 in Frage.

Mit Beschluss vom 18. November 2009 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines anderen Gefahrtarifs. Um eine Beitragsabstufung nach dem Grad der Unfallgefahr zu ermöglichen, müsse jede Berufsgenossenschaft einen Gefahrtarif aufstellen und diesen nach Tarifstellen mit gleichen oder ähnlichen Gefährdungsrisiken gliedern. Da ein gewerbezweigorientierter Gefahrtarif seine Rechtfertigung aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und Präventionserfordernisse bei technologisch verwandten Betrieben beziehe, komme es für die Bildung der Gewerbezweige und die Zuordnung zu ihnen nach der Rechtsprechung entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an. Diese wiederum erhielten ihr Gepräge durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen, die gesamte Arbeitsumgebung sowie die einschlägigen berufsrechtlichen Regelungen oder verbandsorganisatorischen Strukturen. Dabei sei die Betrachtung nicht auf einzelne für oder gegen die Vergleichbarkeit sprechende Gesichtspunkte zu beschränken, sondern müsse alle das Gefährdungsrisiko beeinflussenden Faktoren einbeziehen. Die nach dem Gewerbezweigprinzip gebildeten Gefahrklassen führten zwar dazu, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende Unternehmen und Unternehmensarten gebe. Dies sei jedoch als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 5. Juli 2005 – B 2 U 32/02 RSozR 4-2700 § 157 Nr. 2; Urteil vom 21. März 2006 – B 2 U 2/05 R – juris). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sei die von der Beklagten vorgenommene Einordnung des Unternehmens des Klägers nicht zu beanstanden. Dieser führe nach eigenen Angaben Entrümpelungsarbeiten durch, werde für Abbruchunternehmen tätig und entkerne nach den von ihm gelegten Rechnungen Gebäude. Gerade im Arbeitsunfall vom 21. August 2006 habe sich ein erhöhtes Gefährdungspotential im Sinne des veranlagten Gefahrtarifs realisiert. Alle anderen Tarife beträfen den Kläger nicht.

Der Kläger hat gegen den ihm am 23. November 2009 zugestellten Beschluss am 21. Dezember 2009 beim SG Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dieses habe das Betätigungsfeld seines Unternehmens nicht ausreichend berücksichtigt. Die Einstufung in die Tarifstelle 500 des Gefahrtarifs sei angesichts eines Vergleichs mit den gewerbetypischen Unfallgefahren nicht sachgerecht. Die ausgeführten Entrümpelungen seien nicht gleichzusetzen mit einem Unternehmen, das ein beräumtes Objekt – etwa mittels Abrissbirne und Baggern – abreiße. Überdies seien Gebäude, in denen sein Unternehmen Aufträge erledigt habe, zum Teil auch wieder saniert worden.

Der Kläger beantragt seinem Vorbringen nach,

den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 18. November 2009 aufzuheben und ihm für das erstinstanzliche Verfahren vom 19. Juni 2009 an Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt R S, B., zu bewilligen.

Das SG hat die Beschwerde dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Ihm haben die Verfahrensakten des SG einschließlich des PKH-Beihefts sowie die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch ansonsten zulässig (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Sie ist auch begründet. Denn der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von PKH für das Verfahren vor dem SG.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Ist die Vertretung durch Anwälte – wie hier – nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Anwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn u.a. die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 121 Abs. 2 ZPO).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Rechtsschutzsuchende mit seinem Begehren – wenigstens teilweise – obsiegen wird (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 – 1 BvR 94/88 u.a. – BVerfGE 81, 347 ff. [356]). PKH kommt dagegen nicht in Betracht, wenn der Erfolg zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur entfernt ist (BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 83/97 RSozR 3-1500 § 62 Nr. 19). Danach liegt hinreichende Erfolgsaussicht vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Kläger mit seinem Begehren durchdringt; im Falle streitiger Tatsachen, wenn die behaupteten anspruchsbegründenden Umstände nachweisbar erscheinen.

Gemessen daran liegt für die Klage noch eine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit vor und erscheint sie nicht mutwillig. Denn der Rechtsstandpunkt des Klägers ist zumindest vertretbar.

Zwar mögen die im angefochtenen Beschluss dargelegten und von der Rechtsprechung des BSG herausgearbeiteten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zuordnung zu einer anderen Tarifstelle des Gefahrtarifs der Beklagten nicht erfüllt sein (vgl. hierzu nochmals BSG, Urteil vom 21. März 2006, a.a.O., m.w.N.). Der Vortrag des Klägers ist jedoch geeignet, gerichtlich klären zu lassen, ob bei der Art seines Unternehmens ein vom Durchschnitt des veranlagten Gewerbezweiges erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, so dass sich daraus u.U. ein Anspruch auf Verselbständigung als eigener Gewerbezweig ergeben könnte.

Die von der Beklagten vorgenommene Zuordnung des klägerischen Unternehmens zu dem Gewerbezweig "Abbruch, Entsorgung und Sprengungen" mit der zugehörigen Veranlagung zur Tarifstelle 500 ihres ab dem 1. Januar 2006 gültigen Gefahrtarifs dürfte keinen durchgreifenden Bedenken begegnen. Insbesondere ist entgegen der Ansicht des Klägers eine Veranlagung zur Tarifstelle 200 "Bauausbau" mit dem Teilbereich "Montagearbeiten" nicht möglich. Schon nach seinen eigenen Angaben vom 19. Oktober 2006 sowie der Gewerbe-Anmeldung vom 9. Juni 2006 baute sein Unternehmen nämlich keine Gebäude aus und führte primär nicht die Montage, sondern die Demontage von Bauelementen durch. Aus der Gewerbeummeldung vom 23. November 2006 geht – mit Wirkung vom 1. November 2006 an – die Entkernung von Objekten sowie die Baustellenberäumung explizit als weiterer Gewerbezweig hervor. Ein solcher Tätigkeitsschwerpunkt ist auch den Rechnungen vom 29. April, 9. November sowie 5. und 19. Dezember 2006 zu entnehmen, die durchgehend für Auftraggeber aus dem Abbruchgewerbe gelegt wurden und deren Gegenstand jeweils die Entkernung von Wohngebäuden war. Auch in seinem Widerspruch vom 8. Dezember 2006 bzw. im Rahmen der am 26. April 2007 durchgeführten Betriebsprüfung hat der Kläger ausdrücklich eingeräumt, dass sein Unternehmen Objekte entkernt und Baustellen im Rahmen von Abrissarbeiten beräumt. Anstatt Bauten auszubauen, verrichtete das Unternehmen des Klägers demnach im Wesentlichen gerade das Gegenteil, nämlich Abbrucharbeiten. Diese unternehmerische Aktivität lässt sich auch nicht als eine einer übergeordneten Ausbau- bzw. Montagetätigkeit zu dienen bestimmte Hilfsleistung verstehen. Zwar dürften auch bei Bauausbauarbeiten in gewissem Umfang Demontagen anfallen. Der Unterschied zum Unternehmen des Klägers besteht jedoch darin, dass bei derartigen Baubetrieben regelmäßig ein von solchen Hilfsarbeiten abgrenzbarer Tätigkeitsschwerpunkt verbleibt. Das ist vorliegend nicht der Fall, wie schon die Beklagte zutreffend hervorgehoben hat. Selbst wenn die bei Baustellenberäumungen mitunter anfallende Entfernung von Müll, alten Einrichtungsgegenständen oder Fenstern aus den Gebäuden und deren Verbringung in Container nicht mehr als Abbruchtätigkeit verstanden würde, lassen sich diese Verrichtungen noch als Teilbereiche des Gebietes "Entsorgung" im Sinne von Nr. 1 Satz 2 des II. Teils (Sonstige Bestimmungen) des Gefahrtarifs begreifen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass einzelne Gebäude, in denen der Kläger mit seinem Unternehmen Aufträge erledigt hat, zum Teil wieder saniert worden sind, zumal bei (Mit-)Erledigung derartiger Entrümpelungsarbeiten das Unternehmen des Klägers nicht – ohne weiteres – gleichsam als bloßer Umzugsbetrieb erscheint.

Wäre damit die Zuordnung zum Gewerbezweig "Abbruch, Entsorgung und Sprengungen" grundsätzlich nicht zu beanstanden, ist dieser andererseits doch äußerst weit gefasst und die zugehörige Tarifstelle – neben der Tarifstelle 330 (Tunnelbau) – mit der höchsten Gefahrklasse des gesamten Gefahrtarifs der Beklagten versehen. Insoweit liegt eine vollständige Gleichbehandlung des Unternehmens des Klägers, welches über keinerlei schweren Geräte, sondern nur Handwerkzeuge wie Bolzenschneider, Nageleisen und Brechstangen verfügte, mit den Leitgewerben Spreng- bzw. Tunnelbauunternehmen jedenfalls nicht als offensichtlich gerechtfertigt auf der Hand. Vielmehr erscheint der Hinweis des Klägers auf das im Verhältnis zu den gewerbetypischen Unfallgefahren der Tarifstelle 500 erheblich geringere allgemeine Gefährdungsrisiko seines Unternehmens nachvollziehbar, wenngleich sich beim Arbeitsunfall vom 21. August 2006 auch eine über das übliche Gefährdungsmaß von bloßen Entrümpelungs-, Umzugs- bzw. Trockenbauarbeiten hinausgehende Unfallgefahr im Einzelfall verwirklicht haben mag. Besteht bei einer bestimmten Art von Unternehmen aber ein vom einschlägigen Gewerbezweig erheblich abweichendes Gefährdungsmaß, kann daraus ein Anspruch auf Verselbständigung als eigener Gewerbezweig folgen. Dabei käme es entscheidend darauf an, ob mit dem Unternehmen des Klägers vergleichbare Betriebe und Einrichtungen zusammengenommen eine Größenordnung erreichen, bei der sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen eine gewerbetypische Unfalllast berechnen lässt (vgl. § 157 Abs. 2 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch).

Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht in der Lage, die Kosten des Rechtsstreits aus seinem Einkommen oder Vermögen aufzubringen, weil er hierüber nach seinen mittels eidesstattlicher Versicherung glaubhaft gemachten Angaben derzeit nicht verfügt. Insbesondere erzielt er aus seinem Unternehmen keine Einnahmen, da ihm die Ausübung des Gewerbes mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid der Stadt J vom 28. Mai 2010 auf Dauer untersagt worden ist.

Die Voraussetzungen für die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nach § 73a SGG i.V.m. § 121 ZPO sind schließlich ebenfalls erfüllt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).

gez. Eyrich gez. Dr. Ulrich gez. Boldt
Rechtskraft
Aus
Saved