Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 2664/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 55/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht der Sache nach der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin in ihrer Beschäftigung beim Beigeladenen zu 4). Dieser betreibt u. a. einen Getränkemarkt mit Lieferservice sowie Catering und Partyservice.
Die 1966 geborene Klägerin ist gelernte Köchin. Sie ist seit 1993 im Betrieb ihres Ehemannes, des Beigeladenen zu 4), tätig. Sie arbeitet seither nahezu täglich in einer von dessen Gaststätten, den B B. Sie übernimmt die Reinigung der Gaststätte, bereitet Speisen zu und bedient die Gäste. Inhaber der Gaststättenkonzession ist ihr Ehemann, der sie zur Sozialversicherung meldete. Die Klägerin hat kein Gewerbe angemeldet. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wurde und wird an die Einzugsstelle gezahlt. Der Lohn der Klägerin wurde und wird als Betriebsausgabe verbucht und unterliegt der Lohnsteuer. Mieter der Räume der Gaststätte sind die Klägerin und ihr Ehemann gemeinsam.
Der Beigeladene zu 4) räumte seiner Ehefrau aufgrund ihrer verantwortungsvollen Position in der kaufmännischen und betrieblichen Mitführung der Gaststätte seit 1. August 1993 eine mündliche Handlungsvollmacht ein. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Sancura BKK, die versicherungsrechtliche Beurteilung ihres Beschäftigungsverhältnisses rückwirkend für die Zeit ab 1. August 1993.
Diese stellte mit Bescheid vom 4. April 2006 fest, dass die Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und somit seit dem 1. Mai 2001 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliege. Die Mitgliedschaft bei der Sancura BKK habe zum 1. Januar 2001 begonnen. Das Beschäftigungsverhältnis habe ab 1. Mai 2001 erneut begonnen nach vorheriger Arbeitslosigkeit. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch (Schreiben vom 3. Mai 2006), welcher mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 zurückgewiesen wurde.
Im März 2007 wandte sich die Klägerin erneut an die Einzugsstelle und bat nochmals um eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung. Sie habe ab dem 1. März 2007 die eigenverantwortliche Leitung der Gaststätte "B B" übernommen. Damit sei sie in die Geschäftsleitung des Einzelunternehmens ihres Ehemannes eingetreten.
Die Beklagte verfügte durch Bescheid vom 18. Juni 2007, dass die Klägerin weiterhin seit dem 1. März 2007 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und somit der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliege.
Die Klägerin erhob Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 zurückwies.
Hiergegen hat sich die Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) gerichtet. Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt, sie trage ein Unternehmerrisiko, da sie auch Mieterin der Betriebsstätte sei. Die bereits für die Vergangenheit vorgebrachten Tatsachen ergäben sich nunmehr nachweislich aus der zwischen ihrem Ehemann und ihr abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarung für die Zeit ab 1. März 2007. Insbesondere sei ihr eine schriftliche Handlungsvollmacht erteilt worden. Sie nehme die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers wahr. Sie sei nicht weisungsgebunden, sondern entscheide stets eigenverantwortlich und allein ausgerichtet an den betrieblichen Belangen. Die Eheleute bewirtschafteten das Familienunternehmen in gleichwertiger arbeitsteiliger Manier. Das Unternehmen laste auf den Schultern beider Eheleute. Auch sei ihr Gehalt arbeitnehmeruntypisch und orientiere sich ausschließlich an den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gaststätte. Dies komme auch in der vertraglichen Formulierung eines monatlichen Entgeltes von "zunächst" brutto 1.015.00 EUR zum Ausdruck.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13. Januar 2010 abgewiesen. Gemäß § 28 h Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) entscheide die Einzugstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Aufgrund der Gesamtwürdigung aller Umstände sei ein Beschäftigungsverhältnis zu bejahen. Es liege weder eine bloße familienhafte Mithilfe der Klägerin vor, noch sei sie Mitunternehmerin bzw. sei dies gewesen. Für sie werde ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. Sie sei nach wie vor in den Betrieb ihres Ehemannes eingegliedert und erhalte ein regelmäßiges Entgelt für geleistete Arbeit, welches als Betriebsausgabe gebucht und zur freien Verfügung der Klägerin auf ihr Konto gezahlt werde. Dem Umstand, dass die Eheleute gemeinsam Gewerberäume gemietet hätten, komme keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Gleiches gelte für die in schriftlicher Form erteilte Handlungsvollmacht und den wohl mit Rücksicht auf das Statusverfahren interessengeleitet formulierten Vertrag "betreffend die Übernahme der Leitung der Gaststätte "B B". Ein Unternehmerrisiko der Klägerin sei nicht erkennbar.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Es spreche bereits die formale Gestaltung der Tätigkeit der Klägerin gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Das Urteil des SG sei in sich widersprüchlich. Es liege nämlich gerade kein schriftlicher Arbeitsvertrag vor. Weder sei eine feste Vergütung vereinbart, noch sei diese als angemessen anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Firma "R-Z", Gastronomie und Getränkegroßhandel, Streustraße 103, 13068 Berlin seit dem 1. März 2007 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, hingewiesen worden.
Die Klage ist als Kombination von Anfechtungsklage und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig.
Es fehlt nicht am erforderlichen berechtigten Interesse nach § 55 Abs. 1 SGG, einer besonderen Ausformung des allgemeinen Rechtschutzbedürfnisses. Ganz allgemein ist eine Klage unzulässig, wenn ein Rechtsstreit dem Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4 - 2700 § 136 Nr. 3 Rdnr. 13). Dies ist hier jedoch nicht sicher der Fall. Möglicherweise könnte die Klägerin bei einem Erfolg Beiträge zurückfordern, ohne dass der Einwand der Verjährung greifen müsste.
Die Klage ist danach zulässig aber unbegründet, wie das SG richtig ausgeführt hat.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH-Geschäftsführer BSG, a.a.O.). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -).
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 -7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum gelebten Arbeitsverhältnis und zum fehlenden Unternehmerrisiko.
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Beigeladenen ist durch einen Arbeitsvertrag geregelt, der auch praktiziert wurde. Dass dieser nicht schriftlich fixiert wurde, steht dem nicht entgegen. Die Vereinbarung einer teilweise erfolgsabhängigen Vergütung ist auch bei abhängigen Beschäftigungsverhältnissen nicht unüblich. Auch hat die Klägerin keine eigene Betriebsstätte und kann nicht über ihre eigene Arbeitskraft frei verfügen. Das Mietverhältnis ist getrennt vom Gaststättenbetrieb. Gaststätteninhaber ist nicht sie, sondern ihr Ehemann.
Es ist auch nach ihrem Vortrag beziehungsweise dem der Beigeladenen zu 2) nicht so, dass sie nach eigenem Gutdünken wie ein Unternehmer auftreten kann. Sie ist zwar für einen Teil des Unternehmens verantwortlich (die Führung einer der Gaststätten; Handlungsvollmacht; Arbeitgeberfunktion). Das Unternehmen wird aber von ihrem Ehemann geleitet.
Dass die Eheleute über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regeln ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständig bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit steht der Sache nach der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin in ihrer Beschäftigung beim Beigeladenen zu 4). Dieser betreibt u. a. einen Getränkemarkt mit Lieferservice sowie Catering und Partyservice.
Die 1966 geborene Klägerin ist gelernte Köchin. Sie ist seit 1993 im Betrieb ihres Ehemannes, des Beigeladenen zu 4), tätig. Sie arbeitet seither nahezu täglich in einer von dessen Gaststätten, den B B. Sie übernimmt die Reinigung der Gaststätte, bereitet Speisen zu und bedient die Gäste. Inhaber der Gaststättenkonzession ist ihr Ehemann, der sie zur Sozialversicherung meldete. Die Klägerin hat kein Gewerbe angemeldet. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wurde und wird an die Einzugsstelle gezahlt. Der Lohn der Klägerin wurde und wird als Betriebsausgabe verbucht und unterliegt der Lohnsteuer. Mieter der Räume der Gaststätte sind die Klägerin und ihr Ehemann gemeinsam.
Der Beigeladene zu 4) räumte seiner Ehefrau aufgrund ihrer verantwortungsvollen Position in der kaufmännischen und betrieblichen Mitführung der Gaststätte seit 1. August 1993 eine mündliche Handlungsvollmacht ein. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Sancura BKK, die versicherungsrechtliche Beurteilung ihres Beschäftigungsverhältnisses rückwirkend für die Zeit ab 1. August 1993.
Diese stellte mit Bescheid vom 4. April 2006 fest, dass die Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und somit seit dem 1. Mai 2001 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliege. Die Mitgliedschaft bei der Sancura BKK habe zum 1. Januar 2001 begonnen. Das Beschäftigungsverhältnis habe ab 1. Mai 2001 erneut begonnen nach vorheriger Arbeitslosigkeit. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch (Schreiben vom 3. Mai 2006), welcher mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 zurückgewiesen wurde.
Im März 2007 wandte sich die Klägerin erneut an die Einzugsstelle und bat nochmals um eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung. Sie habe ab dem 1. März 2007 die eigenverantwortliche Leitung der Gaststätte "B B" übernommen. Damit sei sie in die Geschäftsleitung des Einzelunternehmens ihres Ehemannes eingetreten.
Die Beklagte verfügte durch Bescheid vom 18. Juni 2007, dass die Klägerin weiterhin seit dem 1. März 2007 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und somit der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliege.
Die Klägerin erhob Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 zurückwies.
Hiergegen hat sich die Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) gerichtet. Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt, sie trage ein Unternehmerrisiko, da sie auch Mieterin der Betriebsstätte sei. Die bereits für die Vergangenheit vorgebrachten Tatsachen ergäben sich nunmehr nachweislich aus der zwischen ihrem Ehemann und ihr abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarung für die Zeit ab 1. März 2007. Insbesondere sei ihr eine schriftliche Handlungsvollmacht erteilt worden. Sie nehme die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers wahr. Sie sei nicht weisungsgebunden, sondern entscheide stets eigenverantwortlich und allein ausgerichtet an den betrieblichen Belangen. Die Eheleute bewirtschafteten das Familienunternehmen in gleichwertiger arbeitsteiliger Manier. Das Unternehmen laste auf den Schultern beider Eheleute. Auch sei ihr Gehalt arbeitnehmeruntypisch und orientiere sich ausschließlich an den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gaststätte. Dies komme auch in der vertraglichen Formulierung eines monatlichen Entgeltes von "zunächst" brutto 1.015.00 EUR zum Ausdruck.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13. Januar 2010 abgewiesen. Gemäß § 28 h Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) entscheide die Einzugstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Aufgrund der Gesamtwürdigung aller Umstände sei ein Beschäftigungsverhältnis zu bejahen. Es liege weder eine bloße familienhafte Mithilfe der Klägerin vor, noch sei sie Mitunternehmerin bzw. sei dies gewesen. Für sie werde ein Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. Sie sei nach wie vor in den Betrieb ihres Ehemannes eingegliedert und erhalte ein regelmäßiges Entgelt für geleistete Arbeit, welches als Betriebsausgabe gebucht und zur freien Verfügung der Klägerin auf ihr Konto gezahlt werde. Dem Umstand, dass die Eheleute gemeinsam Gewerberäume gemietet hätten, komme keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Gleiches gelte für die in schriftlicher Form erteilte Handlungsvollmacht und den wohl mit Rücksicht auf das Statusverfahren interessengeleitet formulierten Vertrag "betreffend die Übernahme der Leitung der Gaststätte "B B". Ein Unternehmerrisiko der Klägerin sei nicht erkennbar.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Es spreche bereits die formale Gestaltung der Tätigkeit der Klägerin gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Das Urteil des SG sei in sich widersprüchlich. Es liege nämlich gerade kein schriftlicher Arbeitsvertrag vor. Weder sei eine feste Vergütung vereinbart, noch sei diese als angemessen anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Firma "R-Z", Gastronomie und Getränkegroßhandel, Streustraße 103, 13068 Berlin seit dem 1. März 2007 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, hingewiesen worden.
Die Klage ist als Kombination von Anfechtungsklage und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig.
Es fehlt nicht am erforderlichen berechtigten Interesse nach § 55 Abs. 1 SGG, einer besonderen Ausformung des allgemeinen Rechtschutzbedürfnisses. Ganz allgemein ist eine Klage unzulässig, wenn ein Rechtsstreit dem Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. BSG, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4 - 2700 § 136 Nr. 3 Rdnr. 13). Dies ist hier jedoch nicht sicher der Fall. Möglicherweise könnte die Klägerin bei einem Erfolg Beiträge zurückfordern, ohne dass der Einwand der Verjährung greifen müsste.
Die Klage ist danach zulässig aber unbegründet, wie das SG richtig ausgeführt hat.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH-Geschäftsführer BSG, a.a.O.). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -).
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 -7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum gelebten Arbeitsverhältnis und zum fehlenden Unternehmerrisiko.
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Beigeladenen ist durch einen Arbeitsvertrag geregelt, der auch praktiziert wurde. Dass dieser nicht schriftlich fixiert wurde, steht dem nicht entgegen. Die Vereinbarung einer teilweise erfolgsabhängigen Vergütung ist auch bei abhängigen Beschäftigungsverhältnissen nicht unüblich. Auch hat die Klägerin keine eigene Betriebsstätte und kann nicht über ihre eigene Arbeitskraft frei verfügen. Das Mietverhältnis ist getrennt vom Gaststättenbetrieb. Gaststätteninhaber ist nicht sie, sondern ihr Ehemann.
Es ist auch nach ihrem Vortrag beziehungsweise dem der Beigeladenen zu 2) nicht so, dass sie nach eigenem Gutdünken wie ein Unternehmer auftreten kann. Sie ist zwar für einen Teil des Unternehmens verantwortlich (die Führung einer der Gaststätten; Handlungsvollmacht; Arbeitgeberfunktion). Das Unternehmen wird aber von ihrem Ehemann geleitet.
Dass die Eheleute über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regeln ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständig bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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