L 7 AS 322/10 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 AS 772/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 322/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es besteht kein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wenn das tatsächlich vorhandene Einkommen den Bedarf abdeckt. Auf die rechtliche Zuordnung des Einkommens der Kinder nach § 9 Abs. 2 SGB II kommt es bei dieser tatsächlichen Beurteilung nicht an.
Auch die 300,- Euro vom Elterngeld, die nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, stehen tatsächlich zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs zur Verfügung.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 13. April 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.

Streitig ist im einstweiligen Rechtsschutz die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der im Jahr 1961 geborene Antragsteller zu 1 erhielt mit Bescheid vom 01.10.2009, geändert mit Bescheid vom 28.12.2009 in der Zeit von August bis Ende Dezember 2009 Arbeitslosengeld II. Er hatte zuvor vorgetragen, von seiner Ehefrau und seinen Kindern (Antragsteller zu 2 bis 5; geboren 2002, 2003, 2006 und am 01.12.2009) in der Wohnung der Familie getrennt zu leben.

Auf den Weitergewährungsantrag des Antragstellers zu 1 forderte die Antragsgegnerin verschiedene Unterlagen an. Mit Versagungsbescheid vom 05.02.2010 wurde die Leistungsgewährung versagt, weil die geforderten Unterlagen nicht vollständig vorgelegt worden seien. Der Antragsteller erhob mit der Begründung, dass er im Jahr 2009 aus seiner selbstständigen Tätigkeit keinen Gewinn erwirtschaftet habe, dagegen Widerspruch.

Mit Bescheid vom 12.02.2010 wurde der Ehefrau für die Zeit von Februar 2010 bis November 2010 Elterngeld von monatlich 1078,04 Euro bewilligt.

Mit Schreiben vom 16.03.2010 teilte der Antragsteller zu 1 der Antragsgegnerin mit, dass er seit 11.03.2010 nicht mehr von seiner Familie getrennt lebe.

Am 22.03.2010 stellte der Antragsteller zu 1 beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 13.04.2010 ordnete das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Versagungsbescheid vom 05.02.2010 an und verpflichtete die Antragsgegnerin vorläufig einen Vorschuss von 250,- Euro auszuzahlen. Im übrigen wurde der Antrag auf Gewährung von einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Im Beschluss wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass er vollständige Angaben zum Einkommen seiner Ehefrau, zu sonstigen aktuellen Einkünften wie Kindergeld und Wohngeld zu machen und entsprechende Unterlagen vorzulegen habe.

Am 16.04.2010 hat der Antragsteller zu 1 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Seine Ehefrau sei der Meinung, dass ein Getrenntleben vor März 2010 möglich gewesen sei. Er habe sich immer bemüht alle relevanten Unterlagen vorzulegen. Das Einkommen der Ehefrau sei nicht hinreichend. Ein Kindergeldzuschuss sei möglicherweise nicht ausreichend, um den Bedarf der Familie zu decken. Vorgelegt wurde ein Mietvertrag, wonach der Antragsteller zu 1 eine Garage für monatlich 50,- Euro vermietet. Ferner wurden etliche Seiten Kontoauszüge übermittelt, die keinen einzigen Geldbetrag enthalten.

Mit Bescheid vom 06.05.2010 wurde der Ehefrau Kinderzuschlag für die vier Kinder in Höhe von monatlich 560,- Euro für die Zeit von März bis August 2010 bewilligt.

Mit Bescheid vom 04.06.2010 wurde der Leistungsantrag des Antragstellers zu 1 mangels Hilfebedürftigkeit abgelehnt. Dagegen wurde Widerspruch eingelegt.

Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß,
die Beschwerdegegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 13.04.2010 vorläufig zu verpflichten, ihm und seinen Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II zu gewähren.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Es ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft

Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).

Das Ehepaar bildet zusammen mit seinen Kindern eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II. Dies hat zur Folge, dass das Einkommen aller Mitglieder gemäß § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich für den gemeinsamen Bedarf einzusetzen ist. Der Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz dient nur als Einkommen des jeweiligen Kindes, Kindergeld ebenso, soweit es zur Deckung des Bedarfs des Kindes nötig ist.

Der Antragsteller hat lediglich seinen Bedarf und den Bedarf seiner Kinder geltend gemacht. Er geht scheinbar davon aus, dass der Bedarf der Ehefrau durch ihr Erwerbseinkommen (laut Bescheid Elterngeld netto 1609,- Euro) bzw. das Elterngeld abgedeckt ist. Es bestand angesichts des Ergebnis des Verfahrens keine Veranlassung, die Ehefrau als Beschwerdeführerin aufzunehmen.

Bei einer überschlägigen Abschätzung ist der Bedarf der Familie durch Einkommen im Wesentlichen abgedeckt. Bei dieser tatsächlichen Prüfung, ob eine einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, kommt es auf die detaillierte Verteilung des Einkommens auf die individuellen Ansprüche der Antragsteller nicht an. Der Bedarf setzt sich zusammen aus den Regelleistungen 323,- + 323,- + 251,- + 251,- + 215,- + 215,- = 1578,- Euro und den Kosten der Unterkunft von rund 1000,- Euro. Die Kosten der Unterkunft ergeben sich in etwa aus der Hochrechnung des Bedarfs für Kosten der Unterkunft, der bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld II mit 199,98 Euro für den Ehemann zugrunde gelegt wurde (Änderungsbescheid vom 28.12.2009). Zusammen ergibt sich ein Bedarf von etwa 2578,- Euro monatlich.

Diesem Bedarf steht zumindest folgendes Einkommen gegenüber:
- Kindergeld von 773,- Euro (184,- + 184,- + 190,- + 215,-),
- Kinderzuschlag von 560,- Euro,
- Garagenmiete 50,- Euro und
- Elterngeld 1078,- Euro,
- zusammen 2461,- Euro.

Dass vom Elterngeld gemäß § 11 Abs. 3a SGB II iVm § 10 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz ein Betrag von 300,- Euro nicht als Einkommen berücksichtigt wird, ändert nichts daran, dass dieses Einkommen der Familie zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs zur Verfügung steht.

Soweit eine geringfügige Bedarfsunterdeckung von 117,- Euro für die fünfköpfige Familie festzustellen ist, ist dies kein Anlass für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 12.05.2005,1 BvR 569/05, dort Rn. 26, festgestellt, dass im einstweiligen Rechtsschutz ein Abschlag von existenznotwendigen Leistungen grundsätzlich möglich ist. Zum anderen hat es der Antragsteller zu 1 selbst in der Hand, der Wohngeldstelle die notwendigen Unterlagen vorzulegen und damit eine Bewilligung von Wohngeld herbeizuführen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund dafür vorliegen, den Antragstellern vorläufig Leistungen zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved