S 2 R 95/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 95/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 07.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2009 wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Der Streitwert wird auf 103.024,48 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die klägerischen Geschäftsführer im Zeitraum vom 01.07.2003 bis 31.12.2006 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin standen und hierfür Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 103.024,48 EUR nachzuentrichten sind.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Technologieunternehmen, das von den beiden Geschäftsführern (Beigeladener zu 1. und H.-D. M.) 2001 mit dem Unternehmerzweck gegründet wurde, ein mobiles Computerterminal zu entwickeln, zur Produktion zu bringen und anschließend zu vermarkten. Da der hierfür erforderliche Kapitaleinsatz die Mittel der Geschäftsführer überstieg, nahmen sie ab der Jahresmitte 2003 zwei sogenannte Private Equity Gesellschaften als neue Gesellschafter auf. Am 23.12.2003 wurde das Kapital der Klägerin mittels Übernahme weiterer Geschäftsanteile durch eine US-Firma und eine Schweizer-Firma nochmals erhöht. Im Zuge der Veränderung der Gesellschafterstruktur entwickelten sich die Geschäftsanteile der beiden Gründer an der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum wie folgt:

- bis zum 17.06.2003 jeweils 50 % - vom 17.06. bis 31.08.2003 jeweils 28,73 % - vom 01.09. bis 22.12.2003 jeweils 30,50 % - vom 24.12.2003 bis 31.12.2006 jeweils 18,91 %. Die Satzung der Klägerin wurde mit dem Beitritt der Finanzinvestoren neu gefasst. Diese verzichteten darauf, einen eigenen Geschäftsführer oder anderes eigenes Personal zu entsenden. Die Bezüge der beiden Geschäftsführer wurden durch Geschäftsführerverträge in der Weise geregelt, dass jeder Geschäftsführer ein Jahresgehalt von 98.000,00 EUR erhielt, mit dem die gesamte Tätigkeit und sämtliche Mehr- und Überarbeit abgegolten wurde. Vor dem Beitritt der Finanzinvestoren hatten sie kein Gehalt bezogen. Alle persönlichen Steuern und Abgaben hatten die Geschäftsführer selbst zu tragen. Sie hatten Anspruch auf Urlaub, wobei die Urlaubszeiten zwischen den Geschäftsführern unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange abzustimmen waren.

Im Zuge des Beitritts der ausländischen Finanzinvestoren und der dadurch bewirkten Reduzierung des Anteils der Geschäftsführer am Stammkapital der Klägerin auf insgesamt 37,82 % vereinbarten die Gesellschafter der Klägerin am 23.12.2003 eine Gesellschafter-vereinbarung mit satzungsmäßiger Wirkung. Gemäß deren § 3 Ziffer 2 war eine Abberufung der beiden Geschäftsführer ausgeschlossen, solange diese mit mindestens 10 % am Stammkapital beteiligt waren. Das Recht zur Abberufung aus wichtigem Grund blieb unberührt. Der Geschäftsführer M. wurde durch Gesellschafterbeschluss vom 01.08.2006 aus wichtigem Grund abberufen. Er ist am 16.01.2007 verstorben. Der weitere Geschäftsführer (Beigeladener zu 1.)) amtiert nach wie vor.

Am 16.01.2007 führte die Beklagte gemäß § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 12.03.2003 bis 31.12.2006 durch. Nach entsprechender Anhörung vom 22.01.2007 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 07.03.2007 die Versicherungspflicht der beiden Geschäftsführer für den Zeitraum vom 01.07.2003 bis 31.12.2006 fest. Denn durch die Verminderung der Anteile am Stammkapital von ursprünglich jeweils 50 % auf jeweils 28,73 % zum 16.06.2003, 30,50 % zum 31.08.2003 und 18,91 % zum 23.12.2003 hätten die Gesellschafter-Geschäftsführer keinen entschei-denden Einfluss auf die Geschicke der Klägerin gehabt. Laut Gesellschaftsvertrag vom 01.08.2003 habe die Klägerin mindestens zwei Geschäftsführer, die durch Beschluss der Gesellschafterversammlung bestellt und abberufen würden. Somit seien die Geschäftsführer nicht allein vertretungsberechtigt gewesen und hätten auch aufgrund des geringen Anteils am Stammkapital insbesondere Beschlüsse, die ihre Arbeitsverhältnisse benachteiligen würden, nicht verhindern können. Auch die Regelung, dass die Gesell-schafterversammlung nur beschlussfähig sei, wenn mindestens einer der Altgesellschafter vertreten sei, ändere nichts an diesem Sachverhalt. Durch Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 23.12.2003 sei die Möglichkeit der Abberufung der Gründungsgesellschafter insoweit eingeschränkt worden, als dass diese nicht habe erfolgen können, solange diese mit jeweils mindestens einem Zehntel am Stammkapital beteiligt gewesen seien. In der erneuten Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 23.06.2005 sei auch die Bestellung zum Geschäftsführer in diese Regelung mit einbezogen worden. Die Möglichkeit der Abberufung aus wichtigem Grund sei jedoch nicht ausgeschlossen worden. Somit stelle dies auch keinen wirksamen Schutz gegen eine Abberufung als Geschäftsführer dar. Dies werde auch durch die erfolgte Kündigung des Geschäftsführers H.-D.-M. vom 01.08.2006 bestätigt. In der letzten Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 11.12.2006 sei die 10 %-Regelung gestrichen worden. Der nunmehr alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer (Beigeladener zu 1.)) werde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung bestellt und abberufen. Durch den geringen Anteil am Stammkapital sowie mangels vereinbarter Sperrminorität habe der Geschäftsführer keine Möglichkeit, für ihn negative Beschlüsse zu verhindern. Somit seien die Voraussetzungen für abhängige und somit sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen erfüllt. Auch die Geschäftsführerverträge, von denen jeweils zwei unterschriebene Versionen, datiert auf den 16.06.2003 mit teilweise unterschiedlichem Inhalt vorlägen, ließen auf abhängige Beschäftigungen schließen. Beim Urlaub würden in der alten Version 30 Tage vorgegeben, in der neuen Version läge die Gewährung im Ermessen der Gesellschafter. Die Gehaltsfortzahlung von sechs Wochen in der alten Version sei im neuen Vertrag gestrichen worden. Unter anderem deute die Regelung bei der Urlaubsgewährung durch Beschluss der Gesellschafter, den die Geschäftsführer durch die geringen Anteile nicht hätten beeinflussen können, auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hin.

Hiergegen legte die Klägerin am 10.04.2007 Widerspruch ein. Der angefochtene Bescheid habe die rechtlichen Voraussetzungen völlig verkannt, unter denen ein Gesellschafter-Geschäftsführer eine nichtselbständige Arbeit ausübe. Hierfür sei gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV wesentlich, ob er Weisungen unterworfen und in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert sei. Dies habe der Bescheid nicht geprüft, sondern sich auf die Ermittlung der Kapitalanteile der Geschäftsführer beschränkt. Die Quote von 50 % sei nur Voraussetzung dafür, dass die Qualifikation eines Geschäftsführers als Arbeitnehmer einer GmbH von vorneherein nicht in Betracht komme. Der hieraus gezogene Umkehrschluss, dass im Falle eines aufgrund des Stimmrechtsanteils nicht nachzuweisenden beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft regelmäßig ein Abhängigkeitsverhältnis des Geschäftsführers anzunehmen sei, werde von der Rechtssprechung ausdrücklich abgelehnt. Trotz eines verminderten Kapitalanteils sei von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen, wegen der den Geschäftsführern tatsächlich zukommenden beherrschenden Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft. Hilfsweise werde ausgeführt, dass die beiden Geschäftsführer jedenfalls bis zum 23.12.2003 aufgrund ihrer gemeinsamen Beteiligung von 61 % am Kapital der GmbH jederzeit in der Lage gewesen seien, diese rechtlich und tatsächlich zu beherrschen. Diesem Umstand werde die isolierte Betrachtung des Kapitalanteils des einzelnen Geschäftsführers nicht gerecht. Denn diese wiesen allein die Kenntnis und das Know how auf, um das Unternehmen zu führen. Die branchenfremden Finanzinvestoren hätten zu keinem Zeitpunkt einen eigenen Geschäftsführer gestellt und hätten bis zum 23.12.2003 vom Stimmblock der beiden Geschäftsführer überstimmt werden können. Der Umstand der ca. drei Jahre später bekannt gewordenen finanziellen Unregelmäßigkeiten des Geschäftsführers M. ändere hieran nichts. Außerdem seien die Geschäftsführer nicht an irgendwelche Weisungen der kapitalgebenden Gesellschafter gebunden gewesen, seien nicht in ein hierarchisches Befehls- und Kontrollsystem eingegliedert gewesen und seien auch nicht auf einen bestimmten Arbeitsplatz oder den konkreten Umfang ihrer Tätigkeit festgelegt worden. Die einzige Vorgabe der Finanzinvestoren habe in dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand bestanden, das von den Geschäftsführern entwickelte tragbare Terminal zur Produktionsreife zu bringen, anschließend die Produktion aufzunehmen und für das Gerät geeignete Absatzmärkte zu erschließen, um seinen wirtschaftlichen Erfolg herbeizuführen. In diesem Rahmen hätten die Geschäftsführer völlig frei entscheiden können über den Abschluss von Mietverträgen über Betriebsstätten, die Begründung von Zweigniederlassungen, die Einstellung von Personal und die Vergabe von Produktionsaufträgen. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Geschäftsführer habe somit darauf beruht, dass sie keinen Weisungen unterworfen und in keine Konzern- oder ähnliche Organisation eingegliedert gewesen seien. Schließlich sei auch die Höhe ihrer Bezüge von jährlich ca. 100.000,00 EUR für angestellte Geschäftsführer eines neu gegründeten Unternehmens nicht üblich und nur aus der gesellschaftsrechtlichen Stellung der Geschäftsführer zu erklären. Die Annahme eines Arbeitnehmerstatus der beiden Geschäftsführer unter Beachtung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung liege deshalb völlig fern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch im Widerspruchsverfahren hätten sich nicht genügend Anhaltspunkte, bzw. Nachweise ergeben, dass der tatsächliche Einfluss der Geschäftsführer auf die Willensbildung der GmbH ihnen gestattet habe, nicht genehme Weisungen über Dauer, Ort und Zeit ihrer Arbeitsausführungen zu verhindern. Den Geschäftsführern seien bei der Ausübung ihrer Tätigkeit Freiheiten eingeräumt worden. Bei Diensten höherer Art werde das Weisungs- oder Direktionsrecht des Arbeitgebers durch das Kriterium der funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess ersetzt, da eine besondere Fach- und Sachkunde der Dienstleistenden vorausgesetzt werden könne. Dem stehe nicht entgegen, dass Minder-heitsgesellschafter-Geschäftsführer gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern Funktionen eines Arbeitgebers wahrnähmen, denn auch wer selbst Arbeitgeberfunktionen ausübe, könne seinerseits – als leitender Angestellter – bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Des Weiteren handelten die Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen des Gesellschafts-Geschäftsführervertrags und der Gesellschafterbeschlüsse, sodass diese der Überwachung durch die Gesellschaft unterlägen. Dies gelte auch dann, wenn die Gesellschafter von ihrer Überwachungsbefugnis regelmäßig keinen Gebrauch mach-ten. Bei größeren Unregelmäßigkeiten seitens der Geschäftsführer bleibe es den Gesell-schaftern überlassen, diese in ihren Rechten einzuschränken. Zu den Merkmalen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gehörten unter anderem die Vereinbarung einer festen Entlohnung und von Urlaub und das Fehlen eines Unternehmerrisikos. Es lägen für beide Geschäftsführer jeweils zwei Geschäftsführerverträge vor, die beide auf den 16.06.2003 datiert seien. In beiden sei ein Festgehalt vereinbart worden. Die Urlaubsgewährung sei mit dem Geschäftsführer, bzw. mit den Gesellschaftern abzustimmen gewesen. Aus der Höhe der Vergütung ergebe sich keine Wertung hin zu einer selbständigen Tätigkeit. Die jährliche Vergütung sei mit Änderungsvereinbarung zum Geschäftsführer-Vertrag vom 20.02.2006 auf ca. die Hälfte des bisherigen Betrages reduziert worden. Gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit spreche der Inhalt des § 8 des Geschäftsführer-Vertrags. Demnach habe der Geschäftsführer seine volle Erwerbskraft sowie sein ganzes Wissen ausschließlich der Gesellschaft zu widmen und jede anderweitige Tätigkeit im beruflichen Bereich bedürfe der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterver-sammlung. Auch fehle das für eine selbständige Tätigkeit gekennzeichnete Unternehmerrisiko. Ein solches könne begrifflich nur vorliegen, wenn der wirtschaftliche Erfolg des eingesetzten Kapitals, bzw. der eingesetzten Arbeitskraft ungewiss sei. Dies sei beim Bezug eines regelmäßigen, gleichbleibenden Gehalts grundsätzlich nicht der Fall. Es sei unstreitig, dass bei dem Personenkreis von leitenden Angestellten auf das vereinbarte Festgehalt zusätzlich erfolgsabhängige Bezüge geleistet würden. Wenn die Klägerin sich darauf berufe, dass die Geschäftsführer allein über die Kenntnisse und das Know how verfügt hätten, um Unternehmen zu führen, wäre dies bei einer Familien-GmbH ein Indiz gegen eine abhängige Beschäftigung. Auch der Begriff "Kopf und Seele des Betriebes" werde in der Literatur nur in Verbindung mit einer Familien-GmbH verwendet. Nach einer Gesamtbetrachtung und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls liege daher ab dem 01.07.2003 eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vor. Der angefochtene Bescheid sei daher nicht zu beanstanden. In der Nachforderung in Höhe von insgesamt 103.024,48 EUR seien keine Säumniszuschläge enthalten.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben (Eingang am 20.02.2009). Wie in der Widerspruchsbegründung hat sie ausgeführt, dass sämtliche Merkmale einer fremdbestimmten Tätigkeit nicht vorlägen. Die Finanzinvestoren hätten lediglich den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand vorgegeben, das von den Geschäftsführern als Prototyp entwickelte mobile Terminal produktionsreif zu machen, anschließend die Produktion aufzunehmen und das Gerät zu vermarkten. Insgesamt hätten die Geschäftsführer ihre Tätigkeit nach Beitritt der Finanzinvestoren in der selben Weise ausgeübt, wie dies seit der Gründung des Unternehmens der Fall gewesen sei. Alle Entscheidungen über die Maßnahmen zur Herbeiführung der Produktionsreife des Terminals, zu dessen Vermarktung und dessen Produktion durch Auftragsunternehmer sei ihnen alleine überlassen gewesen. Die Geschäftsführer seien als Gründer des Unternehmens und der von Ihnen beherrschten Entwicklung von dessen Produkt "Kopf und Seele" des Unter-nehmens. Dies ergebe sich aus der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung vom 23.12.2003 worin unter § 1 geregelt sei, dass die Neuinvestoren daran interessiert seien, der Klägerin für die Serienproduktion Kapital zuzuführen und sich als neue Gesellschafter an der Klägerin zu beteiligen. Die unternehmerische Führung der Klägerin solle überwiegend bei den Gründungsgesellschaftern verbleiben. Die Beteiligung von Neuinvestoren solle in der Weise erfolgen, dass die Neuinvestoren neue Geschäftsanteile übernähmen, Zuschüsse leisteten und den Gesellschafterdarlehen gewährt würden. Die passive Rolle der Finanzinvestoren sei damit gesellschaftsrechtlich festgeschrieben.

Die Klägerin stellt sinngemäß den Antrag,

den Bescheid vom 07.03.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2009 aufzuheben.

Der Beigeladene zu 1.) schließt sich diesem Antrag an.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene zu 2.) schließt sich dem Abweisungsantrag an.

Die Kammer hat zum Verfahren die Beklagtenakte beigezogen. Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Beklagtenakte und auf den Inhalt der Sozialgerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Die beitragsrechtlichen Entscheidungen der Beklagten für den Zeitraum vom 01.07.2003 bis 31.12.2006 sind nicht zu beanstanden.

Beschäftigung ist nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 SGB IV, der für sämtliche Bereiche der Sozialversicherung gilt, die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Danach ist Arbeitnehmer, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit stellt das Wesentliche, das charakteristische Merkmal des Beschäftigungsverhältnisses dar. Persönliche Abhängigkeit bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Das Weisungsrecht kann allerdings bei Diensten höherer Art erheblich eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert" sein. Es darf aber nicht vollständig entfallen.

Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit ist demgegenüber das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfügen.

In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen. Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch die Beantwortung der Frage, ob die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH, des Organstellung allein eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft, bzw. den Gesellschaften nicht ausschließt, eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit darstellt. Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter der GmbH, hängt die Entscheidung, ob ein abhängiges, die Versicherungspflicht auslösendes Arbeitsverhältnis vorliegt, davon ab, ob er einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft ausübt. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt dann nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und er allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafter Rechte, die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes z.B. Urt. v. 30.06.1999, B 2 U 35/98 R).

Maßgebend für die uneingeschränkte Zuordnung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung ist a) wenn ein Geschäftsführer seine Arbeitskraft ausschließlich der Gesellschaft schuldet und bei einem Verstoß gegen das umfassende Konkurrenzverbot, insbesondere von fristloser Kündigung bedroht ist; b) eine durch Vereinbarung mit der Gesellschaft festgelegte und damit von der Ertragslage unabhängige feste Vergütung erhält;
c) im Krankheitsfall Anspruch auf Fortzahlung seiner Bezüge hat;
d) Anspruch auf bezahlten Urlaub hat, dessen Zeitpunkt in Abstimmung mit der Gesellschaft so einzurichten ist, dass deren Bedürfnissen Rechnung getragen wird (vgl. BSG vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R).

Ausnahmsweise kann ein Gesellschafter einer GmbH, der am Kapital der Gesellschaft nicht oder nur gering (unter 50 %) beteiligt ist unter besonderen tatsächlichen Umständen als selbständig angesehen werden. Besondere Umstände, die gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen, sind ein beherrschender Einfluss auf die GmbH aufgrund besonderen Fachwissens oder besonderer Verantwortung und die dadurch bedingte tatsächliche Unabhängigkeit von Weisungen der Gesellschafter im Einzelfall. Ein solcher Einfluss kann auch bei Geschäftsführern vorliegen, die mit den Gesellschaftern nicht familiär verbunden sind (vgl. Hessisches Landessozialgericht vom 23.11.2006, L 1 KR 763/03).

Im vorliegenden Fall scheitert die Annahme von "Kopf und Seele" eines Geschäftsführers bereits daran, weil auch der andere der beiden Geschäftsführer gleiche Kenntnisse und Möglichkeiten hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Geschäftsführer nicht als Einheit zu betrachten, sondern für jeden Geschäftsführer ist separat zu überprüfen, ob dieser in einem versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden hat.

Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass für einen Geschäftsführer, der am Kapital der GmbH beteiligt ist, der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal darstellt. Wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter einen geringeren Kapitalanteil als 50 % inne hat, ist in der Regel die Erwerbsnehmereigenschaft anzunehmen. Im Einzelfall kann diese fehlen, wenn er in der Lage ist, aufgrund seines Kapitalanteils nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft zu verhindern, insbesondere wenn eine Sperrminorität besteht und sein tatsächlicher Einfluss auf die Gesellschaft wesentlich größer ist als der ihm aufgrund seines Gesellschaftsanteils an sich zustehende Einfluss (vgl. BSG vom 27.07.1989, L/7 RAR 71/87). Deshalb ist in die Überlegung miteinzubeziehen, dass die Geschäftsführer nach den Gesellschaftervereinbarungen vom Grundsatz nach eine Sperrminorität von 10 % am Stammkapital der Klägerin hatten (vgl. Vereinbarung vom 23.12.2002, § 3).

Da sich sowohl Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung als auch für eine selbständige Tätigkeit ergeben, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. In Abwägung der Gesichtspunkte, die für und gegen eine selbständige Tätigkeit sprechen, überwiegen nach Überzeugung der Kammer die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung.

Die Kammer schließt sich deshalb im Wesentlichen der Beurteilung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden an. Bezüglich der Entscheidungsgründe wird deshalb im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen. § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gibt dem Gericht die Möglichkeit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG. Hiernach hat das Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes darüber zu entscheiden, wer die Gerichtskosten trägt. Diesen Grundsätzen entspricht es im vorliegenden Fall, die Gerichtskosten der Klägerin aufzuerlegen, da diese mit ihrem Klagebegehren nicht durchgedrungen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 bis 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Danach ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie erkennenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Streitgegenstand ist die Nachforderung von Beiträgen in Höhe von 103.024,48 EUR. Von diesem Betrag war bei der Festset-zung des Streitwertes auszugehen.
Rechtskraft
Aus
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