S 20 (2) R 216/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 20 (2) R 216/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 23.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2007 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt festzustellen, dass der Beigeladenen zu 1) auch in der Zeit vom 01.09.2003 bis zum 31.05.2005 nichtversicherungs- pflichtiger Selbständiger im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV war. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) im Zeitraum 01.09.2003 bis 30.09.2005 und die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 38.611,13 Euro nebst Säumniszuschlägen.

Die Klägerin wurde von ihrem Geschäftsführer I, von Beruf Grafik-Designer, dem Zeugen F, von Beruf Reiseverkehrskaufmann und einem weiteren Gesellschafter gegründet. Herr I hielt knapp 50 % und wurde nach kurzer Zeit zumindest Mitgeschäftsführer. Den dritte Geschäftsanteil hielt zuletzt der Gesellschafter S, der auch den kaufmännischen Teil als Mitgeschäftsführer geleitet hatte. Die Anteile stellten sich zuletzt vor Ausscheiden Herrn Ss Anfang 2003 wie folgt dar: Herr I hielt 47 %, Herr F 33 % und Herr S 20 %. Sowohl Herr I als auch Herr S hatten sich bei der Hausbank der Klägerin zu deren Gunsten mit jeweils 50.000 EUR verbürgt. Nach Ausscheiden des Gesellschafter-Geschäftsführers S wurde dessen Gesellschaftsanteil einvernehmlich beim inzwischen verstorbenen langjährigen Steuerberater der Gesellschaft, Dr. N "geparkt", der vorübergehend auch die kaufmännische Leitung übernahm.

Der Beigeladene zu 1) war zu dieser Zeit zu 10 % Mitgesellschafter sowie Mitgeschäfts-führer in der Agentur seines Vaters D-GmbH. Die Barmer Ersatzkasse hatte dort mit Schreiben vom 15.01.2002 fehlende Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) festgestellt, da an der Gesellschaft nur Familienangehörige beteiligt seien. Im März 2003 meldete der Beigeladene zu 1) eine eigene selbständige gewerbliche Tätigkeit im Bereich Marketing und Werbung an, betrieb diese jedoch nicht. Die D-GmbH geriet wegen eines Kundenverlustes in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Vater des Beigeladenen zu 1) wollte - wohl aus Altersgründen - die Tätigkeit sowieso einstellen, die alleinige Weiterführung der erheblich umsatzstärkeren D durch den lediglich zu 10 % beteiligten Beigeladene zu 1) kam offensichtlich nicht in Betracht, so dass geplant war, die aktive Gesellschaftstätigkeit insgesamt einzustellen. Über den gemeinsamen Steuerberater entstand im Mai 2003 ein Kontakt zwischen den Gesellschaftern der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1). Dem Beigeladenen zu 1) wurde eine Geschäftsführertätigkeit angeboten, Bedingung sollte das Einbringen der alten Kundenkontakte der D-GmbH sein. Am 02.07.2003 wurde hierüber ein "Letter of Intend" über die Besprechung zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin, Herrn I, und dem Beigeladenen zu 1) über eine "Zusammenarbeit" erstellt, mit dem Vorhaben, dass der Beigeladene ab dem 01.08.2003 "ins Angestelltenverhältnis" der Klägerin eintreten sollte. Der Vater des Beigeladenen sollte der Gesellschaft jederzeit als Kaufmann und Marketingexperte für einen monatlichen Fixbetrag von 400,00 EUR zur Verfügung stehen, ohne dass er in die Geschäftsführung eingreifen können sollte. Das Aufgabengebiet des Beigeladenen sollte Leitung und Koordination der kaufmännischen Abteilung, Kundenberatung und Kontakt (in Zusammenarbeit/Abstimmung mit Herrn I), Erstellung von Marketingkonzepten und Textkreationen sein. Es wurde aufgeführt, welche Kunden und welche konkreten Kundenkontakte der Beigeladene zu 1) in die Gesellschaft einbringen sollte. Zur Absicherung wurde bereits vor der Zusammenarbeit vorsorglich ein gegenseitiger Kundenschutz vereinbart. Mit Schreiben vom 22.07.2003 beauftragte der Gesellschafter F einen Anwalt mit der Überarbeitung der Gesellschaftssatzung der Klägerin anlässlich des Verkaufs des bei Dr. N "geparkten" Gesellschaftsanteils, bereits unter dem Hinweis auf den notwendigen Schutz für den Beigeladenen wegen der eingebrachten neuen Kundenkontakte erheblichen Umfangs. Im daraufhin erstellten Gesellschaftsvertrag erhielt Herr I 50 %, Herr F 30 % und der Beigeladene zu 1) 20 % der Gesellschaftsanteile. Im Gesellschaftsvertrag wurde eine einfache Mehrheit, d. h. keine Sperminorität vereinbart. Die Zustimmung der Gesellschaftsversammlung für bestimmte wichtige Geschäfte wurde festgelegt. Im Geschäftsführervertrag heißt es im "Vorspruch", dass der Beigeladene zu 1) mit Wirkung zum 01.09.2003 als Geschäftsführer in die Dienste der Klägerin eintrete. Es sei vorgesehen, dass er zeitgleich auch Gesellschaftsanteile übernehme und er bringe selbst aquirierte Kunden in die Agentur ein. Für diese von ihm eingebrachten Kunden solle er im Falle einer Abberufung Schutz erhalten. Der Kundenschutz sei in einem seperaten Vertrag zu regeln (der tatsächlich aber "vergessen" wurde, ohne dass an der Verbindlichkeit der Absprache gezweifelt wurde). Im Gesschäftsführervertrag mit dem Beigeladenen zu 1) selbst wird in § 1 den Geschäftsführern u.a. Einzelvertretungsbefugnis erteilt. In § 3 ist zur "Organisation und Zuständigkeitsverteilung" geregelt, dass dem Gesellschafter (richtig wohl Geschäftsführer) die Leitung und Überwachung des Unternehmens im Ganzen, insbesondere aber die Leitung des kaufmännischen Bereiches der Werbeagentur obliege, er die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers wahrnehme und verpflichtet sei, den Jahresabschluss zu erstellen. In § 6 heißt es zur Arbeitsleistung, dass der Geschäftsführer seine ganze Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung stelle, soweit nachstehend oder in anderweitigen Gesellschafterprotokollen nichts abweichendes geregelt werde. Er sei gehalten, jederzeit, wenn und soweit das Wohl der Gesellschaft es verlange, zur Dienstleistung zur Verfügung zu stehen. Grundsätzlich richte sich die Arbeitszeit nach den betrieblichen Erfordernissen und sei vom Geschäftsführer in diesem Rahmen frei und eigenverantwortlich zu gestalten. Eine Bestimmung über eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit enthält der Vertrag nicht. In § 8 wird ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden, Sonntags-, Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeit ausgeschlossen. Im Krankheitsfall oder bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung bleibe der Gehaltsanspruch für die ersten 6 Wochen in voller Höhe bestehen. In § 10 heißt es, der Geschäftsführer habe Anspruch auf 28 Tage bezahlten Urlaub im Kalenderjahr. Den Zeitpunkt habe er so einzurichten, dass den Bedürfnissen der Gesellschaft Rechnung getragen werde. Könne er seinen Jahresurlaub wegen entgegenstehender Interessen der Gesellschaft nicht nehmen, so habe er Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs. Eine Abbedingung des Selbstkontrahierungsverbotes gemäß § 181 BGB enthält der Vertrag nicht. Tatsächlich hat der Beigeladene zu 1) durchaus Verträge zwischen sich und der Gesellschaft im eigenen Namen abgeschlossen, ohne dass dies - auch nachträglich - von den anderen Gesellschaftern oder dem Geschäftsführer für unzulässig gehalten oder gar gerügt worden wäre. Im Dezember 2003 meldete der Beigeladene zu 1) das eigene Gewerbe wieder ab. Mit Gesellschafterbeschluss vom 19.12.2003, jedoch von Herrn F nicht unterzeichnet, wurde dem Beigeladenen zu 1) eine erfolgsabhängige Tantieme ab 2004 eingeräumt. Im Januar 2005 gewährte der Beigeladene zu 1) wegen kurzfristiger Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 500,00 EUR für unmittelbar zu bezahlende Materialien. Im Januar 2004 fand ein Gespräch zwischen Herrn F, dem Beigeladenen zu 1) und einem Mitarbeiter der Sparkasse M über die Situation der Klägerin statt, in dem der Beigeladene zu 1) einen Kontokorrentkredit in Höhe von 50.000,00 EUR gegen Übernahme einer Bürgschaft beantragte. Diese wurde von der Sparkasse M aus wirtschaftlichen Gründen zunächst abgewiesen. Die wirtschaftliche Situation der Klägerin entspannte sich sodann jedoch, dass dieser Antrag zunächst nicht weiter verfolgt wurde. Im März 2004 wurde der Beigeladene zu 1) als Geschäftsführer bei der D-GmbH abberufen. Mit Beschluss vom 10.03.2004 über die Änderung des Geschäftsführervertrages wurde zum einen das Gehalt ab 01.06.2004 von ca 3.100 EUR auf gut 4.000 EUR erhöht, eine Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlung vereinbart und dem Beigeladenen zu 1) ab Mai 2004 ein Dienstwagen als Sachbezug zugesagt. Auch dieser Beschluss ist nicht von Herrn F unterzeichnet. In der Folgezeit wurden diese Regelungen gleichwohl umgesetzt. Ab Oktober 2004 wurde das Gehalt wiederum durch Gesellschaftsbeschluss erheblich, nämlich um knapp 2.500 EUR auf 6.500 EUR, erhöht, erneut ohne Unterzeichnung des Gesellschafters F. Im Januar 2005 erfolgte mit Beschluss eine Absenkung des Gehaltes auf gut 5.600 EUR, diesmal mit Unterzeichnung aller drei Gesellschafter. Im Frühjahr 2005 beantragte der Beigeladene zu 1) die Erhöhung des Kreditrahmens um 30.000,00 EUR bei der Sparkasse M. Mit Vertrag vom 24.06.2005 wurde dies gegen Bürgschaft des Beigeladenen zu 1) in gleicher Höhe mit Abtretung einer zu diesem Zweck neu abgeschlossenen Lebensversicherung eingeräumt.

Am 20.10.2005 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt. Mit Beschluss vom 31.10.2005 wurde der Beigeladene zu 1) durch die Gesellschafter-versammlung von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Beklagte gab der Klägerin mit Schreiben vom 29.03.2006 Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie beabsichtige, aufgrund der geringen Kapitalbeteiligung Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) festzustellen. Nur bei Familien-GmbHs könne die fachliche Überlegenheit trotz geringer Kapitalbeteiligung den Schluss auf eine selbständige Tätigkeit zulassen. Einer rückwirkenden Versicherungspflicht stehe § 7 b SGB IV nicht entgegen, da zumindest grob fahrlässig von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen worden sei, da der Beigeladene aufgrund der Geschäftsführertätigkeit von vornherein keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gehabt habe, er nachteilige Beschlüsse gegen sich nicht habe verhindern können und die Klägerin sich um eine statusrechliche Entscheidung nicht bemüht habe. Eine entgegenstehende Verwaltungsentscheidung der Einzugsstelle oder des Rentenversicherungsträgers, mit der ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, habe nicht vorgelegt werden können.

Hierzu nahm für die Klägerin ihr Steuerberater Dr. N Stellung. Er wies auf die Gewinnbeteiligung, die Bürgschaft und die Spezialkenntnisse des Beigeladenen zu 1) im Rechnungswesen hin. Herr I sei der Leiter des kreativen Bereiches, der Beigeladene zu 1) der Leiter des kaufmännischen Bereiches gewesen, wie zuvor Herr S. Er verwies auf den Vorspruch zum Geschäftsführervertrag. Die vom Beigeladenen zu 1) persönlich eingebrachten Kunden hätten 2005 mit rund 75 % des gesamten Umsatzes zum Fortbestand der Gesellschaft beigetragen. Faktisch habe ein beherrschender Einfluss auch in der Gesellschafterversammlung bestanden. Im daraufhin angeforderten Feststellungsbogen, der vom Beigeladenen zu 1) ausgefüllt und dessen Inhalt vom Geschäftsführer der Klägerin I bestätigt worden war, war die Frage nach der Befreiung vom Selbstkontrahierungszwang zunächst mit "Ja" angekreuzt worden. Dies wurde offensichtlich mit Tipp-Ex übermalt und die Anwort "Nein" angekreuzt. Die regelmäßige Stundenzahl habe 40 betragen, tatsächlich 60 bis 70. Der Beigeladene habe keinem Direktionsrecht bezüglich Zeit, Ort und Art der Arbeitsausführung unterlegen. Er habe die Personalhoheit im vollen Umfang gehabt. Urlaub habe er nicht genehmigen müssen.

Mit Bescheid vom 23.05.2006 stellte die Beklagte ein dem Grunde nach sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 01.09.2003 bis zum 31.05.2005 als Geschäftsführer fest und forderte insgesamt 38.611,13 EUR Sozialversicherungsbeiträge inklusive 4.904,00 EUR Säumniszuschläge nach. Zweifelsfrei gäbe es Aspekte, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. So unterliege der Beigeladene zu 1) als Geschäftsführer aufgrund seiner Branchenkenntnisse keinerlei Einschränkungen bei der Gestaltung der täglichen Geschäfte. Die Branchenkenntnis oder -unkenntnis sei für sich gesehen kein ausschlaggebendes Indiz zur Feststellung eines beherrschenden Einflusses. Das Bundessozialgericht habe in langjähriger Rechtsprechung lediglich im Zusammenhang mit sogenannten Familien-GmbH en, in denen die Geschäftsführertätigkeit mehr durch familiäre Rücksichtnahme und ein gleichberechtigtes Nebeneinander als durch einen für einen Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnis typischen Interessengegensatz gekennzeichnet sei, die Frage nach Branchenkenntnissen aufgeworfen. Es seien aber keine familiären Bindungen festgestellt worden, die für eine Prüfung der Branchenkenntnisse relevant seien. Ein unternehmerisches Risiko habe bis zum 31.05.2005 nicht vorgelegen, da der Beigeladene zu 1) eine vom Umsatz des Unternehmens unabhängige Festvergütung erhalten habe. Die Zahlung einer erfolgsabhängigen Tantieme zusätzlich zu den vertraglich festgelegten monatlichen Zahlungen stelle keine unternehmerisches Risiko dar. Die Höhe des monatlichen Einkommens des Beigeladenen zu 1) sei erfolgsunabhängig. Für die Zeit vor Übernahme der Bürgschaft habe kein unternehmerisches Risiko vorgelegen. Der Beigeladene zu 1) habe aufgrund des geringen Gesellschaftsanteils für sich nachteilige Beschlüsse nicht verhindern können. Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund sei zugelassen. Laut Dienstvertrag und Angaben des Beigeladenen könne er Gesellschaftsbeschlüsse durch Sonderrecht nicht herbeiführen und verhindern und sei vom Selbstkontrahierungsgebot nach § 181 BGB vor dem 31.10.2005 nicht befreit gewesen. Die Gesellschafterversammlung könne ihm in allen Bereichen der Unternehmensleitung Weisungen erteilen. Versicherungspflicht entstehe grundsätzlich mit der Aufnahme einer Beschäftigung. Die Voraussetzungen für die abweichende Regelung gemäß § 7b SGB IV lägen nicht vor. Nach § 24 Abs. 1 SGB IV seien Säumniszuschläge zu zahlen. Diese entfielen nicht. Sie könne nicht vortragen, unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt zu haben, da der Beigeladene zu 1) von vornherein keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gehabt habe, familiäre Bindungen nicht festgestellt worden seien und sie sich um eine statusrechtliche Entscheidung nicht bemüht habe. Sie habe damit billigend die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen in Kauf genommen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Der Beigeladene zu 1) sei gerade kein normaler Angestellter gewesen. Die Marktkenntnisse und die Kundenkontakte des Beigeladenen zu 1) seien für die Klägerin sehr bedeutend gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe die Gesellschaft auch wegen der Prüfung verlassen müssen und sei nach Berlin gezogen, um dort eine neue Werbeagentur zu gründen. Nach Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse hätte die Hausbank faktisch alle Kredite gekündigt. Durch die Prüfung sei die Gesellschaft an den Rand der Insolvenz gebracht worden.

Außerdem fügte sie eine Stellungnahme des Beigeladenen zur Sache bei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Beigeladene zu 1) habe nur 20 % des Stammkapitals gehabt, damit habe er Beschlüsse weder herbeiführen noch verhindern können. Für nahezu jede größere unternehmerische Entscheidung habe er die Genehmigung der Gesellschafterversammlung bedurft, auf die er aufgrund seines geringen Stimmanteils keinen maßgeblichen Einfluss habe ausüben können. Vor dem 22.06.2006 habe er kein wirtschaftliches Risiko getragen. Die Kundenkontakte und der damit verbundene wirtschaftliche Erfolg schlössen nicht das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung aus. Der Beigeladene zu 1) sei hierdurch nicht als Kopf und Seele des Unternehmens einzustufen. Die Gesellschaft habe mit Herrn I einen weiteren Geschäftsführer, der zu 50 % am Stammkapital beteiligt sei. Dieser habe die Geschicke des Unternehmens auch schon vor Eintritt des Beigeladenen zu 1) bestimmt. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

Hiergegen richtet sich die am 20.08.2007 erhobene Klage. Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Schlussfolgerungen der Beklagten beruhten auf einer falschen Würdigung der Gesamtumstände. Es lägen weitere Umstände vor, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen seien, und die gegen eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) sprächen. Es sei sehr untypisch, dass ein frisch eingestellter Geschäftsführer von Anfang an mit 20 % am Unternehmen beteiligt werde, es sei denn, er habe erhebliche Bedeutung für das Unternehmen. Der Beigeladene zu 1) sei nach dem Dienstvertrag in der Gestaltung hinsichtlich Zeit und Ort seiner Arbeit frei und keinen Weisungen unterworfen gewesen. Kein Gesellschafter oder Mitgeschäftsführer habe ihm insoweit Weisungen erteilt. Er habe Kommen und Gehen können, wann er wollte. Entscheidend sei nur gewesen, dass er die Aufgaben, die ihm als Geschäftsführer oblegen hätten, erfüllt habe. Inhaltlich sei er in dem Bereich, der in erster Linie sein Ressort gewesen sei, nämlich im kaufmännischen Bereich (insbesondere Rechnungswesen) ohnehin keinen Weisungen unterworfen gewesen. Er sei derjenige von den beiden Geschäftsführer und im übrigen auch unter den drei Gesellschaftern gewesen, der diesen Bereich als Einziger beherrscht habe. Schon mangels fachlicher Kompetenz hätten ihm in diesem Bereich keine Weisungen erteilt werden könne. Die Einräumung der Tantieme sei ein weiteres Indiz dafür, dass der Beigeladene als Unternehmer verstanden habe und auch von den Gesellschaftern auch so verstanden worden sei. Die selbständige Stellung werde noch dadurch unterstrichen, dass er während seiner Tätigkeit gleichzeitig ein Gewerbe in E angemeldet habe und bis März 2004 weiterhin geschäftsführender Gesellschafter der Werbeagentur D-GmbH, einer Wettbewerberin der Klägerin, gewesen sei. Dies sei völlig untypisch für einen abhängig beschäftigten Geschäftsführer. Der abhängig Beschäftigte unterliege einem Wettbewerbsverbot. Der Beigeladene habe die Freiheit gehabt, parallel zu seiner Tätigkeit geschäftsführender Gesellschafter bei der D-GmbH zu bleiben, und zwar länger als ein halbes Jahr nach Dienstbeginn. Die D-GmbH sei zwar liquidiert worden, gleichwohl sei diese Freiheit nur durch die selbständige Stellung des Beigeladenen zu erklären gewesen. Für das Gewicht innerhalb der Geschäftsführung und unter den Gesellschaftern sei ganz entscheidend, dass er bei seinem Eintritt in die Gesellschaft und bei Eintritt seines Geschäftsführeramtes Kunden mit eingebracht habe, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bei der früheren Werbeagentur von ihm aquiriert worden waren, und die er als Kunden auf die Klägerin überleitete. Dabei habe es sich um "Prämiumkunden" in Ostwestfalen gehandelt. Insgesamt habe er 21 Kunden mitgebracht, die an ihn persönlich gebunden gewesen seien und die Kunden der Klägerin geworden seien. Allein mit einer Firmengruppe, die er mitgebracht habe, seien 2003, trotz Eintritts erst am 01.09.2003, knapp 25 % des Gesamtumsatzes, 2004 gut 50 % des Gesamtumsatzes und 2005 gut 60 % des Gesamtumsatzes erzielt worden. Zusammen mit den anderen Kunden, die er mitgebracht hat, habe die Klägerin ihren Umsatz deutlich steigern können; sie habe mit den mitgebrachten Kunden den größten Anteil ihres Gesamtumsatzes erzielt. Der Einstieg des Beigeladenen zu 1) in die Werbeagentur unter Mitbringen wichtiger Kunden habe die Agentur 2003 vor der Insolvenz gerettet. Im Juli 2003, unmittelbar vor Eintritt des Beigeladenen zu 1) als Gesellschafter und Geschäftsführer, habe die Klägerin ein negatives Ergebnis von gut -60.000 EUR erzielt. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr hätte es die Konsequenz gehabt, dass die Klägerin insolvenzreif gewesen wäre. Nach dem Einstieg des Beigeladenen zu 1) sei der Umsatz erheblich ausgeweitet worden. Im Ergebnis habe 2003 ein Jahresergebnis von nur noch gut -24.000 EUR erzielt werden können statt gut -70.000 EUR, wie bei Hochrechnung des Minus auf das Gesamtjahr. Im Jahre 2004 habe bei weiterhin steigender Umsatzentwicklung, insbesondere durch die vom Beigeladenen zu 1) mitgebrachten Kunden, ein positives Ergebnis von etwa 23.000 EUR erzielt worden können. Ohne die Umsatzausweitung durch die vom Beigeladenen zu 1) mitgebrachten Kunden hätte die Klägerin damals nicht überleben können. Aus diesem Grunde sei der Beigeladene auch als Gesellschafter -Geschäftsführer geworben worden. Den Gesellschaftern sei klar gewesen, dass die Klägerin nicht überlebensfähig gewesen sei und dass der Beigeladene zu 1) derjenige gewesen sei, der wegen seiner guten Beziehungen zu guten Kunden das Blatt habe wenden können. Diese von ihm mitgebrachten Kunden seien persönlich an den Beige-ladenen zu 1) gebunden gewesen. Im kreativen Gewerbe der Werbeagenturen sei es typisch, dass Geschäftsbeziehungen von bestimmten Personen sehr stark ausgeprägt seien, aber auch von der Betreuung durch diese Person abhängig. Wäre der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin wieder ausgeschieden, hätte er diese Kunden sämtlich wieder mitgenommen. Diese Tatsache setzte jedem Weisungsversuch der Gesellschafter gegenüber dem Beigeladenen zu 1) Grenzen. Sein wirtschaftliches Gewicht sei dadurch begründet, dass er den Löwenanteil des Umsatzes der Klägerin selbst aquiriert habe, das der Löwenanteil dieses Umsatzes an seiner Person hing und das die Gesellschaft ohne diesen Umsatz mit diesen Kunden nicht überlebensfähig gewesen sei. Dies habe faktisch dazu geführt, dass er frei schalten und walten konnte und von keinen Weisungen abhängig gewesen sei, völlig unabhängig davon, was in seinem Dienstvertrag oder der GmbH Satzung gestanden habe. Personen die in dieser Form faktisch wegen ihres wirtschaftlichen Gewichts weisungsfrei arbeiten könnten, seien Selbständige und keine abhängig Beschäftigten. Der Beigeladene zu 1) habe Kundenschutz zur Einstellungsbedingung gemacht. Es sei auch ein Vertrag mit einer solchen Kundenschutzvereinbarung entworfen worden, die Beteiligten hätten schlichtweg vergessen, diesen Vertrag zu unter-zeichnen. Mündlich sei die Vereinbarung aber eindeutig getroffen worden, alle Parteien hätten sich daran gehalten. Das Gehalt der Geschäftsführer, also auch das von Herrn I, sei vom Beigeladenen zu 1) je nach wirtschaftlicher Situation der Klägerin angepasst, sowohl herauf- bzw. wie heruntergesetzt worden. Der Beigeladene zu 1) habe entschieden, welches Gehalt gezahlt werden durfte, nach Rücksprache mit dem Steuerberater F1. Es seien weder die Gesellschafter noch der Mitgeschäftsführer I gefragt worden. Der Beigeladene zu 1) habe das wirtschaftlich vertretbare Gehalt festgesetzt. Es seien dann anschließend entsprechende Ergänzungsvereinbarungen zu den Dienstverträgen der beiden Geschäftsführer geschlossen worden. Die Gesellschafter hätten den Beigeladenen zu 1) in keinem einzigen Fall eine Anweisung erteilt, wie er seine Dienstaufgaben zu erfüllen habe. Die starke Stellung des Beigeladenen zu 1) habe sich auch darin gezeigt, dass er in einer Vielzahl von Fragen selbständig entschieden habe, obwohl er nach der Satzung der GmbH und nach seinem Dienstvertrag eigentlich die vorherige Entscheidung der Gesellschafterversammlung habe einholen müssen. Kein Gesellschafter habe ihm deshalb Vorwürfe gemacht. Dass er sich als Unternehmer verstanden habe, zeige auch die Tatsache, dass er im Januar 2004 der Klägerin ein Darlehen in Höhe von 500 EUR aus eigenen Mitteln zur Verfügung gestellt habe und im Januar 2004 einen Antrag auf Gewährung eines Kontokorrent-Kredites in Höhe von 50.000 EUR mit Übernahme einer persönlichen Bürgschaft gestellt habe. Da der Liquiditätsbedarf zwischenzeitlich nicht mehr bestanden habe, sei dieser Antrag zunächst nicht weiter verfolgt worden. Er habe auch ein Darlehen an den Gesellschafter I über 5.000 EUR gewährt. Die dafür erforderliche vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung sei nie erfolgt. Im Jahre 2005 habe er verschiedene in seinem Privatvermögen bestehende Gegenstände an die GmbH verkauft. Die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung sei nicht eingeholt worden. Auch § 181 BGB sei nicht beachtet und dies von den Gesellschaftern auch nicht gerügt worden. Auch für den Leasingvertrag habe er die Gesellschafterversammlung eigentlich fragen müssen, was aber nicht geschehen sei. Anstellungsverträge mit Mitarbeitern habe er selbst ausgehandelt und unterschrieben. Er habe die Leute eingestellt, Herr I habe sich die Grafiker mit angesehen. Es sei nicht abgehakt worden, wieviel Tage Urlaub jemand noch habe, oder schon verbraucht habe. Der Urlaub sei nur sporadisch im Kalender eingetragen worden, zur eigenen Übersicht.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2007 aufzuheben und die Be- klagte zu verurteilen festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) auch in der Zeit vom 01.09.2003 bis zum 31.05.2005 Selbständiger im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV war, daher nicht sozialversicherungspflichtig.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

Die von der Klägerin genannten Umstände führten nicht zu einer anderen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Gesellschafter hätten mit der geringen Einräumung des Gesellschaftsanteils die Kontrolle nicht verlieren wollen. Damit bestätige sich die Feststellung, dass der Beigeladene zu 1) auch tatsächlich keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft habe geltend machen können.

Der Beigeladene zu 1) schließt sich sinngemäß dem Antrag der Klägerin an. Er trägt vor, er hätte seine Kunden notfalls wieder mitgenommen, wenn es mit der Partnerschaft nicht gelaufen wäre. Es habe in den Gesellschafterversammlung keine Abstimmungen gegeben. Es habe nie eine Entscheidung gegen sein Votum gegeben. Er habe zunächst aus wirtschaftlichen Gründen zugunsten der Gesellschaft auf einen eigenen Dienstwagen verzichtet, obwohl Herr I einen gehabt habe und er ebenfalls Anspruch darauf gehabt hätte. Und er sei auf eigene Kosten 7 Monate lang mit dem eigenen Pkw unterwegs gewesen. Im Dezember 2003 sei die wirtschaftliche Lage so angespannt gewesen, dass der Mitarbeiter der Bank ihn sogar Heiligabend im Urlaub angerufen habe. Er habe dann sofort Verhandlungen geführt. An die Regelung der Urlaubstage habe man sich nicht gehalten. Das sei flexibel gehandhabt worden, man habe nur zur Übersicht im Kalender die Urlaubstage eingetragen, aber nicht die verbrauchte Anzahl kontrolliert. Die Erhöhung des Kreditrahmens im Mai 2005 sei aus prophylaktischen Gründen erfolgt.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) stellen keinen Antrag.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Mitarbeiters des inzwischen verstorbenen Steuerberaters Dr. N, X F1, der Mitarbeiter der Klägerin O L und T C sowie des ehemaligen Mitgesellschafters F als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 14.05.2009 und 02.07.2009 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2007 ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in ihren Rechten.

Die Beklagte ist im Rahmen der Betriebsprüfung, zu der sie gemäß § 28p Sozialgesetz-buch Viertes Buch (SGB IV) berechtigt war, rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin stand.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen dem Grunde nach in der Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI-), der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V-), der Pflegeversicherung (§ 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch -SGB XI-) sowie der Arbeitslosenversicherung (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch -SGB III-) der Versicherungspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, so geben letztere den Ausschlag. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R und Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - LSG NRW, Urteil vom 06.09.2007 - L 16 (14) R 102/05, jew. m.w. Nw.). Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG, Urteil vom 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R; Urteil vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R; Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R, s.a. Bundesarbeitsgericht - BAG, Urteil vom 25.05.2005 - 5 AZR 347/04 und vom 30.09.1998 - 5 AZR 563/97 - BAGE 90,36,47; jeweils m.w.Nw.). Dem im Vertrag dokumentierten Willen der Vertragsparteien kommt allerdings jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird (BSG, Urteil vom 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R und vom 13.07.1978- 12 RK 14/78).

Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind auch bei Organen juristischer Personen, zu denen - wie hier - auch der Geschäftsführer einer GmbH gehört, anzuwenden. Beim am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Dementsprechend ist bei dem Geschäftsführer einer GmbH, der auf Grund seiner Kapitalbeteiligung an der Gesellschaft auf diese beherrschenden Einfluss auszuüben vermag, weil er maßgeblichen rechtlichen oder auch nur tatsächlichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung nehmen kann und Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte, eine die Arbeitnehmereigenschaft begründende Eingliederung und damit auch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis regelmäßig zu verneinen, (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - B 12 RK 72/92; BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R). Eine derartige Rechtsmacht haben GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und zumindest 50 % des Stammkapitals innehaben (BSG, Urteil vom 20. März 1984 -7 RAr 70/82). Dabei ist ein Schluss von den gesellschaftsrechtlichen Anteilsrechten auf die Möglichkeit der Beherrschung der Gesellschaft allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn diesen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechten die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten und insbesondere die Stimmverhältnisse in der Gesellschafterversammlung entsprechen (BSG, Urt. v. 08.12.1994 - B 12 RK 72/92; Urt. v. 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R; Urt. v. 06.03.2003 - B 11 AL 25/02 R; Urt. v. 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R; Urt. v. 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R, jeweils m.w.Nw.). Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung geringer ist, kann sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Rechtsmacht ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem Anteil alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann (sog. Sperrminorität, vgl. BSG, Urteil vom 18. April 1991 -7 RAr 32/90 -, NZA 1991, 869). Umgekehrt wird bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen. Eine abweichende Beurteilung hiervon kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (BSG, Urt. v. 06.03.2003 - B 11 AL 25/02 R; LSG NRW, Urt. v. 04.03.2004 - L 9 AL 150/02). Derartige Umstände hat die Rechtsprechung zum Beispiel dann bejaht, wenn ein Fremdgeschäftsführer in einer GmbH nach eigenem Willen "schalten und walten" kann, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert, weil sie entweder wirtschaftlich von ihm abhängig sind oder aber aufgrund besonderen Fachwissens oder besonderer Verantwortung. Dies hat das Bundessozialgericht insbesondere bei Geschäftsführern angenommen, die mit den Gesellschaftern familiär verbunden waren (Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 KR 34/00 R; Urteil vom 6. März 2003 – B 11 AL 25/02 R; BSG, Urt. v. 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R; LSG NRW, Urt. v. 04.03.2004 - L 9 AL 150/02; Hess. LSG, Urt. v. 23.11.2006 - L 1 KR 763/03). Vergleichbares gilt auch bei Geschäftsführern, die zwar Gesellschafter sind, jedoch weder über zumindest 50 % der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen. Auch für diesen Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (BSG, Urt. v. 04.07.2007 - B 11a AL 5/06 R – m.w.Nw.). Eine derartige besondere Fallgestaltung kann im Einzelfall z.B. bei einer so genannten Familien-GmbH wie der D vorliegen, setzt sie aber entgegen der Auffassung der Beklagten nicht voraus. Für die Annahme einer versicherungsfreien selbstständigen Tätigkeit reicht es aus, wenn der Tatbestand einer partnerschaftlichen Unternehmensführung anzunehmen ist (LSG NRW, Urt. v. 04.03.2004 - L 9 AL 150/02). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist zur Annahme einer Selbständigkeit nicht erforderlich, dass der zu beurteilende Gesellschafter-Geschäftsführer in jedem Fall allein "Kopf und Seele" der Gesellschaft ist, er also alleiniger Geschäftsführer ist oder der weitere Geschäftsführer faktisch keinen wesentlichen Einfluß ausübt. Da eine Arbeitnehmereigenschaft aufgrund der Gesellschaftsanteile bereits dann nicht vorliegt, wenn beide Gesellschafter-Geschäftsführer 50% der Anteile hält – also keiner über den anderen eine beherrschende Stellung besitzt, sondern ein Gleichrangverhältnis besteht, muss dies genauso angenommen werden, wenn sich das Gleichrangverhältnis aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse und einer mittelbaren Beeinflussung ergibt, d.h. es aufgrund bestimmter faktischer Umstände also möglich ist. den anderen Geschäftsführer nicht nur ausnahmsweise zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen (vgl. BSG Urt. v. 23.06.1994 - 12 RK 72/92), so dass faktisch trotz unterschiedlicher Gesellschaftsanteile von einem gleichberechtigten Nebeneinander zwischen den Gesellschafter-Geschäftsführern (jedenfalls wenn ein maßgeblicher Einfluss eines Dritten fehlt) auszugehen ist.

Derartige einzelfallbezogene Umstände, die gleichwohl unabhängig von den Gesellschafterrechten eine für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit vom Arbeitgeber zu vermeiden vermögen, liegen hier vor. Dies ergibt sich allerdings nicht bereits eindeutig aus den vertraglichen Regelungen. Betrachtet man vielmehr den im Gesellschaftsvertrag niedergelegten Willen der Beteiligten isoliert, so sollte dem Beigeladenen zu 1) eher kein entscheidender Einfluss eingeräumt werden. Danach handelte es sich bei ihm in der Tat um einen eher machtlosen Minder-heitsgesellschafter. Der Beigeladene verfügte nur über einen Geschäftsanteil von 20 %. Auch eine Sperrminorität stand ihm nicht zu, denn die Gesellschafterbeschlüsse wurden nach § 6 Abs 3 des Gesellschaftsvertrages mit der Mehrheit der Stimmen gefasst. Ausgenommen davon waren lediglich Gesellschafterbeschlüsse betreffend die Ausübung über den Gesellschaftsgegenstand hinausgehender Geschäfte, Abtretung von Gesell-schaftsanteilen, Befreiung vom Wettbewerbsverbot, Einziehung von Gesellschaftsanteilen, die Benennung eines Erwerbers im Erbfall und Auflösung der Gesellschaft. Zudem bedurften bestimmte Geschäfte nach § 5 Abs 3 des Gesellschaftsvertrages der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss. Bereits aus dem "Vorspruch" ergibt sich allerdings eher ein partnerschaftlicher Zusammenschluss, bei dem der rechnerische Gesellschaftsanteil, der aus unterschiedlichen Gründen seitens der Beteiligten begrenzt worden sein mag, eher nachrangig zu sein scheint und dem Beigeladenen zu1) durch die dort erklärte Einräumung eines Kundenschutzes ein größeres Gewicht zugemessen wurde als allein am Gesellschaftsanteil ablesbar. Auch aus dem "Letter of Intend", der als Grundlage der gesamten Regelungen für die Auslegung des Vertrages quasi wie die sogenannten "Motive" bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden muß, ergibt sich eher ein partnerschaftlicher Zusammenschluss, in dem der Beigeladene zu 1) gewisse Bedingungen gestellt hat. Nach diesem sollte zwar ein "Angestelltenverhältnis" begründet werden, sozialversicherungsrechtlich fand diese Absicht allerdings im Geschäftsführervertrag keinen Niederschlag. Dem Geschäftsführervertrag sind vielmehr überwiegend Merkmale einer selbständigen Tätigkeit zu entnehmen. Hinsichtlich der Geschäftsführung war der Beigeladene zu 1) nach § 1 des Geschäftsführervertrages zwar verpflichtet, Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen und die Geschäfte nach Maßgabe der Gesellschafterbeschlüsse zu führen. Sie ist für sich genommen aber nicht aussagekräftig, sondern drückt die Selbstverständlichkeit aus, dass die Gesellschafter als Eigentümer die Geschicke der Gesellschaft i.R. des Gesellschaftsvertrages mitbestimmen können. Gewicht erhält diese Regelung aber erst nach Feststellung der tatsächlichen Machtverhältnisse in der Gesellschafterversammlung. Alle anderen Regelungen sprechen jedoch gegen die Absicht, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen. Denn weder war eine feste Arbeitszeit noch überhaupt irgendeine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit vereinbart. Die Ausgestaltung lässt insgesamt und auch terminologisch nur den Schluß zu dass die Beteiligten von einer sozialversicherungsfreien Selbständigkeit des Beigeladenen zu 1) ausgingen – so wie beim Geschäftsführer I und wie zuvor in der D-GmbH, ohne dies allerdings explizit festzuschreiben. Dem Beigeladenen zu 1) sollte auch von Anfang an - trotz des Gründungsinitiators und langjährigen Mitgeschäftsführers I an seiner Seite - ausdrücklich nicht nur die Leitung des kaufmännischen Teils, sondern die Überwachung im Ganzen obliegen, was bedeutet, dass auch die Tätigkeit des unstreitig nichtabhängigen Geschäftsführers I durch den nach Auffassung der Beklagten abhängig beschäftigten Mitgeschäftsführer überwacht werden sollte. Dem Beigeladenen zu 1) wurde Einzel-vertretungsbefugnis eingeräumt, so dass er im Außenverhältnis unkontrolliert agieren konnte - für die Ausübung der Tätigkeit nicht zwingend und ebenfalls für die nach Auffassung der Beklagten zugrunde zu legende Konstellation jedenfalls sofort mit Beginn der Tätigkeit eher untypisch. Die Zurverfügungstellung der ganze Arbeitskraft und die jederzeitige Verfügbarkeit bei Fehlen einer Arbeitszeitregelung sprechen für eine großes Vertrauen auf der einen Seite und eine hohe Verantwortlichkeit auf der anderen Seite und einen Einsatz, wie er für selbständige Unternehmer, nicht aber abhängig beschäftigte Mitarbeiter oder auch eher einflusslose kapitalgebende Gesellschafter zu erwarten ist. Die Terminologie bei der Gehaltsweiterzahlung u.a. im Krankheitsfall und der Urlaubsregelung, insbesondere aber der arbeitsrechtlichen Vorschrift des § 7 Bundesurlaubsgesetz widersprechende Einräumung der Urlaubsabgeltung unabhängig von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund betrieblicher Belange verdeutlichen ebenfalls die Grundannahme der Beteiligten, dass es sich um einen selbständigen, im eigenen Interesse handelnden Partner und nicht um einen untergeordneten, abhängig beschäftigten Mitgeschäftsführer handeln sollte.

Dem steht die tatsächliche Umsetzung der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) bestehenden Vertragsbeziehungen - sowohl des Gesellschafts- als auch des Geschäftsführervertrages - nicht entgegen. Diese rechtfertigt nicht die Annahme, der Beigeladene zu 1) sei in seiner Tätigkeit abhängig beschäftigt. Die oben dargestellte vertragliche Ausgestaltung der Gesellschaftsverhältnisse, die einzig für eine abhängige Beschäftigung spricht, hat demgegenüber kein entscheidendes Gewicht. Vielmehr steht die praktizierte Rechtsbeziehung zu den im Gesellschaftsvertrag getroffenen Verein-barungen im Widerspruch. Der im Geschäftsführervertrag erkennbare Wille, kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, ist durch die tatsächlichen Verhältnisse hingegen nicht widerlegt worden. Zur tatsächlichen Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) ist festzustellen, dass nahezu alle Regelungen und Einschränkungen im Gesellschaftsvertrag, die für ein abhängiges, untergeordnetes Beschäftigungsverhältnis und damit das Bestehen der Versicherungspflicht sprechen, tatsächlich nicht eingehalten wurden, während die eher für Selbständigkeit sprechenden Regelungen umgesetzt wurden. Insbesondere aber hatte der Beigeladene zu 1) faktisch einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft, der selbst über den einer bloßen Sperr-minorität weit hinausging, wie sich aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Vortrag des Geschäftsführeres der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) ergibt und durch die Beweisaufnahme bestätigt hat. Dieser Einfluss beruhte auf der Tatsache, dass er in einer Situation, in der die Klägerin sich in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, nicht nur mit Erfahrungen aus einer großen Werbeagentur und einem besonderen Know-How im Hinblick auf den nach Ausscheiden des Gesellschafters S etwas vernachlässigten kaufmännischen Bereich aufwarten konnte, sondern vor allem eine Anzahl namhafter Kunden sowie eine weitere Bank als möglichen Kreditgeber in die Geschäftsbeziehung mit einbringen konnte. Der rechnerische Gesellschaftsanteil des Beigeladenen war, wie sich bereits aus dem "Letter of Intend" und dem Vorspruch ergibt, faktisch eher nachrangig. Vielmehr bestand der Wert der Beteiligung des Beigeladenen zu 1) - neben dem Know - How -vor allem in den mitgebrachten Kunden. Dies hat der Mitgesellschafter, der Zeuge F1, bestätigt. Wenn er gefragt werde, ob für die Gesellschaft ein höherer Gesellschaftsanteil oder die mitgebrachten Kunden wichtiger gewesen seien, so müsse er sagen, dass es die Kunden gewesen seien. Auch die Mitnahme der Mitarbeiter der D und insbesondere die gleichzeitige Regelung der Beschäftigung des Vaters des Beigeladenen zu 1) – zur Pflege der von diesem in seiner Gesellschaft aufgebauten Kontakte – verdeutlicht, wie sehr den anderen Gesellschaftern daran gelegen war, diese Kunden auch zu halten. Hieraus rechtfertigt sich auch die Beibehaltung der Stellung als Geschäftsführer der D, die nach dem Geschäftführervertrag (zur Verfügungstellung der gesamten Arbeitskraft) wohl eher vertragswidrig gewesen wäre, die jedoch für den nahtlosen Übergang der Kunden von der D zur Klägerin förderlich war. Das Einbringen weiteren Kapitals durch einen höheren Anteil (so er denn überhaupt mit einer Kapitalerhöhung einhergegangen wäre und nicht lediglich mit einem für die Situation der Klägerin wirtschaftlich wertlosen Verschieben der Anteile untereinander oder dem Verkauf des Anteils Fs und dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft) hätte der Klägerin zwar Kapital verschafft, um die drohende Insolvenz einige Monate zu verschieben. Ohne Änderung der Auftragslage hätte sich die schwierige Situation der Klägerin aber nur auf kurze Zeit entspannt, das Problem mangelnder Aufträge wäre nur verschoben worden. Die mitgebrachten Kundenkontakte hingegen bedeuteten eine langfristige Sicherung von Aufträgen, eine Erholung und Sicherung der Geschäftsbasis. Nun kam es darauf an, diese Kundenkontakte in tatsächliche Aufträge zu verwandeln, was nur mit dem Beigeladenen zu 1) und seinem Vater, nicht aber ohne ihn möglich werden konnte. Dabei ist die als bekannt vorauszusetzende Bedeutung der Beziehungsabhängigkeit der Kundenkontakte im kreativen Gewerbe der Werbeagenturen in die Bewertung einzubeziehen. Eine Kündigung des Beigeladenen zu 1) – aus welchen Gründen auch immer und von welcher Seite ausgehend – hätte eine Mitnahme dieser Kundenkontakte und das Risiko des Verlustes möglicherweise in Aussicht gestellter weiterer Aufträge bedeutet, die insbesondere je kürzer die Zusammenarbeit andauerte, noch nicht an die Klägerin und den Geschäftsführer I gebunden waren. Diese Tatsache setzte in der Tat jedem Weisungsversuch der Gesellschafter gegenüber dem Beigeladenen zu 1) faktisch Grenzen. Die Klägerin konnte sich bei dieser Sachlage einen echten Konflikt mit dem Beigeladene zu 1) nicht leisten.

Wie groß das Vertrauen in die kaufmännischen Fähigkeiten des Beigeladenen zu 1) und wie wertvoll das Mitbringen zum einen fester Kunden als auch die Aussicht der Realisierung weiterer Aufträge durch die eingebrachten weiteren Kontakte war, macht die dem Beigeladenen zu 1) faktisch eingeräumte Rechtsmacht deutlich. Denn faktisch hat der Beilgeladene zu 1) nicht lediglich passiv ihm unangenehme Beschlüsse verhindert, vielmehr war er stets der aktiv Handelnde, er hat im Interesse der Gesellschaft Beschlüsse herbeigeführt, die für den Mitgeschäftsführer I – und ihn selbst - im Einzelfall sogar mehr als unangenehm waren oder aber die Gewinnaussichten des Mitgesellschafters F schmälerten, ohne dass diese ihre Rechtsmacht genutzt und diese blockiert hätte. Nach der Aussage des Steuerberaters F1 wurde Herr I nicht gefragt, sondern über die Änderungen des Gesellschaftsgehaltes, auch Absenkungen, nur informiert worden, ohne dass sich am Ergebnis jemals etwas geändert hätte. Offensichtlich hatte er sich der Entscheidung des Beigeladenen zu 1) stets gebeugt. Herr I habe sich in kaufmännischen Fragen auf den Beigeladenen zu 1) verlassen. Der Umsetzung der Beschlüsse stand auch die fehlende Unterzeichnung durch den Mitgesellschafter F offensichtlich nicht entgegen (nach dessen Aussage gab es allerdings häufiger telefonischen Absprachen, ein Rückschluß auf ein Übergehen des Mitgesellschafters ist daher nicht zu ziehen). Hervorzuheben ist, dass der Beigeladene dabei faktisch auch zumindest einmal einen nicht unerheblichen Verzicht auf Gehalt für sich und den Mitgeschäftführer I durchgesetzt hat. Es mag Konstellationen geben, in denen ein Lohnverzicht in Zeiten der Not des Arbeitgebers oder - wie hier - einer GmbH als Arbeitgeber ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht ausschließt (vgl. z.B. BSG, Urt. v. 17.05.2001 - B 12 KR 34/00 R m.w.Nw.). Hier stellt dieser Umstand jedoch einen weiteren Mosaikstein zu dem Tatbestand einer partnerschaftlichen Unternehmensführung zwischen dem Beigeladenen zu 1) und dem Geschäftsführer I dar. Ein für ein Arbeitnehmer - Arbeitgeber - Verhältnis typischer Interessengegensatz ist vor dem beschriebenen Hintergrund nicht erkennbar. Dass gilt auch im Hinblick auf die fehlende Arbeitszeitregelung hinsichtlich Dauer und Lage und den hohen Einsatz z.B. auch im Urlaub an Heiliabend, den Verzicht auf einen Dienstwagen (im Verhältnis zum Mitgeschäftsführer, der seinen trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage behalten hatte) und die Nutzung des eigenen Fahrzeuges für Firmenfahrten bis zur wirtschaftlichen Erholung des Unternehmens, der Gewährung eines Darlehens an die Klägerin zur Überbrückung kurzfristiger wirtschaftlicher Schwierigkeiten und der von vornherein bestehenden Bereitschaft, eine Bürgschaft zu übernehmen, die bereits wenige Monate später im Januar 2004 im Kreditantrag des Beigeladenen zu 1) auch nach außen dokumentiert wurde. Insoweit bestätigte der Zeuge F1, es sei ganz klar gewesen, dass der Beigeladene zu 1) die Bürgschaft, die zuvor Herr S übernommen hatte, übernehmen sollte, er sei auch immer dazu bereit gewesen. Dass die Bürgschaft aufgrund wirtschaftlicher Umstände (zunächst Ablehnung durch Bank, sodann Erholung der finanziellen Situation der Klägerin) erst später zustande kam, ändert an der Einstellung des Beigeladenen zu 1) und seiner Stellung innerhalb der Gesellschaft (auch der Kreditantrag wurde ja von den Gesellschaftern nicht offiziell genehmigt) nichts. All dies lässt sich in der Gesamtschau nur daraus erklären, dass der Beigeladene zu 1) für "sein" Unternehmen gearbeitet hat.

Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes auch fest, dass dem Beigeladenen zu 1) Weisungen der Gesellschafterversammlung oder des Mitgeschäftsführeres im Hinblick auf die Art der Ausübung seiner Geschäfte oder in Bezug auf bestimmte Entscheidungen nicht erteilt wurden, die erforderlichen Gesellschafterbeschlüsse und die Entscheidungsfindungen zwischen den Geschäftsführern vielmehr im Rahmen eines partnerschaftlichen Zusammenwirkens erfolgten. Es gab nach glaubhaften übereinstimmenden Angaben der Beteiligten und der Zeugen keine Abstimmungen im klassischen Sinn zwischen den Gesellschaftern, insbesondere keine – rechtlich durchaus mögliche - Mehrheitsentscheidung gegen den Willen des Beigeladenen zu 1). Der Mitgesellschafter F, der nicht über branchenspezifische Kenntnisse verfügt, gab dazu an, er habe keine wesentliche Kontrollfunktion ausgeübt, lediglich hinsichtlich der Frage seines weiteren wirtschaftlichen Engagements. Er habe auch nie gegen den ihm bereits als gemeinschaftliche Lösung präsentierten Vorschlag eine andere Meinung vertreten. Seine Position war daher eher vergleichbar mit der eines Anlegers, auf dessen Meinung im Sinne eines Rates allerdings Wert gelegt wurde, der sich aber ansonsten weitestgehend heraushielt, wie sich auch aus der Einschätzung des Zeugen F1 ergibt. Der Zeuge F ging von einem Gleichordnungsverhältnis zwischen den Gesellschaftern aus. Es habe klare Kompetenzabgrenzungen gegeben, der Beigeladene zu 1) habe nicht unter der Kontrolle des Herrn Is gestanden. Die Geschäftsführer hätten gemeinschaftlich handeln sollen, aber im Konfliktfall hätte er sich bei kaufmännischen Fragen an die Auffassung des Beigeladenen zu 1) gehalten. Es habe kein Unterordnungsverhälltnis vorgelegen, sondern Gleichberechtigung anhand der Kompetenzlinien. Es sei darauf angekommen, wer jeweils den größeren Einfluss beim Kunden gehabt habe. Wenn er gefragt werde, ob eher ein Gleichordnungsverhältnis oder Unterordnungsverhältnis bestanden habe, so müsse er sagen, dass er davon ausgehe, dass der Beigeladene zu 1) gleichberechtigt neben Herrn I, bzw. den Gesellschaftern gewesen sei. Es habe vielleicht mal der eine etwas mehr zu sagen gehabt, weil er bei dem speziellen Kunden den größeren Einfluss gehabt habe. Es sei aber nicht so gewesen, dass eine Person das letzte Wort gehabt habe. Übereinstimmend damit beantwortete der Zeuge F1 die Frage, wer die Gesellschaft dominiert habe, damit, alle kaufmännischen Fragen habe er mit dem Beigeladenen zu 1) besprochen, dieser habe hierfür das Know How gehabt. Auch Herr I habe sich da ganz auf den Beigeladenen zu 1) verlassen.

Auch die Vernehmung der Zeugen L und C, die allerdings zur Entscheidungsfindung zwischen den Gesellschafter-Geschäftsführern keine Angaben machen konnten, bestätigen den Gesamteindruck eines partnerschaftlichen Miteinanders. Die inzwischen ausgeschiedenen und damit außerhalb eines Interessenkonfliktes stehenden Mitarbeiter bestätigten auf Nachfrage, dass es sich nach ihrem Eindruck um zwei gleichberechtigte Chefs gehandelt habe. Personalfragen seien mit dem Beigeladenen zu 1) oder mit der dafür zuständigen Mitarbeiterin geklärt worden, alles andere je nach Zuständigkeit des Projektes. Die Mitarbeiter hatten ebenfalls nicht den Eindruck, dass Herr I der Chef des Beigeladenen zu 1) gewesen ist.

Die fehlende Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB im Geschäftsführervertrag spricht demgegenüber nicht gegen eine Selbständigkeit, denn diese entsprach nicht den tatsächlichen Verhältnissen und beruhte nach den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Beteiligten und der Aussage des Zeugen F1 auf einem Versehen, das erst im Zuge der Betriebsprüfung erkannt (wie der korrigierte Fragebogen erkennen lässt) und sofort behoben wurde. Nach Aussage des Zeugen F1 habe es hierfür, auch für den seinerzeitigen Steuerberater Dr.N, keine Erklärung gegeben. Faktisch habe der Beigeladene zu 1) solche Geschäfte durchaus getätigt. Hierüber habe es auch keine Diskussionen gegeben. Auch der Mitgesellschafter F war nach seiner Aussage irrtümlich davon ausgegangen, dass die Abdingung des Selbstkontrahierungsverbotes auch schriftlich fixiert worden sei. Es sei für ihn in Ordnung gewesen, dass der Beigeladene zu 1) das nicht eingehalten habe. Dass die Geschäftsführer im Rahmen ihrer Geschäftsführertätigkeit vom Selbstkontrahierungsverbot befreit und im übrigen auch alleinvertretungsberechtigt waren, ist zwar bei einer kleineren GmbH nicht untypisch und spricht deshalb nicht zwingend für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit (BSG, Urt.v.04.07.2007 - B 11a AL 5/06 R). Jedoch stellen sie weitere Indizien im Rahmen der Gesamtwürdigung dar, die gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Die Aussage des Zeugen F auf Befragen der Beklagten, Hintergrund der Verteilung der Gesellschaftsanteile sei schon gewesen, dass er im gewissen Sinne die Kontrolle zunächst habe behalten wollen, spricht nicht entscheidend für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Denn zum einen schränkte er sie sogleich ein mit dem Nachsatz "soweit er denn überhaupt kontrolliert habe", zum anderen kontrollieren sich auch gleichgeordnete Gesellschafter gegenseitig, behalten sich das Recht vor, im Rahmen des Gesellschaftsvertrages "die Notbremse" zu ziehen, notfalls auch durch fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Auch gleichrangige Gesellschafter akzeptieren nicht jede Entscheidung des Partners, da sie wirtschaftlich immer mitbetroffen sind. Sie müssen im Konfliktfall eine gemeinsame Lösung finden. Wäre jede wie auch immer geartetete Kontrolle des Minderheitsgesellschafters ausschlaggebend, so wäre eine nicht versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit nur bei Alleingesellschaftern denkbar. Hier reicht jedenfalls das Ausmaß der Kontrolle, das eher des eines Anlegers entsprach, insbesondere angesichts der faktischen wirtschaftlichen Macht des Beigeladenen zu 1) nicht aus, um eine andere Entscheidung zu begründen.

Aus alledem ergibt sich, dass der Beigeladenen zu 1) in seinem nicht unwesentlichen Kompetenzbereich frei "schalten und walten" konnte, von keinen Weisungen abhängig war und die Klägerin mit Herrn I partnerschaftlich, jedenfalls aber als auch "sein" Unternehmen geführt hat, völlig unabhängig davon, was im Gesellschafts- oder Geschäftsführervertrag gestanden hat.

Zu Unrecht glaubt die Beklagte schließlich, ein Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1) habe bis zum 31.05.2005 nicht vorgelegen. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. Urteil des BSG vom 25.1.2001, B 12 KR 17/00 R; Urteil vom 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, m.w.Nw). Das ist hier der Fall. Der Beigeladene zu 1) war mit einer Einlage von immerhin 5.200 EUR am Unternehmen beteiligt. Insbesondere aber war sein Einkommen ganz offensichtlich, wie die sich an der wirtschaftlichen Situation orientierenden starken, auch kurzfristigen Gehaltsschwankungen verdeutlichen, faktisch in hohem Maße erfolgsabhängig. Indiz für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit ist weiter die dem Beigeladenen zu 1) eingeräumte Tantieme (vgl.LSG NRW, Urt. v. 04.03.2004 - L 9 AL 150/02). Auch das erst nach wirtschaftlicher Stabilisierung geschehene Einfordern des Dienstwagens als Sachbezug und der Einsatz eigener sächlicher Mittel bis zu diesem Zeitpunkt ohne Berechnung sind weitere Merkmale einer faktischen und rechtlichen Erfolgsabhängigkeit des Einkommens.

Da nach alledem eine persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen zu 1) nicht festzustellen ist, vielmehr ein partnerschaftliches Miteinander vergleichbar mit der Stellung eines Gesellschafter-Geschäftsführers mit 50% igem Stimmanteil an der Gesellschaft vorlag, war kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, sondern sozialversicherungsfreie Selbstständigkeit festzustellen.

Dahingestellt bleiben kann zwar demnach, ob die Entscheidung überhaupt rückwirkend getroffen werden durfte. Hingewiesen sei gleichwohl darauf, dass die Voraussetzungen für die mit Wirkung vom 01.01.1999 durch Art.1 des Gesetzes vom 20.12.1999 (BGBl. 2000 I, 2) eingeführte Regelung des § 7b SGB IV, die bis zum 31.12.2007, also im Streitzeitraum, galt, auch bei einer abweichenden Bewertung des sozialversicherungsrechtlichen Status anzunehmen gewesen wären. Diese Sonderregelung galt außerhalb des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV und sollte Auftraggebern, deren Status als Arbeitgeber festgestellt wurde, eine gewisse Erleichterung bei Beitragsrückständen schaffen. § 7b SGB IV galt für Statusentscheidungen in Verfahren, die nicht von § 7a Abs.6 SGB IV erfasst werden, also auch für Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV. Die rückwirkende Geltungmachung der Beiträge für den hier vollständig vor der Betriebsprüfung liegenden Streitzeitraum ist gemäß § 7b SGB IV dann nicht möglich, wenn weder der Beschäftigte noch sein Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig vom Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind (§ 7b Satz 1 Ziffer 3 SGB IV). Grobe Fahrlässigkeit ist gleichbedeutend mit Leichtfertigkeit im Sinne der §§ 306 SGB V und § 266d StGB und ist zum Beispiel dann gegeben, wenn deutliche Hinweise auf eine Beschäftigung vorliegen; das ist insbesondere der Fall, wenn für eine derartige Tätigkeit bereits ein Beschäftigungsverhältnis festgestellt oder im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen worden ist (Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 7b SGB IV Rz.6; LSG NRW, Urt. v. 20.09.2007 - L 16 (15) R 40/05 Bayer. LSG, Urt.v. 13.07.2005 - L 5 KR 187/04). Eine solche Feststellung lag hier nicht vor. Der Gesetzgeber hat die entlastende Wirkung des § 7b SGB VI zudem gerade für Fälle außerhalb des Anfrageverfahrens eingeführt, so dass das Unterlassen einer statusrechtlichen Anfrage allein kein Hinweis auf grobe Fahrlässigkeit im Sinne der Regelung darstellen kann. In Anbetracht der Umstände dürfte davon auszugehen, dass die Beteiligten gerade keine Zweifel des Beigeladenen zu 1) hatten. Diese dürften sich auch nicht aufgrund der fehlenden familiären Bindungen aufgedrängt haben, wie die Beklagte meint, da diese, wie ausgeführt, gerade nicht unbedingte Voraussetzung für eine Sozialversicherungsfreiheit eines Minderheitengesellschafter-Geschäftsführers ist. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid selbst ausgeführt, zweifelsfrei gäbe es Aspekte, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Dem kann angesichts der oben dargelegten Umstände nur zugestimmt werden, so dass grobe Fahrlässigkeit nicht anzunehmen sein dürfte.

Der Klage war nach alledem stattzugeben und die Beklagte antragsgemäß - mit einer klarstellenden Modifikation, die sich aus der Entscheidung des BSG vom 11.03.2009 - 12 R 11/07 R ergibt, zu verurteilen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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