Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 1 EG 9/07
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Berechnung des Elterngeldes ist das Zuflussprinzip anzuwenden.
Verspätet ausgezahltes und erst im Bemessungszeitraum zugeflossenes Arbeitsentgelt wegen einer
rückwirkenden tariflichen Erhöhung ist bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen.
Die Bezeichnung der Elterngeldbestandteile durch den Arbeitgeber ist unerheblich. Sonstige Bezüge i.S.d. §
2 Abs.7 Satz 2 BEEG liegen nicht bereits deshalb vor, weil sie in der Entgeltabrechnung so bezeichnet
worden sind.
Verspätet ausgezahltes und erst im Bemessungszeitraum zugeflossenes Arbeitsentgelt wegen einer
rückwirkenden tariflichen Erhöhung ist bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen.
Die Bezeichnung der Elterngeldbestandteile durch den Arbeitgeber ist unerheblich. Sonstige Bezüge i.S.d. §
2 Abs.7 Satz 2 BEEG liegen nicht bereits deshalb vor, weil sie in der Entgeltabrechnung so bezeichnet
worden sind.
Der Bescheid des beklagten Landes vom 4. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2007 wird abgeändert. Das beklagte Land wird verurteilt, die der Klägerin im Dezember 2006 und Januar 2007 zugeflossenen Nachzahlungen als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen. Das beklagte Land trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Elterngeldes, insbesondere die Berücksichtigung von Nachzahlungen.
Die geborene Klägerin ist als Sozialarbeiterin für den Kreis Stormarn tätig. Sie beantragte am 10. Mai 2007 bei der Beklagten anlässlich der Geburt ihrer Tochter am 29. März 2007 die Zahlung von Elterngeld. Vom 18. August bis 17. November 2006 war die Klägerin nach ärztlichem Attest schwangerschaftsbedingt arbeitsunfähig erkrankt.
Dem Antrag fügte die Klägerin Entgeltnachweise von November 2005 bis Januar 2006, März bis Mai 2006, Juli bis August 2006 und Oktober 2006 bis Januar 2007 bei. Die Abrechnungen von November und Dezember 2006 sowie Januar 2007 enthalten Nachzahlungen aufgrund einer rückwirkenden Anhebung der Vergütung. Die Klägerin erhielt rückwirkend ab dem 1. Mai 2005 eine Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 6 % der Vergütungsgruppe IV b BAT-Stufe 4. Die entsprechende Bestätigung des Arbeitgebers datiert vom 15. Dezember 2006 und wurde der Beklagten vorgelegt. Die Nachzahlungen aufgrund der nachträglichen Vergütungsanhebung sind in der Entgeltabrechnung für Dezember 2006 in Höhe von 949,78 Euro netto und in der Abrechnung für Januar 2007 in Höhe von 1.904,18 Euro netto abzüglich einer Steuernacherhebung in Höhe von 791,25 Euro und der Nacherhebung von Beiträgen zur Zusatzversicherung in Höhe von 34,70 Euro enthalten. Ausgewiesen wurden die Nachzahlungsbeträge jeweils als "Nachberechnung Nettobetrag Nachzahlung". Die dem Entgeltnachweis für Januar 2007 beigefügte Nachberechnung enthält darüber hinaus den Hinweis, dass die Nachberechnungen als "sonstiger Bezug" versteuert werden. In dieser Abrechnung sind auch die jeweiligen Abzüge für Sozialversicherungsbeiträge enthalten.
Mit Bescheid vom 04. Juli 2007 berechnete die Beklagte das Elterngeld nach dem Einkommen aus dem Zeitraum November 2005 bis August 2006 sowie nach den Monaten Dezember 2006 und Januar 2007. Die Monate der schwangerschaftsbedingten Erkrankung von September bis November 2006 wurden nicht berücksichtigt und der Bezugszeitraum dementsprechend verlängert. Der Klägerin wurde Elterngeld bis zum 28. Mai 2008 bewilligt und auf Wunsch der Zahlungszeitraum bei der beantragten Zahlung von halben Monatsbeträgen bis zum 4. Juni 2009 festgesetzt.
Dagegen erhob die Klägerin am 27. Juli 2007 Widerspruch und machte geltend, die Nachzahlungen seien nicht berücksichtigt worden. Bei diesen handele es sich – anders als bei der Weihnachtssonderzahlung - um keine Sonderzahlungen. Vielmehr stellten die Nachzahlungen das reguläre Einkommen dar. Deshalb müssten sie bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigt werden.
Mit Bescheid vom 27. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, als Einkommen aus Erwerbstätigkeit sei die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG). Nach § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG würden sonstige Bezüge im Sinne von § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht als Einnahmen berücksichtigt. Sonstige Bezüge seien definiert als Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt werde, hierzu gehörten insbesondere einmalige Leistungen wie Nachzahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teil der Nachzahlung auf Lohnzeiträume beziehe, die in einem anderem Jahr als dem der Zahlung enden. Der Arbeitgeber habe im Übrigen die Nachberechnung auch als sonstigen Bezug ausgewiesen.
Gegen den am 27. August 2007 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid richtet sich die am 25. September 2007 bei dem Sozialgericht Lübeck erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, lediglich aus steuerrechtlichen Gründen sei der Nachzahlungsbetrag als sonstiger Bezug ausgewiesen worden. Tatsächlich handele es sich jedoch um laufenden Arbeitslohn, der deshalb nicht laufend gezahlt worden sei, weil die Gewährung der Vergütungsgruppenzulage ohne ihr Verschulden sich verzögert habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 04. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei der Ermittlung des Elterngeldes die Nachzahlungen aus dem Dezember 2006 und Januar 2007 mit zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid.
IM Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. April 2009 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten ausführlich erörtert worden. Die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Klage ist zulässig und auch begründet. Zu Unrecht hat die Beklagte bei dem Elterngeld die im Dezember 2006 und Januar 2007 der Klägerin aufgrund der rückwirkenden Anhebung der Vergütung zugeflossenen Nachzahlungen nicht berücksichtigt.
Der angefochtene Bescheid vom 4. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2007 war deshalb insoweit abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, diese Nachzahlungen bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen.
Zwar bestimmt § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG, dass sonstige Bezüge im Sinne von § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht als Einnahmen bei der Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden, die Vergütungsnachzahlung stellt jedoch einen derartigen sonstigen Bezug zur Überzeugung der Kammer nicht dar.
Bei welchen Entgeltbestandteilen es sich um sonstige Bezüge im Sinne von § 2 Abs. 7 Satz 2 handelt, ist im BEEG nicht näher ausgeführt. Die Norm, auf die diese Vorschrift verweist, definiert als sonstigen Bezug Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (§ 38a Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG). Die steuerrechtliche Vorschrift regelt den Zeitpunkt des Zuflusses derartiger sonstiger Bezüge. Dementsprechend behandelt die sich auf diese Norm beziehende Rechtssprechung der Finanzgerichtsbarkeit im Wesentlichen Abgrenzungskriterien des Zuflusszeitpunktes. Nach finanzgerichtlicher Rechtssprechung sind Einnahmen zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Unbestritten – dies wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht – handelt es sich bei den Weihnachtszuwendungen eindeutig um sonstige Bezüge im Sinne von § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG. Weiterhin gelten als sonstige Bezüge das 13. oder 14. Monatsgehalt, auch wenn es auf das Jahr verteilt ausgezahlt wird (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Dezember 2008, L 13 EG 32/08).
Demgegenüber sind bei der Einkommensermittlung nach § 2 Abs. 7 BEEG Zahlungen, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses erbracht und mehrfach gezahlt werden, nicht als "sonstige Bezüge" anzusehen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2009, L 12 EG 7/08, Revision anhängig bei dem Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 10 EG 3/09 R). Nach diesem Urteil handelt es sich auch bei Provisionen, die mehrmals im Jahr ausgezahlt werden, nicht um sonstige Bezüge sondern um laufenden Arbeitslohn. Das LSG Berlin hat bereits Zweifel daran geäußert, dass mehrmalige Zahlungen als nicht fortlaufend gezahlt gelten, denn in den Einkommenssteuerrichtlinien R 115 Abs. 2 Satz 2 werden diese sonstigen Bezüge als einmalige Arbeitslohnzahlungen definiert. Die Kammer folgt der Entscheidung des LSG insbesondere deshalb, weil auch dieses Gericht darauf abstellt, dass die Verweisungsnorm § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG lediglich dazu dient, laufenden Arbeitslohn und sonstige Bezüge einem bestimmten Kalenderjahr zuzuordnen und den Zeitpunkt des Zuflusses zu bestimmen. Zutreffend weist das Gericht darauf hin, dass für die Ermittlung des Einkommens, das durch die vorübergehende Aufgabe einer Beschäftigung ausfällt und durch das Elterngeld (teilweise) ersetzt werden soll, diese Unterscheidung vollkommen unerheblich ist.
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber diese Einkommensbestandteile als "sonstige Bezug" bezeichnet hat (LSG, Berlin-Brandenburg, am angegebenen Ort), denn welche Gründe für diese Bezeichnung des Entgeltbestandteils geführt haben, bleibt unerheblich. Es mag durchaus sein, wie die Klägerin meint, dass es steuerrechtliche Gründe gewesen sind.
Denn durch das Elterngeld soll das während der Betreuung und Erziehung des Kindes ausfallende Einkommen (weitgehend bzw. teilweise) ersetzt werden, das vorher regelmäßig erzielt wurde. Dazu zählen zwar jährlich einmalig geleistete Zahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld oder Gratifikationen und Prämien wohl nicht, demgegenüber jedoch ohne Verschulden der Klägerin erst verspätet ausgezahltes Arbeitsentgelt. Zur Auffassung der Kammer können keine Zweifel daran bestehen, das es sich bei den Nachzahlungen, die im Übrigen auch zunächst als solche ausgewiesen wurde, um Arbeitsentgelt handelt, nämlich um die 6%-ige Erhöhung der Vergütung rückwirkend ab Mai 2005. Wäre die Erhöhung rechtzeitig erfolgt, hätte die Klägerin ab diesem Zeitpunkt jeden Monat eine höhere Vergütung erhalten. Tatsächlich ist ihr diese Erhöhung jedoch erst im Dezember 2006 und Januar 2007 zugeflossen, mithin in den Kalendermonaten, die für die Berechnung des Elterngeldes herangezogen worden sind. Auch wenn diese Nachzahlungen auch die Monate von Mai bis Oktober 2005 beinhalten, bei einer zeitgerechten Zahlung also nicht berücksichtigt worden wären, so sind sie doch als Nachzahlung im Bemessungszeitraums aufgrund des Zuflussprinzips bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen. Denn die Klägerin hat tatsächlich diese Erhöhungsbestandteile ihres Entgeltes nicht in den Monaten Mai bis Oktober 2005 erhalten sondern erst im Dezember 2006 und Januar 2007.
Nach allem war der angefochtene Bescheid vom 4. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die im Dezember 2006 und Januar 2007 zugeflossenen Nachzahlungen als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Vorsitzende der 1. Kammer gez. Klingauf Direktor des Sozialgerichts
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Elterngeldes, insbesondere die Berücksichtigung von Nachzahlungen.
Die geborene Klägerin ist als Sozialarbeiterin für den Kreis Stormarn tätig. Sie beantragte am 10. Mai 2007 bei der Beklagten anlässlich der Geburt ihrer Tochter am 29. März 2007 die Zahlung von Elterngeld. Vom 18. August bis 17. November 2006 war die Klägerin nach ärztlichem Attest schwangerschaftsbedingt arbeitsunfähig erkrankt.
Dem Antrag fügte die Klägerin Entgeltnachweise von November 2005 bis Januar 2006, März bis Mai 2006, Juli bis August 2006 und Oktober 2006 bis Januar 2007 bei. Die Abrechnungen von November und Dezember 2006 sowie Januar 2007 enthalten Nachzahlungen aufgrund einer rückwirkenden Anhebung der Vergütung. Die Klägerin erhielt rückwirkend ab dem 1. Mai 2005 eine Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 6 % der Vergütungsgruppe IV b BAT-Stufe 4. Die entsprechende Bestätigung des Arbeitgebers datiert vom 15. Dezember 2006 und wurde der Beklagten vorgelegt. Die Nachzahlungen aufgrund der nachträglichen Vergütungsanhebung sind in der Entgeltabrechnung für Dezember 2006 in Höhe von 949,78 Euro netto und in der Abrechnung für Januar 2007 in Höhe von 1.904,18 Euro netto abzüglich einer Steuernacherhebung in Höhe von 791,25 Euro und der Nacherhebung von Beiträgen zur Zusatzversicherung in Höhe von 34,70 Euro enthalten. Ausgewiesen wurden die Nachzahlungsbeträge jeweils als "Nachberechnung Nettobetrag Nachzahlung". Die dem Entgeltnachweis für Januar 2007 beigefügte Nachberechnung enthält darüber hinaus den Hinweis, dass die Nachberechnungen als "sonstiger Bezug" versteuert werden. In dieser Abrechnung sind auch die jeweiligen Abzüge für Sozialversicherungsbeiträge enthalten.
Mit Bescheid vom 04. Juli 2007 berechnete die Beklagte das Elterngeld nach dem Einkommen aus dem Zeitraum November 2005 bis August 2006 sowie nach den Monaten Dezember 2006 und Januar 2007. Die Monate der schwangerschaftsbedingten Erkrankung von September bis November 2006 wurden nicht berücksichtigt und der Bezugszeitraum dementsprechend verlängert. Der Klägerin wurde Elterngeld bis zum 28. Mai 2008 bewilligt und auf Wunsch der Zahlungszeitraum bei der beantragten Zahlung von halben Monatsbeträgen bis zum 4. Juni 2009 festgesetzt.
Dagegen erhob die Klägerin am 27. Juli 2007 Widerspruch und machte geltend, die Nachzahlungen seien nicht berücksichtigt worden. Bei diesen handele es sich – anders als bei der Weihnachtssonderzahlung - um keine Sonderzahlungen. Vielmehr stellten die Nachzahlungen das reguläre Einkommen dar. Deshalb müssten sie bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigt werden.
Mit Bescheid vom 27. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, als Einkommen aus Erwerbstätigkeit sei die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG). Nach § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG würden sonstige Bezüge im Sinne von § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht als Einnahmen berücksichtigt. Sonstige Bezüge seien definiert als Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt werde, hierzu gehörten insbesondere einmalige Leistungen wie Nachzahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teil der Nachzahlung auf Lohnzeiträume beziehe, die in einem anderem Jahr als dem der Zahlung enden. Der Arbeitgeber habe im Übrigen die Nachberechnung auch als sonstigen Bezug ausgewiesen.
Gegen den am 27. August 2007 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid richtet sich die am 25. September 2007 bei dem Sozialgericht Lübeck erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, lediglich aus steuerrechtlichen Gründen sei der Nachzahlungsbetrag als sonstiger Bezug ausgewiesen worden. Tatsächlich handele es sich jedoch um laufenden Arbeitslohn, der deshalb nicht laufend gezahlt worden sei, weil die Gewährung der Vergütungsgruppenzulage ohne ihr Verschulden sich verzögert habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 04. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei der Ermittlung des Elterngeldes die Nachzahlungen aus dem Dezember 2006 und Januar 2007 mit zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid.
IM Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. April 2009 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten ausführlich erörtert worden. Die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Klage ist zulässig und auch begründet. Zu Unrecht hat die Beklagte bei dem Elterngeld die im Dezember 2006 und Januar 2007 der Klägerin aufgrund der rückwirkenden Anhebung der Vergütung zugeflossenen Nachzahlungen nicht berücksichtigt.
Der angefochtene Bescheid vom 4. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2007 war deshalb insoweit abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, diese Nachzahlungen bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen.
Zwar bestimmt § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG, dass sonstige Bezüge im Sinne von § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht als Einnahmen bei der Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden, die Vergütungsnachzahlung stellt jedoch einen derartigen sonstigen Bezug zur Überzeugung der Kammer nicht dar.
Bei welchen Entgeltbestandteilen es sich um sonstige Bezüge im Sinne von § 2 Abs. 7 Satz 2 handelt, ist im BEEG nicht näher ausgeführt. Die Norm, auf die diese Vorschrift verweist, definiert als sonstigen Bezug Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (§ 38a Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz EStG). Die steuerrechtliche Vorschrift regelt den Zeitpunkt des Zuflusses derartiger sonstiger Bezüge. Dementsprechend behandelt die sich auf diese Norm beziehende Rechtssprechung der Finanzgerichtsbarkeit im Wesentlichen Abgrenzungskriterien des Zuflusszeitpunktes. Nach finanzgerichtlicher Rechtssprechung sind Einnahmen zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Unbestritten – dies wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht – handelt es sich bei den Weihnachtszuwendungen eindeutig um sonstige Bezüge im Sinne von § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG. Weiterhin gelten als sonstige Bezüge das 13. oder 14. Monatsgehalt, auch wenn es auf das Jahr verteilt ausgezahlt wird (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Dezember 2008, L 13 EG 32/08).
Demgegenüber sind bei der Einkommensermittlung nach § 2 Abs. 7 BEEG Zahlungen, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses erbracht und mehrfach gezahlt werden, nicht als "sonstige Bezüge" anzusehen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2009, L 12 EG 7/08, Revision anhängig bei dem Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 10 EG 3/09 R). Nach diesem Urteil handelt es sich auch bei Provisionen, die mehrmals im Jahr ausgezahlt werden, nicht um sonstige Bezüge sondern um laufenden Arbeitslohn. Das LSG Berlin hat bereits Zweifel daran geäußert, dass mehrmalige Zahlungen als nicht fortlaufend gezahlt gelten, denn in den Einkommenssteuerrichtlinien R 115 Abs. 2 Satz 2 werden diese sonstigen Bezüge als einmalige Arbeitslohnzahlungen definiert. Die Kammer folgt der Entscheidung des LSG insbesondere deshalb, weil auch dieses Gericht darauf abstellt, dass die Verweisungsnorm § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG lediglich dazu dient, laufenden Arbeitslohn und sonstige Bezüge einem bestimmten Kalenderjahr zuzuordnen und den Zeitpunkt des Zuflusses zu bestimmen. Zutreffend weist das Gericht darauf hin, dass für die Ermittlung des Einkommens, das durch die vorübergehende Aufgabe einer Beschäftigung ausfällt und durch das Elterngeld (teilweise) ersetzt werden soll, diese Unterscheidung vollkommen unerheblich ist.
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber diese Einkommensbestandteile als "sonstige Bezug" bezeichnet hat (LSG, Berlin-Brandenburg, am angegebenen Ort), denn welche Gründe für diese Bezeichnung des Entgeltbestandteils geführt haben, bleibt unerheblich. Es mag durchaus sein, wie die Klägerin meint, dass es steuerrechtliche Gründe gewesen sind.
Denn durch das Elterngeld soll das während der Betreuung und Erziehung des Kindes ausfallende Einkommen (weitgehend bzw. teilweise) ersetzt werden, das vorher regelmäßig erzielt wurde. Dazu zählen zwar jährlich einmalig geleistete Zahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld oder Gratifikationen und Prämien wohl nicht, demgegenüber jedoch ohne Verschulden der Klägerin erst verspätet ausgezahltes Arbeitsentgelt. Zur Auffassung der Kammer können keine Zweifel daran bestehen, das es sich bei den Nachzahlungen, die im Übrigen auch zunächst als solche ausgewiesen wurde, um Arbeitsentgelt handelt, nämlich um die 6%-ige Erhöhung der Vergütung rückwirkend ab Mai 2005. Wäre die Erhöhung rechtzeitig erfolgt, hätte die Klägerin ab diesem Zeitpunkt jeden Monat eine höhere Vergütung erhalten. Tatsächlich ist ihr diese Erhöhung jedoch erst im Dezember 2006 und Januar 2007 zugeflossen, mithin in den Kalendermonaten, die für die Berechnung des Elterngeldes herangezogen worden sind. Auch wenn diese Nachzahlungen auch die Monate von Mai bis Oktober 2005 beinhalten, bei einer zeitgerechten Zahlung also nicht berücksichtigt worden wären, so sind sie doch als Nachzahlung im Bemessungszeitraums aufgrund des Zuflussprinzips bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen. Denn die Klägerin hat tatsächlich diese Erhöhungsbestandteile ihres Entgeltes nicht in den Monaten Mai bis Oktober 2005 erhalten sondern erst im Dezember 2006 und Januar 2007.
Nach allem war der angefochtene Bescheid vom 4. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die im Dezember 2006 und Januar 2007 zugeflossenen Nachzahlungen als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Vorsitzende der 1. Kammer gez. Klingauf Direktor des Sozialgerichts
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