L 1 R 197/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 113/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 197/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
SGB 6, Beitragsbemessungsgrenze
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 5. April 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Der Kläger streitet mit der Beklagten darüber, ob bei der Rentenberechnung Entgelte über der Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen sind.

Die Beklagte gewährte dem 1940 geborenen Kläger mit Bescheid vom 18. Mai 1993 ab dem 1. Januar 1992 Rente wegen Berufsunfähigkeit und mit Bescheid vom 1. August 1994 ab dem 1. Januar 1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 10. Juni 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 1. Juli 2005 in Höhe von 1.375,63 Euro brutto. Der Rentenberechnung legte sie für den Zeitraum vom 1. März 1971 bis Ende Dezember 1990 nur Entgelte in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zugrunde, obwohl die Entgelte des Klägers nach Hochwertung mit den Faktoren der Anlage 10 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) im gesamten genannten Zeitraum über der Beitragsbemessungsgrenze lagen.

Am 6. Juli 2005 beantragte der Kläger die Überprüfung seiner Altersrente und führte aus, die Beklagte habe seine Zahlungen gemäß der Verordnung über die freiwillige Versicherung auf Zusatzrente bei der Sozialversicherung der DDR vom 15. März 1968 (GBl DDR II, 154 (VO 1968)) für den Zeitraum vom 1. Juni 1970 bis zum 31. Dezember 1970 nicht berücksichtigt; zudem finde die Regelung des § 256a Abs. 3 SGB VI nicht seine Zustimmung.

Die Beklagte wertete diesen Überprüfungsantrag als Widerspruch und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2006 zurück. Die Zahlung freiwilliger Beiträge nach der VO 1968 sei für die Zeiten vor dem 1. März 1971 nicht nachgewiesen. Für diese Zeiten habe sie daher nur das tatsächlich nachgewiesene Arbeitsentgelt berücksichtigen können. Die Vorschriften zur Berechnung von Renten sähen die Berücksichtigung von Entgelten im Beitrittsgebiet höchstens bis zu der jeweils in den alten Bundesländern geltenden Beitragsbemessungsgrenze vor.

Am 18. Juli 2006 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Stendal (SG) Klage erhoben. Es sei zu prüfen, ob die Beklagte seine erworbenen Ansprüche oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze kappen dürfe. Mit Gerichtsbescheid vom 5. April 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 6. August 2002, 1 BvR 586/98) Bezug genommen, wonach die Berücksichtigung der Arbeitsentgelte nur bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze nicht zu beanstanden sei.

Gegen den ihm am 17. April 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. Mai 2007 bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Er hat ausgeführt: Es seien die nachgewiesene Beiträge gemäß der VO 1968 für den Zeitraum vom 1. Juni 1971 bis zum 28. Februar 1972 anzuerkennen und die daraus resultierende, zu wenig gezahlte Rente nachzuzahlen. Im Hinblick auf die Anrechnung der Beiträge nach der VO 1968 sei eine Einzelfall- bzw. Härtefallentscheidung zu seinen Gunsten zu treffen. Hier müsse sein Vermögen und sein Vertrauen geschützt werden. Einem Schreiben der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vom 2. April 1991 (Anlage 1 zur Berufungsbegründung) sei zu entnehmen, dass die Beklagte ihm zugesichert habe, alle zusätzlichen Beiträge würden nicht durch die Beitragsbemessungsgrenze beschnitten. Die Beklagte habe sich ihm gegenüber verpflichtet, alle eingezahlten Beiträge bei der Berechnung seiner Rentenansprüche zu berücksichtigen. In diesem Schreiben sei von einer Beitragsbemessungsgrenze keine Rede. Auch aus einem Schreiben der Überleitungsanstalt Sozialversicherung vom 26. März 1991 (Anlage 10 zur Berufungsbegründung) folge eine solche Zusicherung. Aus einem weiteren Schriftstück vom 1. März 1991 ergebe sich ebenfalls eine Zusicherung, denn auch in diesem Schriftstück sei von der Beitragsbemessungsgrenze keine Rede.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 5. April 2007 aufzuheben und

2. die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 10. Juni 2005 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2006, geändert durch Bescheid vom 3. April 2008, zu verurteilen, die Rentenberechnung unter zusätzlicher Berücksichtigung der von ihm gezahlten Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung und zur Verordnung von 1968 ohne Beachtung der Beitragsbemessungsgrenze durchzuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 5. April 2007 zurückzuweisen.

Sie verteidigt den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid. Eine Zusicherung scheide wegen des fehlenden Verpflichtungswillens im konkreten Einzelfall aus.

Am 9. Mai 2007 hat der Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag gestellt und in diesem Zusammenhang Nachweise über die Zahlung freiwilliger Beiträge in Höhe von 350,00 Mark für die Zeit vom 1. Juli 1970 bis zum 31. Dezember 1970 und in Höhe von 10,00 Mark für die Zeit vom 1. Januar 1971 bis zum 28. Februar 1971 vorgelegt. Die Beklagte hat daraufhin die Zahlung dieser Beiträge anerkannt (Schreiben vom 22. Januar 2008) und ihre Verwaltungsentscheidung mit Rentenbescheid vom 3. April 2008 korrigiert. Die Neuberechnung hat jedoch zu keiner Veränderung des Zahlbetrags der Rente geführt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte nach Zustimmungserklärungen der Beteiligten gemäß §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2005 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 2006 und ihres Bescheides vom 3. April 2008 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Das SG hat die dagegen gerichtete Klage deshalb zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat im streitigen Zeitraum Entgelte entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere in Anwendung von § 256a Abs. 3 SGB VI im Versicherungsverlauf des Klägers berücksichtigt. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die versicherten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28. April 1999 – 1 BvL 32/95 – juris, Rn. 136). Die Erstreckung der Beitragsbemessungsgrenze auf die überführten Leistungen ist durch die Entscheidung zugunsten der verfassungsrechtlich zulässigen Eingliederung in die Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland vorgeprägt und könnte nicht entfallen, ohne dass das Rentensystem gesprengt würde (Bundesverfassungsgericht a. a. O.). Auch fiktive Verdienste, die ausgehend von ursprünglich nach der VO 1968 in Mark der DDR entrichteten Beiträge errechnet, auf DM aufgewertet und mittels der Anlage 10 zum SGB VI auf das Niveau der westlichen Arbeitsverdienste hochgewertet wurden, können der Rentenversicherung nach dem SGB VI nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze (West) zugrunde gelegt werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 16. November 2000 – B 4 RA 72/00 R – juris). Der Senat hat sich den genannten Entscheidungen bereits mehrfach angeschlossen (vgl. z.B. Urteil vom 18. März 2010 - L 1 R 55/08 -).

Aus den Schreiben der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vom 2. April 1991, der Überleitungsanstalt Sozialversicherung vom 26. März 1991 sowie der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vom 1. März 1991 folgt kein Anspruch des Klägers auf eine Berücksichtigung der die Beitragsbemessungsgrenze übersteigenden Entgelte. Eine Zusicherung nach § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) muss sich auf einen bestimmten Verwaltungsakt, hier also die konkrete Rentenberechnung und Rentenbewilligung, beziehen (vgl. Engelmann, in: von Wulffen, Kommentar SGB X, 5. Auflage, § 34 Rn. 3). Im Schreiben der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vom 2. April 1991 geht es um die Frage einer vom Kläger beantragten Rückzahlung von Beiträgen. Hinsichtlich der Berechnung einer Rente wird nicht mitgeteilt, dass Entgelte über der Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt würden. Auch in dem Schreiben der Überleitungsanstalt Sozialversicherung vom 26. März 1991 und in dem Schreiben der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vom 1. März 1991 ist – wie der Kläger selbst vorträgt – von der Beitragsbemessungsgrenze keine Rede. Im Schreiben vom 26. März 1991 wird vielmehr darauf hingewiesen, dass der Kläger sich den Rentenanspruch anhand der Tabellen selbst errechnen könne. Ob sich eine weitere Beitragszahlung für eine Zusatzrente lohne, solle der Kläger – laut dem Schreiben vom 26. März 1991 – selbst entscheiden. Auch aus dem Schreiben vom 1. März 1991 geht keine Zusicherung hervor. Zwar wird dort ausgeführt, dass die eingezahlten Beiträge auch künftig bei der Berechnung der Rentenansprüche berücksichtigt würden. Jedoch wird nicht konkret festgestellt, in welcher Höhe etwaige Beiträge berücksichtigt werden müssten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und unter Berücksichtigung der Wertungen der §§ 92 Abs. 2, 93 Zivilprozessordnung. Die im Berufungsverfahren abgegebene Erklärung der Beklagten, weitere freiwillige Beiträge anzuerkennen, und der daraufhin ergangene Bescheid vom 3. April 2008 führen nicht dazu, dass die Beklagte dem Kläger einen Teil seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten hätte. Der Kläger hat erst während des Berufungsverfahrens bei der Beklagten Unterlagen eingereicht, wonach diese zusätzlichen Beiträge festgestellt werden konnten. Die Beklagte hat daraufhin ein sofortiges Anerkenntnis abgegeben. Der Kläger hat dieses Anerkenntnis zwar nicht ausdrücklich angenommen, aber im weiteren Berufungsverfahren dieses Begehren nicht weiter verfolgt. Er hat dieses Begehren insbesondere nicht mehr in seinem mit Schriftsatz vom 4. September 2009 mitgeteilten Antrag eingestellt. Der wegen der zusätzlichen Beiträge erlassene Rentenbescheid vom 3. April 2008 führte schließlich nicht zu einer Änderung des Zahlbetrags der Rente.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved